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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 10 K 5655/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2
EStG § 10c Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 5655/04

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte im Hinblick auf eine dem Kläger zugesagte Altersversorgung zu Recht eine Kürzung des Vorwegabzugs vorgenommen hat.

Der Kläger ist Vorstandsvorsitzender der "J-AG" (AG) und an dieser Gesellschaft mit einem Anteil von 31,07% beteiligt. Aufgrund des Dienstverhältnisses bestand eine Anwartschaft auf Altersversorgung, die durch Beiträge der AG finanziert wurde. Der Arbeitslohn des Klägers betrug 113.219 EUR im Jahr 2002 und 113.527 EUR im Jahr 2003; die Klägerin bezog im Jahr 2002 Einnahmen aus einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit in Höhe von 6.244 EUR. Bereits Ende 1988 hatte die AG dem Kläger und weiteren leitenden Angestellten eine Pensionszusage erteilt. Danach belief sich der dem Kläger zugesagte Anspruch auf Altersrente auf einen Betrag von 3.938 DM je Monat ab Vollendung des 65. Lebensjahres zuzüglich einer Hinterbliebenenversorgung.

In den vorliegend streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheiden für das Jahr 2002 vom 29. März 2004 und für das Jahr 2003 vom 24. September 2004 kürzte der Beklagte aufgrund der Pensionszusage den Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG auf 0 EUR.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2004 aus: Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 EStG sei nicht nur der im Jahr 2002 von der Klägerin bezogene Arbeitslohn, sondern auch das Vorstandsgehalt des Klägers, da der Kläger zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehöre. Der Kläger habe seine Versorgung als Minderheitsgesellschafter nicht ausschließlich durch eigne Beiträge i.S. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG erworben.

Die Kläger machen geltend, bei der Beteiligung des Klägers von 31,07% handle es sich um eine wesentliche Beteiligung. Die Beiträge des Klägers würden damit zu einem wesentlichen Teil von ihm selbst finanziert, da er durch den höheren Aufwand der AG auf einen entsprechend höheren Anspruch bei seinen Gewinnausschüttungen verzichte. Aus den BFH-Urteilen vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634 und vom 15. Dezember 2004 XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509 lasse sich entgegen der Ansicht des Beklagten entnehmen, dass die Erwägungen des BFH-Urteils vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 Geltung auch für Minderheitsgesellschafter beanspruchten. Die Kürzung des Vorwegabzugs sei daher zu Unrecht vorgenommen worden.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 29. März 2004 und für 2003 vom 24. September 2004, beide unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2004 dahin zu ändern, dass die Kürzung des Vorwegabzugs beim Kläger rückgängig gemacht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich im Klageverfahren gegen eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ausgesprochen, weil sie die zu entscheidende Rechtsfrage übereinstimmend für grundsätzlich bedeutsam halten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zutreffend angenommen, dass in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs auch der Arbeitslohn des Klägers einzubeziehen war.

1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG steht zusammenveranlagten Ehegatten für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 6.136 EUR zu. Der Vorwegabzug ist nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG allerdings u. a. dann um 16 v.H. der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit als Person i.S. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.

2. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Als Vorstandsmitglied einer AG unterliegt der Kläger nach § 1 Satz 4 SGB VI ausdrücklich nicht der Rentenversicherungspflicht. Er hat außerdem seine Versorgung, auf die nach dem Dienstverhältnis ein Anspruch bestand, nicht ausschließlich durch eigne Beiträge i.S. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG erworben.

a) Die Rechtsprechung des BFH versteht unter dem Begriff der "Beitragsleistung" für den Erwerb von Anwartschaftsrechten auf eine (eigene) Altersversorgung nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage. Das folgt aus dem Zweck des Vorwegabzugs. Der durch das StÄndG vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) eingeführte Vorwegabzug sollte diejenigen Steuerpflichtigen begünstigen, die ihre Beiträge zur Altersversorgung in voller Höhe selbst aufbringen müssen. Bei Steuerpflichtigen, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, denen jedoch ohne eigene Beitragsleistung eine betriebliche Pensionsanwartschaft zugesagt wird, sollte der Vorwegabzug gekürzt werden (vgl. BT-Drucks. 8/292, S. 21). Korrespondierend hiermit sollte den Steuerpflichtigen, die ihre Altersversorgung in voller Höhe selbst finanzieren müssen, der Vorwegabzug ungekürzt zustehen (vgl. auch BT-Drucks. 11/2157, S. 144). Verzichtet der Steuerpflichtige für den Erwerb einer Altersversorgung auf ihm zustehende vermögenswerte Rechtspositionen, steht ihm nach Sinn und Zweck der Kürzungsregelung der ungekürzte Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen zu (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 für den Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH; BFH-Urteil vom 17. Januar 2007 X R 10/06, BFH/NV 2007, 1289 für 40%-Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH).

b) Eine solche eigene Beitragsleistung ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass der Kläger die Ansprüche auf die ihm zugesagten Altersversorgung durch den Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche erworben hat. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung trägt das von ihm gewünschte Ergebnis nicht.

aa) Nach der vom Kläger angeführten BFH-Rechtsprechung ist dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zu belassen ist, weil dieser - wirtschaftlich betrachtet - eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche (§§ 29, 72 GmbHG) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 für den Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH; zu Bedenken gegen diese Rechtsprechung hinsichtlich der Verbindung von erworbenen Anspruch mit dem - gegebenenfalls wechselseitigen - Verzicht des Steuerpflichtigen auf mögliche gesellschaftsrechtliche Ansprüche vgl. BFH-Urteil vom 26. September 2006 X R 3/05, DStR 2007, 102, BFH/NV 2007, 323). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Alleingesellschafter-Geschäftsführer die Beteiligung erst im Laufe des Kalenderjahres erworben hat und ihm der Gewinn der GmbH für das ganze Kalenderjahr zusteht (BFH-Urteil vom 28. Juli XI R 9/04, BFH/NV 2005, 196) und auch dann, wenn sich die zugesagte Altersversorgung als vGA erweist (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546; für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer ebenso BMF-Schreiben vom 9. Juli 2004 IV C 4 -S 2221- 115/04, BStBl I 2004, 582).

bb) Das Gleiche gilt, wenn eine GmbH mehreren Gesellschafter-Geschäftführern eine Altersversorgung zugesagt hat und der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung auf Dauer gesehen ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erwirbt (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634, vom 15. Dezember 2004 XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509 für zu 50%-beteiligte GmbH-Geschäftsführer, die beide Anspruch auf Altersversorgung in gleicher Höhe hatten). Formal betrachtet erwirbt zwar bei mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern jeder von ihnen infolge der einheitlichen Gewinnermittlung sein Anwartschaftsrecht immer teilweise durch eine Minderung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche seiner Mitgesellschafter. Allein deshalb den Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen, wird dem Sinn und Zweck des Vorwegabzugs aber nicht gerecht. Der den Grundhöchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG ergänzende Vorwegabzug soll nämlich solche Steuerpflichtige begünstigen, die ihre Beiträge zur Altersversorgung in voller Höhe selbst aufbringen müssen (BT-Drucks. 8/292 S. 21; 11/2157 S. 144; vgl. z.B. BFH in BFHE 200, 554 , BStBl II 2004, 546 ). Wenn dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH der Vorwegabzug ungekürzt zusteht, wäre es aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu rechtfertigen, bei mehr als einem Gesellschafter-Geschäftsführer den Vorwegabzug aus formalen Gründen ausnahmslos zu kürzen. So macht es aus der Sicht des von § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG verfolgten Zwecks beispielsweise keinen Unterschied, ob zwei Steuerpflichtige Alleingesellschafter und Geschäftsführer zweier GmbHs sind, oder ob sie sich zu gleichen Teilen an einer GmbH beteiligen und deren Geschäfte führen.

cc) Sagt die Körperschaft hingegen ihren zu je 50 v.H. beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern Altersversorgungen in unterschiedlicher Höhe zu, ist typischerweise davon auszugehen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit dem höheren Pensionsanspruch sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche seines Mitgesellschafters erwirbt (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004 XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509). Das Gleiche gilt, wenn die GmbH nur einem ihrer beiden zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer eine Altersversorgung zusagt (BFH-Urteil vom 26. September 2006 X R 3/05, BFHE 215, 165, BStBl II 2007, 452), sodass der Vorwegabzug zu kürzen ist.

dd) Bei mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern beantwortet sich die Frage nach der vollständig eigenen Beitragsleistung daher maßgeblich nach ihren im streitigen Veranlagungszeitraum bestehenden Beteiligungsverhältnissen und nach der ihnen jeweils zugesagten Altersversorgung. Maßgeblich ist, ob der Aufwand der GmbH für die Altersversorgung des jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführers dessen quotaler Beteiligung an der GmbH entspricht. Andernfalls würde sich hinsichtlich des Vorwegabzugs eine Besserstellung der jeweiligen Minderheitsgesellschafter in Fällen ergeben, in denen eine Kapitalgesellschaft sämtlichen Gesellschafter-Geschäftsführern eine Pensionszusage in gleicher Höhe erteilt, ohne dass zugleich auch sämtliche Gesellschafter an der GmbH mit gleichen Geschäftsanteilen beteiligt sind. Denn insoweit erwirbt der Minderheitsgesellschafter seinen Anspruch auf Altersversorgung als Geschäftsführer zum Teil zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche des/der Mehrheitsgesellschafter. Dies gilt auch dann, wenn dieser im Gegenzug eine höhere Arbeitsleistung für die Gesellschaft erbringen muss als der Mehrheitsgesellschafter (BFH-Urteil vom 17. Januar 2007 X R 10/06, BFH/NV 2007, 1289 für 40%-Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH; ebenso bereits BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634 für zu 50%-beteiligte GmbH-Geschäftsführer, die beide Anspruch auf Altersversorgung in gleicher Höhe hatten; ebenso FG Hamburg in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 29. Mai 2007 3 K 215/06, NZB anhängig unter dem Aktenzeichen X B 229/07). Daher ist in diesen Fällen entgegen der Ansicht des Klägers eine Kürzung des Vorwegabzugs geboten.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus dem BMF-Schreiben vom 22. Mai 2007 IV C 8 - S - 2221/07/0002 (BStBl I 2007, 493). Auch dort wird darauf abgestellt, inwieweit einzelne Gesellschafter die Altersversorgung anderer Gesellschafter mitbezahlen, wenn bei gleicher Beteiligung die unterschiedlichen Altersversorgungen nicht gleich hoch sind bzw. bei unterschiedlicher Beteiligungshöhe nicht im Proportion zur jeweiligen Beteiligung stehen.

c) Danach hat der Beklagte den Vorwegabzug im Streitfall zu Recht gekürzt, da die dem Kläger erteilte Pensionszusage, der hinsichtlich seiner Geschäftsführertätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig war, jedenfalls nicht vollständig auf dessen eigener Beitragsleistung beruht. Denn im Streitfall erfolgten die Pensionszusagen an die Gesellschafter der AG unstreitig nicht im Proportion zu den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen. Damit hat der Kläger, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender war, seine - im Verhältnis zu den anderen Aktionären - höhere Pensionsanwartschaft zumindest zu einem Teil zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche der anderen Gesellschafter erworben, denen verglichen mit dem Kläger im Verhältnis zu ihrer Beteiligung ein weniger hoher Versorgungsanspruch zustand.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr 1 FGO.

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