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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 10 K 8848/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die berufliche Tätigkeit des Klägers als wissenschaftliche Tätigkeit i.S. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG charakterisiert werden kann.

Der Kläger betreibt ein "Institut für Wissenschaftsberatung". Er hat ein Studium der Volkswirtschaft absolviert und in der früheren DDR auf dem Gebiet der Berufssoziologie promoviert. Gegenstand seines Unternehmens ist es, seinen akademisch vorgebildeten Klienten zu einem Doktor-Titel zu verhelfen. Dazu analysiert der Kläger in einem ersten Schritt aufgrund des Lebenslaufs und von Einzelgesprächen die Begabung, Motivation und die Befähigung seines Klienten nach seinen Angaben mit Methoden der "empirischen Sozialwissenschaft" und der "Kognitionswissenschaft". Im Rahmen seines Unternehmens bietet der Kläger seinen Klienten folgende Dienstleistungen an: Hilfe beim Finden eines Dissertationsthemas, bei der Auswahl einer für dieses Thema geeigneten Fakultät an einer deutschen Hochschule (dem Kläger sind viele Hochschullehrer und deren Forschungsschwerpunkte teilweise persönlich bekannt), Kontaktaufnahme zum Doktorvater, Unterstützung bei der Realisierung des Promotionsvorhabens (Beschaffung notwendiger Fachliteratur und Durchführung von Literaturrecherchen, Beratungen bei der Arbeitskonzeption, Übernahme von Lay-out und Korrekturlese-Arbeiten, Hilfe bei der Veröffentlichung der Dissertation). Außerdem weist der Kläger seine Klienten in Fragen wissenschaftlicher Methodik und Thesenbildung ein. Das von den Klienten zu zahlenden Honorar war jeweils in drei Raten fällig, wobei der erste Teilbetrag ohne Abzüge zurückerstattet wurde, wenn eine Betreuung an einer Universität nicht zustande kam. Der letzte Teilbetrag war nach Aushändigung der Doktorurkunde zu zahlen.

Der Kläger bedient sich für seine Tätigkeit qualifizierter Mitarbeiter. Er beschäftigt in seinem Institut drei Wissenschaftler als freie Mitarbeiter (Gerichtsakte Bl. 62), die die Vorgespräche mit den potenziellen Klienten führen und die nach der Annahme des betreffenden Klienten die Betreuungsarbeit im Einzelnen organisieren. Über die Aufnahme eines Klienten entscheidet der Kläger allerdings allein. Dabei werden unter anderem auch die Personen ausgeschieden, die eine Dissertation auf einem Fachgebiet fertigen wollen, auf welchem der Kläger trotz seiner weitreichenden Ausbildung und Erfahrung nicht über ausreichende Kenntnisse verfügt, um fundierte Empfehlungen aussprechen zu können. Weitere 10 freie Mitarbeiter führen die notwendigen Hilfstätigkeiten bei der Betreuung der einzelnen Klienten aus (Beschaffung erforderlicher Fachliteratur, sprachliche und stilistische (Vor)-Korrektur von Manuskripten, Lay-out und grafische Gestaltung). Weiterhin unterhält der Kläger Kontakte zu ca. 40 bis 50 sog. Kooperationspartnern, die verschiedenen Universitäten angegliedert sind und die die Tätigkeit des Klägers in bestimmten Fällen unterstützen (z. B. bei der Recherche von Spezialliteratur einer Universitätsbibliothek vor Ort, Feststellung von Forschungsschwerpunkten, Einschätzung eines Lehrstuhlsinhabers). Hierbei handelt es sich jedoch immer nur um Einzeltätigkeiten.

In der Vergangenheit (seit Veranlagungszeitraum 1974) hatte der Beklagte die Tätigkeit des Klägers stets als freiberuflich beurteilt. Im Anschluss an eine im Jahr 1998 durchgeführte Außenprüfung wurde die Tätigkeit des Klägers für das Streitjahr erstmals als gewerblich qualifiziert. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einnahmen von ca. ... die Personalkosten beliefen sich auf ca. ... (davon ca. ... für freie Mitarbeiter).

Der Kläger ist der Ansicht, seine Tätigkeit sei als wissenschaftlich und damit als freiberuflich zu qualifizieren. Er verfüge über eine bereit gefächerte universitäre Ausbildung, habe Volkswirtschaft sowie historische Hilfswissenschaften studiert und auf dem Gebiet der Berufssoziologie promoviert. Er habe sich während seiner langjährigen Berufstätigkeit mit Methoden befasst, die in verschiedenen Wissenschaften angewandt würden und sei insoweit interdisziplinär tätig. Er unterhalte eine Bibliothek mit ca. 80.000 Buchtiteln (davon über 70.000 Dissertationen, Gerichtsakte Bl. 62) und 90 Fachzeitschriften, sodass er stets über aktuelle Kenntnisse von Schwerpunkten und Tendenzen in der Forschung verfüge. Außerdem nehme er laufend aktiv an der wissenschaftlichen Diskussion teil. Bei der Betreuung seiner Klienten arbeite er in einer Weise, die einem universitären Lehrstuhlsinhaber vergleichbar sei. Er bearbeite dabei die Dissertationen allerdings nicht in unzulässiger Weise selbst, sondern beschränke sich auf eine legale unterstützende Beratungstätigkeit. Der Kläger hat diesbezüglich eine Stellungnahme von ... von der Technischen Hochschule ... vorgelegt, in der dieser die "rege" wissenschaftliche Tätigkeit des Klägers bestätigt und erklärt, die Tätigkeit des Klägers erleichtere ihm die Betreuung von Doktoranden erheblich. Der Kläger erfülle während der Bearbeitung der Dissertation die meisten seiner Aufgaben als Doktorvater so kompetent, dass er sich wiederholt habe auf die offizielle Begutachtung der abgeschlossenen Dissertation beschränken können.

Auch heute sei der Kläger noch in verschiedenen Wissenschaftsbereichen tätig und Mitglied in mehreren Verbänden (Soziologie, Sportwissenschaft, Politologie, Rechtswissenschaft, Wissenschaftsgeschichte, Gesundheitsforschung, Naturwissenschaft und Technik), was sein tiefgehendes Wissen auf den verschiedensten Fachgebieten und seine Fähigkeit dokumentiere, Grundregeln der Wissenschaft zu erkennen und auf diese Weise Wissenschaft in einem Gesamtkontext zu erfassen. Dies werde durch vielfältige Publikationen und Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten ... dokumentiert. Aufgrund seiner weiterreichenden fachübergreifenden Kenntnisse sei der Kläger in der Lage, ein mit der spezifischen Befähigung des Klienten korrespondierendes maßgeschneidertes Wissenschaftsgebiet zu bestimmen, auf welchem eine mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreiche Dissertation gefertigt werden könne. Der Beklagte habe bei seiner Würdigung demgegenüber einseitig auf das Interesse des Klienten an der Annahme am Institut des Klägers abgestellt. Es läge somit zumindest eine "wissenschaftlich-beratende Tätigkeit sui generis" vor, die jedenfalls als wissenschaftsähnlich zu beurteilen sei.

Dem Beklagten könne auch nicht darin gefolgt werden, dass die Tätigkeit des Klägers bereits deshalb als gewerblich zu beurteilen sei, weil seine persönliche Arbeitsleistung nicht im Vordergrund stehe. Der Kläger allein treffe die Entscheidung über die Aufnahme eines Klienten und er allein bürge mit seiner Methode der Begabungsanalyse für ein realitätsgerechtes Begabungsprofil des Klienten. Auch bei der anschließenden Betreuung des Klienten seien die persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers auf den einzelnen Wissenschaftsgebieten entscheidend. Er überprüfe sämtliche Arbeitsergebnisse seiner Mitarbeiter, bevor er sich diese zu Eigen mache. Von ihm persönlich nicht beherrschte Fachdisziplinen betreue der Kläger konsequent nicht.

Für den Fall das gleichwohl von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen sei, müsse dem Kläger ermöglicht werden, seinen gewerblichen Gewinn nach den Grundsätzen des Bestandsvergleichs zu ermitteln und eine Gewerbesteuerrückstellung ertragsmindernd in Ansatz zu bringen. Der Kläger habe bisher keine Wahl für eine bestimmte Gewinnermittlungsart ausgeübt. Denn nach ständiger Rechtsprechung setze die Ausübung des Wahlrechts den Willen des Steuerpflichtigen voraus, überhaupt eine Wahl zu treffen. Weil der Kläger jedoch davon ausgegangen sei, nicht gewerblich tätig gewesen zu sein, sei eine Wahl der Gewinnermittlungsart nicht denkbar.

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bat der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten in einem Telefonat vom 29. November 2004, er möge die Tätigkeit des Klägers von einem seriösen Ehe-/Partnerschaftsvermittler abgrenzen, der seine Kunden ebenfalls tiefgehend und in besonderer Weise analysiere um dann in erfolgversprechender Weise Kontakte herzustellen. Außerdem wurde der Prozessbevollmächtigte gebeten, die vom Beklagten als irrelevant zurückgewiesene Liste von Veröffentlichungen des Klägers und die Übersicht seiner Lehrtätigkeit vorzulegen.

Mit einem am 7. Dezember 2004 eingegangenen Schriftsatz trug der Kläger ergänzend vor, die Tätigkeit des Klägers habe nicht in erster Linie in der Durchführung von Tests und Akquisition bestanden. Es gehe hauptsächlich um das Finden eines Doktorvaters für Klienten, die aufgrund des Numerus Clausus der meisten Universitäten bei der Doktoranden-Auswahl sonst keine Gelegenheit zum promovieren erhielten. Die Testverfahren über die Eignung der Klienten seien vom Kläger entwickelt worden, nachdem er bereits mehr als 5.000 Interviews im Rahmen seiner seit 1970 andauernden Tätigkeit als Personalberater geführt habe. Ca. 60% des 70% seiner Tätigkeit entfielen auf die inhaltliche und strategisch-wissenschaftliche Beratung, z. B. das Durchsprechen von Themen, Gliederung oder Form der Dissertation (Literaturarbeit, empirische, experimentelle, theoretische, historische oder zukunftsorientierte Arbeit). Weitere ca. 15 bis 20% der Arbeitszeit entfielen auf die eigene Weiterbildung sowie das Lesen von wissenschaftlichen Texten. Bei der Tätigkeit des Klägers handele es sich auch nicht um eine bloße Vermittlertätigkeit; die Ermittlung eines geeigneten Hochschullehrers als Doktorvater und die Herstellung des Kontakts zu diesem erfolge vielmehr überwiegend durch die freien Mitarbeiter und nicht durch den Kläger selbst. Dies geschehe nur in den Fällen, in denen der Lehrstuhlinhaber dem Kläger persönlich bekannt sei. Außerdem überreichte der Kläger in Anlage ein Verzeichnis von ihm erstellter wissenschaftlicher Publikationen und eine Übersicht über die von ihm abgehaltene Lehrtätigkeit.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2004 erklärte der Klägervertreter ergänzend, bei der Tätigkeit des Klägers handle es sich in erster Linie um angewandte Wissenschaft, die als wissenschaftlich i.S. § 18 EStG zu charakterisieren sei, weil sie eine "Gestaltungshöhe" erreiche, die derjenigen einer Diplomarbeit oder sonstigen wissenschaftlichen Arbeit vergleichbar sei. Auf den Vorhalt des Beklagten, der Kläger habe in einem Zeitungs-Interview geäußert, seine Tätigkeit sei nicht unzulässig, weil sie in den allermeisten Fällen mit dem Finden des Doktorvaters und des Dissertationsthemas ende, ließ sich der Kläger dahin ein, dass er an dieser Aussage uneingeschränkt festhalte. Wenn der Doktorand mit seinem Dissertationsthema einen Doktorvater gefunden habe, sei der Kläger in aller Regel "außen vor". Nur in den wenigen Fällen, in denen sich im weiteren Verlauf der Dissertations-Anfertigung zeige, dass die Betreuungsarbeit durch den Lehrstuhl nicht in der erforderlichen Art und Weise erfolge, greife der Kläger selbst ein und leiste eigenständige Betreuungsarbeit. Der schriftsätzliche Vortrag dürfe auch nicht dahin missverstanden werden, dass der Kläger universell sämtliche Wissenschaftsgebiete beherrsche. Aufgrund seiner interdisziplinären methodischen Kenntnisse könne der Kläger dem Klienten allerdings behilflich sein, "auf den Weg" zur eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit an seinem Thema zu gelangen.

Der Kläger beantragt, den Gewerbesteuermessbescheid 1993 vom 6. August 1999 und die Einspruchsentscheidung vom 29. November 1999 aufzuheben, hilfsweise den Gewerbesteuermessbescheid 1993 vom 6. August 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 29. November 1999 dahin zu ändern, dass eine Gewerbesteuerrückstellung nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung über den Bestandsvergleich gewinnmindernd berücksichtigt wird und - für den Fall des Unterliegens mit Haupt- oder Hilfsantrag - die Zulassung der Revision (v.u.g.).

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung der Ansicht, der Kläger sei gewerblich tätig gewesen. Die allgemeine Beratung über formale Promotionsvoraussetzungen sei ebenso wenig wissenschaftlich, wie die Analyse von Lebensläufen und eine Begabungsanalyse, mit der ein Bewerberprofil erstellt werde. Der Sache nach gehe es lediglich darum, herauszufinden, an welcher Hochschule für die einzelnen Bewerber die günstigsten Bedingungen gegeben seien, um möglichst schnell ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand promovieren zu können. Die eigentliche Steuerungsfunktion bleibe in jedem Fall beim Doktorvater; eine selbständige schöpferische oder forschende Tätigkeit erbringe der Kläger nicht. Die Tätigkeit des Klägers sei auch deshalb gewerblich, weil er wegen der Vielzahl der wissenschaftlichen Fachdisziplinen, die niemand vollständig beherrsche, nicht leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen sein könne. Soweit der Kläger im Streitjahr Umsätze aus schriftstellerischer und unterrichtender Tätigkeit erzielte habe (Seminare und Publikationen), könnten diese Umsätze als freiberuflich behandelt werden, wenn der Kläger Art und Umfang der Leistungen im Einzelnen konkret von der Vermittlungstätigkeit abgrenzen könne. Die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung sei nicht möglich, weil der Kläger sich für eine Gewinnermittlung nach den Grundsätzen der Einnahme/Überschussrechnung entschieden habe.

Gründe

Die Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger ist im Streitjahr gewerblich tätig geworden, kann seinen gewerblichen Gewinn aber durch die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung mindern.

1. Der Kläger hat im Streitjahr keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. § 18 EStG erzielt, sondern gewerbliche Einkünfte.

a) Allein in Betracht käme die Annahme einer wissenschaftlichen oder einer wissenschafts-ähnlichen Tätigkeit. Voraussetzung für die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, dass eine hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die dazu geeignet ist, schwierige Streit- und Grenzfälle nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen. Dabei ist der Begriff der Wissenschaftlichkeit in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden. Dagegen reichen Kenntnisse, die der Steuerpflichtige sich lediglich mittels praktischer Erfahrungen angeeignet hat, als Grundlage einer wissenschaftlichen Tätigkeit regelmäßig nicht aus (BFH-Urteile vom 23. November 2000 IV R 48/99, BFHE 193, 482, BStBl II 2001, 241, vom 27. Februar 1992 IV R 27/90, BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826).

b) Wissenschaftlich tätig ist nicht nur, wer schöpferische oder forschende Arbeit leistet (reine Wissenschaft), sondern auch, wer das aus der Forschung hervorgegangene Wissen und Erkennen auf konkrete Vorgänge anwendet (angewandte Wissenschaft). Die Wissenschaftlichkeit kann deshalb nicht allein mit der Begründung ausgeschlossen werden, der Steuerpflichtige sei für seine Auftraggeber im Wesentlichen praxisorientiert tätig gewesen. Von wissenschaftlichem Arbeiten kann aber nur dann gesprochen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden, wie z.B. in einem wissenschaftlichen Gutachten über schwierige Fragen (etwa für den Fall einer praxisorientierten Dokumentation, in der Tiere und Pflanzen nach wissenschaftlichen Methoden bestimmt worden und für die Erstellung der Dokumentation schwierige Streit- und Grenzfragen nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen waren; vgl. BFH-Urteile vom 26. November 1992 IV R 64/91, BFH/NV 1993, 360, vom 29. April 1993 IV R 61/92, BFH/NV 1994, 89, vom 23. November 2000 IV R 48/99, BFHE 193, 482, BStBl II 2001, 241). Verneint wurde eine wissenschaftliche Tätigkeit demgegenüber, wenn sie in einer mehr praxisorientierten Beratung bestand, sodass etwa die laufende Tätigkeit von Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten etc. auch dann nicht als wissenschaftliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG anzusehen ist, wenn es sich im Einzelfall um eine hochqualifizierte Tätigkeit handelt (BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 IV R 27/90, BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826).

c) Ob Tätigkeiten als "angewandte Wissenschaft" bezeichnet werden können, richtet sich insbesondere danach, ob die mit den einzelnen Aufträgen gestellten Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad bzw. eine Gestaltungshöhe erreichen, wie ihn wissenschaftliche Prüfungsarbeiten (etwa Diplomarbeiten) oder Veröffentlichungen aufweisen (BFH-Urteile vom 29. April 1993 IV R 61/92, BFH/NV 1994, 89, vom 27. Februar 1992 IV R 27/90, BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826: Marktforschertätigkeit; ferner BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 133/99, BFH/NV 2000, 1460 für einen auf dem Gebiet der Unternehmensberatung tätigen Diplom-Psychologen).

d) Danach kann die Tätigkeit des Klägers entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht seines Prozessvertreters nicht als "angewandte Wissenschaft" qualifiziert werden. Der erkennende Senat sieht davon ab, die Tätigkeit des Klägers, soweit sie sich auf Beratungen und Hilfestellung bei der Anfertigung der Dissertation erstreckt, von einer unerlaubten Ghostwriter-Tätigkeit abzugrenzen, die möglicherweise als eigenständige wissenschaftliche Tätigkeit qualifiziert werden könnte. Der Senat stützt sich bei seiner Entscheidung vielmehr vor allem auf den eigenen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nach welchem der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers doch anders liegt, als zuvor vom Bevollmächtigten schriftsätzlich dargelegt. So hat der Kläger auf Vorhalt ausdrücklich bestätigt, seine Tätigkeit ende in den allermeisten Fällen mit dem Finden des Doktorvaters und des Dissertationsthemas; er sei in aller Regel "außen vor", wenn der Doktorand mit seinem Dissertationsthema einen Doktorvater gefunden habe und es sich nicht um den Ausnahmefall handle, bei dem sich im weiteren Verlauf der Dissertations-Anfertigung zeige, dass die Betreuungsarbeit durch den Lehrstuhl nicht in der erforderlichen Art und Weise erfolge. Die Haupttätigkeit des Klägers besteht danach in einer "Begabungsanalyse", zu der der Kläger aufgrund von Gesprächen mit dem Klienten und dessen Lebenslauf gelangt, in dem Finden eines Dissertationsthemas und schließlich in dem Zusammenführen des Klienten mit einem potenziellen Doktorvater. Diese Tätigkeit erreicht keinen Schwierigkeitsgrad bzw. keine solche Gestaltungshöhe, wie ihn wissenschaftliche Prüfungsarbeiten (etwa Diplomarbeiten) oder Veröffentlichungen aufweisen. Daher kann der Senat der rechtlichen Würdigung des Prozessvertreters in der mündlichen Verhandlung, bei der Tätigkeit des Klägers handle es sich um angewandte Wissenschaft, die eine entsprechende "Gestaltungshöhe" aufweise, nicht folgen.

2. Der Gewerbeertrag ist jedoch durch Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung zu mindern. Der Ansatz einer Gewerbesteuerrückstellung ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger sich für eine Gewinnermittlung nach den Grundsätzen der Einnahme-Überschussrechnung entschieden hat.

a) Das Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung kann nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden, und zwar - durch schlüssiges Verhalten - dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Eröffnungsbilanz erstellt und keine Buchführung einrichtet, sondern die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzeichnet. Dementsprechend kann späteren Erklärungen des Steuerpflichtigen (z.B. im Rahmen der Steuerfestsetzung oder eines Klageverfahrens) jedenfalls im Grundsatz lediglich die Bedeutung zukommen, dass sie die getroffene und bindende Wahlentscheidung offenlegen (BFH-Urteil vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195).

b) Danach scheidet eine Ermittlung des Gewinns nach den Grundsätzen der Einnahme-Überschussrechnung grundsätzlich aus, wenn der Steuerpflichtige sich nicht - zumindest durch schlüssiges Verhalten - für diese Art der Gewinnermittlung entschieden hat; in diesem Fall muss der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG (Vermögensvergleich) ermittelt werden (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403, vom 11. Dezember 1987 III R 204/84, BFH/NV 1988, 296, vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195). Denn die Ausübung eines Wahlrechts setzt den Willen und das Bewusstsein voraus, überhaupt eine Wahl zu treffen. Der Steuerpflichtige muss sich deshalb bewusst sein, nicht nur überhaupt steuerpflichtige Einkünfte, sondern gewerbliche (Gewinn-) Einkünfte zu erzielen. Ist der Kläger aber - wie im Streitfall - davon ausgegangen, nicht gewerblich tätig gewesen zu sein, ist eine Wahl der Gewinnermittlungsart nicht denkbar (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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