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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Gerichtsbescheid verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 4 K 80/09
Rechtsgebiete: VO 2988/95/EWG, AO, BGB


Vorschriften:

VO 2988/95/EWG Art. 3 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2
BGB § 195
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rückforderung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Die Klägerin führte im August 1995 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000 in die Türkei aus, für die ihr das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 23.11.1995 antragsgemäß Ausfuhrerstattung gewährte. Nachdem das Hauptzollamt für Prüfungen A festgestellt hatte, dass die Klägerin für die vorgenannte Ausfuhr auch zwei vor dem 1.7.1995 ausgestellte Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Erstattung vorgelegt hatte, in denen als Bestimmungsland in Feld 7 unverbindlich Libanon angegeben war, forderte das beklagte Hauptzollamt mit Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 einen Teil der gewährten Ausfuhrerstattung in Höhe von EUR 2.506,92 mit der Begründung zurück, dass sie für diesen Teil der Ausfuhrsendung lediglich den vor dem 1.7.1995 gültigen und im Voraus festgesetzten Erstattungssatz beanspruchen könne, der für die Türkei nicht 90 ECU/100kg - so wie im Bescheid vom 23.11.1995 zugrunde gelegt -, sondern lediglich 60 ECU/kg betragen habe.

Den von der Klägerin gegen den Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 gerichteten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt in der Folgezeit mit Einspruchsentscheidung vom 13.5.2002 zurück.

Mit ihrer am 13.6.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie wendet u.a. ein, dass der vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachte Rückforderungsanspruch verjährt sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Berichtigungsbescheid vom 22.10.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.5.2002 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt verteidigt die angefochtenen Bescheide und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Dem auf die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 1 351/1, im Folgenden: VO Nr. 3665/87) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABl. Nr. 1 310/57), diese in der Fassung der Berichtigung gemäß ABl. vom 16. Juni 1995 Nr. 1 132/22, und in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1384/95 der Kommission vom 19. Juni 1995 (ABl. Nr. 1 134/14), gestützten Rückforderungsanspruch des beklagten Hauptzollamtes steht der Eintritt der Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. 1 312/1, im Folgenden: VO Nr. 2988/95) entgegen (hierzu unter 1.). Das nationale Recht sieht in Bezug auf den in Rede stehenden Rückforderungsanspruch keine längeren Verjährungsfristen vor (hierzu unter 2.). Insoweit merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

1. Dem vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachten Rückforderungsanspruch steht die Einrede der Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 entgegen.

In Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 ist bestimmt, dass die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 beträgt, wobei als Unregelmäßigkeit jeder Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gilt, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe (vgl. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95).

Dass die Verjährungsvorschrift des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 auch auf eine - wie hier - Fallkonstellation anwendbar ist, die die Rückforderung einer nach Auffassung des beklagten Hauptzollamtes zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattung betrifft, ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des erkennenden Senats seit langem anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 24.6.2004, C-278/02, [...]; FG Hamburg, Urteil vom 21.4.2005, IV 160/03, [...]). In seinem Urteil vom 25.9.2008 (C-278/07, [...]) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften diese Rechtsauffassung bekräftigt und betont, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die Rückforderung einer Ausfuhrerstattung anwendbar sei, die der Ausführer infolge von Unregelmäßigkeiten zu Unrecht erlangt habe (Rz. 48, Leitsatz 1). Der Europäische Gerichtshof hat zudem in seinem Urteil vom 25.9.2008 (C-278/07) klargestellt, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist auch auf Unregelmäßigkeiten anzuwenden sei, die vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung begangen worden seien (Rz. 48, Leitsatz 2 1. Spiegelstrich). Auch dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 19.9.2005, IV 229/03, [...]; Urteil vom 21.4.2005, IV 169/03, [...]; vgl. auch EuGH, Urteil vom 13.3.2003, T-125/01, [...]).

Hinsichtlich des Streitfalles begann die vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 spätestens mit Bewilligung der Ausfuhrerstattung im November 1995. Sie war folglich bei Erlass des in Rede stehenden Rückforderungsbescheides vom 22.10.2001 bereits abgelaufen. Dass in nicht verjährter Zeit eine Unterbrechung der Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 2988/95 eingetreten ist, vermag der Senat nicht zu erkennen und wird im Übrigen auch vom beklagten Hauptzollamt nicht eingewandt. Das beklagte Hauptzollamt räumt insoweit vielmehr ausdrücklich ein, dass die vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 sowohl im Mai 2000 - bei Übergabe des Entwurfs der Betriebsprüfungsberichtes des Hauptzollamtes für Prüfungen A - als auch im Dezember 1999 - bei Bekanntgabe der einzelnen Prüfungsfeststellungen des Hauptzollamtes für Prüfungen A gegenüber einem Mitarbeiter der Klägerin - abgelaufen gewesen sei (vgl. Bl. 48 der Gerichtsakte).

2. Das nationale Recht sieht in Bezug auf den in Rede stehenden Rückforderungsanspruch keine längeren Verjährungsfristen vor.

Freilich ist dem beklagten Hauptzollamt zuzugeben, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 auch geregelt hat, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, eine längere Frist als die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist anzuwenden. Mit Blick auf diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25.9.2008 (C-278/07) ausgeführt, dass die längeren Verjährungsfristen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 weiterhin anwenden dürften, sich auch aus Auffangregelungen ergeben könnten, die dem Erlass der Verordnung Nr. 2988/95 vorausgingen (Rz. 48, Leitsatz 2 2. Spiegelstrich). Diese Antwort des Europäischen Gerichtshofs auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 27.3.2007, VII R 22/06) erklärt sich vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem beklagten Hauptzollamt für die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen infolge von Unregelmäßigkeiten die vor Erlass der Verordnung Nr. 2988/95 begangen wurden nach dem bis zum Ende des Jahres 2001 geltenden § 195 BGB (im Folgenden: BGB a.F.) eine Dreißig-Jahres-Frist zur Verfügung steht (vgl. BFH, Vorabentscheidungsersuchen vom 27.3.2007, VII R 22/06, [...]; Urteil vom 7.5.2002, VII R 5/01, [...]). Dieser vom Bundesfinanzhof weder in dem Vorabentscheidungsersuchen vom 27.3.2007 (VII R 22/06, [...]) noch in seinem Urteil vom 7.5.2002 (VII R 5/01, [...]) näher begründeten Rechtsauffassung vermag sich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen. Vielmehr hält der Senat insoweit dafür, dass dem beklagten Hauptzollamt auch nach nationalem Recht in entsprechender Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO lediglich eine Vier-Jahres-Frist zur Verfügung stünde mit der Folge, dass die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist nicht durch eine vom Mitgliedstaat geregelte längere Verjährungsfrist verdrängt wird:

Es ist allgemein anerkannt, dass die Anspruchsverjährung ein nicht nur dem Bürgerlichen Recht angehörender Rechtsgedanke ist; er findet seine Rechtfertigung vielmehr auch im öffentlichen Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1984, 3 C 86/82, [...]; BVerwG, Urteil vom 4.10.1994, 1 C 41/92, [...]) und damit auch im Ausfuhrerstattungsrecht, das Teil des öffentlichen Rechts ist. Das Rechtsinstitut der Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem es Ansprüche, die über geraume Zeit hinweg nicht geltend gemacht werden, den Streit entzieht. Das Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) enthält allerdings keine Verjährungsregelung für die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen. In § 12 MOG werden zwar die Vorschriften der Abgabenordnung für den Bereich der Abgaben für Marktordnungszwecke für anwendbar erklärt. Ausfuhrerstattungen stellen indes Ausfuhrsubventionen dar, die den Abgaben für Marktordnungszwecke gerade nicht unterfallen.

Nach welchen Regeln sich die Verjährung richtet, ist, wenn - wie hier - spezielle Vorschriften des einschlägigen Fachrechts fehlen, im Wege der Analogie zu entscheiden. Dabei ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelung als die "sachnächste" analog heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.12.2008, 3 C 20/08 u. 3 C 37/07, [...]; BVerwG, Urteil vom 4.10.1994, 1 C 41/92, [...]). Es besteht kein Anwendungsvorrang für die Verjährungsnormen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch nicht für die dort vorgesehene Regelverjährung des § 195 BGB a.F. (BVerwG, Urteile vom 11.12.2008, 3 C 20/08 u. 3 C 37/07, [...]; BVerwG, Urteil vom 4.10.1994, 1 C 41/92, [...]); letztere ist vielmehr - wenn überhaupt - erst maßgeblich, wenn speziellere Verjährungsfristen, sei es aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, sei es aus anderen gesetzlichen Normierungen, nicht analogiefähig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1984, 3 C 86/82, [...]; BVerwG, Urteil vom 15.12.1967, 6 C 98/65, [...]). Allein der Umstand, dass im Streitfall Spezialregelungen der Verjährung im Marktordnungsrecht fehlen, führt mithin nicht dazu, dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs "mangels Einschlägigkeit anderer Regelungen die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren" gemäß § 195 BGB a.F. Anwendung findet (in diesem Sinne aber noch FG Hamburg, Urteil vom 22.11.2000, IV 835/97, [...]).

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann auch der Umstand, dass im Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen keine Verjährungsregelungen für die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen normiert sind, nicht als ein "beredtes Schweigen" des Gesetzgebers verstanden werden mit der Folge, dass die 30-Jahresfrist des § 195 BGB a.F. zur Anwendung kommt. Ein "beredtes Schweigen" des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber etwas nicht geregelt hat, weil er dies nicht regeln wollte. Vorliegend lässt sich indes weder ein gesetzgeberischer Wille, eine Verjährung für die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen nicht zuzulassen, noch der Wille, die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. zur Anwendung zu bringen, feststellen. Angesichts dieses Befundes hat sich der Inhalt der erforderlichen Analogie - wie bereits bemerkt - allein nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung - das ist in concreto das Ausfuhrerstattungsrecht - und der Interessenlage der Beteiligten im Ausfuhrerstattungsgeschäft auszurichten.

Unter Berücksichtigung der vorstehend beschriebenen Maßgaben hat sich der erkennende Senat bei der im Streitfall erforderlichen Analogie zunächst von der Erwägung leiten lassen, dass der in Rede stehende Rückforderungsanspruch seiner Rechtsnatur nach ein öffentlich-rechtlicher Anspruch ist; schon dieser Umstand legt eine entsprechende Anwendung öffentlich-rechtlicher und nicht zivilrechtlicher Verjährungsvorschriften nahe. Des Weiteren ist im zu prüfenden Kontext zu berücksichtigen, dass zu erstattende Ausfuhrerstattungen durch Bescheid festgesetzt werden. Auch dieses Verfahren der Erhebung der zu erstattenden Ausfuhrerstattungen durch Verwaltungsakt spricht gegen eine Anwendung der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, gleich ob es um die Regelverjährungsfrist des § 195 BGB a.F. oder um eine kürzere Verjährungsfrist nach § 196 oder § 197 BGB a.F. geht. Denn die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sind, was vor allem die Vorschrift des § 198 BGB a.F. deutlich macht, nicht auf die Besonderheiten der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs durch Bescheid zugeschnitten. Nach § 198 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs, worunter im Zivilrecht regelmäßig der Fälligkeitszeitpunkt verstanden wird (vgl. bereits BGH, Urteil vom 17.2.1971, VIII ZR 4/70, [...]; OLG Koblenz, Urteil vom 12.3.2008, 1 U 1049/07, [...]). In diesem Sinne fällig und damit gegenüber dem Verpflichteten gerichtlich bzw. - im öffentlichen Recht - durch Verwaltungsakt durchsetzbar ist der Anspruch auf Rückforderung der Ausfuhrerstattung indes erst mit Erlass des Rückforderungsbescheides, was zur Folge hätte, dass bei Heranziehung der Regelung des § 195 BGB a.F. bzw. einer der in § 196 oder § 197 BGB a.F. normierten kürzeren Fristen der Anspruch auf Rückforderung erst 30 Jahre bzw. 2 oder 4 Jahre nach Zugang des Erstattungsbescheides verjähren würde. Eine Anwendung der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches würde damit letztlich zu einer Unverjährbarkeit des Rückforderungsanspruchs führen, was ersichtlich nicht befriedigen kann.

Der erkennende Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die dreißigjährige Regelverjährung des § 195 BGB a.F. Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist (in diesem Sinne aber BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, 3 C 20/08, [...]). Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt die allgemeine Kodifizierung des deutschen Zivilrechts dar , das am 1.1.1900 in Kraft trat; es regelt Rechtsbeziehungen allein zwischen Privatpersonen. Die Mitglieder der Kommissionen, die nunmehr vor über einhundert Jahren das Bürgerliche Gesetzbuch berieten, konnten schon angesichts dieses zeitlichen Hintergrundes mit der Vorschrift des § 195 BGB a.F. keinen allgemeinen, auch für das öffentliche Recht und namentlich das Ausfuhrerstattungsrecht Geltung beanspruchenden Rechtsgedanken verbunden haben.

Demgegenüber ließen sich sachgerechte und die Interessenlage der Beteiligten hinreichend berücksichtigende Ergebnisse durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung, die ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, erzielen. Denn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen unabhängig von ihrer Festsetzung, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Der Lauf der Verjährungsfrist setzt nicht erst mit der Fälligkeit, sondern bereits mit der Entstehung des abstrakten Steueranspruchs ein. Die in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO normierte regelmäßige Verjährungsfrist von vier Jahren berücksichtigt auch hinreichend die Interessenlage der Beteiligten im Ausfuhrerstattungsgeschäft. Sie belässt nämlich einerseits dem beklagten Hauptzollamt genügend Zeit, etwa im Rahmen von Marktordnungsprüfungen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Gewährung von Ausfuhrerstattungen nachzugehen, kommt andererseits aber auch dem berechtigten Interesse des Ausführers an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit entgegen. Da der Tatbestand der Unregelmäßigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 bereits und auch bei einem nur objektiven, dem Ausführer subjektiv nicht vorwerfbaren Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung erfüllt ist, hat sich entgegen im Schrifttum vereinzelt geäußerter Auffassung die Länge einer Verjährungsfrist nicht ausschließlich oder vornehmlich an dem bösgläubigen Erstattungsbeteiligten auszurichten (in diesem Sinne aber Krüger, ZfZ 2009, 105, 107), vielmehr muss die Länge einer Verjährungsfrist auch für einen gutgläubigen redlichen Ausführer billig und angemessen sein. Dem Risiko, über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten Rückforderungsansprüchen seitens des beklagten Hauptzollamtes ausgesetzt zu sein, könnte der redliche Ausführer letztlich nur mit der Bildung von Rückstellungen begegnen, die steuerrechtlich aber nicht zulässig wären. Auch wenn die Ausfuhrerstattung eine Exportsubvention darstellt, bleibt sie für den Ausführer eingebettet in ein Handelsgeschäft, das nach angemessener Frist als abgewickelt zu gelten hat.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt im zu betrachtenden Kontext hinzu: Der Ausführer hat aufgrund nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben Aufbewahrungsfristen zu beachten (vgl. etwa § 13 Abs. 2 und § 6 Abs. 6 Ausfuhrerstattungsverordnung vom 24.5.1996, BGBl. I 1996, 766). Diese Aufbewahrungsfristen dienen ebenso wie die Verjährungsfristen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit; einerseits verpflichten sie den Ausführer, Unterlagen und Dokumente vorzuhalten, um der Behörde die Kontrolle und Überprüfung von Sachverhalten zu ermöglichen und zu erleichtern, andererseits dienen sie aber auch dem Schutz des Ausführers, der Ausführer soll Unterlagen nicht unzumutbar lange vorsorglich aufbewahren müssen. Diese Funktion der Aufbewahrungsfristen erhellt, dass Aufbewahrungs- und Verjährungsfristen zwar nicht völlig kongruent, jedoch kompatibel sein müssen.

Ist nach alledem davon auszugehen, dass auf die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen nach nationalem Recht nicht die Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern die Vorschrift des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend anzuwenden sind, so steht hinsichtlich des Streitfalles zugleich fest, dass der nationale Gesetzgeber keine im Sinne des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 längere als in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist normiert hat. Dass die vierjährige Festsetzungsverjährung gemäß § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich (erst) mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz. Nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 behalten die Mitgliedstaaten allein die Möglichkeit, eine längere (Verjährungs-)Frist als die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist anzuwenden. Den Beginn der Verjährungsfrist hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber dagegen abschließend in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 mit der "Begehung der Unregelmäßigkeit" festgelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hat der Senat die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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