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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: 10 Ko 1308/06
Rechtsgebiete: FGO, VV RVG, StBGebV


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1 S. 1
VV RVG Nr. 1002
VV RVG Nr. 2400
VV RVG Nr. 2401
VV RVG Nr. 2402
VV RVG Nr. 2403
VV RVG Nr. 3201
StBGebV § 41
StBGebV § 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 Ko 1308/06

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden dem Erinnerungsführer auferlegt.

Gründe:

I. Der Beklagte und Erinnerungsführer (im Folgenden Erinnerungsführer) hatte gegen die Kläger und Erinnerungsgegner (im Folgenden Erinnerungsgegner) einen Solidaritätszuschlag 2004 i.H.v. 795,74 Euro festgesetzt. Nach zurückweisender Einspruchsentscheidung hatten die Erinnerungsgegner hiergegen die Klage 1 K 3774/05 erhoben. Nach einer telefonischen Erörterung zwischen dem Erinnerungsführer und dem Bevollmächtigten der Erinnerungsgegner hob der Erinnerungsführer die Einspruchsentscheidung auf. Daraufhin erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 wurden die Kosten des Rechtsstreits dem Erinnerungsführer auferlegt und mit Beschluss vom 15. November 2005 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.

Am 02.11.2005 beantragten die Erinnerungsgegner, die ihnen vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei legten sie jeweils einen Gegenstandswert von 795,74 Euro sowohl für das Vorverfahren als auch für das Klageverfahren zugrunde. Die Geschäftsgebühr für den Einspruch setzten sie mit 10/10 (berechnet aus einer vollen Gebühr von 65,00 Euro) an.

Der Kostenbeamte setzte mit Beschluss vom 03. November 2005 die den Erinnerungsgegnern vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten fest. Dabei berücksichtigte er die Kosten des Vorverfahrens wie beantragt. Für das Klageverfahren strich er lediglich die geltend gemachte Terminsgebühr.

Mit der Erinnerung trägt der Erinnerungsführer vor: Die Verfahrensgebühr sei bei vorzeitiger Erledigung und im Übrigen auch dann zu ermäßigen, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Dies gelte auch für die Geschäftsgebühr eines Steuerberaters.

Der Erinnerungsführer beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Maßgabe zu ändern, dass die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren ermäßigt wird.

Die Erinnerungsgegner beantragen,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr komme nicht in Betracht, da das Vergütungsverzeichnis eine Anrechnung nur der Geschäftsgebühr, die nach den Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist, vorsehe. Außerdem machen sie geltend, dass eine Erledigungsgebühr zu berücksichtigen sei, da der Bevollmächtigte durch den Telefonanruf und die daraufhin erfolgte Aufhebung der Einspruchsentscheidung an der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt habe.

II. Die zulässige Erinnerung ist unbegründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist im Ergebnis nicht zu Ungunsten des Erinnerungsführers rechtswidrig und verletzt diesen deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - analog.

1. Verfahrensgebühr für das Klageverfahren

Die Verfahrensgebühr ist nicht gemäß Nr. 3201 des Vergütungsverzeichnisses - VV - des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - zu ermäßigen. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf das 1,1 fache, wenn der Auftrag vorzeitig beendet wird. Eine vorzeitige Beendigung liegt nach der amtlichen Anmerkung nur vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Im Streitfall hat der Bevollmächtigte für die Erinnerungsgegner die Klageschrift eingereicht. Damit liegt kein Fall einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags vor.

b) Nach Auffassung des beschließenden Senats ist jedoch auf die Verfahrensgebühr die im Vorverfahren nach § 41 der Steuerberatergebührenverordnung - StBGebV - entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV bestimmt: "Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nr. 2400 bis 2403 entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet." Den Erinnerungsgegnern ist zwar zuzugeben, dass diese Bestimmung nur die Anrechnung einer Geschäftsgebühr, die nach den Nr. 2400 bis 2403 VV entstanden ist, vorsieht. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach § 45 StBGebV auf die Vergütung des Steuerberaters im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Vorschriften des RVG sinngemäß anzuwenden sind. Sinngemäße Anwendung bedeutet, dass vergleichbare Gebühren vergleichbar zu behandeln sind. Die Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts nach VV Nr. 2400 entspricht der Geschäftsgebühr eines Steuerberaters nach § 41 StBGebV. Aus der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des RVG und des VV, die in § 45 StBGebV angeordnet ist, ergibt sich, dass Rechtsanwälte und Steuerberater hinsichtlich der im finanzgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigenden Gebühren gleichbehandelt werden sollen.

Da die Erinnerungsgegner die Geschäftsgebühr im Vorverfahren mit 10/10 angesetzt haben, ist sie zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Dabei ist die Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 795,74 EUR zu berechnen. Der Mindeststreitwert von 1.000 EUR kommt für das Vorverfahren, in dem ein Steuerberater Gebühren nach der StBGebV erhält, nicht in Betracht (s. nachfolgend unter 3.). Vorbemerkung 3.4 Satz 2 VV ist nicht einschlägig, da die Geschäftsgebühr höchstens nach dem tatsächlich gegebenen Gegenstandswert berechnet werden darf. Die Bestimmung gilt nur für den umgekehrten Fall, dass der Gegenstandswert des Klageverfahrens niedriger ist als derjenige des Vorverfahrens.

2. Erledigungsgebühr

Eine Erledigungsgebühr ist nicht entstanden. Nach VV Nr. 1002 entsteht eine Erledigungsgebühr nur dann, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Unter "Mitwirkung bei der Erledigung" versteht der beschließende Senat eine besondere, über die allgemeine Geschäftsführung hinausgehende, auf die Herbeiführung der materiellen Erledigung ohne Urteil gerichtete und dafür nicht unwesentliche Tätigkeit (vgl. z.B. Beschluss vom 04.01.2001 10 Ko 6724/00, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 711). Eine wesentliche Mitwirkung bei der Erledigung scheidet insbesondere dann aus, wenn dem Antrag des Klägers in vollem Umfang entsprochen wurde (Beschluss des beschließenden Senats vom 28.06.2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642). Für diese Auslegung spricht, dass der Bevollmächtigte nach der amtlichen Anmerkung "nach" der Aufhebung oder Zurücknahme des Verwaltungsaktes bei der Erledigung mitwirken muss. Die Mitwirkung muss sich also auf die Erledigung des Rechtsstreits und nicht auf die Aufhebung oder Zurücknahme des Verwaltungsaktes beziehen. Obsiegt der Kläger in vollem Umfang, bedarf es keiner besonderen Anstrengungen des Bevollmächtigten, ihn (den Kläger) zur Abgabe der Erledigungserklärung zu veranlassen.

3. Ermittlung Geschäftsgebühr für das Vorfahren und der Verfahrensgebühr für das Klageverfahren

a) Da nach dem unter 1. Ausgeführten die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, musste der Senat prüfen, ob der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss nicht wegen fehlerhafter Berechnung der Geschäfts- und der Verfahrensgebühr im Ergebnis zutreffend ist (zur Saldierung s. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 FGO, Tz. 7, 20 (Stand April 2006)). Sowohl der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner als auch der Kostenbeamte des Finanzgerichts sind bei der Ermittlung der Gebühren von einem Gegenstandswert i.H.v. 795,74 Euro ausgegangen. Dies ist zumindest für das Klageverfahren fehlerhaft, da für Klageverfahren, die nach dem 30. Juni 2004 anhängig geworden sind, ein Mindeststreitwert von 1.000,00 Euro gilt, § 52 Abs. 4 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes - GKG n.F. -. Dieser Mindeststreitwert ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die im finanzgerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren eines Bevollmächtigten maßgeblich (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 09.06.2005 11 Ko 19/05, EFG 2005, 1804). Deshalb beträgt für das Klageverfahren eine volle Gebühr 85 EUR.

b) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Mindeststreitwert auch für die Gebührenberechnung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren zur Anwendung kommt. Dafür könnte § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG sprechen, wonach die Wertvorschriften auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gelten, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Der Ansatz des Mindeststreitwerts im Vorverfahren scheidet zumindest für die Berechnung der Gebühren eines Steuerberaters aus. Die Steuerberatergebührenverordnung sieht anders als § 23 RVG keinen Verweis auf das Gerichtskostengesetz vor. Die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des RVG gilt nach § 45 StBGebV ausdrücklich nur für die Vergütung des Steuerberaters im Verfahren vor dem Finanzgericht, d.h. den im gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren. Dies mag zwar inkonsequent sein und zu einer unterschiedlichen Behandlung von Rechtsanwälten und Steuerberatern führen. Das Gericht kann sich aber nicht über den eindeutigen Wortsinn der Vorschrift hinwegsetzen.

4. Neuberechnung der erstattungsfähigen Kosten

Vorverfahren wie beantragt 86,71 Euro Klageverfahren 1,6 fache Verfahrensgebühr (ausgehend von einem Mindeststreit- wert von 1.000,00 Euro) 136,00 Euro abzüglich 0,5 fache einer Geschäfts- gebühr (ausgehend von 795,74 Euro) 32,50 Euro 0,3 Erhöhungsgebühr 25,50 Euro Postpauschale 20,00 Euro Summe 149,00 Euro 16 % Mehrwertsteuer 23,84 Euro Summe Klageverfahren 172,84 Euro Gesamtsumme 259,55 Euro Bisher festgesetzt 253,17 Euro

Der Senat darf, wenn lediglich der Kostenschuldner Erinnerung einlegt, nicht über den festgesetzten Kostenerstattungsbetrag hinausgehen. Die Erinnerung ist deshalb in vollem Umfang unbegründet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.

Ende der Entscheidung

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