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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: IV 239/02
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 615/98, VO (EWG) Nr. 805/68


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 805/68 Art. 13 Abs. 9
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 1
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 6.11.2000 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt B - Abfertigungsstelle A - insgesamt 28 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 1010 9120 zur Ausfuhr nach Ägypten an und beantragte hierfür unter dem 27.11.2000 die vorschussweise Gewährung von Ausfuhrerstattung, die ihr mit Bescheid vom 19.12.2000 in Höhe von DM 16.072,82 gewährt wurde.

Nach Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes, ausweislich dessen der Transport am 6.11.2000 um 10.00 Uhr in D begann und die erste Transportunterbrechung am 7.11.2000 um 1.00 Uhr in Udine/Italien erfolgte, kam das beklagte Hauptzollamt zu dem Ergebnis, dass die nach der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport vorgeschriebene erste einstündige Ruhepause nicht nach einer Transportdauer von 14 Stunden eingelegt worden war. Daraufhin forderte es mit Änderungsbescheid vom 30.4.2001 die der Klägerin vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung mit einem Zuschlag von 10 % mit der Begründung zurück, dass die Klägerin während des Transportes der Tiere die gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten habe.

In ihrem gegen den Bescheid vom 30.4.2001 erhobenen Einspruch wandte die Klägerin ein, dass ihre Transportführer seit längerem nur noch Fahrzeuge mit automatischen Tränkeeinrichtungen einsetzten, die die einstündige Tränkungs- und Fütterungspause nicht notwendig machten. Im Übrigen dürfe das erste Transportintervall von 14 Stunden im Einzelfall um bis zu zwei Stunden überschritten werden, wenn dies für die Tiere weniger belastend sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2002 wies das beklagte Hauptzollamt den Einspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 30.4.2001 unter Hinweis darauf zurück, dass das Tränken und Füttern der Tiere während des Transports zwar entfallen könne, wenn die Tiere jederzeit Zugang zu Flüssigkeit und Nahrung hätten. Dieser Umstand habe indes keinen Einfluss auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhepause. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 26.3.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Unter Bezugnahme auf eine Bestätigung des Leiters der Fachgruppe Tierarzneimittel der Regierung von Mittelfranken führt sie aus, dass das erste Transportintervall von 14 Stunden eingehalten worden sei. Die Verladung der Tiere habe am 6.11.2000 um 10.00 Uhr in D im Beisein des Leiters der Fachgruppe Tierarzneimittel der Regierung von Mittelfranken begonnen. Um 11.30 Uhr sei der LKW dann zur Abfahrt abgefertigt worden. Da die erste Pause am 7.11.2000 um 1.00 Uhr eingelegt worden sei, habe sie - die Klägerin - die maximale Transportzeit von 14 Stunden sogar unterschritten.

Die Klägerin beantragt, den Änderungsbescheid vom 30.4.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.2.2002 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und hebt ergänzend hervor, dass ausweislich des Antrags auf Durchführung einer kostenpflichtigen Amtshandlung vom 3.11.2000 die Abfertigung der streitgegenständlichen Ausfuhrsendung am 6.11.2000 in der Zeit von 8.00 bis 9.30 Uhr erfolgt sei. Angesichts dessen sei die im Transportplan ausgewiesene Abfahrtszeit von 10.00 Uhr nicht zweifelhaft mit der Folge, dass die Klägerin das zulässige erste Transportintervall nicht eingehalten habe.

Der Berichterstatter des Senats hat den Leiter der Fachgruppe Tierarzneimittel der Regierung von Mittelfranken, Herrn Dr. E, am 20.9.2004 informatorisch befragt. Herr Dr. E hat im Rahmen des mit dem Berichterstatter geführten Telefonats u.a. erklärt, dass mit der im Transportplan mit 10.00 Uhr ausgewiesenen Uhrzeit des Versandes der Beginn der Verladung bestätigt werde. Unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten beginne der Transport der Tiere nämlich bereits mit deren Verladung. Die Verladung der Tiere insgesamt habe etwa 1 bis 1,5 Stunden gedauert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

1. Als Rechtsgrundlage für die Rückforderung des gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 15.4.1999 (ABl. Nr. L 102/11, im Folgenden VO Nr. 800/1999) gezahlten Vorschusses kommt allein die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 der genannten Verordnung in Betracht. Danach hat der Ausführer den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betrag des gewährten Vorschusses und der für die Ausfuhr tatsächlich geschuldeten Ausfuhrerstattung, erhöht um 10 %, zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht erfüllt. Das beklagte Hauptzollamt hat zu Unrecht angenommen, dass es der Klägerin keine Ausfuhrerstattung schuldete.

Gemäß Art. 13 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr.805/68 des Rates vom 27.6.1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 148/24, im Folgenden: VO Nr. 805/68) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18.12.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 356/13) setzt die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports, voraus. Hierzu gehören, wie sich auch aus dem ersten Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 26347/97 ergibt, die Regelungen der Richtlinie Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. L 148/52, im Folgenden: Richtlinie 91/628/EWG). Dementsprechend macht Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr.82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 davon abhängig, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG - an deren Umsetzung der erkennende Senat keinen Zweifel hat - sowie die Regelungen der VO Nr. 615/98 eingehalten werden, wobei der Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 und gegebenenfalls des Bericht nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 615/98 erbracht wird.

Der erkennende Senat geht vorliegend davon aus, dass die Klägerin im Hinblick auf die in Rede stehende Ausfuhrsendung ein ordnungsgemäß ausgefülltes Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 vorgelegt und damit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 erbracht hat. Das von ihr eingereichte Kontrollexemplar T5 enthält im Feld J den nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 erforderlichen Vermerk der italienischen Veterinärgrenzkontrollstelle "Controllato e risultato conforme alle disposizioni dell"Art. 2 del regolamento (CE) n. 615/98" sowie den ebenfalls vorgeschriebenen Stempel nebst Unterschrift des amtlichen Tierarztes. Die Echtheit und Korrektheit dieses Kontrollvermerks der Ausgangsstelle wird vom beklagten Hauptzollamt letztlich auch nicht in Abrede gestellt. Allerdings steht das beklagte Hauptzollamt auf dem Standpunkt, dass der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung gleichwohl gestützt auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zu versagen sei. In Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 ist nämlich geregelt, dass die Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt wird für Tiere, die während des Transportes verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist.

In Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG ist unter Ziffer 48.4 lit. d "Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt und Ruhezeiten" bestimmt, dass Tiere der Gattung Rind (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 91/628/EWG) bei der Verwendung eines - wie hier - unter Ziffer 48.3 genannten Fahrzeuges nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten müssen, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können; nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer, so ist es in Ziffer 48.5 des Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie91/628/EWG weiter geregelt, müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sieht schließlich vor, dass die Transportzeiten nach u.a. Ziffer 48.4 insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Als Transport gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 91/628/EWG jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen.

Hinsichtlich des Streitfalles ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin gegen die Bestimmung der Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG verstoßen hat (hierzu unter a). Auch ist vorliegend anzunehmen, dass die Transportdauer nach Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG nicht gemäß Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG verlängert werden durfte (hierzu unter b). Der erkennende Senat hält allerdings dafür, dass Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder der KN-Codes 0102 die (u.a.) Einhaltung der Richtlinie 91/628/EWG voraussetzt, im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass jedenfalls ein Verstoß gegen die Transport- und Ruhezeiten der Richtlinie 91/628/EWG nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge hat, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschrift nachweislich - d.h. feststellbar - zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat (hierzu unter c).

a) Der erkennende Senat geht zum einen davon aus, dass die Klägerin gegen die Bestimmung der Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG verstoßen hat.

Es steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass hinsichtlich des in Rede stehenden Transportes die erste Ruhezeit am 7.11.2000 um 1.00 Uhr in Udine eingelegt wurde. Auch der erkennende Senat hat vor dem Hintergrund des in der Sachakte befindlichen Transportplanes (Bl. 77 der Sachakte, Heft I) keinen Anlass, diesen Zeitpunkt in Zweifel zu ziehen. Die Beteiligten des Rechtsstreits streiten allerdings darüber, wann der Transport am 6.11.2000 in D begann. Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin auf Durchführung einer kostenpflichtigen Amtshandlung, der eine Abfertigung der Ausfuhrsendung in der Zeit von 8.00 bis 9.30 Uhr dokumentiert (vgl. 42 der Gerichtsakte), und die im Transportplan mit 10.00 Uhr ausgewiesene Abfahrtzeit (vgl. Bl. 76 der Sachakte, Heft I), meint das beklagte Hauptzollamt, dass der Transport am 6.11.2000 um 10.00 Uhr begonnen habe. Demgegenüber wendet die Klägerin unter Bezugnahme auf eine schriftliche Erklärung des Fahrers des Transportes ein, dass die Abfahrtszeit um 11.30 Uhr gewesen sei, da erst um 10.00 Uhr damit begonnen worden sei, die Zuchtrinder in D zu verladen (vgl. Bl. 59 der Gerichtsakte). Einer Klärung dieses Streitpunktes bedarf es vorliegend indes nicht. Denn auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin ist hinsichtlich des Streitfalles davon auszugehen, dass die nach Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebene Transportdauer überschritten wurde. Da nämlich gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie91/628/EWG zum Transport nicht nur die eigentliche Beförderung der Tiere auf der Straße, sondern auch deren Verladung auf das Fahrzeug zählt, die nach ihren eigenen Angaben am 6.11.2000 um 10.00 Uhr begann, hätte die nach Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie91/628/EWG vorgeschriebene erste Ruhepause spätestens am 7.11.2000 um 0.00 Uhr eingelegt werden müssen, was indes unstreitig nicht geschehen ist. Im Übrigen hat eine telefonische Nachfrage des Senats bei dem im Streitfall zuständigen Veterinär der Regierung von Mittelfranken ergeben, dass die im Transportplan ausgewiesene Uhrzeit von 10.00 den Beginn der Verladung wiedergibt.

Der erkennende Senat übersieht in diesem Kontext nicht, dass sich die Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, in einer Stellungnahme vom 21.12.2001 dahin geäußert hat, dass die Richtlinie 91/628/EWG keine Definition der Transportzeiten enthalte und in Übereinstimmung mit dem Transportplan nur der Zeitpunkt maßgeblich sei, an dem das Fahrzeug den Versandort verlasse, selbst wenn der Verladevorgang mehrere Stunden dauere. Abgesehen davon, dass diese Äußerung der Europäischen Kommission die Gerichte nicht bindet, vermag der erkennende Senat auch für diesen Rechtsstandpunkt im Gesetz keine Stütze zu finden, im Gegenteil: Schon aus der Formulierung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 91/628/EWG ("Ferner gelten folgende Begriffsbestimmungen: ...") lässt sich zur Überzeugung des Senats unschwer erschließen, dass der Rat im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Richtlinie91/628/EWG den Begriff des Transports in Art. 2 Abs. 2 lit. b) legal definiert hat.

b) Der erkennende Senat ist zum anderen der Auffassung, dass sich die Klägerin vorliegend nicht auf die Bestimmung der Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG berufen kann, wonach die Transportdauer u.a. nach Ziffer 48.4 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG - insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes - im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden darf. Denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, geschweige glaubhaft gemacht, dass im Streitfall die nach Ziffer 48.4 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG festgeschriebene Transportdauer von 14 Stunden im Interesse der Tiere - um vorliegend eine Stunde - verlängert wurde. Die Regelung der Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG eröffnet dem Ausführer und Transportunternehmer nicht generell die Möglichkeit, ohne Angabe von sachlichen, nachvollziehbaren Gründen die Transportdauer um bis zu zwei Stunden zu verlängern. Eine solche Verlängerung der Transportdauer ist vielmehr nur ausnahmsweise im Interesse der Tiere unter Berücksichtigung des vom Gemeinschaftsgesetzgebers vorgegebenen Rahmens - scil. insbesondere im Hinblick auf die Nähe des Bestimmungsortes - zulässig. Dass es vorliegend unter Berücksichtigung des Bestimmungsortes oder eines diesem Ausnahmetatbestand vergleichbaren sachlichen Grundes im Interesse der Tiere lag, dass die Transportdauer der Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG um eine Stunde überschritten wurde, vermag auch der erkennende Senat nicht festzustellen.

c) Der erkennende Senat hält allerdings dafür, dass Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder der KN-Codes 0102 die (u.a.) Einhaltung der Richtlinie 91/628/EWG voraussetzt, im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass jedenfalls ein Verstoß gegen die Transport- und Ruhezeiten der Richtlinie 91/628/EWG nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge hat, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschrift nachweislich - d.h. feststellbar - zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, müssen die von einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet sein und dürfen nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.2001 - C-210/00 -, Rdnr. 59, juris; Urteil vom 29.1.1998 - C-161/97 -, Rdnr. 31, juris; Urteil vom 24.9.1985 - 181/84 -, Rdnr. 20, juris). Nach der ersten Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18.12.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. L 356/13, im Folgenden: VO Nr. 2634/97), mit der Art. 13 Abs. 9 VO Nr.805/68 eingefügt wurde, bezweckt diese Verordnung die Gewährleistung des Wohlbefindens der Tiere während des Transports. Um dieses Ziel umzusetzen, hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber mit der Verordnung 615/98 ein Überwachungssystem mit vor allem systematischen Kontrollen bei der Ausfuhr aus der Gemeinschaft, mit aber auch Kontrollen beim Entladen im Bestimmungsdrittland eingeführt. Dieses Überwachungssystem sieht nicht nur die Bestimmung von Ausgangsstellen vor, über die allein die Ausfuhr der Tiere aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft zulässigerweise erfolgen darf (vgl. Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 615/98). Es beinhaltet vor allem die von einem amtlichen Tierarzt vorzunehmende Überprüfung und Bescheinigung, ob die Tiere im Sinne der Richtlinie 91/628/EWG transportfähig sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 Ziffer 1 VO Nr.615/98). Ist wegen des Wechsels des Transportsmittels gemäß Art. 3 Abs. 3 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 eine weitere Kontrolle bei der Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland vorgeschrieben, ist in dem zu erstellenden Kontrollbericht (u.a.) die Zahl der Tiere anzugeben, deren Zustand und/oder Gesundheit den Schluss rechtfertigt, dass die Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden sind (vgl. Art. 3 Abs. 2 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98). Diese Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 über die durchzuführenden Kontrollen zeigen vor dem Hintergrund der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2634/97 anschaulich, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber die Gewährung der Ausfuhrerstattung an das Wohlbefinden der Tiere während des Transports knüpfen und demgemäß die Zahlung von Ausfuhrerstattung versagen wollte, wenn das Wohlbefinden der Tiere während des Transports nicht gewährleistet war. Für dieses Verständnis des Senats spricht ferner der 7. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 639/2003 der Kommission vom 9.4.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) 1254/1999 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (ABl. Nr. L 93/10, im Folgenden: VO Nr. 639/2003), durch die die Verordnung Nr. 615/98 "im Interesse der Klarheit ersetzt" worden ist (2. Erwägungsgrund der VO Nr. 639/2003). Nach dem 7. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 639/2003 soll nämlich nur dann die "Erstattung insgesamt verweigert werden", wenn die Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628/EWG "auf eine völlige Missachtung der Tierschutzvorschriften zurückzuführen" ist. Im Übrigen macht auch der 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995, wonach die Vorschriften der Richtlinie91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport geändert werden mussten, "um technische Hindernisse im Handel mit lebenden Tieren abzubauen und ein reibungslosen Funktionieren der betreffenden Marktordnungen zu gewährleisten, ohne dabei die Belange des Tierschutzes zu vernachlässigen", deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die mitunter gegenläufigen Interessen und Belange des Marktordnungsrechts einerseits und des Tierschutzes andererseits in einen zweckentsprechenden, sachgerechten Ausgleich bringen wollte.

Demgegenüber führt nach dem Wortlaut der Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 schon jede objektive Verletzung einer Regelung der Richtlinie 91/628/EWG unabhängig von einer festgestellten Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere zum gänzlichen Verlust des Erstattungsanspruchs. Eine Differenzierung danach, ob gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nur geringfügig, wiederholt oder aber in erheblichem Maße verstoßen wurde, lässt der Wortlaut der Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht zu, zumal auch die Ausgestaltung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr.615/98 als gebundene Entscheidung der zuständigen Behörde einer Differenzierung nach der Intensität und dem Ausmaß des festgestellten Verstoßes nicht möglich macht. Der erkennende Senat übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, obgleich als gebundene Entscheidung ausgestaltet, als Rechtsfolge auch eine teilweise Versagung der Erstattung vorsieht. Die Rechtsfolge der teilweisen Versagung der beantragten Ausfuhrerstattung knüpft die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 freilich nicht an das Vorliegen eines nur geringen oder nicht vorwerfbaren Verstoßes gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport, sondern an die Feststellung, dass die Richtlinie 91/628/EWG lediglich bezogen auf einen Teil der Tiere nicht eingehalten wurde. Bei einer Überschreitung der Transportzeiten bzw. Unterschreitung der Ruhepausen scheidet indes eine nur teilweise Versagung der Erstattung a limine aus.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Hat der Ausführer den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 erbracht, können - wie die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zeigt - gleichwohl Umstände vorliegen, die die zuständige Behörde berechtigen, die vom Ausführer beantragte Ausfuhrerstattung zu versagen. Als solche Umstände gelten gemäß Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zum einen und insbesondere die Verendung einzelner Tiere während des Transports. Neben diesen Versagungstatbestand stellt der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zum anderen "sonstige Informationen" der Behörde, die den Schluss rechtfertigen, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist. Da anzunehmen ist, dass der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht nur gleichberechtigte, sondern auch gleichgewichtige Versagungstatbestände normiert hat, dürfte eine Auslegung dieser Vorschrift, dass jede Information der zuständigen Behörde über eine - gleichwie geartete - Verletzung der Richtlinie 91/628/EWG zum völligen Verlust des Erstattungsanspruchs führen soll, weder dem Willen des Verordnungsgebers noch Sinn und Zweck der Verordnung entsprechen.

Vor dem Hintergrund, dass der wesentliche Zweck der Verordnung Nr. 615/98 darin besteht, das Wohlbefinden der Tiere während des Transports zu gewährleisten, geht es indes über das dazu Erforderliche hinaus, die Gewährung der Ausfuhrerstattung insgesamt schon bei jeder objektiven Verletzung einer Regelung der Richtlinie 91/628/EWG unabhängig von einer festgestellten Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere zu versagen. Der erkennende Senat legt deshalb Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 im Lichte des Grundsatzes des Verhältnismäßigkeit dahin aus, dass jedenfalls ein Verstoß gegen die Transport- und Ruhezeiten der Richtlinie91/628/EWG nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge hat, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschrift nachweislich zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat. Letzteres ist vorliegend indes nicht festgestellt worden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 115 Abs. 2 FGO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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