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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 13.09.2002
Aktenzeichen: IV 256/99
Rechtsgebiete: EWGVO-3665/87


Vorschriften:

EWGVO-3665/87 Art. 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin führte im Mai und Juni 1997 mit Ausfuhranmeldungen des Hauptzollamts H vom 7. Mai, 18. bzw. 19. Juni 1997 fünf Warensendungen mit gefrorenem Rindfleisch der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 3090 9400 nach Russland aus. Auf die entsprechenden Anträge der Klägerin gewährte der Beklagte für vier der genannten Warensendungen Ausfuhrerstattung als Vorschuss. Mit vier Änderungsbescheiden vom 10. November 1997 forderte der Beklagte jedoch die gewährten Erstattungen mit einem Zuschlag von jeweils 15 % zurück und führte zur Begründung aus, dass Ermittlungen ergeben hätten, dass die Waren entgegen dem Verbringungsverbot der Kommissionsentscheidungen Nr. 96/239/EG und Nr. 96/362/EG (betreffend BSE) aus dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs versandt worden seien. Daher seien die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität; außerdem sei der Ursprung der Erzeugnisse nicht dargelegt. Mit derselben Begründung setzte der Beklagte für die fünfte Ausfuhrsendung mit Erstattungsbescheid vom 10. November 1997 die von der Klägerin beantragte Erstattung auf 0,00 DM fest. Gegen diesen Bescheid und die vier Rückforderungsbescheide vom 10. November 1997 hat die Klägerin jeweils Klage erhoben. Der Senat hat diese Klagen mit Urteilen vom 20. Juni 2002 (IV 252-255 und 257/99), auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in den genannten Urteilen hat die Klägerin jeweils Beschwerde eingelegt, die beim Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen VII B 246-250/02 anhängig sind.

Mit Sanktionsbescheid vom 24. November 1997 zu den o.g. Rückforderungsbescheiden bzw. dem Erstattungsbescheid vom 10. November 1997 setzte der Beklagte eine Sanktion in Höhe von 116.017,70 DM gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 gegen die Klägerin fest (wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Bescheid Bezug genommen. - Bl. 8 ff. d. Sachakte). Auf den hiergegen am 4. Dezember 1997 erhobenen Einspruch der Klägerin, reduzierte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10. September 1999, zur Post aufgegeben am 16. September 1999, die Sanktion auf 104.312,90 DM, indem er nur die Erstattungsbeträge, nicht aber den 15 %igen Zuschlag, der Berechnung des Sanktionsbetrags zugrunde legte, wies jedoch den Einspruch im Übrigen zurück.

Mit ihrer am 13. Oktober 1999 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sie das Fleisch von der französischen Firma A. S.A. gekauft habe und die entsprechenden Einkaufsbestätigungen und Veterinärzeugnisse belegten, dass es sich um Fleisch belgischen Ursprungs gehandelt habe. Die Behauptung des Beklagten, das Rindfleisch stamme aus dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs, werde bestritten. Jedenfalls habe sie aufgrund der amtlichen Dokumente darauf vertrauen dürfen, dass es sich bei dem eingekauften Fleisch um einwandfreie belgische Ware gehandelt habe. Sollte tatsächlich britisches Rindfleisch nach Russland ausgeführt worden sein, habe sie jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt und auch ein schuldhaftes Handeln ihres Vertragspartners liege nicht vor, weil sich allenfalls dessen Vertragspartner schuldhaft verhalten habe. Auch für ein etwaiges Fehlverhalten der belgischen Behörden habe sie nicht einzustehen. Sie habe daher schuldlos gehandelt. Die Rechtswidrigkeit der auf Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 gestützten Sanktion gegen einen schuldlos handelnden Ausführer ergebe sich aus einem Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere aus Verstößen gegen Art. 40 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 2 EGV, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Rechtsstaatsprinzip und das Diskriminierungsverbot. Die Sanktionsregelung verstoße zudem gegen die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der EG. Im Fall einer vorschussweise gewährten Erstattung entstehe bei einer unzutreffenden Anmeldung für den Gemeinschaftshaushalt ohnehin kein Nachteil, weil der zurückzuzahlende Vorschuss um 15 % erhöht werde. Die Sanktion nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 führe in solchen Fällen zu einer doppelten Bestrafung. Im Übrigen habe sie in der Ausfuhranmeldung alle Angaben gemacht, zu denen sie in der Lage gewesen sei. Dem Beklagten hätten alle Tatsachen zur Verfügung gestanden, um über den Antrag eine richtige Entscheidung zu treffen.

Die Klägerin beantragt, den Sanktionsbescheid vom 24. November 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, dass der Sanktionsbescheid rechtmäßig sei und beruft sich auf die Ermittlungen und ein Schreiben des Zollfahndungsamts F vom 21. Oktober 1997, wonach es sich um Ausfuhren von britischem Rindfleisch nach Russland gehandelt habe. Art. 11 Abs. 1 VO Nr.3665/87 sei gültig und anwendbar. Der Zweck der Vorschrift sei es, zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker zu bekämpfen. Der 15 %ige Zuschlag bei der Rückforderung vorschussweise gewährter Erstattung diene dazu, den ungerechtfertigten Vorteil eines kostenlosen Kredits auszugleichen und den Missbrauch der Vorschussregelung zu vermeiden. Von einer unzulässigen doppelten Sanktionierung könne deshalb nicht gesprochen werden.

Dem Gericht haben ein Band Sachakten des Beklagten sowie die Gerichtsakte zu dem AdV-Verfahren IV 130/98 vorgelegen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt, die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat im Rahmen der streitigen fünf Erstattungsverfahren zu Recht eine Sanktion festgesetzt.

Grundlage für die Festsetzung einer Sanktion ist Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 351/1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr.2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABl. Nr. L 310/57 im Folgenden: VO Nr. 2945/94), diese in der Fassung der Berichtigung gemäß ABl. vom 16. Juni 1995 Nr. L 132/22 (im Folgenden: VO Nr. 3665/87). Nach dieser Vorschrift entspricht die geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, wenn festgestellt wird, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat. Ergibt sich aus der Anwendung dieser Vorschrift ein Negativbetrag, hat der Ausführer nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 3665/87 diesen Betrag zu zahlen.

Diese Voraussetzungen für die Festsetzung einer Sanktion sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat für die streitigen Ausfuhrsendungen Rindfleisch eine höhere Erstattung beantragt (und in vier Fällen auch vorschussweise erhalten) als ihr zustand. Das Gericht hält an seiner in den Urteilen vom 20. Juni 2002, IV 252-255 und 257/99, vertretenen Auffassung fest, dass der Klägerin für die betreffenden Ausfuhrsendungen ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung nicht zustand, weil davon auszugehen ist, dass die ausgeführten Erzeugnisse nicht von handelsüblicher Qualität i.S.d. Art. 13 Satz 1 VO Nr. 3665/87 waren. Rindfleisch, welches unter das Verbringungsverbot gemäß der Kommissionsentscheidungen Nr. 96/239/EG und Nr.96/362/EG fiel, war nicht von handelsüblicher Qualität. Die aufgrund der Ermittlungen der Zollbehörden zutage getretenen Zweifel, ob es sich bei dem von der Klägerin mit den streitigen Ausfuhrsendungen ausgeführten Rindfleisch um solches gehandelt hat, das unter das Verbringungsverbot gemäß der Kommissionsentscheidungen Nr. 96/239/EG und Nr.96/362/EG fiel, hat die Klägerin nicht beseitigen können. Die verbleibenden Zweifel gehen zu ihren Lasten, weil ihr als Ausführer nach § 16 Ausfuhrerstattungsverordnung (v. 24.5.1996 - BGBl. I S. 766) und nach § 11 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (i.d.F. v. 20.9.1995 - BGBl. I S. 1146) die materielle Beweislast für das Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen obliegt. (Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der Urteile des Senats vom 20. Juni 2002, IV 252-255 und 257/99, verwiesen.)

Die Klägerin hat auch aufgrund unzutreffender Angaben eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt, da sie mit ihren Zahlungsanträgen versicherte, dass das ausgeführte Rindfleisch von handelsüblicher Qualität sei, obwohl sie den entsprechenden Nachweis nicht führen konnte. Die Klägerin kann insoweit nicht mit Erfolg unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 7. Juli 1998 (IV 74/98) geltend machen, dass der Umstand, dass eine höhere als die zustehende Erstattung beantragt worden sei, lediglich auf eine gegenüber der Ansicht des Beklagten unterschiedliche Rechtsauffassung zurückzuführen sei, dass sie aber alle zur Begründung des Antrags erforderlichen Angaben ordnungsgemäß gemacht habe. Im Gegensatz zu dem Fall, welcher dem o.g. Beschluss des Senats zugrunde lag, waren dem Beklagten im Streitfall mit den Zahlungsanträgen nicht alle Tatsachen unterbreitet worden, um die Anträge - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung - zutreffend zu bescheiden. Von den Tatsachen, die im Streitfall die Zweifel an der handelsüblichen Qualität des Rindfleischs begründeten, hatte der Beklagte vielmehr keine Kenntnis, als er über die Zahlungsanträge entschied.

Auf die Frage, ob die Klägerin evtl. hinsichtlich der zweifelhaften Herkunft des Fleisches gutgläubig war und die unzutreffenden bzw. unzureichenden Angaben somit evtl. nicht schuldhaft gemacht hat, kommt es nicht an, da Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 auf ein Verschulden des Ausführers nicht abstellt, sondern die Sanktion bereits für den Fall vorsieht, dass die höhere Erstattung aufgrund objektiv falscher Angaben beantragt worden ist. Nach dem Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 (C 210/00) verstößt diese Regelung nicht gegen höherrangiges Recht. Der Umstand, dass die Festsetzung einer Sanktion auch für Fälle vorgesehen ist, in denen der Ausführer ohne eigenes Verschulden eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantragt hat, begründet danach weder einen Verstoß gegen den Grundsatz "nulla poena sine culpa" noch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder das Diskriminierungsverbot; auch mit der Verordnung Nr. 2988/95 ist die Regelung vereinbar.

Soweit in Fällen vorschussweise gewährter Ausfuhrerstattung der Vorschuss nach Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 mit einem 15 %igen Zuschlag zurückgefordert wird, führt die Festsetzung einer Sanktion auch nicht zu einer unzulässigen doppelten Bestrafung, da zum einen mit diesen Vorschriften unterschiedliche Zwecke verfolgt werden. Während die Sanktion gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 die Bekämpfung der im Bereich der Ausfuhrerstattung festgestellten Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bezweckt und jeden Ausführer veranlassen soll, das Gemeinschaftsrecht einzuhalten (vgl. die erste Begründungserwägung der VO Nr. 2945/94), wendet sich Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 allein an den Ausführer, der den Vorschuss in Anspruch nimmt und soll ihn zum einen von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Vorschusszahlung abhalten, stellt darüber hinaus aber auch einen pauschalen Ausgleich des ungerechtfertigten Vorteils eines kostenlosen Kredits dar (vgl. 22. Begründungserwägung der Vorgänger-Verordnung (EWG) Nr. 2730/79 der Kommission vom 29. November 1979 - ABl. Nr. L 317/1 - sowie 23. Begründungserwägung der VO Nr. 3665/87). Zum anderen hat die Sanktion gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 keinen strafrechtlichen Charakter (vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.2002, C 210/00), was im Übrigen auch für den Zuschlag nach Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 gilt. Es steht dem Gemeinschaftsgesetzgeber somit frei, neben der Sanktion gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 eine weitere Sanktion für den Fall vorzusehen, in dem sich der Ausführer eine ihm nicht zustehende Ausfuhrerstattung als Vorschuss gewähren lässt.

Schließlich führt auch der Umstand, dass im Streitfall - wie es die Klägerin behauptet - die evtl. Ausfuhr britischen Rindfleisches auf das Verschulden eines (Vor-) Verkäufers zurückzuführen ist, nicht dazu, dass zugunsten der Klägerin das Vorliegen höherer Gewalt gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. a VO Nr. 3665/87 angenommen werden könnte (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 11.7.2002, C 210/00).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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