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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 10 K 456/06
Rechtsgebiete: EStG, HGB, GmbHG


Vorschriften:

EStG § 3c Abs. 2
EStG § 17 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 2
EStG § 17 Abs. 4
HGB § 255 Abs. 1
GmbHG § 32a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 16.11.2005 in Form der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2006 wird dahin geändert, dass 12.782,- € als Verlust des Klägers gemäß § 17 EStG steuermindernd berücksichtigt werden. Die Neuberechnung der danach festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 70 % und der Beklagte zu 30 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten einen Verlust aus § 17 EStG erhöht haben.

Die Kläger sind verheiratet und werden für das Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Nach einem erheblichen Umsatzeinbruch im Jahr 2002 beantragte der Kläger am 7. November 2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Die Rechtsanwältin Dr. G kam in ihrem im Auftrag des Gerichts erstellten Gutachten im Januar 2003 zu dem Ergebnis, dass eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden und das Insolvenzverfahren deshalb zu eröffnen sei. Für die Gläubiger werde eine Quote von rd. 4 % ausgeschüttet werden können. Mit Beschluss vom 16. Januar 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Frau Dr. G zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2003 erklärte die Versicherung T dem Bevollmächtigten betreffend eine für den Kläger abgeschlossene Lebensversicherung, deren Versicherungsnehmer die GmbH war, dass es sich bei dieser Lebensversicherung um eine Direktversicherung zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung handle, zu der bei Vertragsabschluss ein unwiderrufliches Bezugsrecht mit Vorbehalt zu Gunsten des versicherten Arbeitnehmers vereinbart worden sei. Da die Insolvenzverwalterin mitgeteilt habe, dass der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH und deshalb arbeitsrechtlich nicht Arbeitnehmer gewesen sei, fänden die Vorschriften des Gesetzes über betriebliche Altersversorgung auf den Vertrag des Klägers keine Anwendung. Deshalb habe die Insolvenzverwalterin den Vorbehalt ausüben und den Rückkaufswert der Versicherung zur Insolvenzmasse ziehen können.

Die Bank L teilte der Insolvenzverwalterin mit Schreiben vom 29. Januar 2004 mit, die Kläger aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen zu haben; ihre Forderung sei damit erloschen. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag teilte die Bank L den Klägern mit, diesen zwei Darlehen i.H.v. insgesamt 190.000 € zur Verfügung gestellt zu haben. Von den Darlehensbeträgen seien einmal 26.322 € und zum anderen 22.922 € für die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft für die GmbH verwandt worden. Darüber hinaus seien aus dem ersten Darlehen insgesamt 127,84 € und aus dem zweiten Darlehen 111,32 € für Bereitstellungszinsen verwandt worden.

Da die Kläger für das Streitjahr keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, wurden die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheid vom 30. Juni 2005 geschätzt. In der zur Begründung des Einspruchs im September 2005 eingereichten Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger u.a. einen Auflösungsverlust des Klägers gemäß § 17 EStG i.H.v. 37.546 €. Durch die Inanspruchnahme aus Bürgschaften seien nachträgliche Anschaffungskosten entstanden. Die zunächst ebenfalls angegriffenen gewerblichen Einkünfte der Klägerin sind inzwischen nicht mehr streitig.

Im weiteren Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens bat der Beklagte um Übersendung von Kopien sämtlicher Unterlagen betreffend das Insolvenzverfahren sowie des Schriftverkehrs und der Darlehensverträge in Zusammenhang der Bürgschaftsinanspruchnahme. Der Bevollmächtigte kam dem jedoch nicht nach. Am 16. November 2005 erging der vorliegend streitgegenständliche gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geänderte Bescheid, in welchem der nicht nachgewiesene Veräußerungsverlust nach wie vor nicht berücksichtigt wurde.

Die Insolvenzverwalterin teilte auf Anfrage des Bevollmächtigten am 3. April 2006 mit, dass das Insolvenzverfahren noch nicht habe beendet werden können. Die Masse werde nach aller Voraussicht bei weitem nicht genügen, um die Insolvenzverbindlichkeiten zu begleichen. Eine Rückzahlung der Einlage an den Gesellschafter komme nicht in Betracht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Verlust bereits im Streitjahr 2003 hinreichend konkretisiert und eine Berücksichtigung gemäß § 17 EStG deshalb dem Grunde nach möglich war (GA Bl. 66).

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006) erhobenen Klage machen die Kläger nach Ausschlussfristsetzung geltend, der Auflösungsverlust aus der GmbH sei mit 43.329 € zu berücksichtigen (Berechnung: GA Bl. 28):

 Anschaffungskosten der Beteiligung25.565 €
Bürgschaft, Darlehen Bank L 000000000026.322 €
Bürgschaft, Darlehen Bank L 000000000022.922 €
anteilige Zinsen Darlehen 0000000000162 €
anteilige Zinsen Darlehen 0000000000121 €
Verlust der Direktversicherung11.565 €
Zwischensumme86.657 €
anzusetzen im Halbeinkünfteverfahren43.329 €

Betreffend die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft legte der Bevollmächtigte auch jetzt lediglich die Schreiben der Bank L vom 29. Januar 2004 über die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vor, die an die Insolvenzverwalterin und an die Kläger gerichtet worden waren. Betreffend den Verlust aus der Direktversicherung bezog sich der Bevollmächtigte auf das Schreiben der Versicherung T vom 16. Juli 2003.

Der Beklagte erwiderte, dass lediglich die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten führe, nicht aber die Zinsen für die Finanzierung derselben. Diese könnten nicht als Veräußerungskosten berücksichtigt werden. Auch ein Abzug der Zinsaufwendungen nach § 20 EStG scheide aus, da die Zinsen nach dem Auflösungsstichtag angefallen seien (BFH-Urteil vom 28. Mai 2005 1997 VIII R 25/96 BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 725). Betreffend die Inanspruchnahme aus den Bürgschaften fragte der Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 5. Mai 2006 unter Hinweis auf die fortbestehende Mitwirkungspflicht der Kläger ergänzend danach, - zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Bürgschaftsverpflichtung eingegangen sei, - ob bereits bei Hingabe der Bürgschaft bindend auf den Befreiungsanspruch nach § 755 BGB verzichtet worden sei - ob die Bürgschaften als Sicherheit für ein langfristiges Darlehen oder in der Anlaufphase gewährt worden seien - zu welchem Zeitpunkt der existenzbedrohende Zustand der GmbH eingetreten sei, der letztlich zur Insolvenz geführt habe Ergänzend bat der Beklagte um Kopien der Bürgschaftsvereinbarungen sowie um Unterlagen betreffend den Zeitpunkt des Kriseneintritts (Schriftverkehr mit Banken, Gläubiger, etc.). Gleichzeitig beantragte der Beklagte, dem Kläger die Kosten des Verfahrens auch für den Fall des Obsiegens aufzuerlegen, da im Vorverfahren trotz Aufforderung keine Unterlagen vorgelegt worden seien.

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurde der Bevollmächtigte der Kläger vom Gericht unter Betonung der nach wie vorbestehenden Mitwirkungspflicht nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass die Gegenäußerung auf das Schreiben des Beklagten vom 5. Mai 2006 noch immer ausstehe und dass das Gericht außerdem keine Grundlage für die Berücksichtigung des Verlusts der Ansprüche aus der Direktversicherung als nachträgliche Anschaffungskosten sehe. Der Bevollmächtigte reagierte darauf lediglich mit einem Schreiben vom 10. Juni 2009, in welchem er die Niederlegung des Mandats erklärte, weil die Kläger weder erforderliche Unterlagen vorgelegt noch ausstehende Honorarforderungen beglichen hätten.

Mit Beschluss vom 30. April 2009 hatte das Amtsgericht der Stadt M in dem Insolvenzeröffnungsverfahren ... über das Vermögen des Klägers zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts die Rechtsanwältin C zur vorläufigen Insolvenzverwalterin ohne eigene Verfügungsbefugnis bestellt. Weitere Entscheidungen in diesem Verfahren sind nach Auskunft des Amtsgerichts der Stadt M bis zur mündlichen Verhandlung nicht ergangen.

Die Kläger haben schriftsätzlich bisher sinngemäß beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 16. November 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 dahin zu ändern, dass ein Verlust des Klägers gemäß § 17 EStG in Höhe von 43.328 € steuermindernd berücksichtigt wird (GA Bl. 26).

Der Beklagte beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 16. November 2005 dahin zu ändern, dass ein Verlust des Klägers gemäß § 17 EStG in Höhe von 12.782 € berücksichtigt wird.

Der Beklagte ist nach wie vor der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten wegen der Mitwirkungspflichtverletzung der Kläger nicht feststellbar sein. In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte lediglich bereiterklärt, den Verlust der Beteiligung selbst im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen, allerdings nur zur Hälfte wegen des für das Streitjahr 2003 bereits geltenden Halbeinkünfteverfahrens.

Entscheidungsgründe:

1. Trotz Bestellung der Rechtsanwältin C als vorläufige Insolvenzverwalterin war keine Anordnung des Verfahrensruhe geboten, weil das Insolvenzgericht im Streitfall weder das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet noch ihm seine Verfügungsbefugnis über sein Vermögen genommen hatte.

2. Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinsichtlich des Verlusts der Beteiligung selbst begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a) Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Anteilseigner innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 1% beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 60/05, BFHE 217, 485, BStBl II 2008, 303).

b) Auflösungsverlust bzw. ist nach sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 2 EStG der Betrag, um den der Liquidationserlös nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.

aa) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG ist weit auszulegen, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlassten Ertrag ist der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen. Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse (§ 26 GmbHG) oder verdeckte Einlagen zu werten sind. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen daneben vielmehr auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen auch Finanzierungshilfen, z.B. durch Darlehensgewährung oder Bürgschaftsübernahme oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Keine nachträglichen Anschaffungskosten sind hingegen Verluste, die ein Gesellschafter aus Darlehen bzw. Bürgschaften erleidet, die er der Gesellschaft wie ein fremder Dritter gewährt hat; insoweit ist der Ausfall des Gesellschafters einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist (BFH-Urteile vom 2. April 2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706 und vom 4. März 2008 IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286 und VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 eingehend zu Verlusten im Zusammenhang mit Finanzierungs Maßnahmen; vgl. ferner BFH-Urteile vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348 , vom 24. April 1997 VIII R 18/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339 und vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; zum Gebot der weiten Auslegung auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 17 Rz. 156).

bb) Die Frage nach der Veranlassung einer Finanzierungsmaßnahme durch das Gesellschaftsverhältnis mit der Folge der Berücksichtigung eines etwaigen Verlustes als nachträgliche Anschaffungskosten kann deshalb nicht unabhängig von der Frage entschieden werden, ob die Finanzierungsmaßnahme zu funktionalem Eigenkapital geführt hat: Nur wenn die Finanzierungsmaßnahme des Gesellschafters wertungsmäßig als eine Zuwendung von funktionalem Eigenkapital gewürdigt werden kann, und der Gesellschafter mit dem von ihm gewährten Darlehen bzw. mit dem ihm gegen die GmbH aus dem Bürgschaftsverhältnis zustehenden Regressanspruch im Insolvenzfall wie ein Kapitalgeber und damit gegenüber gewöhnlichen Gesellschaftsgläubigern nachrangig behandelt wird, ist die Finanzierungsmaßnahme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als nachträgliche Anschaffungskosten zu behandeln. Die Würdigung einer Finanzierungsmaßnahme als funktionales Eigenkapital setzt mithin nach wie vor voraus, dass sie zivilrechtlich eigenkapitalersetzend ist. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Finanzierungsmaßnahme entweder konkursreif oder in einem solchen Maße gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer solchen Finanzierungsmaßnahme zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Solche eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen führen - wie Einlagen - zu nachträglichen Anschaffungskosten, da sie als Ersatz für Eigenkapital zu betrachten und deshalb ebenso wie dieses gesetzlich gebunden sind (funktionales Eigenkapital; ständige Rechtsprechung BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706; zur engen Anlehnung an das Zivilrecht und die Bedeutung des Eigenkapitalersatzrechts vgl. ferner BFH-Urteile vom 19. August 2008 IX R 63/05, BStBl II 2009, 5, BFH/NV 2008, 2101 , vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, VIII R 16/94, BStBl II 1999, 339; vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761; vgl. ferner OFD Düsseldorf, 5. November 2002 S 2244 - 55 - St 122 - K). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Gesellschafter wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Das (objektive) Nettoprinzip wird hier durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden (BFH-Urteile vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348 , vom 24. April 1997 VIII R 18/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339 und vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344).

cc) Im Streitfall ist der Verlust der Beteiligung selbst unstreitig im Rahmen des Auflösungsverlusts zu berücksichtigen. Die darüber hinaus als nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemachten Positionen können nicht berücksichtigt werden.

aaa) So haben die Kläger die Voraussetzungen einer kapitalersetzenden Finanzierungsmaßnahme hinsichtlich der für die GmbH eingegangenen Bürgschaften trotz wiederholter Aufforderung und fortbestehender Mitwirkungspflicht nicht dargelegt. Insbesondere kann das Gericht nicht feststellen, ob die Kläger die Bürgschaftsverpflichtungen erst in der Zeit der Krise eingegangen sind, als ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer solchen Finanzierungsmaßnahme zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre.

bbb) Ebenso wenig besteht eine Grundlage für die Berücksichtigung des Verlusts der Ansprüche aus der Direktversicherung als nachträgliche Anschaffungskosten. Die Beiträge in die Direktversicherung waren bei der GmbH Aufwand. Da die GmbH Versicherungsnehmer war, war der Rückkaufswert als Anspruch der GmbH bei dieser zu aktivieren. Der Kläger hatte als Gesellschafter lediglich einen Anspruch gegen die GmbH auf Schaffung einer betrieblichen Altersversorgung. Dieser Anspruch ist anders als kapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen kein funktionales Eigenkapital.

ccc) Die Zinsen betreffend die Bürgschaft stellen weder Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften des Klägers dar, noch können sie im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigt werden.

Die Zinsen, die ein Steuerpflichtiger zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG aufwendet, sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Das gilt unabhängig davon, ob die Zinsaufwendungen durch entsprechende Einnahmen gedeckt sind und ob überhaupt Einnahmen durch Gewinnausschüttungen erzielt werden; es ist ausreichend, wenn zwar keine Kapitalerträge, aber Wertsteigerungen der Beteiligung zu erwarten sind. Sind auch keine Wertsteigerungen zu erwarten, entfällt ein Abzug der Schuldzinsen lediglich für den Fall, dass die Beteiligung aus persönlichen Gründen oder Neigungen begründet und aufrechterhalten wird (BFH-Urteile vom 21. April 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 , vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, unter 1. der Gründe, m.w.N.).

Dieser Grundsatz gilt aber nur solange, als noch ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einnahmen aus der Überlassung des Kapitals zur Nutzung besteht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Der wirtschaftliche Zusammenhang entfällt, wenn die Kapitalanlage, zu deren Erwerb oder Sicherung und Erhaltung der die Schuldzinsen verursachende Kredit aufgenommen wurde, veräußert wird, oder wenn die Gesellschaft aufgelöst und damit regelmäßig vollbeendet ist. Denn die auf die Zeit nach der Veräußerung der Kapitalanlage entfallenden Schuldzinsen - bzw. im Streitfall die auf die Zeit nach der Auflösung entfallenden Schuldzinsen - stellen die Gegenleistung für die Überlassung eines Kapitals dar, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Kapitalvermögen dient. Das gilt auch dann, wenn das Kreditverhältnis zwangsweise - etwa durch den Konkurs oder die Liquidation einer Kapitalgesellschaft - endet. Deshalb könne erst später entstehende Schuldzinsen nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden (BFH-Urteile vom 21. April 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 , vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96 BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 725).

Die von den Klägern geforderte "Umqualifizierung" der als Werbungskosten nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zinsaufwendungen in nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Ziel, die Zinsen als "Beteiligungsaufwendungen" im Rahmen des § 17 EStG abzugsfähig zu machen, ist nach dieser Rechtsprechung aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 21. April 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551).

c) Der Verlust des Stammkapitals des Klägers aus der Auflösung der GmbH war wegen des im Streitjahr auch im Rahmen des § 17 EStG maßgeblichen Halbeinkünfteverfahrens allerdings nur zur Hälfte als Auflösungsverlust zu berücksichtigen.

aa) Gemäß der im Zusammenhang mit dem sog. "Halbeinkünfteverfahren" eingeführten Vorschrift des § 3c Abs. 2 EStG dürfen Minderungen des Betriebsvermögens, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die gemäß § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit sind, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Zu dem derart zur Hälfte von der Einkommensteuer befreiten Einkünften gehören nach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG auch Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.

bb) Allerdings ist das sog. Halbabzugsverbot für Anschaffungskosten (§ 3c Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG) nach Ansicht des FG Düsseldorf bei verfassungskonformer Auslegung nicht anwendbar bei Verlusten aus der Veräußerung oder Aufgabe von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die Anwendung des Halbabzugsverbotes auf einen Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG verstoße gegen das verfassungsrechtlich fundierte objektive Nettoprinzip und gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Folgerichtigkeit. Denn eine der Vorbelastung des Veräußerungserlöses entsprechende Vorbegünstigung eines Veräußerungsverlustes gebe es nicht (FG Düsseldorf Urteil vom 10.05.2007 - 11 K 2363/05 E, EFG 2007, 1239).

cc) Der erkennende Senat hält jedoch den nach § 3c Abs. 2 EStG nur hälftig vorzunehmenden Ansatz der Veräußerungs- und Anschaffungskosten für systemgerecht, da die Aufwendungen insoweit mit steuerfreien Einnahmen gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG in Zusammenhang stehen. Denn die Vorschrift des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG bewirkt beim Gesellschafter eine faktische Steuerbefreiung i.H.v. 50% der Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Dabei spielt es keine Rolle, ob und in welchem Umfang im konkreten Einzelfall auf Ebene der Gesellschaft eine entsprechende steuerliche Belastung entsteht oder entstanden ist.

Auch der BFH hat mit Urteil vom 27. März 2007 VIII R 60/05 (BFHE 217, 485, BStBl II 2008, 303) entschieden, dass ein im Veranlagungszeitraum 2001 realisierter Auflösungsverlust noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt und dabei auch ausgeführt, dass "Veräußerungen bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr somit erstmals nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert werden, wenn die Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt, bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für Veräußerungen erst im Jahr 2003" (BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 60/05, BFHE 217, 485, BStBl II 2008, 303). Dem entnimmt der erkennende Senat, dass auch der BFH eine Anwendung des Halbabzugsverbots für Anschaffungskosten bejaht und die verfassungsrechtlichen Bedenken des FG Düsseldorf nicht teilt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war zuzulassen, weil der BFH vor dem Hintergrund des gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 10. Mai 2007 11 K 2363/05 E (EFG 2007, 1239) anhängigen Revisionsverfahrens noch nicht abschließend entschieden hat, ob das Halbabzugsverbot für Anschaffungskosten (§ 3c Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG) bei Auflösungsverlusten gemäß § 17 EStG anwendbar ist.

Ende der Entscheidung

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