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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 4 V 201/06
Rechtsgebiete: FGO, VO Nr. 3665/87/EWG


Vorschriften:

FGO § 69
VO Nr. 3665/87/EWG Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b
VO Nr. 3665/87/EWG Art. 18 Abs. 1 Buchst. a
VO Nr. 3665/87/EWG Art. 18 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 V 201/06

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung eines Rückforderungs- und Sanktionsbescheides ohne Sicherheitsleistung.

Die Antragstellerin führte im Januar 1996 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000 in die Türkei aus. Für diese Erzeugnisse gewährte ihr der Antragsgegner antragsgemäß Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt DM 726.162,76. Nachdem die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Rahmen einer Prüfung der Kontroll- und Überwachungsgesellschaft ... mbH - im Folgenden K - zu dem Ergebnis gelangt war, dass die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung über die Entladung und Überführung in den freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 nicht auf einer Vorortkontrolle durch die K beruhte, sondern nachträglich ausgestellt wurde, forderte der Antragsgegner die der Antragstellerin gewährte Ausfuhrerstattung unter gleichzeitiger Festsetzung einer Sanktion in Höhe von DM 363.081,38 mit Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 zurück.

Den gegen den Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 gerichteten Einspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 zurück. Die gegen die Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 am 15.8.2003 erhobene Klage ist beim Finanzgericht Hamburg unter dem Az. 4 K 209/03 anhängig.

In der Folgezeit setzte der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 3.5.2006 - u.a. auch - die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheides vom 23.2.2000 ohne Sicherheitsleistung aus; mit Bescheid vom 17.7.2006 widerrief der Antragsgegner sodann die der Antragstellerin gewährte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung und machte nunmehr die Aussetzung der Vollziehung von der Leistung einer Sicherheit abhängig; auf die Begründung des Bescheides vom 17.7.2006 wird Bezug genommen. Den von der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 17.7.2006 erhobenen Einspruch wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 20.9.2006 zurück.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin sodann mit, dass er mit seiner Forderung aus dem Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 über insgesamt EUR 557.339,84 (einschließlich geltend gemachter Zinsen) gegen verschiedene, im einzelnen aufgelistete Forderungen der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 597.463,46 aufrechne.

Die Antragstellerin hat am 20.10.2006 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie meint, der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, die ihr gewährte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu widerrufen. Der Antragsgegner habe mit Bescheid vom 3.5.2006 die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt. Die diesem Aussetzungsbescheid vom 3.5.2006 zugrunde liegende Sach- und Rechtslage habe sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Der Antragsgegner gehe selbst davon aus, wie die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 20.9.2006 zeige, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 bestünden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er bezieht sich auf die Gründe der angegriffenen Bescheide.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 V 201/06 und 4 K 209/03 Bezug genommen.

II.

Der gemäß § 69 Abs. 3 FGO zulässige Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung führt zum Erfolg.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 7 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur Beschluss vom 26.8.2004 - V B 243/03 -, juris; Beschluss vom 23.8.2004 - IV S 7/04 -, juris). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.4. 2004 - VI B 43/04 -, juris; Beschluss vom 20.5.1997 - VIII B 108/96 -, juris). Sie kann vielmehr sogar dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschluss vom 23.8.2004 - IV S 7/04 -, juris). Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Steuer- bzw. Abgabenpflichtige glaubhaft zu machen (vgl. BFH, Beschluss vom 23.8.2000 - VII B 145/00 -, juris).

Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von der Antragstellerin angefochtenen Rückforderungs- und Sanktionsbescheides (hierzu unter 1.). Der beschließende Senat hält hinsichtlich des Streitfalles auch eine Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung für geboten (hierzu unter 2.).

1. Nach Auffassung des Senats bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von der Antragstellerin angefochtenen Rückforderungs- und Sanktionsbescheides vom 23.2.2000.

a) Als Rechtsgrundlage für den in Rede stehenden Rückforderungsbescheid kommt vorliegend allein die Bestimmung des Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABlEG Nr. 1 351/1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABlEG Nr. 1 310/57) - im Folgenden: VO Nr. 3665/87 - in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die auf alle Ausfuhren ab dem 1.4.1995 anzuwenden ist (vgl. nur BFH, Beschluss vom 23.8.2000 - VII B 145/00 -, juris), hat der Begünstigte zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzuzahlen. Dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt sind, vermag der beschließende Senat zurzeit nicht festzustellen, im Gegenteil: Nach summarischer Prüfung sprechen gewichtige Gründe für eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rückforderungsbescheides.

Der Gemeinschaftsverordnungsgeber hat in Art. 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 geregelt, dass die Zahlung differenzierter Ausfuhrerstattung, um die es hier unstreitig geht, von dem Nachweis abhängig ist, dass das Erzeugnis in unverändertem Zustand innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung in das Drittland eingeführt worden ist, wobei das Erzeugnis als eingeführt gilt, wenn die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in dem betreffenden Drittland erfüllt sind (vgl. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 3665/87). Der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr erfolgt nach Wahl des Ausführers durch Vorlage entweder des jeweiligen Zolldokuments (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 3665/87) oder einer Bescheinigung über die Entladung und Abfertigung zum freien Verkehr, ausgestellt von einer von der Kommission zugelassenen internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b VO Nr. 3665/87).

Vorliegend hat die Antragstellerin im Juli 1996 und damit innerhalb der 12-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 eine Bescheinigung über die Entladung und Abfertigung zum freien Verkehr nach Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 3665/87, ausgestellt von der K, die als internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft zugelassen ist, eingereicht. Dass diese Bescheinigung vor dem Hintergrund der Ermittlungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (vgl. Bericht vom 28.9.1999, Bl. 98 ff der Gerichtsakte 4 K 209/03) nicht als Primärnachweis im Sinne des Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 3665/87 anzuerkennen ist, vermag der beschließende Senat zum Zeitpunkt des Ergehens dieser gerichtlichen Entscheidung verantwortlich nicht festzustellen.

Es ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass der für die Zahlung differenzierter Erstattung erforderliche Nachweis der Erfüllung der Einfuhrzollförmlichkeiten nur erbracht wird, wenn der Ausführer innerhalb der maßgeblichen Vorlagefristen Dokumente beibringt, die die einen Primär- bzw. Sekundärnachweis (vgl. Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 3665/87) konstituierenden Merkmale aufweisen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 24.2.2006 - IV 219/03 -; juris). Welche Merkmale für einen Primär- bzw. Sekundärnachweis konstituierend sind, ergibt sich aus den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Normierungen. Insoweit hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 18 Abs. 1 lit. b VO Nr. 3665/87 geregelt, dass von einer internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft die "Entladung und Abfertigung zum freien Verkehr" zu bescheinigen (Satz 1) sowie "Datum und Nummer des Zollpapiers über die Abfertigung zum freien Verkehr" auf der Bescheinigung zu vermerken sind (Satz 2). Diesen Anforderungen dürfte die von der Antragstellerin eingereichte Bescheinigung der K genügen. Das streitgegenständliche K-Zertifikat weist insbesondere die Ankunft der Erzeugnisse am Entladeort sowie den Beginn und das Ende der Entladung aus und enthält Angaben zur Mengenkontrolle sowie zur Verladung der Tiere auf LKW. Außerdem sind in der Bescheinigung das Datum und die Nummer des Zollpapiers über die Abfertigung der Tiere zum freien Verkehr vermerkt.

Dass im Streitfall die von der Antragstellerin beauftragte internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft keine Vorortkontrolle durchgeführt hat, dürfte aller Voraussicht nach nicht zur Folge haben, dass dem von der K ausgestellten Zertifikat die Anerkennung als Primärnachweis zu versagen ist. Denn der Gemeinschaftsverordnungsgeber hat in der Verordnung Nr. 3665/87 selbst nicht geregelt, dass eine internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft einen Primärnachweis nach Art. 18 Abs. 1 lit. b VO Nr. 3665/87 nur ausstellen darf, wenn in Bezug auf die einzelne Ausfuhrsendung auch eine Vorortkontrolle durch die internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft durchgeführt worden ist. Allerdings kann der Umstand, dass die internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft keine Vorortkontrolle durchgeführt hat, Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Primärnachweises begründen, stellt doch jeder Primärnachweis im Sinne des Art. 18 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 3665/87 lediglich ein widerlegbares Indiz dafür dar, dass das Ziel der differenzierten Erstattung - scil. dass die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslandes gelangt sind - tatsächlich erreicht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 31.3.1993 - C-27/92 -, juris; FG Hamburg, Urteil vom 26.1.2006 - IV 106/05 -, juris; FG Hamburg, Urteil vom 21.7.2005 - IV 51/04 - juris). Im vorliegenden Zusammenhang ist insoweit freilich zu berücksichtigen, dass die Beteiligten nicht um die Gewährung, sondern um die Rückforderung von Ausfuhrerstattung streiten. Es ist indes in der Rechtsprechung des Senats seit langem geklärt, dass dem Ausführer lediglich die Beweislast für das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Gewährung der Ausfuhrerstattung obliegt (vgl. nur FG Hamburg, Urteil vom 9.2.2003 - IV 85/99 -, juris), während dem Hauptzollamt außerhalb des Anwendungsbereiches des § 11 MOG uneingeschränkt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rückforderung, d.h. für das Fehlen der Voraussetzungen für die Ausfuhrerstattung zukommt (vgl. etwa FG Hamburg, Urteil vom 21.9.2004 - IV 208/01 -, juris). Diese grundsätzliche Beweislastverteilung dürfte die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgeblich beeinflussen. Bis zum Zeitpunkt des Ergehens dieser gerichtlichen Entscheidung hat der Antragsgegner jedenfalls keine Tatsachen vorgebracht, die geeignet wären, den Zugang der von der Antragstellerin ausgeführten Erzeugnisse ernstlich zweifelhaft erscheinen zu lassen. Der Umstand allein, dass die K keine Vorortkontrolle durchgeführt hat, erachtet der beschließenden Senat als nicht ausreichend, zumal die Antragstellerin zwischenzeitlich - wenn auch lediglich in Kopie und nicht beglaubigt - ein Verzollungsdokument eingereicht hat, das - soweit ersichtlich - die streitgegenständlichen Erzeugnisse zum Gegenstand haben dürfte.

b) Angesichts der vorstehenden Erörterungen bestehen auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin ebenfalls angefochtenen Sanktion.

2. Der beschließende Senat hält hinsichtlich des Streitfalles auch eine Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung für geboten.

Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung stellt gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO eine Ermessensentscheidung dar, die im Falle des gerichtlichen Antrags auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung das Gericht originär zu treffen hat; das Gericht ist hierbei mithin nicht auf die Überprüfung der Entscheidung der Verwaltung beschränkt. Die zu treffende Ermessensentscheidung hat sich regelmäßig am Zweck der Sicherheitsleitung zu orientieren, nämlich Steuer- und Abgabenausfälle bei einem für den Steuer- bzw. Abgabenpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang zu vermeiden (vgl. BFH, Beschluss vom 13.12.1999 - III B 15/99 -, juris; Beschluss vom 31.1.1997 - X S 11/96 -, juris; Beschluss vom 17.1.1996 - V B 100/95 -, juris). Die Gefahr von Steuerausfällen kann insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bestehen (vgl. BFH, Beschluss vom 17.1.1996 - V B 100/95 -, juris), wobei die Sicherheitsleistung ausschließlich vor einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse schützen soll (vgl. Dumke, in: Schwarz, FGO, 2. Aufl., § 69, Rz. 102). Steht im Zeitpunkt der AdV-Entscheidung dagegen fest, dass die Vollstreckung des angefochtenen Verwaltungsaktes bereits aussichtslos ist, liegt eine Gefährdung der Vollziehung im vorstehend beschriebenen Sinne nicht (mehr) vor (vgl. Koch, in: Gräber, FGO, 4. Aufl., § 69, Rz. 146; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.5.1995, EFG 1995, S. 941). Auch hat die grundsätzlich im Hinblick auf die Vermeidung von Steuer- und Abgabenausfällen gebotene Anordnung einer Sicherheitsleistung zu unterbleiben, wenn bei einer auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide gestützten Aussetzung der Vollziehung der Steuer- bzw. Abgabenpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (vgl. BFH, Beschluss vom 31.1.1997 - X S 11/96 -, juris; FG Hamburg, Beschluss vom 21.8.2002 - VII 105/02 -, juris). In diesen Fällen müssen die allein fiskalischen Interessen des Staates zurücktreten gegenüber dem elementaren Interesse des Steuer- bzw. Abgabenpflichtigen, dass ihm durch die Vollziehung der angefochtenen Bescheide kein unkorrigierbarer Schaden entsteht bzw. seine Existenz nicht vernichtet wird.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen kommt im Streitfall nach Auffassung des Senats allein eine Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung in Betracht. Der beschließende Senat hat sich insoweit zum einen von der Erwägung leiten lassen, dass der die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung in der Regel rechtfertigende Gesichtspunkt der Vermeidung von Steuer- und Abgabenausfällen im Hinblick auf das vorliegend zu entscheidende AdV-Verfahren nicht zum Tragen kommen kann. Die Antragstellerin wendet sich nämlich nicht gegen die Auferlegung einer öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflicht, die von allen erhoben wird, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen, und zur Deckung des Finanzbedarf des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienen. Die gegenüber der Antragstellerin geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Geldforderungen sind nicht dazu bestimmt, bereits entstandene oder bevorstehende Aufwendungen des Abgabengläubigers ganz oder teilweise zu decken. Mit anderen Worten: Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner stehen keine Geldforderungen im Streit, die der Deckung des Finanzierungsbedarfs eines Gemeinwesens dienen. Der vorliegende Rechtsstreit ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass der von der Antragstellerin angefochtene Rückforderungs- und Sanktionsbescheid die Rückabwicklung von Subventionsverhältnissen betrifft, die haushalterisch bereits abgeschlossen sind. Weder der nationale noch der Gemeinschaftshaushalt ist unter dem Gesichtspunkt der Planungssicherheit und der Deckung seines Finanzbedarfs für die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben auf den Zufluss dieser Geldleistungen unmittelbar angewiesen.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Ausfuhrerstattungen werden von der Gemeinschaft im Rahmen sog. Marktorganisationen für die Ausfuhr bestimmter, in der Gemeinschaft hergestellter bzw. gewonnener landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Drittländer gerade deshalb gezahlt und dazu verwendet, um als Bezuschussung des Preises den Handel mit Gemeinschaftswaren auf dem Niveau der Weltmarktpreise zu ermöglichen. Da der Ausführer kalkulatorisch die Ausfuhrerstattung über den Preis an seinen Abnehmer weitergegeben hat, kommt einem Rückforderungsbescheid im Vergleich zu einem typischen Steuer- oder Angabenbescheid eine qualitativ andere Belastungswirkung zu. Vor diesem Hintergrund hält der beschließende Senat dafür, dass in Fällen der Rückforderung von endgültig gewährten Ausfuhrerstattungen bei Vorliegen ernstlicher Zweifel die Vollziehung grundsätzlich ohne Sicherheitsleistung auszusetzen ist. Entsprechendes gilt, wenn sich der Ausführer - wie hier - zudem gegen die Festsetzung einer Sanktion wendet.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 128 Abs. 3 i.V.m. 115 Abs. 2 FGO.



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