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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 15.04.2005
Aktenzeichen: VII 247/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 5a
EStG § 15a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für Zwecke der Anwendung des § 15a EStG, der bis zum 31.12.1999 gem. § 5 EStG entstandene Verlust mit dem während der Tonnagebesteuerung ermittelten Verlust, welcher nach § 5 EStG ermittelt wurde, verrechnet werden muss.

Die Klägerin ist eine 1997 gegründete Schifffahrtsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co KG, deren Gesellschaftszweck der Betrieb eines Handelsschiffes im internationalen Seeverkehr ist. Die Gewinnermittlung erfolgte zunächst nach § 5 EStG. Mit Bescheid vom 29.07.2002 wurden gemäß § 15a EStG verrechenbare Verluste auf den 31.12.1999 in Höhe von DM 1.248.678,00 festgestellt. Mit Wirkung zum 01.01.2000 wechselte die Klägerin zur pauschalierten Gewinnermittlung nach § 5a EStG. Durch Bescheid vom 30.07.2002 wurde gem. § 5a Abs. 4 EStG ein Unterschiedsbetrag in Höhe von DM 32.001.775,00 festgestellt. Der Unterschiedsbetrag wurde im Jahr 2000 nicht gemindert, so dass der Unterschiedsbetrag zum 31.12.2000 ungemindert DM 32.001.775,00 betrug.

Durch Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 01.08.2002 wurden laufende Gewinne antragsgemäß in Höhe von DM 88.803,00 gemäß § 5a EStG und gemäß § 15a EStG verrechenbare Verluste zum 31.12.2000 in Höhe von DM 0,00 festgestellt. Dabei berücksichtigte der Beklagte Gewinne in Höhe von DM 6.538.687,00, die er in einer Schattenveranlagung nach § 5 EStG ermittelt hatte.

Durch Einspruch vom 26.08.2002 begehrte die Klägerin die Änderung des Bescheides dahingehend, dass die zum 31.12.1999 festgestellten Verluste auch zum 31.12.2000 festzustellen seien. Denn während der Zeit der Tonnagebesteuerung seien die Verluste einzufrieren und nicht mit Gewinnen zu verrechnen. Die Verrechnung von Verlusten aus der Zeit vor der Tonnagebesteuerung mit solchen aus der Zeit nach der Umstellung auf die Tonnagebesteuerung sei nicht systemgerecht.

Durch Einspruchsentscheidung vom 06.09.2002 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung verweist der Beklagte auf Tz. 32 des für die Verwaltung bindenden BMF-Schreibens vom 12.06.2002 (BStBl I 2002 S. 614 (617)). Danach sei während der Zeit der Tonnagebesteuerung parallel die Steuerbilanz einschließlich der Kapitalkonten fortzuführen. Der verrechenbare Verlust sei jährlich festzustellen und mit den Ergebnissen der Steuerbilanz zu verrechnen. Ein "Einfrieren" der vorher festgestellten Verluste würde eine unzulässige Aushöhlung des § 15a EStG bewirken.

Hiergegen richtet sich die am 01.10.2002 eingegangene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, eine Verrechnung der zum Zeitpunkt der Option gem. § 5a Abs. 3 EStG bestehenden verrechenbaren Verluste sowohl mit dem Unterschiedsbetrag als auch mit den tatsächlichen laufenden Gewinnen während der Zeit der Tonnagebesteuerung würde dazu führen, dass dasselbe Gewinnvolumen zweimal berücksichtigt würde. Das widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und verstoße gegen das verfassungsmäßig vorgeschriebene Leistungsfähigkeitsprinzip und das im Steuerrecht geltende Übermaßverbot. Die nach § 5 EStG fiktiv ermittelten Gewinne seien nach dem Zweck des § 15a EStG nicht einzubeziehen. Denn unstreitig sei, dass steuerfreie Gewinne auch nicht einbezogen würden. Dies müsse dann erst Recht für nicht steuerbare Gewinne gelten. Etwas anderes gelte nur für Gewinne, die sich aus der Auflösung des Unterschiedsbetrages ergeben würden. Aus dem nachträglich eingeführten § 5a Abs. 5 S. 4 EStG ergebe sich keine Fiktion in dem Sinne, dass nicht steuerbare Gewinne normalen steuerpflichtigen Gewinnen bei Anwendung des § 15a Abs. 2 EStG gleichgestellt werden müssten. § 5a EStG sei eine Gewinnermittlungsvorschrift und habe keinen Fiktionscharakter. Eine solche Regelung hätte ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden müssen. § 5a Abs. 5 S. 4 EStG habe lediglich im Hinblick auf die Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG eine Bedeutung.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2000 vom 01.08.2002 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 06.09.2002 dahingehend zu ändern, dass verrechenbare Verluste gemäß § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG in Höhe von DM 1.248.678,00 festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht liegen die Gewinnfeststellungsakten, die Rechtsbehelfsakten und die Akte Tonnagebesteuerung der Klägerin (Steuernummer ...) vor.

Gründe

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2000 vom 01.08.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 06.09.2002 sind rechtmäßig. Zu Recht hat der Beklagte bei der Feststellung der verrechenbaren Verluste gem. § 15a Abs. 4 EStG die tatsächlichen, nach § 5 EStG ermittelten Gewinne für das Jahr 2000 mit den Verlusten verrechnet, die auf den 31.12.1999 gemäß § 15a Abs. 4 EStG festgestellt worden sind.

Gem. § 5a Abs. 5 S. 4 EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, S. 2601, BStBl I 2000, 13) ist § 15a EStG auch im Rahmen der pauschalierten Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG anwendbar. Nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der gemäß § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust gesondert festzustellen. Dabei ist der nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn zugrunde zulegen (§ 5a Abs. 5 Satz 4 EStG). Es ist mittlerweile unstreitig , dass sich durch die Regelung in § 5a Abs. 5 S. 4 EStG die Verpflichtung ergibt, parallel zur Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 5 S. 4 EStG die Steuerbilanzen einschließlich der Kapitalkonten fortzuführen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus § 5a Abs. 5 S. 4 EStG nicht nur, dass die Steuerbilanzen und Kapitalkonten erstellt werden müssen gem. § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG, sondern auch, dass die Kapitalkonten fortgeführt werden müssen. Danach ist das von der Klägerin erwünschte sog. "Einfrieren" der Verluste aus der Zeit vor der Einführung der Tonnagebesteuerung durch die Regelung des § 5a Abs. 5 S. 4 EStG bereits nach dem Wortlaut ausgeschlossen.

Durch Auslegung der Vorschrift des § 5a Abs. 5 S. 4 EStG ergibt sich auch, wie die Kapitalkonten fortzuführen sind. Maßgeblich ist hiernach nicht der nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelte Gewinn sondern der nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn (so auch z.B. Littmann-Weiland § 5a EStG Rn. 206f, ebenso Frotscher-Lindberg § 5a EStG Rn. 86). Hieraus ergibt sich, dass die tatsächlichen Gewinne gem. § 5 EStG auch ggf. mit den Verlusten aus der Zeit vor der Einführung der Tonnagbesteuerung zu verrechnen sind (ebenso Kirchhoff-Gosch EStG 4. Aufl. 2004, § 5a Anm. 15).

Zwar ist der Klägerin insoweit Recht zu geben, als diese Konsequenz nicht zwingend ist und sich auch nicht aus der bis zur Änderung am 22.12.1999 geltenden Fassung ergab. Der Gesetzgeber hat sich aber für diese Regelung entschieden. Da der Gesetzgeber im Subventionsbereich eine weit reichende Gestaltungsfreiheit hat, begegnet die von ihm vorgenommene Regelung auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Durch eine solche Anwendung kommt es auch nicht zu einer unzulässigen Doppelbelastung oder einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Ziel der Einführung der Tonnagebesteuerung war unstreitig die Privilegierung der deutschen Reeder und die Verhinderung von weiteren Ausflaggungen (siehe z.B. Schmidt-Weber-Grellet, 21. Aufl., § 5a). Dieses Ziel wird nicht durch die hier angewandte Auslegung verhindert, sondern lediglich in einigen Fällen teilweise eingeschränkt. Die von der Klägerin monierte Doppelberücksichtigung liegt im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil keine Auflösung des Unterschiedsbetrages im Streitjahr stattgefunden hat.

Ein Problem der unzulässigen Rückwirkung besteht nicht, da die Ergänzung des § 5a EStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, S. 2601, BStBl I 2000, 13) eingeführt worden ist und hier das Jahr 2000 streitbefangen ist.

Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Regelung des § 5a EStG insgesamt verfassungswidrig ist (hierzu siehe z.B. FG Hamburg, VII 265/02, vom 27.10.2004, EFG 2005, 466), denn auch wenn § 5a EStG verfassungswidrig wäre, wäre die Klage unbegründet. Denn dann würde der Gewinn nicht nur fiktiv sondern tatsächlich nach § 5 EStG berechnet werden und der nach § 5 EStG berechnete Gewinn hätte dann zwangsläufig auf die Kapitalkonten gem. § 15a EStG Einfluss, so dass die verrechenbaren Verluste ebenfalls in Höhe von DM 0,00 hätten festgestellt werden müssen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es sich bei der streitigen Frage der Auslegung des § 5a Abs. 5 S. 4 EStG um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Ende der Entscheidung

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