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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: IV 289/01
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 615/98, VO (EWG) Nr. 805/68


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 805/68 Art. 13 Abs. 9
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 1
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 3
Richtlinie 91/628/EWG Anhang Kap. 7 Nr. 48.4
Richtlinie 91/628/EWG Anhang Kap. 7 Nr. 48.5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 10.7.2000 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt H - Abfertigungsstelle A - insgesamt 32 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 1010 9120 zur Ausfuhr nach Kroatien an und beantragte hierfür unter dem 26.7.2000 die Gewährung von Ausfuhrerstattung, was das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 17.1.2001 unter Hinweis darauf ablehnte, dass die Klägerin während des Transportes der Tiere die gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten habe. Insoweit führte das beklagte Hauptzollamt in dem Bescheid vom 17.1.2001 aus: Nach Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes seien zwischen dem Versand der Tiere und deren Ankunft am Bestimmungsort insgesamt 45 Stunden vergangen. Nach der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport müsse den Tieren nach einer Transportphase von 14 Stunden eine mindestens einstündige Ruhepause gewährt werden, während der die Tiere zu tränken und zu füttern seien. Nach einer zweiten Transportphase von höchstens 14 Stunden müssten die Tiere im Rahmen einer Ruhepause von 24 Stunden an einem zugelassenen Aufenthaltsort entladen, gefüttert und getränkt werden. Im Streitfall sei die nach der zweiten Transportphase eingelegte Ruhepause, die lediglich 13 Stunden betragen habe, zu kurz bemessen gewesen mit der Folge, dass der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung zu versagen sei, weil sie die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten habe.

In ihrem gegen den Bescheid vom 17.1.2001 erhobenen Einspruch räumte die Klägerin zwar ein, dass die Ruhezeit an der Veterinärgrenzkontrollstelle Spielfeld, einem zugelassenen Aufenthaltsort, lediglich 13 Stunden betragen habe. Das Transportunternehmen habe die Tiere dort unter veterinäramtlicher Aufsicht am Abend des 11.7.2000 gegen 20.00 Uhr ausgeladen. Nach Untersuchung der Tiere am frühen Morgen des 12.7.2000 habe der Diplom-Tierarzt T indes festgestellt, dass sich die Tiere nach erfolgter Fütterung und Tränkung in einem guten Zustand befunden hätten. Angesichts dieser amtstierärztlichen Feststellungen habe die Veterinärgrenzkontrollstelle vom Transportunternehmen verlangt, dass die Tiere wieder aufgeladen würden und der Transport fortgesetzt werde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.8.2001 wies das beklagte Hauptzollamt den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17.1.2001 mit der Begründung zurück, dass sich die Klägerin durch Studium der einschlägigen Rechtsvorschriften über die in der Richtlinie 91/628/EWG normierten Pausen- und Ruhezeiten hätte informieren müssen. Dass die Veterinärgrenzkontrollstelle die Weiterfahrt der Tiere verlangt habe, lasse sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Aber selbst wenn der Grenzveterinär Entsprechendes angeordnet hätte, wäre die Erstattungsstelle hieran nicht in der Weise gebunden, dass die Erstattung entgegen den geltenden Bestimmungen zu gewähren wäre. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die am 17.8.2001 an die Klägerin abgesandt worden ist, Bezug genommen.

Mit ihrer am 17.9.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont erneut, der Transportführer habe ausschließlich den behördlichen amtstierärztlichen Anordnungen der Grenzkontrollstelle Spielfeld Folge geleistet. Nach 13 Stunden Aufenthalt an der Veterinärgrenzkontrollstelle Spielfeld sei die behördliche Anordnung ergangen, die Tiere aus den Stallungen zu entfernen, erneut zu verladen und zum Bestimmungsort in Kroatien, der etwa 4 Stunden Fahrtzeit von der Veterinärgrenzkontrollstelle entfernt gewesen sei, zu verbringen. Dieser behördlichen Anordnung habe sich der Fahrer nicht widersetzen können.

Die Klägerin beantragt, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 17.1.2001 und der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2001 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 26.7.2000 Ausfuhrerstattung zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass der Klägerin die begehrte Erstattung auch deshalb zu versagen sei, weil bereits die erste Transportphase die nach der Richtlinie 91/628/EWG maximale Dauer von 14 Stunden um 1 Stunde und 15 Minuten überschritten habe. Nach dem Wiegeprotokoll der Firma R sei die Verwiegung des LKW um 13.45 Uhr abgeschlossen gewesen. Da als Beginn des Transportes die Verladung des ersten Tieres gelte, habe das erste Transportintervall spätestens zu diesem Zeitpunkt begonnen. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Transportplan sei die erste Ruhepause indes erst am nächsten Tag um 5.00 Uhr und damit nach 15 Stunden und 15 Minuten eingelegt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung der beantragten Ausfuhrerstattung (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

Gemäß Art. 13 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr.805/68 des Rates vom 27.6.1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 148/24, im Folgenden: VO Nr. 805/68) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18.12.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 356/13) setzt die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports, voraus. Hierzu gehören, wie sich auch aus dem ersten Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 26347/97 ergibt, die Regelungen der Richtlinie Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. L 148/52, im Folgenden: Richtlinie 91/628/EWG). Dementsprechend macht Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr.82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 davon abhängig, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG - an deren Umsetzung der erkennende Senat keinen Zweifel hat - sowie die Regelungen der VO Nr. 615/98 eingehalten werden, wobei der Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 und gegebenenfalls des Bericht nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 615/98 erbracht wird.

Der erkennende Senat geht vorliegend davon aus, dass die Klägerin im Hinblick auf die in Rede stehende Ausfuhrsendung ein ordnungsgemäß ausgefülltes Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 vorgelegt und damit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 erbracht hat. Das von ihr eingereichte Kontrollexemplar T5 enthält im Feld J den nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 erforderlichen Vermerk der Veterinärgrenzkontrollstelle Spielfeld "Kontrolle nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 zufriedenstellend" sowie den ebenfalls vorgeschriebenen Stempel nebst Unterschrift des amtlichen Tierarztes. Die Echtheit und inhaltliche Richtigkeit dieses Kontrollvermerks der Ausgangsstelle wird vom beklagten Hauptzollamt letztlich auch nicht in Abrede gestellt. Allerdings steht das beklagte Hauptzollamt auf dem Standpunkt, dass der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung gleichwohl gestützt auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zu versagen sei. In Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 ist nämlich geregelt, dass die Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt wird für Tiere, die während des Transportes verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist.

In Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG ist unter Ziffer 48.4 lit. d) "Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt und Ruhezeiten" bestimmt, dass Tiere der Gattung Rind (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 91/628/EWG) bei der Verwendung eines - wie hier - unter Ziffer 48.3 genannten Fahrzeuges nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten müssen, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können; nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer, so ist es in Ziffer 48.5 des Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie91/628/EWG weiter geregelt, müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sieht schließlich vor, dass die Transportzeiten nach u.a. Ziffer 48.4 insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen.

Die Beteiligten des Rechtsstreits gehen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin die nach Ziffer 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebene Ruhepause von mindestens 24 Stunden nicht eingehalten hat. Denn ausweislich des in der Sachakte befindlichen Transportsplanes wurden die Tiere an der Veterinärgrenzkontrollstelle Spielfeld am Abend des 11.7.2000 gegen 20.00 Uhr ausgeladen und am frühen Morgen des 12.7.2000 nach einer Ruhezeit von 13 Stunden wieder aufgeladen. Der erkennende Senat nimmt in diesem Zusammenhang freilich an, dass der anschließende Weitertransport der Tiere auf Anordnung bzw. mit Genehmigung des zuständigen Veterinärs erfolgte. Nachforschungen des Senats bei der Veterinärgrenzkontrollstelle Spielfeld haben nämlich ergeben, dass die Fahrer nur mit dem Einverständnis des diensthabenden Veterinärs die Fahrzeuge wieder beladen und den Transport fortsetzen können. Die Klägerin stellt weiterhin nicht in Abrede, dass sie das in Ziffer 48.4 lit. d des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie91/628/EWG niedergelegte erste Transportintervall nicht beachtet hat. Da nach Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie91/628/EWG als Transport jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel einschließlich Ver- und Entladen gilt und das Hauptzollamt H - Abfertigungsstelle A - am 10.7.2000 in der Zeit vom 13.30 bis 15.00 Uhr eine sog. anrechenbare Beschau durchführte, begann der streitgegenständliche Transport am 10.7.2000 bereits um 13.30 Uhr. Die Klägerin wendet in diesem Zusammenhang zwar ein, mit der Verladung der Tiere sei am 10.7.2000 erst um etwa 14.10 Uhr begonnen worden. Im Hinblick auf die im Transportplan dokumentierte erste Ruhepause, die am 11.7.2000 in der Zeit von 5.00 bis 6.00 Uhr stattfand, hat die Klägerin indes das erste Transportintervall auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens um wenigstens 50 Minuten überschritten. Der erkennende Senat übersieht in diesem Kontext nicht, dass sich die Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, in einer Stellungnahme vom 21.12.2001 dahin geäußert hat, dass die Richtlinie 91/628/EWG keine Definition der Transportzeiten enthalte und in Übereinstimmung mit dem Transportplan nur der Zeitpunkt maßgeblich sei, an dem das Fahrzeug den Versandort verlasse, selbst wenn der Verladevorgang mehrere Stunden dauere. Abgesehen davon, dass diese Äußerung der Europäischen Kommission die Gerichte ohnehin nicht bindet, vermag der erkennende Senat auch für diesen Rechtsstandpunkt im Gesetz keine Stütze zu finden, im Gegenteil: Schon aus der Formulierung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 91/628/EWG ("Ferner gelten folgende Begriffsbestimmungen: ...") lässt sich zur Überzeugung des Senats unschwer erschließen, dass der Rat im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Richtlinie91/628/EWG den Begriff des Transports in Art. 2 Abs. 2 lit. b legal definiert hat.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist vorliegend zwar davon auszugehen, dass die Klägerin gegen die Bestimmungen der Ziffern 48.4 lit. d und 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG verstoßen hat. Der erkennende Senat hält allerdings dafür, dass Art. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder der KN-Codes 0102 die (u.a.) Einhaltung der Richtlinie 91/628/EWG voraussetzt, im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass jedenfalls ein Verstoß gegen die Transport- und Ruhezeiten der Richtlinie 91/628/EWG nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge hat, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschrift nachweislich - d.h. feststellbar - zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat:

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, müssen die von einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet sein und dürfen nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.2001 - C-210/00 -, Rdnr. 59, juris; Urteil vom 29.1.1998 - C-161/97 -, Rdnr. 31, juris; Urteil vom 24.9.1985 - 181/84 -, Rdnr. 20, juris). Nach der ersten Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18.12.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. L 356/13, im Folgenden: VO Nr. 2634/97), mit der Art. 13 Abs. 9 VO Nr.805/68 eingefügt wurde, bezweckt diese Verordnung die Gewährleistung des Wohlbefindens der Tiere während des Transports. Um dieses Ziel umzusetzen, hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber mit der Verordnung 615/98 ein Überwachungssystem mit vor allem systematischen Kontrollen bei der Ausfuhr aus der Gemeinschaft, aber auch Kontrollen beim Entladen im Bestimmungsdrittland eingeführt. Dieses Überwachungssystem sieht nicht nur die Bestimmung von Ausgangsstellen vor, über die allein die Ausfuhr der Tiere aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft zulässigerweise erfolgen darf (vgl. Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 615/98). Es beinhaltet vor allem die von einem amtlichen Tierarzt vorzunehmende Überprüfung und Bescheinigung, ob die Tiere im Sinne der Richtlinie 91/628/EWG transportfähig sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 Ziffer 1 VO Nr.615/98). Ist wegen des Wechsels des Transportsmittels gemäß Art. 3 Abs. 3 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 eine weitere Kontrolle bei der Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland vorgeschrieben, ist in dem zu erstellenden Kontrollbericht (u.a.) die Zahl der Tiere anzugeben, deren Zustand und/oder Gesundheit den Schluss rechtfertigt, dass die Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden sind (vgl. Art. 3 Abs. 2 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98). Diese Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 über die durchzuführenden Kontrollen zeigen vor dem Hintergrund der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2634/97 anschaulich, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber die Gewährung der Ausfuhrerstattung an das Wohlbefinden der Tiere während des Transports knüpfen und demgemäß die Zahlung von Ausfuhrerstattung versagen wollte, wenn das Wohlbefinden der Tiere während des Transports nicht gewährleistet war. Für dieses Verständnis des Senats spricht ferner der 7. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 639/2003 der Kommission vom 9.4.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) 1254/1999 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (ABl. Nr. L 93/10, im Folgenden: VO Nr. 639/2003), durch die die Verordnung Nr.615/98 "im Interesse der Klarheit ersetzt" worden ist (2. Erwägungsgrund der VO Nr. 639/2003). Nach dem 7. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 639/2003 soll nämlich nur dann die "Erstattung insgesamt verweigert werden", wenn die Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628/EWG "auf eine völlige Missachtung der Tierschutzvorschriften zurückzuführen" ist. Im Übrigen macht auch der 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995, wonach die Vorschriften der Richtlinie91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport geändert werden mussten, "um technische Hindernisse im Handel mit lebenden Tieren abzubauen und ein reibungslosen Funktionieren der betreffenden Marktordnungen zu gewährleisten, ohne dabei die Belange des Tierschutzes zu vernachlässigen", deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die mitunter gegenläufigen Interessen und Belange des Marktordnungsrechts einerseits und des Tierschutzes andererseits in einen zweckentsprechenden, sachgerechten Ausgleich bringen wollte.

Demgegenüber führt nach dem Wortlaut der Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 schon jede objektive Verletzung einer Regelung der Richtlinie 91/628/EWG unabhängig von einer festgestellten Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere zum gänzlichen Verlust des Erstattungsanspruchs. Eine Differenzierung danach, ob gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nur geringfügig, wiederholt oder aber in erheblichem Maße verstoßen wurde, lässt der Wortlaut der Art. 1, Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht zu, zumal auch die Ausgestaltung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr.615/98 als gebundene Entscheidung der zuständigen Behörde einer Differenzierung nach der Intensität und dem Ausmaß des festgestellten Verstoßes nicht möglich macht. Der erkennende Senat übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, obgleich als gebundene Entscheidung ausgestaltet, als Rechtsfolge auch eine teilweise Versagung der Erstattung vorsieht. Die Rechtsfolge der teilweisen Versagung der beantragten Ausfuhrerstattung knüpft die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 freilich nicht an das Vorliegen eines nur geringen oder nicht vorwerfbaren Verstoßes gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport, sondern an die Feststellung, dass die Richtlinie 91/628/EWG lediglich bezogen auf einen Teil der Tiere nicht eingehalten wurde. Bei einer Überschreitung der Transportzeiten bzw. Unterschreitung der Ruhepausen scheidet indes eine nur teilweise Versagung der Erstattung a limine aus.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Hat der Ausführer den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 erbracht, können - wie die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zeigt - gleichwohl Umstände vorliegen, die die zuständige Behörde berechtigen, die vom Ausführer beantragte Ausfuhrerstattung zu versagen. Als solche Umstände gelten gemäß Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zum einen und insbesondere die Verendung einzelner Tiere während des Transports. Neben diesen Versagungstatbestand stellt der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zum anderen "sonstige Informationen" der Behörde, die den Schluss rechtfertigen, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist. Da anzunehmen ist, dass der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht nur gleichberechtigte, sondern auch gleichgewichtige Versagungstatbestände normiert hat, dürfte eine Auslegung dieser Vorschrift, dass jede Information der zuständigen Behörde über eine - gleichwie geartete - Verletzung der Richtlinie 91/628/EWG zum völligen Verlust des Erstattungsanspruchs führen soll, weder dem Willen des Verordnungsgebers noch Sinn und Zweck der Verordnung entsprechen.

Vor dem Hintergrund, dass der wesentliche Zweck der Verordnung Nr. 615/98 darin besteht, das Wohlbefinden der Tiere während des Transports zu gewährleisten, geht es indes über das dazu Erforderliche hinaus, die Gewährung der Ausfuhrerstattung insgesamt schon bei jeder objektiven Verletzung einer Regelung der Richtlinie 91/628/EWG unabhängig von einer festgestellten Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere zu versagen. Der erkennende Senat legt deshalb Art. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 im Lichte des Grundsatzes des Verhältnismäßigkeit dahin aus, dass jedenfalls ein Verstoß gegen die Transport- und Ruhezeiten der Richtlinie 91/628/EWG nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge hat, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschrift nachweislich zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat. Letzteres ist vorliegend indes nicht festgestellt worden. Weder die Überschreitung des ersten Transportintervalls noch die Unterschreitung der 24-stündigen Ruhepause hat das Wohlbefinden der Tiere nachweislich beeinträchtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 115 Abs. 2 FGO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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