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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 20.01.2004
Aktenzeichen: 13 K 5241/02
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 54 Abs 6
GG Art 3 Abs 1
KStG § 8 Abs 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 00.00.0000 gegründet und 0000 ins Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von ... jeder Art zur Verwendung auf allen Trägern einschließlich ..., ... und ..., insbesondere ... und .... Mit Gründung erwarb die Klägerin Auswertungsrechte für ..., ..., ... und ... hauptsächlich im ... und ... Themenbereich. Die Klägerin bot dementsprechend ... in Entertainment-Fachzeitschriften einem speziell interessierten Publikum an.

Bei Gründung waren an der Klägerin L.I. und B.I. mit jeweils 12.5000 DM und J. mit 25.000 DM an dem Stammkapital von 50.000 DM beteiligt. Mit Vertrag vom 00.00.0000 hatte B.I. ihren Anteil von 12. 500 DM auf L.I. übertragen. Zugleich wurde das nunmehr hälftig bei diesem und J. befindliche Kapital um jeweils 50.000 DM erhöht, so dass nach Übertragung und Kapitalerhöhung beide Gesellschafter nunmehr mit je 75.000 DM an der Klägerin beteiligt waren.

Nachdem die Klägerin 0000 erhebliche Verluste erwirtschaftete, ist sie am 00.00.0000 einen Vertrag mit der N. eingegangen und erstellt für diese Prospekte, Kataloge, Handzettel und Plakate. J. übertrug ihren Gesellschaftsanteil mit Vertrag vom 00.00.0000 auf den nunmehr alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer L.I. (I.). Die Rechte an den ... sowie noch vorhandene ... verkaufte die Klägerin am 00.00.0000. Wie sich aus dem Jahresabschluss zum 31. 12. 1996 im Vergleich mit den Vorjahresbeträgen ergibt, wurden der Klägerin 1996 erhebliche Beträge an Konzessionen und gewerblichen Schutzrechten (Bestand 31. 12. 1996: ... DM, 1995: ... DM) und an technischen und anderen Anlagen, Maschinen und Betriebs- und Geschäftsausstattung (31. 12. 1996 insgesamt ... DM, 1995: ... DM) zugeführt und erhöhten sich der Personalaufwand (Löhne und Gehälter 1996: ... DM, 1995: ... DM; soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung 1996: ... DM, 1995: ... DM) und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten 1996: ... DM, 1995: ... DM), aber auch die Umsatzerlöse (1996: ... DM, 1995: ... DM). Aus dem Anlagespiegel ergeben sich bei den immateriellen Vermögensgegenständen ... DM und bei den Sachanlagen ... DM an Zugängen in 1996.

Nach einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung C. ist unter den Beteiligten umstritten, ob die Klägerin den auf den 31.12.1996 festgestellten Verlustabzug berücksichtigen kann. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten wird auf Tz. 18 des Betriebsprüfungsberichts vom 00.00.0000 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 00.00.0000 verwiesen.

Die Klägerin bestreitet, dass sich ihre wirtschaftliche Identität aufgrund des Gesellschafterwechsels und der Zuführung neuen Betriebsvermögens in den Jahren 1995 und 1996 geändert habe. Zwar seien mit Vertrag vom 00.00.0000 und 00.00.0000 insgesamt 75 v. H. des Stammkapitals der Klägerin auf einen anderen Gesellschafter übertragen worden. Es sei aber fraglich, ob § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 hier anwendbar sei, weil die Anteilsübertragung bereits 1996 abgeschlossen gewesen sei. Nach der bis dahin geltenden Fassung dieser Vorschrift sei über einen Wegfall der wirtschaftlichen Identität erst dann zu entscheiden, wenn mehr als drei Viertel Anteile übertragen werden (Hinweis auf das beim Bundesfinanzhof - BFH - anhängige Revisionsverfahren I R 53/01 zu dem Senatsurteil 13 K 6016/00 vom 8. 2. 2001, Entscheidungen der Finazgerichte - EFG - 2001, 991; seit dem Beschluss vom 25. 2. 2002 ruhend im Hinblick auf den Vorlagebeschluss vom 18. 7. 2001 I R 38/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 27).

Die Frage des Rückwirkungsverbots könne aber dahingestellt bleiben, da die wirtschaftliche Identität der Klägerin ohnehin erhalten geblieben sei. Dass der Klägerin in zeitlicher Nähe zum Gesellschafterwechsel neues Betriebsvermögen zugeführt worden sei, habe allein der Sanierung des Geschäftsbetriebes gedient und sei daher unschädlich. Das erst mit Vertrag vom 00.00.0000 gegründete Unternehmen sei ausgebaut worden und unterliege dem Wandel in der ...branche. Das Tätigkeitsfeld habe zunächst nicht abschließend abgesteckt werden können. Der 1995 erwirtschaftete Anlaufverlust im ersten Jahr der Betätigung sei aufgrund zahlreicher Investitionen nicht ungewöhnlich und hänge auch mit der im Streitjahr 1997 ausgeführten Tätigkeit zusammen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei kein Branchenwechsel durch die Zuführung neuen Betriebsvermögens und Ausweitung des Geschäftsbetriebs vorgenommen worden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf Anlage 3 der Klagebegründung vom 00.00.0000 verwiesen.

Selbst wenn der in der Einspruchsentscheidung angesprochene Verkauf von Rechten an Firmen und von noch vorhandenen Filmen zum Wegfall des verlustverursachenden Geschäftsbetriebs geführt hätte, läge dies noch vor dem 6. 8. 1997, so daß § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung nach § 54 Abs. 6 KStG 1999 im Streitjahr nicht anwendbar sei. Die Klägerin habe sich im Streitjahr in einer "Start up"-Phase befunden. Erst nach Beginn des Geschäftsbetriebs sei den Gründern klar gewesen, dass die Kundenzielgruppe geändert werden musste, während die erforderlichen technischen Kenntnisse dieselben geblieben seien. Der Anstieg des Lohnaufwandes bestätige den Erfolg der Sanierung, so dass die wirtschaftliche Identität nicht verloren gegangen sei. Es komme daher auch nicht auf die Rechtsfrage an, ob die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung mit dem Rückwirkungsverbot in Einklang zu bringen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Sachvortrag unter Hinweis auf eine überreichte Übersicht dahingehend ergänzt, dass sie meint, es habe lediglich - wie bei einem ...wechsel beim Übergang von ... auf ... - ein Übergang von speziellen - persönlich nicht geteilten - ...Interessen auf ... stattgefunden, wodurch dann die Gewinne erzielt worden seien. Der Wechsel der ... sei unerheblich. Es habe sich an dem Geschäftsgegenstand nichts geändert. Nur der Inhalt sei kundenbezogen ein anderer. Die Änderung der Geschäftsbeziehungen habe zur Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit geführt.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer 1997 und gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 vom 00.00.0000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.000 dahingehend abzuändern, dass der auf den 31.12.1996 festgestellte Verlustabzug von ... DM berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und hat diese mit seiner Klageerwiderungen vom 00.00. und 00.00.0000 ergänzt und vertieft. Nach Auffassung des Beklagten ist im Streitfall der Verlust der wirtschaftlichen Identität der Klägerin deswegen eingetreten, weil der verlustverursachende Geschäftsbetrieb nicht in einem nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vergleichbaren Umfang erhalten worden sei. Auch wenn der gesellschaftsvertragliche Unternehmensgegenstand unverändert geblieben sei, habe ein Tätigkeitswechsel stattgefunden vom Erwerb von Auswertungsrechten für ..., ..., ... und ... hauptsächlich im ... und ... Themenbereich mit entsprechenden ...angeboten in Fachzeitschriften hin zur Erstellung von Prospekten, Katalogen, Handzetteln und Plakaten für die N.. Auch der Anstieg des Lohnaufwands von etwa ... DM in 1995 auf etwa ... DM in 1996 und ... DM in 1997 spreche dagegen, dass der Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vergleichbaren Umfang erhalten geblieben sei (Hinweis auf Tz. 23 letzter Satz des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF -vom 16. 4. 1999, BStBl I 1999, 455).

Der Verlust der wirtschaftlichen Identität sei bei der Klägerin 1996 eingetreten. Am 00.00.0000 habe sie den Vertrag mit der N. abgeschlossen. Mit Vertrag vom 00.00.0000 seien 50 v. H. der Anteile an der Klägerin auf den jetzigen Alleingesellschafter übertragen worden, dem bereits im Vorjahr ein Anteil von 25 v. H. übertragen worden sei. Im Hinblick auf den mit der N. abzuschließenden Vertrag seien von Anfang Juni bis zum 00.00.0000 Maschinen und Gerätschaften im Werte von ca. ... DM zugeführt worden. Verglichen mit dem Anlagevermögen in Höhe von ca. 20.000 DM vor dem 00.00.0000 sei somit überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden. Diese Betriebsvermögensmehrungen seien zu berücksichtigen, auch wenn sie vor dem Anteilswechsel stattgefunden hätten. Dies habe der BFH in seinem Urteil vom 13.8.1997 I R 89/96 (BStBl II 1997, 829) für die alte Fassung des § 8 Abs. 4 KStG bestätigt; das Wort "danach" sei zudem in § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung gestrichen worden.

Die Zuführung neuen Betriebsvermögens sei hier nicht unter dem Gesichtspunkt der Sanierung unschädlich, weil ein Branchenwechsel stattgefunden habe. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, sei die Betriebsvermögenszuführung nicht unschädlich. Denn der Verlustabzug bleibe nur erhalten, wenn die Zuführung neuen Betriebsvermögens den für eine Sanierung notwendigen Umfang nicht wesentlich überschreite. Die Zuführung des Betriebsvermögens habe hier nicht der Sanierung des Tätigkeitsbereichs Verwertung von ..., ..., ... und ... im ... und ... Bereich gedient, sondern der Neueröffnung des Tätigkeitsbereichs Erstellung von Handzetteln, Prospekten u. a. für die N.. Damit komme es auf die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung auf den Veranlagungszeitraum 1997 an (Hinweis auf das - inzwischen nach Revisionsrücknahme nicht mehr anhängige - Revisionsverfahren I R 58/01).

In der mündlichen Verhandlung vom 00.00.0000 hat der Beklagte erneut und insbesondere auf die Unterschiede zwischen der Verwertung eigener Rechte und der Erledigung fremder Druckaufträge und auf den Umfang der Zuführung neuen Betriebsvermögens hingewiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig in ihren Rechten verletzt, weil der Beklagte zu Recht den auf den 31.12.1996 festgestellten Verlust im Streitjahr 1997 nicht berücksichtigt hat.

Denn § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform ist auch in den Fällen erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität im Sinne dieser Vorschrift schon vor dem 1.1.1997 eingetreten ist. Wegen der ab 1997 geltenden verschärften Voraussetzungen für den Verlustabzug besteht keine Bindung an den auf den 31.12.1996 gesondert festgestellten vortragsfähigen Verlust (Senatsurteil vom 8.2.2001 13 K 6016/00, EFG 2001, 991). Nach § 54 Abs. 6 ist § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahre 1997 vor dem 6. 8. eingetreten, gilt § 8 Abs. 4 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998. Nach der zitierten Senatsrechtsprechung ist diese Anwendungsvorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut so auszulegen, daß sie nur den Sonderfall eines Identitätsverlustes im Jahre 1997 selbst betrifft und nicht solche Identitätsverluste, die in früheren Jahren eingetreten sind.

Darin liegt kein Gleichheitsverstoß, da eine vom Gesetzgeber vorgenommene Befristung in Verbindung mit einer zeitlichen Anwendbarkeitsbestimmung nicht als willkürlich anzusehen ist. Denn bei dem Inkraftsetzen einer Rechtsänderung kommt es zwangsläufig und damit aus einem sachlich gebotenem Grunde zu einer Ungleichbehandlung derjenigen, die unter die neue Regelung fallen, mit demjenigen, die noch nicht darunter fallen. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Steuerrechts, mit dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber die jeweilige Haushaltsfinanzierung gewährleisten will und muss.

Wegen der insoweit gegebenen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit muss es deshalb nicht ohne weiteres einsichtig sein, weshalb eine Körperschaft, die ihre wirtschaftliche Identität nach den Maßgaben der neu gefaßten Vorschrift des § 8 Abs. 4 1996 erstmals während des laufenden Kalenderjahres 1997 bis zum 6. 8. dieses Jahres verliert, ihre Verluste im Veranlagungszeitraum 1997 noch abziehen kann, eine andere Körperschaft, die ihre wirtschaftliche Identität nach den selben Maßgaben bereits in den Vorjahren verloren hat, dies jedoch nicht mehr kann (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 19. 12. 2001 I R 58/01, BStBl II 2002, 395, 398). Auch in Würdigung im Hinblick auf das Gleichheitsgebot in Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geäußerten Bedenken sieht der erkennende Einzelrichter jedenfalls keine Möglichkeit, an der eindeutigen gesetzlichen Formulierung in § 54 Abs. 6 KStG vorbeizukommen.

Das Revisionsverfahren zu dem zitierten Senatsurteil vom 8. 2. 2001 (13 K 6016/00) EFG 2001, 991) ruht zwar im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 18. 7. 2001 I R 38/99, BStBl II 2002, 27 (Beschluss vom 25.2.2002 I R 53/01); insofern nimmt der BFH einen formellen Verfassungsverstoß betreffend § 12 Abs. 2 Satz 4 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform an (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 19. 12. 2001 I R 58/01, BStBl II 2002, 395, 398). Die diesbezüglichen Bedenken setzen den hier entscheidenden Einzelrichter aber gleichwohl nicht in die Lage, das Verfahren auszusetzen oder dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in Verbindung mit der Generalverweisung des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) scheitert nämlich schon daran, dass dies nicht von beiden Beteiligten beantragt wurde.

Die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung führt auch nicht zu einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

Bei der Rückwirkung von Gesetzen im Sinne einer Normgeltung für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitraum ist zu unterscheiden zwischen echter Rückwirkung durch Rückbewirkung von Rechtsfolgen, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, wenn also die Rechtsfolgen für einen vor der Verkundung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen, und unechter Rückwirkung durch tatbestandliche Rückanknüpfung, wenn die Rechtsnorm zwar nicht auf vergangene, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, damit aber zugleich eine Rechtsposition nachträglich entwertet.

Aus Gründen des Vertrauensschutzes des betroffenen Bürgers wird für belastende Gesetze ein grundsätzliches Verbot der echten Rückwirkung angenommen. Nur ausnahmsweise tritt der Vertrauensschutz zurück, wenn das Vertrauen nicht schutz-würdig erscheint, weil z.B. das bisherige Recht unklar und verworren war, oder wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine echte Rückwirkung rechtfertigen. Eine unechte Rückwirkung im Sinne einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ist dagegen grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Abwägung ausnahmsweise ein Überwiegen des Vertrauensinteresses des Bürgers ergibt (Senatsbeschluss 13 K 460/01 vom 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236; Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 vom 5. 2. 2002, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 105, 17, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 2002, 1496).

Bei der Änderung der Regelung des Verlustabzugs in § 8 Abs. 4 KStG handelt sich insoweit lediglich um eine rechtsstaatlich zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung, nicht um eine rückwirkend angeordnete Rechtsfolge. Abgesehen davon, dass ohnehin kein schutzwürdiges Vertrauen in die unveränderte Möglichkeit eines Verlustabzugs besteht, ist Satz 1 dieser Vorschrift unverändert geblieben. Lediglich die wirtschaftliche Identität ist durch Satz 2 neuer Fassung in anderer Weise beispielhaft (insbesondere) definiert worden. Es besteht aber erst recht kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Definition eines unbestimmten Rechtsbegriffs unverändert bleibt.

Ist somit § 8 Abs. 4 KStG neuer Fassung anzuwenden, so ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden - was hier unstreitig der Fall war - und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Dabei ist die Zuführung neuen Betriebsvermögens unschädlich, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient, der den verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG verursacht hat, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt. Entsprechendes gilt für den Ausgleich des Verlustes vom Beginn des Wirtschaftsjahres bis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung.

Im Streitfall hat die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus einer Gegenüberstellung der Bestände an Anlagevermögen zum 31. 12. 1996 und 1995 sowie aus den aufgelisteten Zugängen in dem Anlagespiegel 1996 und wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft in Frage gestellt.

Die Zuführung des neuen Betriebsvermögens diente nicht der Sanierung des Geschäftsbetriebs. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit der Begriff der Sanierung in § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG mit dem von der Rechtsprechung entwickelten Sanierungsbegriff des - inzwischen aufgehobenen - § 3 Nr. 66 EStG übereinstimmt. Im Streitfall hat die Klägerin nichts konkret und schlüssig dafür dargelegt, dass die Zuführung des neuen Betriebsvermögens in dem die bisherigen Bestände weit übersteigendem Maße allein der Sanierung gedient habe. Denn die Zuführung neuen Betriebsvermögens dient nur dann allein der Sanierung, wenn das zugeführte Betriebsvermögen den für den Fortbestand des Geschäftsbetriebs notwendigen Umfang nicht wesentlich überschreitet. Wird mehr Betriebsvermögen zugeführt als erforderlich ist, hat dies die Folge, dass die Sanierungsklausel nicht anwendbar ist. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - das zugeführte Betriebsvermögen den Teilwert des bislang vorhandenen und jemals vorhanden gewesenen Betriebsvermögens bei weitem übersteigt, geht es nicht mehr nur um eine Sanierung.

Von einer solchen kann auch dann nicht mehr die Rede sein, wenn zusätzliche Aktivitäten in die Gesellschaft eingebracht werden, die nicht mehr mit dem bisherigen Verlustbetrieb im Zusammenhang stehen. Ein Vorgang außerhalb der Sanierung ist insbesondere dann gegeben, wenn mit dem zugeführten Betriebsvermögen neue Geschäftsfelder geschlossen werden. So war es aber im Streitfall. Denn der Wechsel von der Verwertung eigener Rechte zu Druckaufträgen für einen Großauftraggeber kann nicht mehr als eine Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit gesehen und mit Veränderungen verglichen werden, die mit dem technischen Fortschritt entsprechenden anderen ... und neuer Kundenorientierung einhergehen. Die Klägerin hat demgemäß ihren Geschäftsbetrieb in den folgenden Jahren auch nicht in einem dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortgeführt. Vielmehr hat sie sich sowohl qualitativ als auch quantitativ auf neue und erweiterte Geschäftsfeldern begeben.

Damit bleibt die Klage ohne Erfolg. Die Kosten hat die Klägerin nach § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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