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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 10 K 1006/03
Rechtsgebiete: EStG, KStG, GmbHG


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
GmbHG § 32a Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 1006/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erstattung von Darlehenszinsen, die in den Jahren 1992 bis 1999 an den Kläger ausgezahlt worden waren, im Streitjahr 2000 zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen geführt hat.

Die Kläger sind verheiratet und wurden für das Streitjahr gemeinsam zu Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Prokurist bei der Firma I-GmbH nichtselbständig tätig. Die I-GmbH war im Jahr 1991 gegründet worden. Zunächst war der Kläger mit 49% am Stammkapital beteiligt und ebenso wie sein Mitgesellschafter zum Geschäftsführer bestellt. Bedingt durch Kapitalerhöhungen infolge der Aufnahme von Neugesellschaftern und durch Anteilsveräußerungen war der Kläger ab Dezember 1995 und auch im Streitjahr 2000 nur noch mit weniger als 10% beteiligt (GA Bl. 22 ff.). Ab Januar 1997 war der Kläger zwar nicht mehr als Geschäftsführer, wohl aber noch als Prokurist für die I-GmbH nichtselbständig tätig, und zwar in der Form, dass die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch den Kläger als Prokuristen zusammen mit einem Geschäftsführer erfolgen konnte (sog. "unechte Gesamtvertretung", GA Bl. 37); diese Position bekleidete der Kläger auch im Streitjahr.

Neben anderen Gesellschaftern hatte der Kläger der I-GmbH seit 1991 der Höhe nach nicht bekannte Darlehen zur Verfügung gestellt (GA Bl. 26), die die I-GmbH in den Jahren 1992 bis 1999 - zumindest teilweise - einschließlich der angefallenen Zinsen an den Kläger wieder zurückgezahlt hat. Im Veranlagungszeitraum 1998 hat der Kläger hieraus Darlehenszinsen in Höhe von 17.360 DM als Kapitaleinkünfte erklärt.

Anlässlich einer Prüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde festgestellt, dass sich die I-GmbH während des gesamten Zeitraums der Darlehensgewährungen nicht kreditwürdig war und dass die gewährten Darlehen kapitalersetzenden Charakter hatten, weil sie in der Krise gewährt worden waren. Bei der Rückzahlung der Darlehen und den darüber hinaus gezahlten Darlehenszinsen handelte es sich deshalb um gemäß §§ 31, 32a ff. GmbHG verbotene Rückzahlungen, die von den Gesellschaftern wieder an die I-GmbH erstattet werden mussten. Am 28. November 2000 erstattete der Kläger deshalb Darlehenszinsen in Höhe von 24.144 DM zurück, wie sich aus einer Bescheinigung der I-GmbH ergibt.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 beantragten die Kläger zunächst, die an die I-GmbH zurückgezahlten Zinsen in Höhe der für 1998 erklärten Kapitaleinnahmen, also in Höhe von 17.360 DM als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Der Beklagte lehnte dies jedoch in dem vorliegend streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid vom 8. März 2002 ab und qualifizierte die Rückzahlungen als verdeckte Einlage. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zu Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2003 aus: Die von der I-GmbH erstatteten Zinsen seien vom Kläger im Jahr 1998 zutreffend der Besteuerung unterworfen worden. Denn das sich aus § 30 Abs. 1 GmbHG ergebende Verbot, dass zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszuzahlen, führe lediglich zu einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft (§ 31 Abs. 1 GmbHG). Eine Nichtigkeit der zivilrechtlichen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ergebe sich daraus nicht und dementsprechend auch kein Hinderungsgrund für die Besteuerung dieser Geschäftsvorfälle (Hinweis auf FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Juli 1990 1 K 94/87). Auch bei den Darlehenszinsen handle es sich um Rückzahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, die dem Kapitalerhaltungsgebot der §§ 31, 32a GmbHG unterfielen. Die zurückgezahlten Darlehenszinsen seien deshalb nicht als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen, sondern als Einlage zu berücksichtigen, die beim Kläger zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führten.

Die Kläger, die dem Gericht über die Bevollmächtigte in der Nacht vor der mündlichen Verhandlung noch einen ergänzenden Schriftsatz übermittelt haben, sind nunmehr der Ansicht, die im Streitjahr zurückgezahlten Zinsen müssten in voller Höhe (also 24.144 DM) als negative Einnahme aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. Der Umstand, dass kapitalersetzende Darlehen nicht zurückgezahlt werden dürften, ändere nichts daran, dass die Regeln für Darlehen anwendbar blieben. Es handle sich bei der Rückzahlung der Zinsen im Jahre 2000 nicht um eine Einlage i.S. § 4 Abs. 1 EStG.

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Einkommensteuerbescheid vom 8. März 2002 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2003 dahin zu ändern, dass die zurückgezahlten Zinsen in voller Höhe (24.144 DM) als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist dazu auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die vom Kläger im Streitjahr zurückgezahlten Zinsen sind nicht als negative Einnahme aus Kapitalvermögen, sondern als Einlage zu berücksichtigen.

1. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören u. a. Gewinnanteile aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen ihrer Art (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die Rückzahlung derartiger Einnahmen kann u. U. im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahme aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sein, wenn der BFH inzwischen auch erhebliche Zweifel an der Berechtigung dieser Rechtschöpfung angemeldet hat (BFH-Urteil vom 3. August 1993 VIII R 82/91, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561).

2. Diese Rechtsfrage kann vorliegend jedoch offen bleiben, weil die zurückgezahlten Zinsen im Streitfall lediglich als Einlage und damit als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung berücksichtigt werden können.

a) Dem Begriff der (verdeckten) Gewinnausschüttung (GA) in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gemeinsam, dass der mit dem Eintritt der Vermögensminderung bzw. des Vermögensvorteils verwirklichte Sachverhalt nicht rückgängig gemacht werden kann; die Rückgewähr ist vielmehr als Einlage zu behandeln. Diese Rechtsfolge ist jedenfalls dann unstreitig, wenn die Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Sie gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob entsprechende (schuld- oder gesellschaftsrechtliche) Rückforderungsansprüche bestehen und die Ausschüttung insoweit eine zunächst nur vorläufige war. Dem hat sich inzwischen auch der VIII. Senat BFH angeschlossen, soweit es um die Ebene des Gesellschafters geht (BFH-Urteile vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103, BFH/NV 2005, 105, DStR 2004, 2143, vom 29. August 2000 VIII R 7/99, BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173; Fortführung des BFH-Urteils vom 25. Mai 1999 VIII R 59/97, BFHE 188, 569).

b) Eine Veranlassung der Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis besteht nicht nur bei einer auf einer Satzungsklausel beruhenden Rückzahlung einer GA, sondern auch dann, wenn mit der Rückzahlung der GA ein Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG zu erfüllt werden soll. Denn die Rückzahlung einer GA zur Erfüllung eines Anspruchs nach § 31 Abs. 1 GmbHG, der durch eine gesellschaftsrechtlich veranlasste GA unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG entstanden war und der der Wiederaufbringung des durch GA geschmälerten Stammkapitals der Gesellschaft dient, ist funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen (BFH-Urteil vom 29. August 2000 VIII R 7/99, BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173 unter Bezugnahme auf BGH-Urteil vom 29. Mai 2000 II ZR 118/98, DStR 2000, 1234). Die Rückzahlung findet daher (wie auch die Erfüllung des Einlageanspruchs) seine Grundlage im Gesellschaftsverhältnis, mit der Folge, dass eine Berücksichtigung als negative Einnahme aus Kapitalvermögen nicht in Betracht kommt, sondern nur als Einlage, die zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führt (BFH-Urteil vom 29. August 2000 VIII R 7/99, BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173).

c) Im Streitfall gilt es zwar nicht um die Rückzahlung einer offenen oder verdeckten GA, sondern um die Rückzahlung von Darlehenszinsen, die die GmbH zuvor an den Gesellschafter entrichtet hatte. Allerdings erfolgt die Hingabe eines Darlehens, welches kapitalersetzend ist, aus gesellschaftsrechtlichen Gründen, sodass auch die Rückzahlung eines solchen Darlehens durch die GmbH bzw. Zinszahlungen darauf ebenfalls gesellschaftsrechtlich veranlasst sind. Deshalb sind auch derartige Rückzahlungen ebenso funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft vergleichbar wie Rückzahlungsansprüche aufgrund von GA, die unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften gewährt worden sind.

d) Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der Erwägung, dass der Gesellschafter im Streitjahr 2000 und im Jahr der Zahlung der Darlehenszinsen vonseiten der GmbH an ihn (1998) nur Minderheitsgesellschafter war (a. A. Flume, DB 1993, 1945, 1947; Paus, DB 1993, 1258). Zwar begründet auch nach Ansicht des BFH die Handlung eines die Gesellschaft nicht beherrschenden Gesellschafters, der nicht Geschäftsführer ist, regelmäßig keine vGA. Etwas anderes gilt allerdings für einen zum Geschäftsführer bestimmten Minderheitsgesellschafter, bei dem eine vGA angenommen wird (BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103, BFH/NV 2005, 105, DStR 2004, 2143).

Der Kläger war im Streitfall zwar ab Januar 1997 kein Geschäftsführer mehr, da er nur noch als Gesellschafter-Prokurist die I-GmbH tätig war und der Gesellschafter-Prokurist einem Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich nicht gleichgestellt wird. Etwas anderes gilt allerdings für die Fälle der sog. "unechten Gesamtvertretung", bei denen die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch den Prokuristen zusammen mit einem Geschäftsführer erfolgt (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 35 Rz 39). In einer solchen Konstellation, die unstreitig auch im Streitfall vorliegt, gilt nach herrschender handelsrechtlicher Auffassung nicht die Privilegierung für sog. Zwerganteile gemäß § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG (keine Anwendung der Kapitalersatz-Regeln für solche Gesellschafter, die nicht geschäftsführend sind und mit weniger als 10% beteiligt sind); vielmehr wird der Prokurist dem Geschäftsführer gleichgestellt (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 32a/b Rz 74). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass auch die Rückzahlung des Klägers vollumfänglich den Regeln des Kapitalersatzrechts unterliegt und deshalb von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Rückzahlung auszugehen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision war zuzulassen, weil die Frage, ob die Rückzahlung von Darlehenszinsen durch die GmbH in einer Konstellation wie im Streitfall ("unechte Gesamtvertretung") als gesellschaftsrechtlich veranlasst anzusehen ist, mit der Folge, dass die Rückzahlung ebenso zu einer verdeckten Einlage führt, wie das bei der Rückgewähr von Gewinnausschüttungen der Fall ist.



Ende der Entscheidung

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