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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: 11 K 5870/04
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
AO § 41 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

11 K 5870/04

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde am .....2002 als Nachfolgefirma der am selben Tag in Insolvenz gegangenen Firma ................ GmbH gegründet. Anteilseigner ist .................., Geschäftsführer ................... Zum Gegenstand des Unternehmens der Klägerin gehört die Vermietung von Gerüstmaterialien sowie die Vermittlung von Gerüstaufträgen. Die Klägerin beschäftigt keine Arbeitnehmer, sondern bedient sich verschiedener Subunternehmer. Kleinere Aufträge erledigt sie mit Hilfe von Subunternehmern, die lediglich die Arbeitnehmer stellen und mit von der Klägerin bereit gestellten (im wesentlichen angemieteten) Gerüstbauteilen arbeiten. Sobald die erhaltenen Aufträge ein bestimmtes Volumen überschreiten, wird die Firma ...........-................ GmbH mit der Durchführung dieser Arbeiten beauftragt, die dann sowohl Arbeitnehmer als auch die erforderlichen Gerüstbauteile stellt.

Bei einer für die Monate Juli bis Oktober 2002 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin stellte die Prüferin fest, dass in diesen Monaten u.a. die Subunternehmer .I.....und X........ für die Klägerin tätig geworden waren. Die Klägerin machte 2.619,75 EUR Vorsteuer aus Rechnungen des I (Zeitraum 26.7. - 9.8.2002) und 5.654,87 EUR Vorsteuer aus Rechnungen der Subunternehmerin X....... (Zeitraum 16.8. - 31.10.2002) geltend. Wegen der Zusammensetzung der Beträge wird auf die Anlagen 3 a (X........) und 3 b (I) des Berichts vom 18.6.2003 Bezug genommen. Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung erkannte den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nicht an, weil es sich bei den Rechnungsausstellern nicht um die tatsächlich leistenden Unternehmer gehandelt habe.

Die Vorsteuern aus den Rechnungen der Firmen X........ und I wurden in dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Oktober 2002 vom .....2003 nicht berücksichtigt. Im Verlauf des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens erging am ......2004 (erstmalig) ein Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2002. Abweichend von der Steuererklärung kürzte der Beklagte dabei die geltend gemachten Vorsteuern entsprechend den Feststellungen der Sonderprüfung um 8.274,55 EUR und darüber hinaus um weitere 666,57 EUR für im November 2002 erstellte Rechnungen der Firma X........ Der gegen den Jahressteuerbescheid gerichtete Einspruch wurde nach einem Hinweis des Beklagten, dass dieser gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des gegen den Vorauszahlungsbescheids gerichteten Einspruchsverfahrens geworden sei, zurückgenommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom ......2004 wies der Beklagte den Einspruch wegen "Umsatzsteuervorauszahlung Oktober 2002" als unbegründet zurück.

Die Steuerfahndung ............ habe seit 2002 folgende Feststellungen zu den Firmen I.... und X..... getroffen:

Firma I

1. Am .......2002 wurde ein Unternehmen "Holz- und Bautenschutz" angemeldet. Die der Klägerin vorgelegte Kopie der Gewerbeanmeldung enthielt den Zusatz "Gerüstbau", der nach Mitteilung der Steufa bzw. Auskunft der Stadt ........... gefälscht war. Das Unternehmen wurde am .....2002 wieder abgemeldet.

2. Herr I...... habe am .....2002 ausgesagt, dass er kein Gerüstbauer sei.

3. Die in Kopie vorliegenden 4 Bauverträge (Zeitraum 11.7. - 5.8.2002) zwischen der Klägerin und der Firma I............. seien, wie aus einer Unterschriftsprobe ersichtlich sei, nicht von I, sondern von I.....I.....unterschrieben worden.

4. Die Anschrift auf den Bauverträgen laute auf ........... 17 in .......... Bei einer Durchsuchung am ....2002 sei die Wohnung unbewohnt gewesen. Post habe nach Auskunft der Hausverwaltung schon seit längerer Zeit nicht mehr an Herrn I......zugestellt werden können.

5. Die auf den Rechnungen aus dem gleichen Zeitraum angegebene Anschrift laute auf ............... 22, ............ Nach Auskunft von Herrn I............. habe er dort gewohnt. Bei einer daraufhin durchgeführten Durchsuchung sei die Wohnung "quasi leer" vorgefunden worden und habe Anzeichen von Renovierungsmaßnahmen aufgewiesen.

6. Das auf den Rechnungen I............. angegebene Handy des Holger I............. sei im Juli 2002 ausgelesen worden. Es habe keinerlei Telefonnummern von Auftraggebern enthalten.

7. Auf dem auf den Rechnungen angegebenen Konto bei der ...sparkasse .......... hätten keinerlei Zahlungseingänge von Firmen, sondern lediglich Sozialhilfezahlungen festgestellt werden können.

8. Herr I............. besitze keinen eigenen PC.

9. Der Geschäftsführer der Klägerin habe I bei der Vernehmung am .....2003 auf einem vorgelegten Foto erkannt.

10. In der gleichen Vernehmung habe er angegeben, dass ..... I............. für die Firma I............. aufgetreten sei. Er sei immer selbst gekommen, um die Schecks abzuholen, aber von einer anderen Person gefahren worden.

11. Ansprechpartner in der Kolonne sei ein Grieche namens....... gewesen. Dieser sei auch morgens ins Büro gekommen, um die Aufträge abzuholen.

12. Der Aufforderung der Steuerfahndung, Kontakttelefonnummern der Firma I............. anzugeben, sei Herr ........... nicht nachgekommen. Nach eigener Aussage habe er diese aus "Kapazitätsgründen" gelöscht.

13. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die Schecks, die von ..... ........... nach Gründung der Klägerin für die Unternehmen I........ und X....... ausgestellt worden seien, auf dem Konto (...sparkasse .........., Nr. .........) eines Scheckwäschers namens ........... eingelöst worden.

14. Die im Büro der Klägerin tätige Ehefrau des ............. habe am 4.2.2003 angegeben, dass die Vertragsverhandlungen auf Seiten der Firma I........ von I persönlich geführt worden seien und keine weiteren Personen aufgetreten seien. Die Bauverträge seien von Herrn I............. auf den Baustellen oder im Büro in ......, ...........r. 1 (ehemaliges Büro der Vorgängerfirma ............. GmbH), unterschrieben worden.

15. Laufende Geschäfte (Einsatz der Arbeitskräfte, Aufnahme der Arbeit, Klärung von Beanstandungen etc.) seien nach Angabe von Frau .......... von Herrn I.............. persönlich abgewickelt worden.

16. Auf Seiten der Klägerin sei nach Angaben von Frau ........... ausschließlich Herr ........... an der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen beteiligt gewesen.

17. I... I........ habe in der Vernehmung vom.......2004 erklärt, dass er I kenne, dessen Papiere von ihm selbst erhalten und diese auch benutzt habe. Rechnungsvordrucke habe er sich selbst erstellt. I............. selbst habe nie gearbeitet.

18. Am.......2002 wurden Blankovordrucke des I in der Wohnung von I..... I......... gefunden.

19. I..... I....... und ................ kennen sich seit Jahren, da Herr I........ bereits für die Vorgängerfirma gearbeitet hat.

Firma X........

1. Am .......2002 wurde ein Unternehmen "Holz- und Bautenschutz" angemeldet. Die der Klägerin vorgelegte Kopie der Gewerbeanmeldung enthalte den Zusatz "Gerüstbaubetrieb", der nach Mitteilung der Steuerfahndung bzw. Auskunft der Stadt ......... gefälscht sei.

2. Die ebenfalls der Klägerin vorgelegte Bescheinigung der AOK .......... über die Anmeldung von Arbeitnehmern weise mindestens drei verschiedene Schriftbilder aus.

3. In der Vernehmung am 14.6.2003 habe Frau ....X........ angegeben, die Ehefrau von ................. seit längerer Zeit zu kennen. Sie sei von .......... angesprochen worden, ob sie nicht bereit sei, ein Gewerbe "Holz- und Bautenschutz" anzumelden und sich so etwas Geld zu verdienen.

4. Nach Anmeldung des Gewerbes mit der Bezeichnung "Holz- und Bautenschutz" sei sie mit ........... zu ......... und ........ ........... gefahren. Zusammen mit ...... ......... habe sie beim Finanzamt die Freistellungsbescheinigung erhalten. ...... ......... habe nach Feststellung der Steuerfahndung in 2002 eine umfangreiche Tätigkeit als selbständiger Gerüstbauer ausgeübt und sei dabei als sogenannter Kolonnenschieber aufgetreten.

5. Am 5.9.2002 hat ......... per Fax über den Scheckwäscher ............ eine Kopie des Personalausweises von X........ erhalten.

6. Am 9.9.2002 hat das Finanzamt ....... die Freistellungsbescheinigung für Frau ....X........ widerrufen. Das Schreiben konnte postalisch jedoch nicht mehr zugestellt werden. Eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgte nicht.

7. In der Wohnung von ....... und ...... .......... hat Frau ....X........ nach eigenen Angaben I..... I........ kennengelernt.

8. Herr ............... hat X........ bei Vorlage eines Fotos in der Vernehmung vom 15.1.2003 nicht erkannt. Vielmehr hat er ........ ........... als X........ bezeichnet.

9. Die für X........ gehaltene ........ ......... hat nach Angaben von ............... die Bauverträge unterschrieben und ist persönlich bei ihm gewesen.

10. In der Kolonne von ....X........ habe nach Aussage von .............. ein ...... und ein ........ gearbeitet. ...... habe sich morgens im Büro die Aufträge geholt. Des weiteren habe .......... nach Vorlage eines Fotos ...... ........ als Mitarbeiter in der Kolonne ....X........ identifiziert.

11. Der Aufforderung der Steuerfahndung, Kontakttelefonnummern der Firma ....X........ anzugeben, sei Herr ........... nicht nachgekommen. Nach eigener Aussage habe er diese aus "Kapazitätsgründen" gelöscht.

12. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die Schecks, die von ..... ............ nach Gründung der Klägerin für die Unternehmen I............. und ....X........ ausgestellt wurden, auf dem Konto (...sparkasse ..........., Nr. ............) eines Scheckwäschers namens ............. eingelöst worden.

13. I..... I...... habe in seiner Vernehmung vom 14.1.2004 erklärt, dass er die Papiere in .......... Wohnung von X........ erhalten habe. Dass die Gewerbeanmeldung (teilweise) gefälscht war, habe er erst später erfahren.

14. I....... habe X........ wöchentlich durch einen nichtgenannten Dritten Geld zukommen lassen.

15. Die im Büro der Klägerin tätige Ehefrau des ........... habe am 4.2.2003 angegeben, dass die Vertragsverhandlungen auf Seiten der Firma ....X........ von X........ persönlich geführt worden seien und keine weiteren Personen aufgetreten seien. Der Vertrag sei von Frau ....X........ im Büro in ......, ........... 1, unterschrieben worden.

16. Laufende Geschäfte (Einsatz der Arbeitskräfte, Aufnahme der Arbeit, Klärung von Beanstandungen etc.) seien nach Angaben von Frau ........ von Frau ....X........ persönlich abgewickelt worden.

17. Auf Seiten der Klägerin sei nach Angaben von Frau ........ ausschließlich Herr .......... an der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen beteiligt gewesen.

18. Laut strafrechtlichem Ermittlungsbericht I...... I......... vom 23.8.2004 habe der Kolonnenführer ................ (...............) erklärt, bei der Klägerin für I....... I.......... gearbeitet zu haben. ....X........ habe er nur einmal gesehen.

Angesichts dieser Umstände sei die Vorsteuer aus den Rechnungen dieser Subunternehmer zu Recht nicht berücksichtigt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung müssten Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer grundsätzlich identisch sein. Darüber hinaus müssten die Angaben in der Rechnungen eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellungen des leistenden Unternehmers ermöglichen. Der Abzug der in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer sei nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der Firma bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden habe. Im Streitfall sei sowohl hinsichtlich der Rechnungen ....X........ als auch hinsichtlich der Rechnungen I............. keine Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer gegeben. Darüber hinaus habe bei einem Teil der Rechnungen ....X........ der Sitz der Firma im Zeitpunkt der Rechnungserteilung tatsächlich nicht mehr bestanden. Nach den Feststellungen des Finanzamts .......... sei am .....2002 eine Zustellung an die in den Rechnungen ....X........ angegebene Anschrift nicht mehr möglich gewesen. Bei allen ab dem .....2002 unter dem Namen X........ erteilten Rechnungen sei eine leicht nachprüfbare Feststellung des im Abrechnungspapier angegebenen Unternehmers daher nicht mehr möglich gewesen. Dies betreffe einen anteiligen Betrag von 4.506,94 EUR Vorsteuern. Auch hinsichtlich der Firma I............. bestünden Unklarheiten über den Sitz des Unternehmens. Die in den Bauverträgen aus dem Zeitraum 11.7. - 5.8.2002 angegebene Anschrift ............ habe nach den Feststellungen der Steuerfahndung am .....2002 bereits nicht mehr bestanden. Bezüglich der auf den Rechnungen angegebenen Anschrift ........... habe die Steuerfahndung festgestellt, dass diese Räume quasi leergestanden hätten bzw. Anzeichen von Renovierung gezeigt hätten. Bereits aus diesem Grunde sei ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen, da nicht feststellbar gewesen sei, wo das Gewerbe I überhaupt ausgeübt worden sei bzw. seinen Sitz gehabt habe. Eine leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers sei nicht möglich gewesen. Da die Klägerin hierfür die Feststellungslast trage, scheide der Abzug dieser Vorsteuern (2.619,75 EUR) ebenfalls aus.

Unabhängig davon fehle es bei allen Rechnungen an der erforderlichen Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmen.

In der Regel ergebe sich aus den zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen sei. Leistender sei in der Regel derjenige, der die Leistung im eigenen Namen oder durch einen Beauftragten ausführe. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen sei, hänge grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigter Weise in Namen eines anderen aufgetreten sei. Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch sei grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten sei, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet sei, unabhängig davon, ob er seine Verpflichtung persönlich ausführe oder durch andere Unternehmer ausführen lasse. Trete jemand im Rechtsverkehr in eigenem Namen (im Streitfall: I............. und ....X........) aber für Rechnung eines anderen (im Streitfall: I...... und .........) auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten wolle, sei zivilrechtlich grundsätzlich nur der Strohmann aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Zivilrechtlich und umsatzsteuerlich sei das vorgeschobene Strohmann-Geschäft allerdings unbeachtlich, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden sei, d.h. wenn die Vertragspartner einverständlich oder stillschweigend davon ausgingen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten (Klägerin) und dem Hintermann eintreten sollten. Dementsprechend komme umsatzsteuerlich eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden sei und der Leistungsempfänger wisse oder davon habe ausgehen müssen, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern wolle.

Die Feststellungen der Steuerfahndung sowie die Aussagen der beteiligten Personen rechtfertigten die Annahme, dass die Klägerin, vertreten durch den Geschäftsführer Uwe Sassenberg, gewusst habe oder zumindest davon habe ausgehen müssen, dass die Unternehmer ....X........ und I............. keine eigenen geschäftlichen und steuerlichen Verpflichtungen hätten übernehmen wollen.

Nach Aussage der im Büro tätigen Ehefrau des Geschäftsführers seien die Vertragsverhandlungen ausschließlich von I geführt worden. Die Bauverträge sollten auf den Baustellen bzw. im ehemaligen .........-Büro in ..... von I unterzeichnet worden sein. Tatsächlich seien die Verträge jedoch von I..... I........ unterschrieben worden. Im Hinblick darauf, dass ............. und I....... I....... sich seit Jahren gekannt hätten, sei die Aussage von Frau ......... falsch und zwar ebenso wie die, dass die laufenden Geschäfte ausschließlich von I abgewickelt worden sein. Dem stehe die Aussage des ausführenden Unternehmers I....... I........ entgegen, der in seiner Vernehmung vom 14.1.2004 erklärt habe, dass er die Papiere von I..... benutzt habe und I............. selbst nie tätig gewesen sei. Entgegen dem von der Klägerin gegenüber der Sonderprüfung angeführten BFH-Beschluss vom 31.1.2002 (V B 108/01, BStBl II 2004, 622) könne die Abwicklung der laufenden Geschäfte auch nicht über das in den Rechnungsvordrucken angegebene Handy des I erfolgt sein, da dieser keine Kenntnis bzw. Sachkenntnis von den durchgeführten Aufträgen gehabt habe. Dies werde auch durch die Tatsache bestätigt, dass auf dem im Juli 2002 ausgelesenen Handy von I............. keinerlei Telefonnummern von Auftraggebern - wie z.B. der Klägerin - gespeichert gewesen seien. Auch ............ habe der Aufforderung, Kontaktnummern zu I............. anzugeben, nicht nachkommen können. Gerade in einem Bereich, in dem oft kurzfristig Entscheidungen getroffen und Arbeitsaufläufe koordiniert werden müssten, sei ein solcher Sachverhalt sehr ungewöhnlich. Während in dem mit Beschluss vom 31.1.2002 vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die Rechnungsbeträge durch Überweisung auf das in den Rechnungen angegebene Konto beglichen worden seien, habe die Klägerin sämtliche Rechnungsbeträge per Scheck bezahlt. Die Gutschriften seien sämtlich auf das Konto von ........... und nicht auf das Konto des Unternehmens I............. erfolgt. Damit sei auch kein Nachweis gegeben, dass die in den Rechnungsvordrucken der Firma I............. ausgewiesenen Vorsteuern tatsächlich bezahlt worden seien. Nach dem Gesamtbild der festgestellten Verhältnisse sei davon auszugehen, dass der Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, als Rechnungsempfängerin bekannt gewesen sei, dass I keinerlei Verpflichtungen aus den Geschäften habe übernehmen wollen und Rechtswirkungen tatsächlich nur zwischen I...... I...... und der Klägerin hätten eintreten sollen.

Hinsichtlich der Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen ....X........ ergebe sich keine andere Beurteilung. Nach Aussage der im Büro der Klägerin tätigen Ehefrau des Geschäftsführers seien die Vertragsverhandlungen ausschließlich von X........ geführt worden. Die Bauverträge seien im ehemaligen .........-Büro in ...... von X........ unterzeichnet worden. Tatsächlich seien die Verträge jedoch von ...... .......... unterschrieben worden. Auch die laufenden Geschäfte könnten nicht von X........ abgewickelt worden sein. Entgegen dem dem BFH-Beschluss vom 31.1.2002 zugrunde liegenden Sachverhalt könne die Abwicklung der laufenden Geschäfte auch nicht über die in den Rechnungsvordrucken angegebene Telefonnummer der X........ erfolgt sein, da diese keinerlei Kenntnisse bzw. Sachkenntnis von den durchgeführten Aufträgen gehabt habe. Bis auf die Zurverfügungstellung ihrer Papiere sei sie in keiner Weise selbst tätig gewesen. Dies werde durch die Tatsache bestätigt, dass ............ der Aufforderung, Kontaktnummern zu ....X........ anzugeben, nicht habe nachkommen können. Gerade in einem Bereich, in dem oft kurzfristig Entscheidungen getroffen und Arbeitsabläufe koordiniert werden müssten, sei ein solcher Sachverhalt sehr ungewöhnlich. I..... I........ habe hinsichtlich des Unternehmens ....X........ ausgesagt, dass er Papiere von ihr erhalten habe und sie für die Gewerbeanmeldung bezahlt habe. Aufgrund der Tatsache, dass I...I.... und der Geschäftsführer der Klägerin seit Jahren Geschäfte miteinander gemacht hätten, sei davon auszugehen, dass .......... und damit die Klägerin den tatsächlichen Sachverhalt gekannt habe. Auch die vorgelegten Unterlagen der Firma ....X........ wie Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Gewerbeanmeldung und Anmeldung bei der AOK führten zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts. Die Bescheinigung der AOK weise mindestens drei verschiedene Schriftbilder auf, ähnlich die Gewerbeanmeldung der Stadt ........ Bei der Gewerbeanmeldung der Stadt sei der Zusatz "Gerüstbau" ganz offensichtlich in einer anderen Schrift zugefügt worden. Diese Unterlagen hätten Anlass zu weiteren Prüfungen seitens der Leistungsempfängerin, der Klägerin, sein müssen, was jedoch nicht erfolgt sei. Hinzu komme, dass aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich gewesen sei, dass die Anmeldungen gerade erst erfolgt seien und weitere Unterlagen seitens der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr angefordert worden seien. Während in dem vom Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 31.1.2002 entschiedenen Fall die Rechnungsbeträge durch Überweisung auf das in den Rechnungen angegebene Konto beglichen worden seien, habe die Klägerin sämtliche Rechnungsbeträge per Scheck bezahlt. Die Gutschriften seien sämtlich auf dem Konto von ...... ....... und nicht auf dem Konto der Unternehmerin ....X........ erfolgt. Damit sei auch kein Nachweis gegeben, dass die in den Rechnungen der Firma ....X........ ausgewiesenen Vorsteuern tatsächlich bezahlt worden seien. Nach dem Gesamtbild der festgestellten Verhältnisse sei auch hinsichtlich der Firma ....X........ davon auszugehen, dass der Klägerin als Rechnungsempfängerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, bekannt gewesen sei, dass X........ keinerlei Verpflichtungen aus den Geschäften habe übernehmen wollen und Rechtswirkungen tatsächlich nur zwischen I.... I........ und der Klägerin hätten eintreten sollen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe zu Unrecht die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der Firmen ....X........ und I............. nicht berücksichtigt. Von beiden Unternehmern seien dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn ........., Freistellungsbescheinigungen der zuständigen Finanzämter ...... bzw. .......-........ vorgelegt worden. Auf diese - zu den Gerichtsakten gereichten - Bescheinigungen sowie auf die ebenfalls eingereichten Kopien über Anmeldungen des Unternehmens X........ bei der AOK sowie der Bauberufsgenossenschaft werde hingewiesen. In § 48 b EStG seien insbesondere Vorkehrungen zum Abbau des Missbrauchs im Vorsteuerbereich getroffen worden. Die vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung zitierte Rechtsprechung betreffe Zeiträume vor Inkrafttreten des § 48 b EStG.

Die Klägerin beantragt,

die Vorsteuern aus den Rechnungen der Subunternehmer I und X........ zu berücksichtigen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Hinweis der Klägerin, dass die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung Zeiträume vor Inkrafttreten des § 48 b EStG betreffe, sei zwar zutreffend, aber insofern nicht nachvollziehbar, als die Klägerin selbst im Einspruchsverfahren auf den vor Inkrafttreten des § 48 b EStG ergangenen Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 31.1.2002 verwiesen habe. Im Übrigen seien durch die Einführung des § 48 b EStG lediglich hinsichtlich der Ertragsteuern Regelungen zur Eindämmung illegaler Betätigungen eingeführt worden. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug seien im Umsatzsteuergesetz geregelt. Die in der Einspruchsentscheidung angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs befasse sich mit den entsprechenden Regelungen des Umsatzsteuergesetzes und sei anzuwenden. Im Übrigen sei auf die umfangreichen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung zu verweisen. Die Klägerin gehe lediglich auf die vorgelegten Freistellungsbescheinigungen ein, nicht aber auf die übrigen durch die Steuerfahndung festgestellten Tatsachen und deren Auswirkungen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Gegenstand der Klage ist - entgegen der Bezeichnung in der Einspruchsentscheidung und der Klageschrift - nicht der Vorauszahlungsbescheid für Oktober 2002, sondern der Umsatzsteuerbescheid 2002 vom ......2004, der gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist.

Der Beklagte hat den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Subunternehmer I........ und ....X........ zu Recht versagt.

Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Dabei trägt in tatsächlicher Hinsicht der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind.

Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein. Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten - hier dem Leistungsempfänger - im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 5.4.2001 V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; undvom 30.9.1999 V R 8/99, BFH/NV 2000, 353; BFH-Beschluss vom 31.1.2003 V R 108/01, BStBl II 2004, 622 m.w.N.).

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtungen höchstpersönlich ausführt oder durch andere - Subunternehmer - ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" die Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 31.1.2002 V B 108/01, BFH/NV 2002, 835). Unbeachtlich ist das vorgeschobene Strohmanngeschäft nur dann, wenn es zum Schein (§ 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen. Hierfür reicht bereits aus, dass der Leistungsempfänger davon ausgehen musste, dass der "Strohmann" keine eigene - ggf. durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7.7.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; BFH-Beschluss vom 26.8.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255).

Nach diesen Grundsätzen ist X........ nicht als leistende Unternehmerin aus den mit der Klägerin abgeschlossenen Werkverträgen anzusehen. Nach den vorliegenden Zeugenaussagen und Feststellungen der Steuerfahndung, die die Klägerin als solche nicht angegriffen bzw. in Zweifel gezogen hat, war Frau ....X........ offensichtlich weder an den Vertragsabschlüssen noch an der Ausführung der Verträge beteiligt. Zwar hat Frau .... .......... angegeben, Frau ....X........ sei selbst aufgetreten und habe die Verträge unterschrieben. Auch Herr ............., der Geschäftsführer der Klägerin, hat ausgesagt, Frau ....X........ sei selber aufgetreten und für ihn Chefin und Ansprechpartnerin gewesen. Diese Aussagen werden jedoch dadurch widerlegt, dass Herr .......... bei der Vernehmung am 15.1.2003 Frau ....X........ auf den ihm vorgelegten Fotos nicht erkannte und stattdessen Frau ........ ............ als "X........" identifizierte. Zudem weicht die Unterschrift auf den vorliegenden Verträgen so auffallend von der Unterschrift auf dem - in Kopie vorliegenden - Personalausweis der X........ ab, dass sie eindeutig nicht von Frau X........ stammen kann. Angesichts dieser Umstände kann Frau ....X........ nicht - auch nicht als vorgeschobene "Strohfrau" - als leistende Unternehmerin angesehen werden.

Ob dies auch für I gilt, kann im Ergebnis offen bleiben. Dieser ist nach den Angaben von Herrn und Frau ........ persönlich aufgetreten und von Herrn ........ anlässlich seiner Zeugenaussage auch anhand der ihm vorgelegten Fotos identifiziert worden. In seiner Zeugenaussage vom 8.7.2002 (also vor Ausführung der hier streitigen Umsätze) hat Herr I............. ausdrücklich erklärt, die Umsätze, die unter seinem Namen erzielt worden seien, seien von ihm erzielt worden. Andererseits sind die vorliegenden Werkverträge nicht von Herrn I............, sondern von Herrn I..... I...... (teilweise "i. A.") unterschrieben worden, was im Widerspruch zu den Aussagen der Eheleute ........ steht. Dies steht im Gegensatz zu der Aussage, dass Herr I............. immer selbst aufgetreten sei. Letztlich kommt es hierauf nicht an, weil der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen bereits daran scheitert, dass keine Klarheit über den tatsächlichen Unternehmenssitz besteht.

Der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden hat (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23.6.2004 V B 230/03, BFH/NV 2005, 80 m.w.Nachw.). Denn im Hinblick auf den Sofortabzug der Vorsteuer nach Empfang der Leistung und der Rechnung muss das Tatbestandsmerkmal der Leistung eines anderen Unternehmers durch die Finanzverwaltung anhand dieser Rechnung leicht und eindeutig überprüfbar sein. Diese Grundsätze gelten auch bei einer natürlichen Person als Leistender (vgl. BFH-Beschluss vom 02.07.1999 V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652).

Diese Nachprüfbarkeit ist im Streitfall nicht gegeben. Unklarheiten ergeben sich bereits daraus, dass in den Werkverträgen durchgehend die Anschrift "............ 17" angegeben ist, in den - aus demselben Zeitraum stammenden - Rechnungen dagegen die Anschrift ".......... 22". Nach den - von der Klägerin nicht angegriffenen - Feststellungen der Steuerfahndung fand unter beiden angegebenen Anschriften im Zeitpunkt der Leistungserbringung und Rechnungserstellung keine geschäftliche Aktivität statt. Die Steuerfahndung hat bereits am 8.7.2002 bei einer Durchsuchung festgestellt, dass die Wohnung in der ........17. unbewohnt war und Post an Herrn I............. nach Angaben der Hausverwaltung bereits seit längerer Zeit nicht mehr zugestellt werden konnte. Bei der daraufhin durchgeführten Durchsuchung der Wohnung ............ 22 wurde die Wohnung "quasi leer" aufgefunden und wies Anzeichen von Renovierungsmaßnahmen auf.

Der Beklagte hat daher zu Recht den Vorsteuerabzug versagt.

Die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht.

§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG sieht einen Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs grundsätzlich nicht vor (vgl. BFH-Beschluss vom 30.10.2001 V B 92/01, BFH/NV 2002, 381). An diesen Grundsätzen hat die Einführung der sog. Bauabzugssteuer in §§ 48 ff. EStG nichts geändert. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die dort getroffenen Regelungen, die der Eindämmung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung dienen, lediglich Regelungen zur Ertragssteuer treffen.

Aus den EuGH-Urteilenvom 12.1.2006 (Rs. C-354/03 "Optigen u.a.", EuGHE I 2006, 483, DStR 2006, 133) undvom 6.7.2006 (Rs. C-439/04 "Kittel" und C-440/04 "Recolta", EuGHE I 2006, 6161, DStR 2006, 1274) kann die Klägerin ebenfalls keinen Gutglaubensschutz herleiten.

Der EuGH hat in der Entscheidung Optigen festgestellt, dass Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, Lieferungen von Gegenständen und eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen, so dass eine - ggf. betrügerische - Absicht eines an der Lieferkette Beteiligte unerheblich ist, solange der Steuerpflichtige hiervon keine Kenntnis hat oder haben kann. Hiervon ausgehend hat er klargestellt, dass das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht dadurch berührt wird, dass in der Lieferkette, zu der die Umsätze gehören, ein anderer (vorausgehender oder nachfolgender) Umsatz mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist, ohne dass der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann (Urteil Optigen Rz. 51, 52). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind, müssen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (Urteil Kittel Rz. 51). Dagegen sind die objektiven Kriterien, auf denen der Begriff der Leistung und der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht (Urteil Kittel Rz. 53). Als Beteiligter an der Steuerhinterziehung ist ein Steuerpflichtige bereits dann anzusehen, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (Urteil Kittel Rz. 56).

Der Senat folgt (wie im Urteil vom 13.6.2007 11 K 536/05, EFG 2007, 1734, Revision anhängig unter V R 63/07) nicht der Auffassung, aus diesen Entscheidungen sei ein allgemeiner Gutglaubensschutz abzuleiten, der sich auf alle Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugs beziehe. Das Recht auf Vorsteuerabzug wird nach diesen Grundsätzen nicht erweitert, sondern eingeschränkt. Denn Bösgläubigkeit kann anspruchsbegrenzend wirken, weshalb im Urteil des FG Köln vom 19.12.2006 (6 K 84/02, EFG 2007, 627, Revision anhängig unter V R 19/07) im Wissen bzw. Wissen-Müssen des Leistungsempfängers ein selbständiger Klageabweisungsgrund gesehen wurde. Demgegenüber kann aus den EuGH-Entscheidungen nicht gefolgert werden, dass Gutgläubigkeit die Anspruchsberechtigung erweitert (so Urteile des FG Köln vom 6.12.2006 4 K 1354/02, 4 K 1356/02, EFG 2007, 631, Revisionen anhängig unter XI R 51/05 und V R 15/07). Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs haben - ebenso wie die des steuerbaren Umsatzes - objektiven Charakter. Deshalb kann die subjektive, gutgläubige Überzeugung des Leistungsempfängers ein bestimmtes, objektiv nicht erfülltes Merkmal nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass eine Anknüpfung an den guten Glauben in der Praxis zu kaum überwindbaren Feststellungsschwierigkeiten führen dürfte.

Im Streitfall steht einer Gewährung des Vorsteuerabzugs wegen Gutgläubigkeit im übrigen entgegen, dass die Klägerin nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass sie nicht in einen Betrug verwickelt wurde. Sie hat im Fall ....X........ offensichtlich die Identität der als Unternehmerin aufgetretenen Person nicht durch Vorlage von Ausweispapieren überprüft und ist den Unklarheiten an der Angabe des zutreffenden Firmensitzes, die sich im Fall I............. aus der Verwendung zweier unterschiedlicher Adressen ergaben, nicht nachgegangen.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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