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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 10 K 3794/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Vorsteuerabzug für eine von dem Kläger errichtete Halle.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein. Er errichtete im Jahr 2004 eine Gymnastikhalle, in der er neben den üblichen Sportarten wie Basketball, Volleyball, Badminton, Tischtennis und Gymnastik auch u.a. folgende Kurse anbietet:

Pilates, Tai Chi, Yoga, Wirbelsäulengymnastik, Rückenfitness, Beckenbodentraining, Gesund und Aktiv ab 45, Feldenkrais und Tennis, Qi Gong, Step Aerobic, Fitnessgymnastik (auch als "im Rhythmus von Natur und Mond"), Body Forming, Powergymnastik, Fitness Mix, Thai Boxing Aerobic, Muskelaufbautraining, Fitnessgymnastik nach "Callanetics", Salsa Aerobic, Ausgleichsgymnastik für Herren, Step und Hanteln, Bewegt ins Wochenende, body attack, Selbstbehauptung, Kurse mit oder/und für Kinder, Psychomotorik sowie eine Vielzahl von Tanzveranstaltungen.

Ein Teil dieser Kurse wird auch speziell als unter dem Motto: "Richtig fit ab 55" angeboten.

Der Kläger erklärte die mit dem Neubau dieser Halle zusammenhängenden Vorsteuern i.H.v. ... Euro zunächst in seiner Steuererklärung. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung wurde jedoch der Abzug dieser Vorsteuern versagt, da die in der Halle durchgeführten Sportveranstaltungen nach § 4 Nr. 22 UStG steuerbefreit seien. Eine Optionsmöglichkeit nach § 9 UStG bestehe nicht. Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch war erfolglos.

Daraufhin wurde die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger begründet diese Klage damit, dass entsprechend der Entscheidung des BFH zu Tanzkursen bzw. Tanzveranstaltungen (Urteil vom 27.04.2006 V R 53/04, BFHE 213, 256) auch die hier angebotenen Kurse überwiegend keine Sportveranstaltungen darstellten. Aus diesem Grunde seien diese Kurse auch umsatzsteuerpflichtig und der Vorsteuerabzug zu gewähren. Allerdings erklärte der Kläger in den Jahren ab 2005 die Einnahmen aus den angebotenen Kursen als steuerfrei. Auf Nachfrage teilte er mit, dass dies nur geschehen sei, um der Ansicht des Beklagten zu entsprechen. Zudem wolle er von seinem Recht, sich im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22 UStG jeweils der für ihn günstigeren Auffassung des BFH oder des EuGH anzuschließen, Gebrauch machen.

Maßgebend sei im Übrigen nicht die Definition des Begriffs "Sport", sondern vielmehr der gesetzliche Tatbestand "Teilnehmergebühren zu sportlichen Veranstaltungen".

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 09. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07. September 2006 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich ... Euro als Vorsteuer zu berücksichtigen sind.

Der Beklagte beantragt bisher,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung sind die hier angebotenen Kurse nicht mit Tanzveranstaltungen, über die der BFH in seiner o.g. Entscheidung zu befinden hatte, zu vergleichen. Vielmehr will er sich an dem vom BFH wiederholt definierten Begriffs des Sports i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO ausrichten. Sport sei danach eine Betätigung, die der körperlichen Ertüchtigung diene. Voraussetzung sei eine über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet sei (Hinweis auf BFH-Urteile vom 29. Oktober 1997, veröffentlicht in BStBl. 1998, 9 und vom 17. Februar 2000, veröffentlicht in BFH/NV 2000, 1071).

Auch wenn teilweise vielleicht die Möglichkeiten der Teilnehmer aufgrund ihrer körperlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen sehr begrenzt seien, handele es sich für diese bei der ihnen möglichen körperlichen Betätigung dennoch um Sport in diesem Sinne. Damit seien auch diese Veranstaltungen nach § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit - wie sie auch von dem Kläger erklärt worden seien.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht in seinen Rechten verletzt. Vielmehr hat der Beklagte zu Recht den Vorsteuerabzug versagt (§ 100 Abs. 1 FGO).

Nach § 4 Nr. 22 UStG sind von gemeinnützigen Vereinen durchgeführte sportliche Veranstaltungen steuerfrei, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.

a. Danach gilt die Steuerbefreiung anders als die weiter gefasste EU-Richtlinie für als gemeinnützig anerkannte Sportvereine nur hinsichtlich von Teilnehmergebühren bei sportlichen Veranstaltungen.

Zwar setzt die Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsbestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonierrung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ersichtlich nicht um, sondern knüpft an die Verwendung des Begriffs "sportliche Veranstaltung" als sog. Zweckbetrieb in § 67a der Abgabenordnung an. Die Regelung in der Richtlinie ist jedoch weiter als die enge Auslegung des BFH, sodass vorliegend die Anwendung der weiter gefassten Richtlinie (bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben) für den Kläger nicht von Vorteil wäre. Insoweit steht es dem Kläger frei, sich auf die Anwendung der deutschen statt der europäischen Befreiungsvorschriften zu berufen.

b. Unter "sportlicher Veranstaltung" im Sinne des § 4 Nr. 22 UStG versteht die Rechtsprechung eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben. Eine bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz nicht vor. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist erst unterschritten, wenn die Maßnahme nur eine Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. -anlagen oder bloß eine konkrete Dienstleistung, wie z.B. die Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein spezielles Training für einzelne Sportler, zum Gegenstand hat.

Auch unter Anwendung dieser engeren deutschen Regelung des § 4 Nr. 22 UStG ist die Tätigkeit des Klägers umsatzsteuerfrei.

Dabei gilt die Auslegung des Begriffs der sportlichen Veranstaltung für alle Sportvereine; eine gesonderte Entscheidung für die unterschiedlichen Arten von Sportvereinen ist nicht erforderlich (siehe insgesamt zum Vorstehenden BFH-Beschluss vom 20. November 2008 V B 264/07, BFH/NF 2009, 430).

c. Kurse, wie sie von dem Kläger angeboten werden stellen insgesamt solche sportlichen Veranstaltungen im Sinne der obigen Definition dar, denn sie ermöglichen es allesamt den Vereinsmitgliedern oder sonstigen Aktiven Sport zu betreiben.

Einerseits bietet der Kläger eine "Veranstaltung" an. Anders als das reine zur Verfügung Stellen einer Halle, eines Platzes oder von Sportgerät, bietet der Kläger einen konkreten organisatorischen Rahmen. Er legt Trainingszeiten fest, bietet konkrete Kurse an und stellt für die Ausübung, Anleitung und Koordination der in diesen Kursen durchgeführten Bewegungen Trainer zur Verfügung.

Bei den angebotenen Veranstaltungen handelt es sich auch um "Sport". Eine einheitliche Definition des Begriffs Sport gibt es nicht. Die Definition des Begriffs Sport ist in der Wissenschaft sehr umstritten.

"Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen. Was im allgemeinen unter Sport verstanden wird, ist weniger eine Frage wissenschaftlicher Dimensionsanalysen, sondern wird weit mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch sowie von den historisch gewachsenen und tradierten Einbindungen in soziale, ökonomische, politische und rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Darüber hinaus verändert, erweitert und differenziert das faktische Geschehen des Sporttreibens selbst das Begriffverständnis von Sport." (Röthig/Prohl Hrsg.: Sportwissenschaftliches Lexikon, 6. Aufl., Schorndorf 2003)

Dieses Zitat verdeutlicht, dass die hinter dem Begriff Sport liegenden Bedeutungszuweisungen ganz wesentlich durch den umgangssprachlichen Gebrauch und den Kontext geprägt sind, in dem der Begriff Sport verwendet wird. Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) steht beispielsweise die motorische Aktivität im Vordergrund. Denkspiele, die Dressur von Tieren, sowie Motorsport ohne Einbeziehung motorischer Aktivitäten entspricht daher nicht dem Sport-Verständnis des DOSB.

Umgangssprachlich wird mit Sport häufig Wettkampf und Leistung assoziiert, was sich nicht nur in Begriffen wie Denksport, Gedächtnissport oder e-Sport manifestiert, sondern auch im Anspruch verschiedener Verbände reflektiert wird, vom IOC als Sportart anerkannt zu werden.

Heute unterscheidet man im Wesentlichen Breitensport und Leistungssport, daneben entstehen aber weitere Begriffe wie Funsport, Mannschaftssport, Extremsport oder Individualsport." (vgl. zu dem vorstehenden www.Wikipedia.de, Sport, Definitionen).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist auch Breitensport in Form der oben genannten Kurse (Pilates, Body Forming, Powergymnastik, Thai Boxing Aerobic etc.) als Sport im Sinne des § 4 Nr. 22 UStG anzusehen ist. Unter Anwendung der obigen Definition bzw. Analyse wird als Sport nicht allein die Vorbereitung auf einen Wettbewerb verstanden, sondern, entsprechend der auch vom BFH favorisierten Definition, eine allgemeine körperliche Ertüchtigung über das gewöhnliche Maß hinaus. Dies entspricht nach Ansicht des erkennenden Senats dem heute in der Bevölkerung vorherrschenden Verständnis von Sport. Nach dieser Definition sind aber auch die vom Kläger angebotenen Kurse als Sport anzusehen. Sie dienen der konzentrierten körperlichen Bewegung in dem Maß wie es sich der einzelne zutraut. Gerade diese sog. "Trendsportarten" sprechen einen großen Kreis von Interessenten an, die sich durch die Teilnahme an solchen Kursen zur Bewegung motiviert fühlen, ohne auf Wettkämpfe aus zu sein. Dennoch handelt es sich jeweils um eine Körperertüchtigung über das gewöhnliche alltägliche Maß hinaus.

Andererseits versteht auch der erkennende Senat nicht jede körperliche Ertüchtigung als Sport. Maßgebend ist nach Auffassung des erkennenden Senats, dass die Bewegung vorrangig mit dem Ziel ausgeübt wird, sich körperlich zu ertüchtigen. Deshalb stellt z.B. Wandern, auch wenn es unzweifelhaft der körperlichen Ertüchtigung dient, im Gegensatz zum Nordic Walking keinen Sport dar. Dabei geht der erkennende Senat davon aus, dass bei Ersterem trotz einer ggfs. erheblichen körperlichen Anstrengung das Naturerlebnis im Vordergrund steht. Eine ähnliche Abgrenzung dürfte es bei Radtouren im Gegensatz zum Radstreckenfahren geben. Bei den Erstgenannten ist die körperliche Ertüchtigung ein erfreulicher, wenn auch durchaus beabsichtigter Nebeneffekt zum Naturerlebnis. Bei den von dem Kläger angebotenen Kursen hingegen steht einzig die körperliche Ertüchtigung im Mittelpunkt.

d. Auch die übrigen Voraussetzungen (Gemeinnützigkeit und Teilnehmergebühren) des § 4 Nr. 22 b UStG werden unstreitig vom Kläger unstreitig erfüllt.

Dies stellt nicht nur den Unterschied zu den privaten Anbietern dar, sondern war auch der Grund, warum der hier geprüfte und angewandte Befreiungstatbestand in der Entscheidung des BFH vom 27. April 2006, a.a.O. nicht entscheidungserheblich war. Denn vorliegend handelt es sich - anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall- um einen gemeinnützigen Sportverein, der seinen Mitgliedern und sonstigen Aktiven die Sportausübung ermöglichen möchte. Insoweit greift daher auch die Vorschrift des § 4 Nr. 22 b UStG, die im vom BFH entschiedenen Fall zum Tanzunterricht wegen Fehlens dieser Voraussetzung abgelehnt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist zuzulassen, da die Frage, welche Betätigungen unter den Begriff "Sport" zu subsumieren sind ( z.B. ob Pilates, Body Forming, Rückenfitness, Gesund und Aktiv ab 45 etc., Sport im Sinne der Vorschrift des § 4 Nr. 22 b UStG sind), von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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