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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 6 K 374/03
Rechtsgebiete: KStG, GmbHG


Vorschriften:

KStG § 27 Abs. 1
KStG § 27 Abs. 3
GmbHG § 29
GmbHG § 30
GmbHG § 46
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob eine Ausschüttung auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG a.F. beruht und im Streitjahr zu einer Körperschaftsteuerminderung gemäß 27 Abs. 1 KStG a.F. führt.

Die Klägerin ist seit 1984 aufgrund eines steuerlich anerkannten Ergebnisabführungsvertrages körperschaftsteuerliche Organgesellschaft ihrer 100%igen Gesellschafterin, der ... KG (A), vormals ... KG (B).

Aus vororganschaftlicher Zeit stand der Klägerin - nach verschiedenen Umgliederungen - per 1.1. und 31.12.2000 körperschaftsteuerlich belastetes Eigenkapital, EK 45, von 431.958 DM zur Verfügung. Mit Gesellschafterbeschluss vom 14.12.2000 wurde beschlossen, im Wege des "Leg-ein-hol-zurück-Verfahrens" eine Einlage in Höhe des gerundeten, zum 31.12.2000 bestehenden vororganschaftlichen belasteten vEK per 21.12.2000 in Höhe von 432.000 DM zu leisten. Diese Einlage der A wurde in der Handelsbilanz der Klägerin auf den 31.12.2000 als Kapitalrücklage ausgewiesen.

Am 31.10.2001 wurde in einer Gesellschafterversammlung der Klägerin folgender Beschluss gefasst:

"1. Die ... (K) GmbH schüttet DM 549.800 vororganschaftlichen steuerlichen Gewinn des Jahres 1983 aus. Die Ausschüttung soll aus dem Jahresüberschuss 2000 finanziert werden. Ein etwaiger Mehrbetrag ist aus der Kapitalrücklage zu entnehmen.

2. Die Ausschüttung erfolgt am 15.11.2001."

Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.11.2001 wurde der "bereits formlos genehmigte" Jahresabschlusses zum 31.12.2000 festgestellt.

Die Klägerin wies im Jahr 2000 keinen Bilanzgewinn aus. Zur Erfüllung des Beschlusses vom 31.10.2001 wurde stattdessen die Kapitalrücklage zugunsten der Ausschüttung verrechnet. Dabei ging die Klägerin bei der Finanzierung der Ausschüttung davon aus, einen Teilbetrag in Höhe von DM 117.806 (DM 431.958 x 15/55) aus der Körperschaftsteuerminderung finanzieren zu können. In ihrer Steuererklärung 2000 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung dieser Ausschüttung und im nachrichtlichen Teil der vEK-Erklärung die Verrechnung mit dem EK 45. Den Bestand des EK 04 erhöhte sie zum 31.12.2000 um die Einlage von 432.000 DM (Leg-ein-hol-zurück-Verfahren).

Mit Bescheid über Körperschaftsteuer 2000 sowie Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG, jeweils vom 5.8.2002, versagte der Beklagte die Berücksichtigung der Ausschüttung und der darauf entfallenden Körperschaftsteuerminderung mit dem Hinweis, dass die Ausschüttung nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhe, da entgegen § 29 Abs. 1 GmbHG kein entsprechender Bilanzgewinn ausgewiesen worden sei.

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 2.9.2003, mit dem die Klägerin geltend machte, das Leg-ein-hol-zurück-Verfahren habe der BFH mit Urteil vom 8.8.2001 (BFH/NV 2002, 461) anerkannt. Für dieses Verfahren habe das Finanzgericht Köln entschieden, dass ein Gewinnverteilungsbeschluss auch dann den handelsrechtlichen Vorschriften entspreche, wenn die hierzu gebildete Kapitalrücklage nicht zuvor förmlich zugunsten des Bilanzgewinns aufgelöst worden sei. Ein möglicher Verstoß gegen § 29 GmbHG beeinträchtige überdies die Ordnungsmäßigkeit eines Gewinnverteilungsbeschlusses nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH entspreche ein Gewinnverteilungsbeschluss immer dann den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, wenn er zivilrechtlich wirksam sei. Da selbst ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 und 31 GmbHG nicht zu einer Unwirksamkeit des Beschlusses führe, müsse erst recht ein Verstoß gegen § 29 GmbHG unbeachtlich sein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2003 wies der Beklagte den Einspruch zurück: Der Gewinnverteilungsbeschluss verstoße bereits gegen § 46 Abs. 1 GmbHG, da die Gesellschafterin entgegen dieser Vorschrift nicht vor dem Beschluss über die Gewinnverteilung den Jahresabschluss und damit das zur Verteilung stehende Ergebnis förmlich festgestellt habe.

Ferner verstoße der Beschluss gegen § 29 Abs. 1 GmbHG. Danach hätten die Gesellschafter grundsätzlich nur einen Anspruch auf den Jahresüberschuss. Ein Anspruch auf den Bilanzgewinn bestehe (u.a.) nur dann, wenn zuvor eine Kapitalrücklage aufgelöst worden sei. Die von der Klägerin gebildete Kapitalrücklage sei aber unstreitig nicht zuvor zugunsten des Bilanzgewinns aufgelöst worden. Ein ausschüttungs- und verteilungsfähiger Gewinn in der im Verwendungsbeschluss genannten Höhe habe mithin nicht zur Verfügung gestanden. Diese Beurteilung stehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH gemäß seiner Entscheidung vom 4.7.1973 (BStBl. II 1973, 742), die bis heute nicht aufgegeben worden sei. Das BFH-Urteil vom 7.11.2001 (BFH/NV 2002, 540), wonach ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften des § 30 GmbHG nicht zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses führe, sei entgegen der Auffassung der Klägerin auf den Streitfall nicht anwendbar, weil es sich allein auf § 30 GmbHG beziehe und nicht auf § 29 GmbHG übertragbar sei.

Mit ihrer bei Gericht am 18.11.2003 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die streitige Ausschüttung beruhe auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr. Wenn nach der Rechtsprechung schon ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht die Wirksamkeit eines Gewinnverteilungsbeschlusses berühre, müsse dies erst recht für den Fall gelten, dass eine Ausschüttung ohne vorherige förmliche Auflösung der Kapitalrücklage zugunsten des Bilanzgewinns beschlossen werde. Dies müsse gerade in Fällen des Leg-ein-hol-zurück-Verfahrens gelten, in denen die Intention des Beschlusses wegen der Betragsgleichheit von Einlage und belastetem Eigenkapital evident sei.

Im Übrigen sei in dem in Rede stehenden Beschluss - ausdrücklich oder konkludent - die gleichzeitige Auflösung der Rücklage zugunsten des Bilanzgewinns enthalten, als es dort heiße, "...ein etwaiger Mehrbetrag ist aus der Kapitalrücklage zu entnehmen".

Zudem sei für die Zulässigkeit von Ausschüttungen unter Verwendung einer Kapitalrücklage nach herrschender Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum eine förmliche Auflösung der Kapitalrücklage zugunsten des Bilanzgewinns nicht notwendig. Anderslautende Regelungen des Aktiengesetzes (§§ 57, 58 AktG) könnten nicht auf die GmbH übertragen werden. Selbst wenn man die vorherige Auflösung der Kapitalrücklage zugunsten des Bilanzgewinns fordere, sei eine solche zumindest konkludent in dem Gewinnverteilungsbeschluss mit enthalten gewesen.

Zu Unrecht beanstande der Beklagte, dass der Jahresabschluss erst nach dem Gewinnverteilungsbeschluss festgestellt worden sei. Wegen der Besonderheiten des Leg-ein-hol-zurück-Verfahrens in Organschaftsfällen sei ein zuvor festgestellter Jahresabschluss nicht erforderlich. In seiner Entscheidung vom 8.8.2001 (BFH/NV 2002, 461) habe der BFH das Leg-ein-hol-zurück-Verfahren ausdrücklich zur Mobilisierung steuerbelasteten Eigenkapitals in Organschaftsfällen anerkannt und zudem festgestellt, dass die Auflösung einer Kapitalrücklage, die die Organgesellschaft während des Bestehens des Organschaftsverhältnisses gebildet habe, an den Organträger ausgeschüttet werden könne. Trotz eines vergleichbaren Sachverhalts habe der BFH in jenem Fall einen Verstoß gegen § 46 Abs. 1 GmbHG nicht einmal angesprochen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 16.10.2003 aufzuheben und die Bescheide über Körperschaftsteuer und Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG für 2000 vom 5.8.2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf ./. 117.806 DM festgesetzt und eine Körperschaftsteuerminderung von 117.806 DM festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt er vor, dass nach § 29 Abs. 1 S. 2 GmbHG zur "Ausschüttung" einer Kapitalrücklage zwingend deren Auflösung zugunsten des Bilanzgewinns erforderlich sei. Die abweichende Auffassung in der gesellschaftsrechtlichen Literatur beziehe sich allein auf § 30 GmbHG und die Frage einer unzulässigen Kapitalrückzahlung. Dies lasse keine Rückschlüsse auf die Ordnungsgemäßheit eines Gewinnverteilungsbeschlusses zu. Die Klägerin habe sonach ohne rechtliche Grundlage über die Rücklage verfügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift über die Senatssitzung vom 13. September 2006 ergänzend Bezug genommen.

Die die Klägerin betreffenden Körperschaftsteuerakten nebst Beiakten zur Steuernummer ... haben vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht bei der Körperschaftsteuerfestsetzung des Streitjahres die Herstellung der Ausschüttungsbelastung für die am 31.10.2001 beschlossene Gewinnausschüttung versagt und insoweit eine andere Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 S. 2 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung - a.F. -. angenommen, die sich im Streitjahr steuerlich nicht auswirkt.

Die Ausschüttungsbelastung ist nach § 27 Abs. 1 KStG a.F. herzustellen, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft Gewinn ausschüttet. Dabei richtet sich die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum die Herstellung der Ausschüttungsbelastung erfolgen muss, nach § 27 Abs. 3 KStG a.F. Diese Vorschrift stellt darauf ab, ob die Ausschüttung auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruht oder nicht: Im ersten Fall mindert oder erhöht sich bei Ausschüttungen für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr die Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet, für das die Ausschüttung erfolgt (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG a.F.); anderenfalls ändert sich die Körperschaftsteuer für das Wirtschaftsjahr, in dem die Ausschüttung erfolgt (§ 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F.). Im Streitfall entspricht der Gewinnverteilungsbeschluss der erstgenannten Alternative.

1. Der Gewinnverteilungsbeschluss ist für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr getroffen worden, denn in dem Beschluss vom 31.10.2001 heißt es, dass die Klägerin "vororganschaftlichen steuerlichen Gewinn des Jahres 1983" ausschüttet und diese Ausschüttung "aus dem Jahresüberschuss 2000 finanziert" werden soll. Damit ist eindeutig festgelegt, dass die Ausschüttung für ein zum Zeitpunkt der Beschlussfassung abgelaufenes Wirtschaftsjahr beschlossen worden ist.

2. Der Gewinnverteilungsbeschluss entspricht auch den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH immer dann der Fall, wenn er zivilrechtlich wirksam ist, d.h. wenn er in formeller und materieller Hinsicht ordnungsgemäß gefasst worden ist (vgl. BFH v. 7.11.2001 - I R 11/01, BFH/NV 2002, 540; BFH v. 23.7.1975 - I R 165/73, BStBl II 1976, 73). Der Beklagte beanstandet insoweit zu Unrecht, dass der Jahresabschluss nicht zuvor gem. § 46 Nr. 1 GmbHG durch Beschluss festgestellt worden ist (a) und die Kapitalrücklage nicht ausdrücklich zugunsten des Gewinns aufgelöst worden ist (b).

a) Dahinstehen kann, ob in Konstellationen wie dem Streitfall - Nutzung des Leg-ein-hol-zurück-Verfahrens in Organschaftsfällen, an deren Zulässigkeit keine Zweifel mehr bestehen (vgl. BFH v. 8.8.2001 - I R 25/00, BFH/NV 2002, 461; Rekow in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 27 a.F., Tz. 139 f. m.w.N.) - § 46 Nr. 1 GmbHG anwendbar ist, denn jedenfalls verstößt der Gewinnverteilungsbeschluss vom 31.10.2001 nicht dadurch gegen § 46 Nr. 1 GmbHG, dass er vor der formellen Feststellung des Jahresabschlusses am 29.11.2001 gefasst wurde.

aa) Zwar ist nach herrschender Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ein Gewinnverteilungsbeschluss nichtig und damit im Sinne des BFH zivilrechtlich unwirksam, wenn er ohne vorherige Feststellung des Jahresabschlusses gefasst wird, da eine zwingende sachliche Verknüpfung beider Beschlüsse dem Erhalt des Haftungskapitals und damit der Wahrung der Gläubigerinteressen dient (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 29 Rn. 43 m.w.N.; Schmidt-Scholz, GmbH-Gesetz, 9. Auflage, § 46 Rn. 42). Anerkannt ist aber, dass der Feststellungsbeschluss bereits konkludent in dem Gewinnverwendungsbeschluss enthalten sein kann, wenn dieser erkennbar auf dem bereits gefertigten Jahresabschluss beruht (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 29 Rn. 43 m.w.N.; Emmerich-Scholz, GmbH-Gesetz, 9. Auflage, § 29 Rn. 80).

Letzteres ist vorliegend der Fall. Bei Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses war der Jahresabschluss ausweislich Ziffer 1 des Feststellungsbeschlusses vom 29.11.2001 bereits formlos genehmigt. Danach ging die alleinige Gesellschafterin der Klägerin erkennbar davon aus, dass für das Streitjahr kein laufender Gewinn erwirtschaftet wurde, sondern sich ein solcher allein aus dem Verbrauch der Kapitalrücklage ergeben konnte. Denn gerade mit der Bildung der Rücklage und der anschließenden Ausschüttung (über eine Auflösung zugunsten des Bilanzgewinns oder direkt) sollte nach dem Leg-ein-hol-zurück-Verfahren Körperschaftsteuerguthaben mobilisiert werden. Das EK 45 und die geleistete Einlage und damit die Kapitalrücklage waren nahezu betragsgleich.

bb) Selbst wenn man dieser Auffassung von einer konkludenten Feststellung des Jahresabschlusses im Rahmen des Gewinnverteilungsbeschlusses nicht folgen wollte, wäre der Gewinnverteilungsbeschluss zivilrechtlich nicht unwirksam, weil der Beschluss dann als Vorabausschüttungsbeschluss für das Jahr 2000 zu qualifizieren wäre. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist insoweit keine Vorabausschüttung für das Jahr 2001 beschlossen worden. Denn Vorabausschüttungen erfolgen nicht aus dem Gewinnvortrag, sondern aus dem erwarteten Jahresüberschuss des Jahres, für das die Vorableistung erfolgt (vgl. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., §29 Rz. 60). Steht fest, dass die Gewinnausschüttung für frühere Jahre erfolgen soll, so ist der Beschlusswille der Gesellschafter nach der Rechtsprechung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte grundsätzlich dahingehend auszulegen, dass er sich auf die Verwendung des Vorjahresgewinns (hier 2000) bezieht (vgl. z.B. BFH-Urteil v. 10.08.1994 - I B 38/94, BFH/NV 1995,546; FG München v. 9.5.2000 - VI K 3060/97, EFG 2000,1148). Danach wäre dieser Beschluss als Vorabausschüttungsbeschluss ebenfalls unter § 27 Abs. 3 KStG a.F. zu subsumieren, weil er nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gefasst worden ist, für das die Ausschüttung erfolgen sollte (vgl. Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG § 27 a.F. Rz. 220).

Voraussetzung für einen Vorabausschüttungsbeschluss ist nach allgemeiner Ansicht, dass im Augenblick der Zahlung nach sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung mit einem entsprechenden Reingewinn am Jahresende zu rechnen ist und dass durch die Auszahlung § 30 Abs 1 GmbHG nicht verletzt wird. Zudem stehen Vorabausschüttungen unter dem Vorbehalt, dass der Jahresabschluss tatsächlich einen Gewinn in der entsprechenden Höhe ausweist oder freie Rücklagen in Höhe der Vorabausschüttung zur Verfügung stehen. Eine förmliche Zwischenbilanz ist nicht erforderlich (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 29 Rn. 61 m.w.N.; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Auflage, § 29 Rn 45).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, und zwar unabhängig von der Frage, ob in dem Gewinnverteilungsbeschluss gleichzeitig die Auflösung der Kapitalrücklage erfolgt ist oder nicht (dazu im Einzelnen unten b). Denn das Erfordernis, die Kapitalrücklage zunächst zugunsten des Bilanzgewinns aufzulösen, dient erkennbar der Kapitalerhaltung aus Gründen des Gläubigerschutzes. Gehen von dem Vorabausschüttungsbeschluss aber keine Gefahren für die Aufzehrung des Haftungskapitals aus, so ist der Vorabausschüttungsbeschluss nicht zu beanstanden. Die alleinige Gesellschafterin der Klägerin hat in ihrem Beschluss dem Anliegen der Erhaltung des Haftungskapitals dadurch Rechnung getragen, dass die Ausschüttung in der genannten Höhe nur insoweit aus dem Jahresüberschuss finanziert werden sollte, als ein solcher überhaupt vorhanden war. Ein etwaiger vom Jahresüberschuss nicht gedeckter Betrag sollte aus der Kapitalrücklage bestritten werden, die zudem bei fehlendem Gewinn unter Berücksichtigung des Körperschaftsteuerguthabens sogar zur vollen Finanzierung ausreichte. Bei Beschlussfassung war danach immer mit einem Gewinn in Höhe der Ausschüttung zu rechnen.

b) Der Gewinnverteilungsbeschluss verstößt auch nicht gegen § 29 Abs. 1 GmbHG.

Nach § 29 Abs. 1 S. 1 GmbHG haben die Gesellschafter grundsätzlich Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrages und abzüglich eines Verlustvortrags. Abweichend von Satz 1 haben die Gesellschafter nach Satz 2 Anspruch auf den Bilanzgewinn, wenn Rücklagen aufgelöst werden.

aa) Eine förmliche Auflösung der Kapitalrücklage zugunsten des Bilanzgewinns ist nicht erfolgt, vielmehr ist die beschlossene Nettodividende unmittelbar mit dem Posten der Kapitalrücklage verrechnet worden. In dem Gewinnverteilungsbeschluss kommt aber zumindest konkludent die Auflösung der Rücklage zugunsten des Bilanzgewinns zum Ausdruck. Ausweislich des Wortlauts sowie nach Sinn und Zweck des Beschlusses sollte es zu einer Ausschüttung von Gewinn kommen. Notfalls sollten dafür bei einem zu geringen - ausschüttungsfähigen - Jahresüberschuss die notwendigen Mittel der Kapitalrücklage entnommen werden.

bb) Im Übrigen bedarf es auch einer vorhergehenden Auflösung der Kapitalrücklage zugunsten des Gewinns nicht. Zwar impliziert § 29 Abs. 1 GmbHG eine vorherige Auflösung, die Vorschrift ist aber nicht als abschließende Sonderregelung zu verstehen (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 29 Rn. 4). Denn die Kapitalbindung bei der GmbH kennt im Unterschied zu den entsprechenden aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 57, 58 des Aktiengesetzes - AktG) keine zwingende unmittelbare Bindung von Ausschüttungen an den ausgewiesenen Bilanzgewinn. Dies entspricht sachlich der unterschiedlichen wirtschaftlichen und personellen Struktur beider Gesellschaftsformen und kommt in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck. Die nur vom Grundsatz her gleiche Zielsetzung der Kapitalbindung rechtfertigt nicht die Übertragung der aktienrechtlichen Regelungen auf die GmbH (vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 30 Rn. 5 m.w.N., ebenso FG Köln v. 6.3.2003 - 13 K 3288/02, EFG 2003, 880). Dementsprechend wird auch von der herrschenden Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum die Auszahlung einer Rücklage nicht von deren vorheriger Auflösung abhängig gemacht (Scholz, GmbH-Gesetz, 9. Auflage, § 29 Rn. 130; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 30 Rn. 8 m.w.N). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

cc) Durch "Ausschüttung" der Kapitalrücklage ohne vorherige Auflösung zugunsten des Bilanzgewinns verlor die Ausschüttung auch nicht ihren Charakter als Ausschüttung von Gewinn im Sinne des § 27 Abs. 1 KStG a.F. Denn nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck des Beschlusses ist die Ausschüttung als Gewinnausschüttung zu verstehen. Ausdrücklich wird die Ausschüttung von "vororganschaftlichem steuerlichen Gewinn" genannt, für deren Finanzierung notfalls Mehrbeträge der Kapitalrücklage entnommen werden sollten. Angesichts dessen ist für eine abweichende alternative Deutung als ergebnisunabhängige Entnahme aus der Kapitalrücklage (vgl. dazu BFH v. 23.2.1999 - VIII R 60/96, BFH/NV 1999, 1209) kein Raum.

dd) Unerheblich ist schließlich auch, dass die beschlossene Gewinnverwendung ohne die Auflösung der Kapitalrücklage das Jahresergebnis bei weitem überstieg. Überschreitet eine beschlossene Gewinnausschüttung die Verwendungsmasse, liegt regelmäßig eine zusätzliche Ausschüttung außerhalb der konkreten Ergebnisverteilung vor. Dies führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses, sofern die Ausschüttung aus verfügbaren Mitteln - insbesondere Rücklagen - ohne Beeinträchtigung des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögens erfolgen kann. Erst wenn der Beschluss diese Grenzen überschreitet, ist er wegen zwingender Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften nichtig (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 29 Rn. 45 m.w.N.). Dies ist im Streitfall gerade nicht geschehen. Denn im Rahmen der Nutzung des Leg-ein-hol-zurück-Verfahrens sollte die Ausschüttung genau den Wert der Kapitalrücklage zuzüglich eines Körperschaftsteuerguthabens erreichen.

Dieses Ergebnis steht entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BFH. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 4.7.1973 (I R 216/71, BStBl. II 1973, 742) im formal-rechtlichen Sinn einen Verstoß gegen § 29 Abs. 1 GmbHG bejaht, weil eine Gewinnausschüttung beschlossen wurde, begrifflich aber kein Gewinn zur Ausschüttung zur Verfügung stand. Diese formal-rechtliche Betrachtungsweise hat der BFH aber jedenfalls mit Urteil vom 7.11.2001 (I R 11/01, BFH/NV 2002,540) aufgegeben. Nach dieser Entscheidung entspricht ein Gewinnverteilungsbeschluss auch dann den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, wenn er gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG verstößt. Ein Gewinnverteilungsbeschluss entspricht immer dann den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, wenn er zivilrechtlich wirksam ist. Die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Ausschüttungsbeschlusses ist nach herrschender Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum aber gerade gegeben, wenn eine die Verwendungsmasse überschreitende Ausschüttung durch andere verfügbare Mittel wie eine Kapitalrücklage gedeckt ist und zudem die Grenzen des § 30 GmbHG eingehalten werden. Dass der BFH dieser Beurteilung im Ergebnis folgt, zeigen seine Ausführungen zu § 30 GmbHG. Selbst für den Fall, dass ausreichendes Kapital im Zeitpunkt der Beschlussfassung für eine Ausschüttung nicht zur Verfügung steht und die Ausschüttung selbst zu Rückforderungsansprüchen gem. §§ 30, 31 GmbHG führt, soll der Beschluss selbst durchaus den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen. Ähnlich hat der BFH in seinem Urteil vom 21.7.1999 (I R 57/98, BStBl. 2001 II, 127) entschieden, dass für die Vorabausschüttung einer Kapitalgesellschaft auch dann die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG a.F. herzustellen ist, wenn sie von dem später festgestellten Jahresgewinn nicht gedeckt wird. Die Rückforderung und Rückzahlung der überhöhten Vorabausschüttung ändere daran nichts.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze muss dann aber ein Gewinnverteilungsbeschluss um so mehr den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen, wenn die beschlossene Ergebnisverwendung zwar nicht aus der Verwendungsmasse, wohl aber - wie im Streitfall - aus anderen zur Verfügung stehenden Mitteln (Rücklagen) bestritten werden kann und auf diese Weise eine Überausschüttung im Sinne des § 30 GmbHG sogar vermieden wird.

3. Die Ausschüttungsbelastung ist danach für das Streitjahr herzustellen. Die Körperschaftsteuerminderung beträgt gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 3 und § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. 117.806 DM. Die Körperschaftsteuer ist danach auf ./. 117.806 DM festzusetzen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. § 711 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH I R 84/06)

Ende der Entscheidung

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