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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 11 K 3041/07
Rechtsgebiete: AO, KiStG


Vorschriften:

AO § 227
KiStG NW § 8 Abs. 1
KiStG § 13 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

11 K 3041/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren den hälftigen Erlass der für 2005 festgesetzten evangelischen Kirchensteuer, soweit sie auf außerordentliche Einkünfte des Klägers entfällt.

Die Kläger leben in einer konfessionsverschiedenen Ehe. Die Klägerin ist Angehörige der evangelischen Kirche, der Kläger ist Angehöriger der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft. Im Streitjahr wurden die Kläger gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

Per .......2005 veräußerte der Kläger seinen Mitunternehmeranteil an der Rechtsanwaltssozietät .................. GbR. Zum ........2005 gab er außerdem seine Einzelkanzlei als Rechtsanwalt auf. Aus diesen Sachverhalten resultieren im Streitjahr folgende Einkünfte:

Anteilsveräußerung ............. GbR:

 Übergangsgewinn 275.911,00 €
Veräußerungsgewinn § 16 EStG 72.037,00 €
Freibetrag ./. 45.000,00 €
Verbleiben steuerpflichtig 302.948,00 €
- Betriebsaufgabe Einzelkanzlei: ----- 
Übergangsgewinn 4.468,00 €
Aufgabegewinn 1.141,00 €
Verbleiben steuerpflichtig 5.609,00 €

Im Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer des Finanzamts ....... vom .......2007 wurde die Evangelische Kirchensteuer mit ..........,17 € und die römisch-katholische Kirchensteuer mit .....,16 € festgesetzt.

Der Bescheid enthält dazu folgende Berechnung:

 festzusetzende Einkommensteuer ........,00 €
auf den Ehemann entfallen ........,00 €
davon 9 v. H. römisch-katholische Kirchensteuer .....,16 €
auf die Ehefrau entfallen .........,00 €
davon 9 v. H. evangelische Kirchensteuer .....,17 €

Unter dem ......2007 beantragten die Kläger bei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Teilerlass der festgesetzten evangelischen Kirchensteuer in Höhe von .....,00 €. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Hälfte der anteiligen Kirchensteuer, die auf die außerordentlichen Einkünfte des Klägers entfällt. Die Kläger legen folgende Berechnung zugrunde:

 Kirchensteuer einschließlich besonderer Einkünfte 2005 .....,17 €
Fiktive Kirchensteuer ohne besondere Einkünfte 2005 .....,24 €
Mehrbelastung besondere Einkünfte 2005 ......,93 €
hiervon 50 % .....,00 €

Die Kläger begründeten ihren Antrag damit, dass es aufgrund der Veräußerung des Mitunternehmeranteils und der Aufgabe der Einzelkanzlei in 2005 zu einer ungewöhnlich hohen Zusammenballung von Einkünften gekommen sei, die zu einer erheblichen Steuerbelastung geführt habe. Die Versteuerung des Übergangsgewinns ergebe sich aus dem Umstand, dass bei Veräußerung eines GbR-Anteils bzw. Betriebsaufgabe einer einzelunternehmerischen Betätigung fiktiv zum Bestandsvergleich überzugehen sei, um eine zutreffende Totalgewinnversteuerung der unternehmerischen Tätigkeit zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund der außerordentlichen Höhe der Einkünfte erscheine es sachgerecht, die aus nicht laufenden Betriebsvorgängen resultierenden Besteuerungsgrundlagen gesondert zu würdigen und die hierauf entfallende Kirchensteuer hälftig zu erlassen. Dies gelte sowohl für die steuerpflichtigen Gewinnanteile aus der Veräußerung des GbR-Anteils bzw. der Aufgabe der Einzelkanzlei wie auch für die im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten stehenden Übergangsgewinnen. Nach Mitteilung des deutschen Steuerberaterverbandes aus Juli 2006 hätten sich die evangelischen Kirchensteuerämter auf eine 50%ige Kirchensteuerkappung verständigt, soweit Veräußerungsgewinne betroffen seien. Nach Einschätzung der Kläger erscheine diese Handhabung auch im Bezug auf die Übergangsgewinne sachgerecht. Denn hierbei werde abweichend vom Prinzip der Zuflussbesteuerung ein Gewinnanteil versteuert, ohne dass zwangsläufig im gleichen Veranlagungszeitraum entsprechende liquide Mittel zuflössen. Des weiteren beeinflusse die Höhe des Übergangserfolgs die letztendliche Höhe des Veräußerungsgewinns. Denn mit steigendem Übergangsgewinn ergebe sich ein erhöhtes Kapitalkonto, woraus wiederum ein verminderter Veräußerungsgewinn resultiere. Dieses Zusammenspiel von Übergangs- und Veräußerungsgewinn rechtfertige es, für Zwecke der Kappung der Kirchensteuer eine ganzheitliche Betrachtung anzustellen. Letztendlich seien beide Gewinnformen lediglich Ausfluss der Beendigung einer unternehmerischen Tätigkeit, die für sich genommen die Rechtfertigung des Kirchensteuererlasses darstelle.

Unter dem .....2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger ab. Die Überprüfung des Steuerbescheides ergebe, dass die Kirchensteuer ordnungsgemäß durch das Finanzamt festgesetzt worden sei. Aufgrund des Beschlusses der Kirchenleitung vom 28.04.1994 sei den Kirchensteuergläubigern empfohlen worden, in Fällen der Tarifvergünstigung nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) die auf diese Tarifvergünstigung entfallende Kirchensteuer auf Antrag im Wege einer Einzelfallentscheidung um die Hälfte zu reduzieren. Der Beschluss laute wie folgt:

"Den Kirchengemeinden und Verbänden wird empfohlen, in allen Fällen der Tarifvergünstigungen nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Kirchensteuer auf Antrag um die Hälfte zu reduzieren.

Hierunter fallen Veräußerungsgewinne, Ablösungen von Pensionsrückstellungen, Geschäftsaufgaben, Betriebsverlegung, Umstellung des Wirtschaftsjahres und Versteuerung von Erfindervergütungen. Damit ist also auch auf Antrag eine Reduktion der Kirchensteuer bei Abfindungszahlungen im Falle des Eintritts in den Vorruhestand oder bei Ausscheiden aus dem Betrieb anlässlich eines Aufhebungsvertrages möglich".

Da es sich um einen Billigkeitserlass handele und somit kein gesetzlicher Anspruch auf die Durchführung eines Teilerlasses der Kirchensteuer bestehe, entscheide über Erlassanträge aufgrund des in der Evangelischen Landeskirche geltenden Ortskirchensteuerrechts die Kirchengemeinde oder der Verband als Kirchensteuergläubiger, in der die bzw. der Steuerpflichtige den Hauptwohnsitz inne habe. Die Kläger hätten ihren Wohnsitz im Bezirk der Beklagten. Diese habe als für die Kläger zuständiger Kirchensteuergläubiger im Rahmen ihres Ermessens beschlossen, der Empfehlung der Kirchenleitung nicht zu folgen und grundsätzlich keinen Teilerlass der Kirchensteuer zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger unter dem .......2007 Einspruch ein. Auch wenn es sich bei dem Teilerlass um eine Billigkeitsmaßnahme handele, auf die kein gesetzlicher Anspruch bestehe, sei die Beklagte doch an den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG gebunden. Soweit aus den jeweils gleichen Gründen der überwiegenden Anzahl von Steuerpflichtigen eine Vergünstigung zugesprochen werde, könne sie anderen Steuerpflichtigen ohne ausreichende Begründung nicht verwehrt werden. In anderen Kirchengemeinden werde der Teilerlass überwiegend gewährt, wie die Beklagte selbst mitgeteilt habe. Es liege daher eine Ungleichbehandlung vor, deren Aufrechterhaltung einer besonderen Begründung bedürfe. Da jedoch eine entsprechende Begründung nicht gegeben worden sei, liege hinsichtlich der Gewährung des Teilerlasses eine Ermessensreduzierung auf Null vor, um dem Gleichbehandlungsgrundsatz in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen.

Während des Einspruchsverfahrens wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom .......2007 an die Kläger, um zu erläutern, warum sie vom Grundsatz her Anträgen auf Teilerlass der Kirchensteuer nicht zustimme. Im Anhang war eine zweiseitige Darstellung beigefügt, die mit "Stellungnahme zu Anträgen auf Kirchensteuer-Teilerlass an die Evangelische Gemeinde zu ......" überschrieben ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anhang zum Schreiben vom .....2007 verwiesen, der sich im dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgang der Beklagten befindet.

Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom .....2007 als unbegründet zurückgewiesen. Zunächst sei festzustellen, dass die für die Kläger mittels Bescheids vom ......2007 festgesetzte Kirchensteuer in Höhe von .......,17 € ordnungsgemäß sei. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit scheide somit aus. Darüber hinaus habe das Finanzamt außerordentliche Einkünfte in Höhe von ......,00 € nach § 34 Abs. 3 EStG anerkannt. Ob und inwieweit außerdem der von den Klägern benannte Übergangsgewinn Einkünfte im Sinne von § 17 bzw. § 34 EStG darstelle, sei aufgrund des ablehnenden Grundsatzbeschlusses der Beklagten als Kirchensteuergläubigerin nicht überprüft worden.

Der Beschluss der Kirchenleitung vom 28.04.1994 habe weder den Charakter einer Verwaltungsanweisung noch den einer Rechtsnorm, sondern er könne lediglich als unverbindliche Empfehlung gewertet werden. Eine gesetzliche Regelung etwa im Kirchensteuergesetz Nordrhein-Westfalen (KiStG) bzw. in der Kirchensteuerordnung der evangelischen Landeskirche Rheinland (KiStO) gebe es nicht. Bei der Teilerlassmöglichkeit handele es sich somit um einen Billigkeitserlass, der gesetzlich nicht normiert sei und im Einzelfall nach gleichen Grundsätzen gehandhabt werde. Aufgrund der ergangenen Empfehlung obliege die grundsätzliche Entscheidung über die Teilerlassgewährung dem jeweiligen Kirchensteuergläubiger, denn gemäß § 3 Abs. 1 KiStG i.V.m. § 3 KiStO seien alle Angehörigen der Evangelischen Kirche im Rheinland gegenüber ihrer Wohnsitzgemeinde steuerpflichtig. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KiStG könne die Kirchensteuer als Landeskirchensteuer oder als Ortskirchensteuer erhoben werden. Aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 1 KiStO werde die Kirchensteuer als Ortskirchensteuer innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland erhoben. Aufgrund des Ortskirchenprinzips obliege es jedem Kirchensteuergläubiger im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbständig zu entscheiden, welche Kirchensteuern innerhalb der jeweiligen Kirchengemeinde erhoben würden. Das bedeute auch, dass jeder Kirchensteuergläubiger für seine Kirchengemeinde regeln müsse, ob der Erlassempfehlung der Kirchenleitung grundsätzlich gefolgt werde oder nicht.

Die Beklagte habe als der für die Kläger zuständige Kirchensteuergläubiger im Rahmen ihres Ermessens bereits 1973 beschlossen, der Empfehlung der Kirchenleitung nicht zu folgen und grundsätzlich keinen Teilerlass der Kirchensteuer auf ihrem Gebiet zu gewähren. Die Beschlussfassung sei 2007 nochmals bestätigt worden. Dabei sei beachtet worden, dass es sich bei der Billigkeitsmöglichkeit des Teilerlasses um eine innerkirchliche Maßnahme handele. Durch die Teilerlassmöglichkeit von Kirchensteuern bei außerordentlichen Einkünften nach § 34 bzw. in Analogie nach § 17 EStG folge die evangelische Kirche dem Grundgedanken der Steuerermäßigung des Staates sowie dem Ausgleich sozialer Nachteile (z.B. bei Arbeitsplatzverlust). Denn der staatliche Gesetzgeber begünstige die außerordentlichen Einkünfte nach § 34 EStG hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung. Aufgrund des Annexcharakters der Kirchensteuer werde somit auch bereits bei der Kirchensteuer eine Steuerbegünstigung gewährt, da die Kirchensteuer nach der steuerbegünstigten Einkommensteuer festgesetzt werde. Die Teilerlassmöglichkeit stelle somit einen zusätzlichen Erlass dar. Die Gründe, die zur Beschlussfassung geführt hätten, seien den Klägern mit dem Schreiben vom .....2007 dargelegt worden.

Festzustellen sei deshalb, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen erkannt und einen entsprechenden Beschluss gefasst habe, der für alle Kirchenmitglieder mit Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten bindend sei. Ein Ermessensfehler liege somit nicht vor.

Durch die Ablehnung des Teilerlasses werde zudem weder der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch seine Ausprägung als Differenzierungsverbot wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 GG) verletzt. Die Beklagte gewähre im Rahmen ihres Ermessens auf ihrem Gebiet grundsätzlich für alle Gemeindemitglieder keinen Teilerlass der evangelischen Kirchensteuer bei Veräußerungsgewinnen. Somit sei eine Gleichbehandlung aller Gemeindemitglieder innerhalb des Gebiets des Kirchensteuergläubigers gewährleistet. Dem Streitfall gleichgelagerte Fälle würden von der Beklagten in deren Auftrag stets in gleicher Weise ablehnend beschieden. Atypische Sachverhalte und Gründe persönlicher Billigkeit - die beide von Klägerseite nicht vorgetragen seien - berücksichtige sie im Rahmen der Einzelfallprüfung.

Parallel zum vorliegenden Verfahren beantragten die Kläger beim Bischöflichen Generalvikariat des Bistums ........ einen entsprechenden Teilerlass der römisch-katholischen Kirchensteuer, dem mit Verfügung vom ......2007 - abzüglich einer 3%igen Verwaltungsgebühr -entsprochen wurde.

Am ......2007 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Teilerlassbegehren weiterverfolgen. Ergänzend zu ihrem Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren tragen Sie vor:

Nach klägerischer Auffassung liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, die daraus resultiere, dass die zu fordernde Steuergerechtigkeit nur dann hergestellt werden könne, wenn die Kirchensteuer, die auf die besonderen Einkünfte entfalle, zur Hälfte erlassen werde.

Mit ihrer ablehnenden Haltung widersetze sich die Beklagte der Empfehlung der Kirchenleitung. Darüber hinaus schere sie aus der Mehrheit der katholischen Bistümer und der evangelischen Kirchensteuergläubiger aus. Die durch das Wohnsitzprinzip normierte Kirchensteuerpflicht führe dazu, dass die Steuerschuldnerschaft mehr oder weniger zufällig gegenüber einem Kirchensteuergläubiger entstehe, der in der streitigen Frage anders gelagert entscheide als die übrigen Kirchengemeinden, die sich an die Empfehlung der Kirchenleitung gebunden fühlten. Zwar habe grundsätzlich die Frage der Gleichheit der Besteuerung dort ein Ende, wo die Grenze der zuständigen Erhebungskörperschaft zu ziehen sei. Jedoch gelte dies grundsätzlich lediglich insoweit, wie innerhalb dieser Grenze auch eine eigene Gesetzgebungs- bzw. gleich gelagerte Kompetenz zu erkennen sei. Die Kläger forderten deshalb, dass sie aufgrund ihres Wohnsitzes nicht derart benachteiligt würden, dass ihnen aufgrund eines Grundsatzbeschlusses ein ermessenabhängiger Steuervorteil genommen werde.

Gleich gelagerte Sachverhalte seien nicht nur innerhalb einer Ortskirche, sondern auch gemeindeübergreifend einheitlich zu beurteilen und zu entscheiden. Es bedürfe einer besonderen Begründung, wenn einzelnen Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung vorenthalten werden solle, die im Übrigen der weitaus überwiegenden Anzahl von Steuerpflichtigen zuteil werde. Dieser Grundsatz, der Ausfluss der allgemeinen Steuergerechtigkeit sei, gelte auch für Ermessensentscheidungen, so dass diese nicht nach Belieben regional unterschiedlich ausgeübt werden dürften.

Eine Verletzung des durch Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes sei im Streitfalle gegeben, da sie, die Kläger, im Vergleich zu anderen kirchensteuerpflichtigen Bürgern anders behandelt würden, ohne dass Unterschiede von solcher Art und Gewicht erkennbar seien, dass die Ungleichheit zu rechtfertigen sei. Der Hinweis der Beklagten, dass eine Steuerentlastung bereits derart gegeben sei, dass auf der Ebene der Einkommensteuer eine Vergünstigung durch die Anwendung des § 34 EStG vorliege, greife nicht durch. Denn diese Betrachtung hindere auch die übrigen evangelischen Kirchengemeinden nicht daran, den begehrten Teilerlass auszusprechen. Besonders deutlich werde die Ungleichbehandlung dadurch, dass das Bischöfliche Generalvikariat des Bistums ........ den begehrten Teilerlass der römisch-katholischen Kirchensteuer ausgesprochen habe. Es sei nur schwer einsichtig, wie es sich rechtfertigen ließe, dass innerhalb eines zusammenveranlagten Steuerfalles ein Kirchensteuergläubiger ohne rechtfertigenden Grund anders als der andere entscheiden könne, ohne dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt werde.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der zuständige Sachbearbeiter der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt, Herr ......., in mehreren Telefonaten zum Ausdruck gebracht habe, dass die Beklagte im Vergleich zu anderen Ortskirchen eine isolierte Stellung einnehme und im Übrigen die jeweils gestellten Erlassanträge grundsätzlich positiv beschieden würden. Hieraus sei zu entnehmen, dass die übrigen Ortskirchen nicht nur keine grundsätzlich ablehnende Haltung wie die Beklagte einnähmen, sondern darüber hinaus den Einzelfall nach Prüfung der Voraussetzungen positiv bescheiden würden.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom ......2007 und der Einspruchsentscheidung vom .....2007 zu verpflichten, bezüglich der für das Kalenderjahr 2005 festgesetzten Evangelischen Kirchensteuer einen Teilbetrag in Höhe von .....,00 € zu erlassen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte trägt vertiefend zu ihrem Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung folgendes vor:

Es sei darauf hinzuweisen, dass der jeweilige Kirchensteuergläubiger - im Streitfall also die Beklagte - im Rahmen der Steuergesetzgebung autonom sei. Die Evangelische Kirche im Rheinland sei presbyterial-synodal verfasst. Dies bedeute unter anderem, dass sich die Kirche von unten, also von der Kirchengemeinde her, aufbaue. Daraus resultiere, dass der Kirchensteuergläubiger die Kirchensteuerhoheit inne habe. Gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) seien die Religionsgemeinschaften berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Gemäß § 1 KiStG (Rahmengesetz) erhebe die evangelische Kirche im Land Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern aufgrund einer eigenen Steuerordnung. Gemäß § 12 Abs. 1 a) KiStO bestimmten die Kirchengemeinden für das Steuerjahr die Steuerart und die Steuersätze. Die Kirchengemeinden beschlössen die sog. Kirchensteuerbeschlüsse, die der Genehmigung des Landeskirchenamts sowie nach § 16 KiStG der staatlichen Anerkennung bedürften. § 23 Abs. 1 KiStO ermächtige die Kirchengemeinden auch über Stundung und Erlass von Kirchensteuern zu entscheiden.

Die Erlassempfehlung der Kirchenleitung sei nicht Bestandteil eines Kirchensteuerbeschlusses. Empfehlungen der Landeskirche seien Empfehlungen auf kirchenpolitischer Ebene. Sie hätten weder den Charakter einer Verwaltungsanweisung noch den einer Rechtsnorm.

Die von der Beklagten in Anspruch genommene Entscheidungsfreiheit, grundsätzlich keinen Teilerlass zu gewähren, werde auch von anderen Gebietskörperschaften innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland ausgeübt. Insoweit sei die Beklagte zwar die einzige Gemeinde innerhalb des Kirchenkreises ......., die grundsätzlich keinen Teilerlass gewähre, sie sei aber nicht die einzige Gemeinde innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zwar gewähre die überwiegende Mehrheit der evangelischen Kirchengemeinden in den Fällen des § 34 EStG einen zusätzlichen Teilerlass der Kirchensteuer, es ergebe sich hieraus aber keine rechtliche Verpflichtung zur gleichen Verfahrensweise für die Beklagte. Die autonome Gestaltungsfreiheit führe eben zu unterschiedlichen Erlassregelungen. Aus der zum Teil seit Jahren geübten Erlasspraxis anderer evangelischer Kirchengemeinden und katholischer Bistümer/Diözesen lasse sich auch kein Gewohnheitsrecht herleiten, welches die Beklagte zwingen könne, eine entsprechende Handhabung des Erlasses bei außerordentlichen Einkünften nach §§ 17, 34 EStG im Billigkeitswege einzuführen. Zwar bestehe eine mehrheitliche, keineswegs aber eine einheitliche Erlasspraxis, aus der allein die Beklagte ausschere.

Eine Ungleichbehandlung sei auch nicht deshalb gegeben, weil der Teilerlassantrag des katholischen Ehegatten positiv durch die katholische Kirche beschieden worden sei. Insoweit werde auf die Steuerhoheit der Gebietskörperschaften der römisch-katholischen Kirche verwiesen (Hinweis auf das Urteil des FG Nürnberg v. 01.12.1994, Az. VI 225/88, EFG 1995, 691).

Im Gesamtergebnis sei deshalb festzustellen, dass die auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Verpflichtung der Behörde zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Abgabenordung (AO)) beruhende Selbstbindung der Verwaltung der grundsätzlichen Ablehnung des Teilerlasses durch die Beklagte nicht entgegen stehe.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung des Teilerlasses ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf Vornahme des begehrten Teilerlasses besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (I.). Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (II.).

I. Keine Ansprüche auf Vornahme des begehrten Erlasses 1. Anspruch aus § 227 AO

Ein Anspruch auf Vornahme des begehrten Teilerlasses ergibt sich nicht aus § 227 AO, der über § 8 Abs. 1 KiStG bzw. § 13 Nr. 1 KiStO auch im Bereich der Kirchensteuer Anwendung findet.

Bei der Entscheidung über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Anspruch auf Vornahme des Teilerlasses ergibt sich nur bei Ermessenreduzierung auf Null, andernfalls besteht nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Die Ermessensentscheidung der Kirche über einen Erlassantrag gehört nicht zum kircheninternen Bereich, sondern kann gerichtlich überprüft werden - allerdings in den Grenzen von §§ 101, 102 FGO (BFH-Beschluss vom 24. März 1987 I B 129/86, BFH/NV 1987, 595).

Gründe für eine persönliche Unbilligkeit sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Sachliche Unbilligkeit, die von den Klägern allein geltend gemacht wird, liegt vor, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts zwar formal vom gesetzlichen Tatbestand gedeckt ist, dies jedoch im Einzelfall nicht dem Sinn des Steuergesetzes entspricht, wenn also ein "Überhang" des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist und die Besteuerung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers widerspricht (BFH-Urteil vom 20. Februar 1991 II R 63/88, BStBl II 1991, 541). Unter diesen Voraussetzungen - die im Streitfall allerdings nicht vorliegen - ist das Ermessen auf Null reduziert und der Erlass geboten.

Weder § 4 KiStG noch § 6 KiStO noch § 51a EStG, auf den die zuvor genannten Vorschriften verweisen, ist zu entnehmen, dass die Erhebung von Kirchensteuer als Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer (teilweise) unbillig wäre, soweit sie auf Veräußerungsgewinne nach §§ 16 bzw. 18 Abs. 3 EStG entfällt. Die entsprechenden Einkünfte sind bereits über die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG begünstigt, die ohnehin auf die Kirchensteuer durchschlägt. Da KiStG und KiStO nach den obigen Ausführungen auf die Erlassvorschriften der Abgabenordnung verweisen, ohne selbst zusätzliche kirchenspezifische Billigkeitsgründe zu nennen, schließt sich der kirchliche Gesetzgeber der Wertung des staatlichen Gesetzgebers an, es bei dieser (einfachen) Privilegierung der Veräußerungsgewinne zu belassen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 02.021995 VI 41/91, EFG 1995, 691, BB 1995, 1223 ). Einen darüber hinausgehenden eigenständigen kirchenspezifischen Erlasstatbestand gibt es nicht (I.2.)

Auch die von Klägerseite gerügte volle Heranziehung des Übergangsgewinns zur Kirchensteuer ist nicht unbillig. Dieser ist zwar nicht nach § 34 EStG tarifbegünstigt. Der Übergangsgewinn resultiert aus dem zwangsweisen Übergang von der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung zum Bestandsvergleich bei Aufgabe bzw. Veräußerung des Betriebs. Hierdurch wird lediglich sichergestellt, dass bei bilanzierenden Steuerpflichtigen wie bei "Überschussrechnern" über die Totalperiode der gleiche laufende Gewinn ermittelt wird. Laufender Gewinn genießt aber keine steuerliche Sonderbehandlung wie der Veräußerungsgewinn.

2. Kein Anspruch aufgrund eines spezifischen Erlasstatbestandes im Kirchensteuerrecht

Ein Teilerlass der Kirchensteuer steht den Klägern auch nicht auf der Grundlage eines über § 227 AO hinausgehenden kirchensteuerspezifischen Erlasstatbestandes zu. Hierfür fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.

Weder das KiStG noch die KiStO enthalten eine eigenständige Rechtsgrundlage über die Gewährung eines (Teil-) Erlasses der Kirchensteuer im Falle außerordentlicher Einkünfte, sondern verweisen in § 8 Abs. 1 KiStG bzw. § 13 Nr. 1 KiStO lediglich auf die Abgabenordnung.

Der im Steuerrecht allgemein anerkannte, aus Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete und damit bundesrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuererhebung verlangt, dass sowohl der Tatbestand als auch die Höhe der Besteuerung im Gesetz niedergelegt sein müssen. Weder die Finanzverwaltungen noch die Gerichtsbarkeit dürfen die Steuer nach ihrem Ermessen festsetzen. Dieser Grundsatz erstreckt sich auch auf Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen und sonstige Steuervergünstigungen. Behörden oder Gerichte dürfen die Steuerschuld nicht ohne gesetzliche Grundlage herabsetzen (BVerwG, Urteil vom 21.05.2003 9 C 12/02, BFH/NV 2003, Beilage 4, 245, NJW 2003, 3001 m.w.N.; vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rn 2; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 227 AO Rn. 30 ff.).

Erhebt die Kirche - wie hier die Beklagte - Kirchensteuern nach Maßgabe eines staatlichen Kirchensteuergesetzes, insbesondere durch Einziehung seitens der staatlichen Finanzbehörden, gilt für dieses öffentlich-rechtliche Besteuerungsverfahren in gleicher Weise der Grundsatz der Gesetz- und Tatbestandsmäßigkeit der Steuererhebung (BVerwG, Urteil vom 21.05.2003 9 C 12/02, BFH/NV 2003, Beilage 4, 245, NJW 2003, 3001 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG, z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 23.10.1986 2 BvL 7, 8/84, BVerfGE 73, 388 und vom 19. August 2002 2 BvR 443/01, DVBl 2002, 1624).

Zwar ist es dem Kirchensteuergläubiger unbenommen, die danach erforderliche gesetzliche Grundlage zu schaffen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21.05.2003 C 12/02, BFH/NV 2003, Beilage 4, 245, NJW 2003, 3001 zum Erlass lediglich für in der Kirche verbliebene Mitglieder); davon hat er jedoch hier keinen Gebrauch gemacht.

Auch die Empfehlung der Kirchenleitung vom 28.04.1994 stellt keine solche Rechtsgrundlage dar. Abgesehen davon, dass es sich bereits begrifflich nur um eine "Empfehlung" und nicht um eine verbindliche Anordnung oder Weisung handelt, ist die Kirchenleitung kein Rechtsetzungsorgan in kirchensteuerlichen Angelegenheiten. Rechtsgrundlage der Erhebung der evangelischen Kirchensteuer sind die aufgrund der Ermächtigungen in § 1, 2 Abs. 2 und 3 KiStG von der Evangelischen Landeskirche Rheinland erlassene Kirchensteuerordnung und die von den Kirchengemeinden gefassten Kirchensteuerbeschlüsse, die Steuerarten und -sätze festlegen (12 Abs. 1 a KiStO). Beide bedürfen der staatlichen Anerkennung (§§ 16 f. KiStG, 7 ff. KiStDV NRW). Da es für die Empfehlungen der Kirchenleitung keine Rechtsgrundlage in der Kirchensteuerordnung gibt und diese auch keine Kirchensteuerbeschlüsse sind, ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass es sich um Empfehlungen auf kirchenpolitischer Ebene handelt, denen eine Rechtsnormqualität nicht zukommt.

Aus dem Kirchensteuerrecht lässt sich daher ein Anspruch der Kläger nicht ableiten.

3. Anspruch aus Gewohnheitsrecht

Aus der - offensichtlich seit Jahrzehnten geübten - Erlasspraxis anderer evangelischer Kirchengemeinden und katholischer Diözesen lässt sich auch kein gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz herleiten, der einen Anspruch auf Erlass begründen könnte (ebenso FG Nürnberg, Urteile vom 01.12.1994 VI 225/88, KirchE 32, 441 (1998); vom 02.02.1995 VI 41/91, EFG 1995, 691 und vom 11.11.2004 VI 250/02, EFG 2004, 1105). Wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen, ist eine "Erlassautomatik" bei Veräußerungsgewinnen zwar die mehrheitliche, keineswegs aber einheitliche Praxis der Kirchen in Deutschland, aus der allein die Beklagte ausscheren würde. Von einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung in ganz Deutschland kann daher keine Rede sein.

4. Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG

Den Klägern steht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen die erstrebte Gleichbehandlung mit den Kirchensteuerpflichtigen, denen im Zuständigkeitsbereich des Generalvikariats des Bistums ........... bzw. in benachbarten Kirchengemeinden innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland die römisch-katholische bzw. evangelische Kirchensteuer im begehrten Umfang erlassen wird, nicht zu.

Die Erhebung von Kirchensteuern - insbesondere wenn Sie unter Zuhilfenahme der staatlichen Finanzverwaltung erfolgt - ist Ausübung von Hoheitsgewalt, in deren Rahmen die dazu nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ermächtigten Religionsgemeinschaften an die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte, gebunden sind (BVerwG-Urteil vom 21.5.2003 9 C 12/02, BVerwGE 118, 201; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.06.2000 2 L 11/99, KirchE 38 (2000), 314; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 11. Aufl., 2008, Art. 140 Rz. 31; Ehlers in Sachs, GG, 4. Aufl., 2007, Art. 140 GG Art. 137 WRV Rz. 29).

Eine Verletzung des hinsichtlich seines Schutzbereichs damit anwendbaren und in Betracht kommenden Grundrechts der Kläger aus Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch nicht ersichtlich.

a. Keine Ungleichbehandlung durch die Erlasspraxis der katholischen Kirchen

Die Beklagte wird jedenfalls nicht durch die Erlasspraxis der katholischen Kirche gebunden. Jede Landeskirche ist eigenständiger Hoheitsträger, der gemäß § 1 KiStG aufgrund einer eigenen Steuerordnung Kirchensteuern erhebt. Innerhalb ihrer regionalen und personellen Zuständigkeit (§ 3 KiStG) ist sie autonomer Gesetzgeber. Ein Hoheitsträger ist aber immer nur innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Eine Ungleichbehandlung liegt nicht darin, dass andere Bistümer oder Landeskirchen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs anders mit Erlassanträgen verfahren (vgl. FG Nürnberg, Urteile vom 02.02.1995 VI 41/91, EFG 1995, 691 und vom 11.07.1996 VI 69/96, EFG 1996, 1237; FG München, Urteil vom 19. November 1999 13 K 2024/99, KirchE 37 (1999), 434; Ehlers in Sachs, GG, 4. Aufl., 2007, Art. 140 Art. 137 WRV Rz. 29).

b. Ebenso keine Bindung durch die Empfehlung der Kirchenleitung

Eine Bindung des Ermessens ist auch nicht durch die Empfehlung der Kirchenleitung, der die Mehrzahl der evangelischen Kirchengemeinden folgt, eingetreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH führen zwar Verwaltungsanweisungen, die eine Billigkeitsregelung zum Inhalt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung zu einer Selbstbindung der Verwaltung. Den Behörden ist es danach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe im Rahmen des ihnen prinzipiell eingeräumten Ermessens abzulehnen. Der Steuerpflichtige hat einen auch von den Gerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden, es sei denn, die Billigkeitsregelung verlässt den gesetzlich vorgesehenen Rahmen (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 1997 IX R 39/94, BFH/NV 1998, 446;vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl II 2004, 927;vom 19. Mai 2004 III R 29/03, BFHE 206, 253, BStBl II 2005, 77;vom 07.12.2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097 und vom 14.03.2007, BFH/NV 2007, 1838). Die Empfehlung der Kirchenleitung ist mit einer solchen Ermessensrichtlinie jedoch nicht vergleichbar. Nach den obigen Ausführungen ist sie einem "Ratschlag" an die Kirchengemeinden zu vergleichen, die ihre Entscheidung letztlich selbst treffen sollen. Sie ist für die Beklagte und damit auf für das Gericht nicht verbindlich. Dabei kann offen bleiben, ob die Kirchenleitung aufgrund des Ortskirchensteuerprinzips überhaupt eine Bindung durch Ermessensrichtlinien herbeiführen kann.

c. Bindung durch die Erlasspraxis anderer evangelischer Kirchengemeinden

Auch durch die Erlasspraxis anderer, auch benachbarter evangelischer Kirchengemeinden ist die Beklagte nicht aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs. 1 GG) zum beantragten Erlass verpflichtet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Beklagte meint - das Ortskirchensteuerprinzip zur Folge hat, dass die unterschiedliche Behandlung von Erlassanträgen in den verschiedenen Kirchengemeinden schon gar nicht zu einer Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG führen kann.

Jedenfalls ist die von Klägerseite angeführte Erlasspraxis benachbarter Kirchengemeinden bei Veräußerungsgewinnen rechtswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht vor einer Ungleichbehandlung im Unrecht.

Von beiden Beteiligten wird vorgetragen, dass die Beklagte die einzige Gemeinde im Kirchenkreis ....... ist, die in den Fällen des § 34 EStG keinen Teilerlass gewährt. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass alle übrigen Gemeinden ohne nähere Prüfung des Einzelfalls den Erlass gewähren. Für eine solche "Erlassautomatik" bei Veräußerungseinkünften, wie sie von den anderen Kirchengemeinden praktiziert wird, ist jedoch keine gesetzliche Grundlage vorhanden. Sachliche Billigkeitsgründe im Sinne des § 227 AO liegen bei von § 34 EStG bereits begünstigten Veräußerungsgewinnen nicht vor (oben unter I. 1.). Diese Vorschrift dient nicht dazu, in generalisierender Weise Steuervergünstigungen zu schaffen. Zu einem Erlass nach § 227 AO kann es bei Veräußerungsgewinnen daher im Regelfall nur bei Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe kommen. Solche setzen aber eine Einzelfallprüfung voraus und führen daher nicht zu einem grundsätzlichen Erlass, wie er in den Nachbargemeinden offensichtlich praktiziert wird. Dort erfolgt - wie in vielen anderen Gemeinden in Deutschland auch - ein vom Einzelfall gelöster genereller Erlass ohne gesetzliche Grundlage (vgl. zur früheren Praxis in Bayern und zum späteren Übergang zur Einzelfallprüfung: FG Nürnberg, Urteil vom 11.03.2004 VI 250/2002, EFG 2004, 1105; BFH-Beschluss vom 25.01.2005 I B 79/04, BFH/NV 2005, 1232). Die Vorgehensweise der Nachbargemeinden ist daher ein Ermessensfehlgebrauch. Dementsprechend haben die Kläger keinen Anspruch darauf, dass diese rechtswidrige Verwaltungspraxis - mag sie auch für sie günstig sein - in ihrem Fall angewendet wird.

Soweit in anderen Kirchengemeinden der Erlass aufgrund einer an § 227 AO orientierten Einzelfallprüfung gewährt wird, haben die Kläger eine Gleichbehandlung mit diesen erfahren. Auch ihr Fall wurde vom Beklagten insoweit geprüft, allerdings - in rechtmäßiger Weise - ablehnend beschieden (dazu II.)

II. Rechtmäßigkeit der Ablehnung im Übrigen

Nach alledem haben die Kläger lediglich einen Anspruch darauf, dass ihr Erlassantrag im Einzelfall unter den Gesichtspunkten der persönlichen und sachlichen Billigkeit geprüft wird und die Beklagte das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausübt. Dieser Anspruch ist erfüllt worden.

Zwar wurde der Erlassantrag im Erstbescheid vom ......2007 lediglich mit der Begründung abgelehnt, dass die Beklagte der Empfehlung der Kirchenleitung grundsätzlich nicht folge. Dies ist keine ordnungsgemäße Ermessensausübung, da weder im Einzelfall begründet wurde, warum sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe nicht vorliegen, noch darlegt wurde, warum die Beklagte der Empfehlung der Kirchenleitung nicht folgt.

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensausübung sind aber die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend, die der Behörde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Ermessensausübung während des Einspruchsverfahrens im Schreiben vom ......2007 und der dazu gehörenden Anlage "Stellungnahme zu Anträgen auf Kirchensteuer-Teilerlass an die Evangelische Gemeinde zu ........" nachgeholt. Dort wurde im Einzelnen dargelegt, warum die Beklagte die Erhebung von Kirchensteuern auf die nach § 34 EStG bereits einkommensteuerlich tarifbegünstigten Veräußerungsgewinne nicht für sachlich unbillig hält. Auch wurde darauf hingewiesen, dass sonstige - insbesondere persönliche - Billigkeitsgründe nicht vorgetragen oder ersichtlich seien. Auf den Inhalt des Schreibens vom ......2007 wurde auch in der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 12 FG-Akte).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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