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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 13 K 93/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1
EStG § 52 Abs. 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Änderung der Bescheide vom 29.11.2005, 25.9.2006 und 14.9.2006 über Körperschaftsteuer 2002, die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 bis 2004, die Gewerbesteuermessbeträge 2002 und 2003, die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2002 bis 2004 und die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags 2002 und 2003 sowie Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 8.12.2006 werden die Körperschaftsteuer, die verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuermessbeträge, die vortragsfähigen Gewerbeverluste und die Zerlegungbeträge in der Weise festgesetzt bzw. festgestellt, dass unter Korrektur der Gewebesteuerrückstellungen

a. der Gewinn des Jahres 2002 um Rücklagen gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG in Höhe von ... € verringert,

b. die Abzinsung des Darlehens M III (Bilanzwert: ... €) nicht im Jahr 2003, sondern im Jahr 2002 erfasst,

c. und die ratierliche Auflösung der Rücklagen lt. Buchst. a. mit einem Betrag von ... € p.a. in den Jahren 2003 und 2004 berücksichtigt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuermess-, der Zerlegungs- und der Feststellungsbeträge wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung durch die Klägerin in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Fragen, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen sind und ob bei der erstmaligen Erfassung des Abzinsungsertrags im Jahr 2002 eine gewinnmindernde Rücklage nach Maßgabe der Übergangsregelung des § 52 Abs. 16 EStG gebildet werden kann.

Die im Jahr 0000 gegründete Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH einen Schuhwareneinzelhandel. Gesellschafter der Klägerin sind Herr M zu 98 % und Frau N zu 2%.

In ihrer Bilanz auf den 31.12.1998 wies die Klägerin folgende Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern aus:

 Darlehen M I... DM (... €)
Darlehen M II... DM (... €)
Darlehen N... DM (... €)

In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2002 waren diese Darlehen mit folgenden Beträgen enthalten:

 Darlehen M I... €
Darlehen M II... €
Darlehen N... €

In der Bilanz zum 31.12.2003 passivierte die Klägerin schließlich ein drittes Darlehen des Gesellschafters M i. H. v. ... € (Darlehen M III). In den Bilanzen zum 31.12.1998 bis zum 31.12.2002 hatte sie eine summenidentische "Verbindlichkeit gegen Gesellschafter" ausgewiesen (... DM bzw. ... €).

Für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 wurde die Klägerin endgültig veranlagt. Zuletzt ergingen am 21.3.2003 die Bescheide für das Jahr 2001. Mit den antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheiden 2002 und 2003 vom 4.8.2004 und 8.3.2005 forderte der Beklagte die Klägerin auf, die diesen Verbindlichkeiten zu Grunde liegenden Darlehensverträge mit den Gesellschaftern zu übersenden. Ausweislich einer Telefonnotiz des Beklagten aus dem April 2005 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dazu mit, dass die Verträge nicht greifbar seien. Eine Verzinsung sei nicht vereinbart worden.

Nach Erörterung der Rechtsfolgen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 und der - zunächst auch von dem Beklagten befürworteten -Möglichkeit der Minderung der hieraus resultierenden Gewinnauswirkungen durch Bildung einer antragsgebundenen Rücklage von 9/10 des Abzinsungsbetrages gemäß § 52 Abs. 16 EStG erließ der Beklagte am 29.11.2005 nach § 164 Abs. 2 AO bzw. § 35b Abs. 2 GewStG geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 2002, der Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 und 2003, der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge 2002 und 2003, der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 und 2003 und der Gewerbesteuermessbetragszerlegung 2002 und 2003, in denen er Gewinnerhöhungen aufgrund der Abzinsung der Gesellschafterdarlehen von ... € zum 31.12.2002 und ... € zum 31.12.2003 (Darlehen M III) berücksichtigte. Dabei ging er davon aus, dass es sich um unverzinsliche Gesellschafterdarlehen von unbestimmter Dauer handele und legte der Berechnung des Abzinsungsbetrages unter Hinweis auf § 13 Abs. 2 BewG das 9,3 fache des nach einem Zinsfuß von 5,5% bemessenen Jahreszinses zu Grunde. Wegen weiterer Einzelheiten der rechnerischen Ermittlung wird auf die Anlagen zu den ergangenen Körperschaftsteuerbescheiden verwiesen. Da sich hiernach zum 31.12.2003 kein verbleibender bzw. vortragsfähiger Verlust mehr ergab, stellte der Beklagte mit den am 14. und 25.9.2006 ergangenen Erstbescheiden den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2004 abweichend von den erklärten Werten (... € bzw. ... €) lediglich in Höhe der im Jahr 2004 erwirtschafteten Verluste (... € bzw. ... €) fest.

Mit den hiergegen gerichteten Einsprüchen vom 22.12.2005 (Streitjahre 2002 und 2003) und 10.10.2006 (Streitjahr 2004) rügte die Klägerin, dass der Beklagte - entgegen seiner ursprünglich bekundeten Absicht - die gewinnmindernde Rücklage in Höhe von 9/10 des Abzinsungsbetrags gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG 2002 (§ 52 Abs. 16 Satz 11 EStG n. F.) nicht berücksichtigt habe. Bei allen Darlehen handele es sich um Altverbindlichkeiten, die im Sinne der Übergangsregelung des § 52 Abs. 16 EStG bereits zum Ende eines vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres angesetzt worden seien. Dies gelte auch für das Darlehen M III, das daher in gleicher Weise wie die übrigen Darlehen im Kalenderjahr 2002 abzuzinsen sei. Verringere man diese Rücklagen um die in den Jahren 1999 bis 2002 aufzulösenden Beträge von jeweils 1/9, so ergäben sich hieraus Gewinnminderungen von ... € (... € + ... € + ... € + ... €). Eine entsprechende Bilanzänderung werde beantragt. Die verbleibenden, allein im Jahr 2002 zu erfassenden Gewinnerhöhungen seien daher insgesamt mit ... € zu beziffern (... € + ... € + ... € + ... €). In der Bilanz zum 31.12.2004 setzte die Klägerin entsprechend weiterentwickelte Sonderposten mit Rücklageanteil für die abgezinsten Darlehen an (Auflösung mit ... € p. a. in den Jahren 2003 und 2004). Die verbleibenden Rücklagen zum 31.12.2004 betrugen danach ... €. Wegen der Berechnung der Rücklagen durch die Klägerin wird auf die Einspruchsbegründung vom 21.1.2006 Bezug genommen.

Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, dass er die Übergangsregelung im Streitfall nicht für anwendbar halte, da es nicht im ersten Jahr des Systemwechsels (1999) zu einer Gewinnerhöhung durch erstmalige Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gekommen sei, trug die Klägerin zur weiteren Begründung ihrer Einsprüche vor, dass es sich bei den unverzinslichen Darlehensverbindlichkeiten um eigenkapitalersetzende Darlehen handele, auf die § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht anwendbar sei. Es bedürfe vielmehr einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, da es andernfalls zur Besteuerung einer unentgeltlichen Gesellschafterleistung käme, die bei der vergleichbaren Zurverfügungstellung von Eigenkapital nicht steuerpflichtig wäre. Unverzinsliche eigenkapitalersetzende Darlehen müssten aber genauso behandelt werden wie andere die Kapitalausstattung einer GmbH verbessernde Finanzierungsmaßnahmen der Gesellschafter. Hierzu sei auf die im Urteil des BFH vom 10.11.2005 IV R 13/04, BStBl II 2006, 618, geäußerten Bedenken zum Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu verweisen. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe in einer Krise befunden, so dass die Mittelaufnahme von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen nicht möglich gewesen wäre. Sinn und Zweck der Hingabe der Gesellschafterdarlehen sei in dieser Situation gewesen, sie von Fremdkapitalzinsen zu entlasten und dadurch eine Krisensituation zu vermeiden oder zu beseitigen.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 8.12.2006 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Minderung des Abzinsungsgewinnes durch die in § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG vorgesehene Rücklage hielt er daran fest, dass nach der gesetzlichen Regelung nur der Gewinn, der bei der erstmaligen Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und damit bei der Abzinsung von Darlehen im Jahr 1999 entstehe, in eine Rücklage eingestellt werden könne. Dies bestätigten auch die Kommentierungen von Schmidt-Glanegger, EStG, 24. Aufl., § 6, Rz. 402, und Blümich, § 6 EStG, Rz. 96. Im Streitfall seien hingegen die Abzinsungserträge aus Altverbindlichkeiten im Jahr 2002 entstanden und zu versteuern. Die der Berechnung der Klägerin zu Grunde liegende Bildung der Rücklage im Jahr 1999 und deren nachfolgende teilweise Auflösung bis zum Jahr 2002 änderten an dieser Sachlage nichts. Soweit es den Abzinsungsertrag des Jahres 2003 betreffe, fehle es bereits an einer bis zum Ende eines vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres anzusetzenden Altverbindlichkeit (§ 52 Abs. 16 Satz 7 EStG), die jedenfalls Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG sei. Denn das Darlehen M III sei erstmals in der Bilanz zum 31.12.2003 passiviert worden.

Dem Ansatz der Abzinsungserträge stehe auch nicht entgegen, dass es sich nach dem Vortrag der Klägerin bei den unverzinslichen Verbindlichkeiten um eigenkapitalersetzende Darlehen handeln solle. Denn nach den ihn bindenden Weisungen des BMF-Schreibens vom 6.20.5.2005 (BStBl I 2005, 699, Tz. 21) sei bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG keine Unterscheidung zwischen eigenkapitalersetzenden und anderen Darlehen zu machen. Der BFH habe diese Frage in dem zitierten Urteil vom 10.11.2005 letztlich offen gelassen.

Einwendungen zur Berechnung der Höhe der Abzinsungserträge habe die Klägerin schließlich nicht erhoben.

Mit der vorliegenden Klage hält die Klägerin an der Rechtsauffassung fest, dass § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf die hier zu beurteilenden eigenkapitalersetzenden Darlehen keine Anwendung finden könne. Die streitigen Darlehensverbindlichkeiten seien daher nicht abzuzinsen. Im Übrigen werde auf entsprechende Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass die Laufzeit der Darlehen unbestimmt sei.

Im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Rechtslage bestehe indessen - wie bereits mit Schriftsatz vom 2.4.2007 mitgeteilt - weiterhin die Bereitschaft, den Rechtsstreit durch Bildung von Rücklagen i. H. v. 6/10 der Abzinsungserträge in der Bilanz zum 31.12.2002 außergerichtlich beizulegen.

Die Klägerin beantragt,

die angegriffenen Bescheide vom 29.11.2005 über Körperschaftsteuer 2002, die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 und 2003, die Gewerbesteuermessbeträge 2002 und 2003, die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2002 und 2003 und die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags 2002 und 2003 sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 8.12.2006 aufzuheben,

unter Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2004 vom 14.9.2006 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 vom 25.9.2006 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 8.12.2006 den verbleibenden Verlustabzug auf ... € und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf ... € festzustellen,

hilfsweise

unter Verlagerung der Abzinsung des Darlehens M III in das Jahr 2002 den Gewinn des Jahres 2002 um Rücklagen gemäß § 52 Abs. 16 EStG in Höhe von ... € zu verringern und die ratierliche Auflösung der Rücklagen mit 1/9 des Betrages in den Jahren 2003 und 2004 zu berücksichtigen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er verweist zur Frage der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf eigenkapitalersetzende Darlehen zunächst auf seine Einspruchsentscheidung.

Ergänzend führt er aus, dass in der Frage der Zulässigkeit der Bildung einer gewinnmindernden Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG nunmehr auch die OFD Koblenz in ihrer Verfügung vom 25.1.2006 - S 2138 A seine Auffassung stütze. Gleiches gelte für die Kommentierung von Hermann/Heuer/Raupach zu § 6 EStG, Rdn. 1145, wonach die Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG nur im Erstjahr der Einführung des Abzinsungsverbots gebildet werden könne. Nach dem Gesetzeszweck solle die Bildung der Rücklage dazu dienen, für Altverbindlichkeiten unbillige Härten aufgrund der Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu vermeiden. Werde nun diese Vorschrift erstmals in einem auf den 31.12.1999 folgenden Wirtschaftsjahr angewandt, bedürfe es einer solchen Übergangsregelung nicht mehr. Denn zwischenzeitlich habe für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit bestanden, auf die Gesetzesänderung z. B. durch Vereinbarung einer Verzinsung zu reagieren und damit eine Gewinnerhöhung durch Abzinsungserträge zu verhindern.

Aufgrund des Hinweises der Klägerin auf die in den Bilanzen zum 31.12. 1998 bis zum 31.12.2002 ausgewiesene summenidentische "Verbindlichkeit gegen Gesellschafter" könne außer Streit gestellt werden, dass es sich bei dem Darlehen M III um eine Altverbindlichkeit im Sinne des § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG handele.

Der Senat hat die unter den Aktenzeichen 13 K 93/07 und 13 K 94/07 eingereichten Klagen durch Beschluss vom 1.9.2009 unter dem Aktenzeichen 13 K 93/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte hat die grundsätzliche Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf Gesellschafterdarlehen zu Recht bejaht. Zu Unrecht hat er aber den hieraus resultierenden Gewinn teilweise dem Jahr 2003 zugeordnet und die Anwendung der Übergangsregelung des § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG 2002 auf die erstmalige Abzinsung sog. Altverbindlichkeiten in einem dem Veranlagungszeitraum 1999 nachfolgenden Jahr abgelehnt.

Demgemäß sind die angegriffenen Bescheide insoweit nicht zu beanstanden, als der Beklagte die Gesellschafterdarlehen "M I und II" sowie "N" zum 31.12.2002 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Betrag von ... € abgezinst hat. Die Bescheide sind indessen rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit darin der Abzinsungsertrag in Höhe von ... € für das Darlehen "M III" zum 31.12.2003 erfasst und der Gewinn des Jahres 2002 nicht um gewinnmindernde Rücklagen gem. § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG i. d. F. d. Bek. v. 19.10.2002 in Höhe von 6/10 der zum 31.12.2002 zu erfassenden Abzinsungserträge gemindert worden ist.

Die zum 31.12.2002 zu erfassenden Abzinsungserträge sind dabei im Wege der Saldierung mit der Gewinnminderung durch die Einstellung der Rücklagen um den auf das Darlehen "M III" entfallenden Abzinsungsertrag in Höhe von ... € auf ... € zu erhöhen (§ 177 Abs. 2 AO). Die Summe der zum 31.12.2002 zu bildenden Rücklagen gem. § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG (6/10 von ... € = ... €) kann demnach entsprechend dem Antrag der Klägerin mit ... € bemessen werden. Ebenso ist die ratierliche Auflösung der zum 31.12.2002 eingestellten Rücklagen in den Jahren 2003 und 2004 mit einem Jahresbetrag von jeweils ... € (1/6 der Rücklagen) im Wege der Saldierung mit der der Klägerin günstigen Auswirkung der Rücklagenbildung auf die verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und die vortragsfähigen Gewerbeverluste zum 31.12.2003 und 2004 zu berücksichtigen.

1. Die bereits in der Bilanz zum 31.12.1998 mit teilweise höheren Beträgen angesetzten Gesellschafterdarlehen sind im Jahr 2002 als dem ersten offenen, einer Berichtigung der Steuerfestsetzungen nach §§ 164 Abs. 2, 177 Abs. 2 AO zugänglichen Veranlagungszeitraum nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, da sie unverzinslich und von unbestimmter Laufzeit waren.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 und der gleich lautenden Fassung der Bek. v. 19.10.2002 - EStG - sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG). Diese Abzinsungsregelung ist nach 52 Abs. 16 Satz 7 EStG auch für Verbindlichkeiten anzuwenden, die bereits zum Ende eines vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres angesetzt worden sind.

1.1. Die Voraussetzungen dieser Abzinsungsvorschrift sind im Streitfall dem Grunde nach erfüllt. Der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG steht insbesondere nicht entgegen, dass die Darlehen von den Gesellschaftern der Klägerin gewährt worden sind.

Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Auffassung an, dass § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch auf - ggf. eigenkapitalersetzende - Gesellschafterdarlehen Anwendung findet. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift erscheint insoweit nicht geboten (vgl. dazu Urteil des FG Baden-Württemberg vom 10. Dezember 2007 6 K 446/06, DStRE 2009, 71; Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 8. September 2008 12 V 12115/07, EFG 2008, 1947, mit Anm. Bozza-Bodden, EFG 2008,1948; Urteile des erkennenden Senats vom 15. Januar 2009 13 K 4781/04, EFG 2009, 1199, und vom 12. Februar 2009 13 K 1570/06, EFG 2009, 969; Glanegger in Schmidt, EStG, 27. Auflage 2008, § 6 Rn. 402; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 6 Anm. 1155 Stichwort "Unverzinsliche eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen"; Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169, 177; Groh, DB 2007, 2275, 2279; wie hier auch BMF-Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl. I 2005, 699, 702, Tz. 21; a. A. Stümper/Entenmann, GmbHR 2008, 312 ; offen gelassen in BFH-Urteil vom 10. November 2005 IV R 13/04, BStBl II 2006, 618).

Dafür spricht zunächst der Umstand, dass sich weder in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG noch in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 14/23, S. 170-172 und 14/443, S. 23) Hinweise dafür finden lassen, dass Gesellschafterdarlehen -- die handels- und steuerrechtlich Fremdkapital darstellen - unter Bewertungsgesichtspunkten anders zu behandeln sind als sonstige Verbindlichkeiten. Ein Verstoß des Abzinsungsgebots für Gesellschafterdarlehen gegen den von dem Gesetzgeber bei der Einführung der Norm verfolgten Sinn und Zweck ist demgegenüber nicht feststellbar. Auch wenn der ursprüngliche Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ein Abzinsungsgebot lediglich für Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen vorsah, so weicht die tatsächlich in Kraft getretene Fassung der Norm doch hiervon ab und erfasst neben Rückstellungen auch Verbindlichkeiten. Dies zeigt, dass der gesetzgeberische Wille sich gegenüber dem ursprünglichen Entwurf weiterentwickelt hat.

Entgegen der teilweise abweichenden Literaturauffassung (vgl. dazu Stümper/Entenmann, a. a. O.) führt die Anwendung der Vorschrift auf Gesellschafterdarlehen auch nicht zu sinnwidrigen, mit grundlegenden Prinzipien des deutschen Steuerrechts nicht in Einklang zu bringenden Ergebnissen.

In der Einbeziehung der Gesellschafterdarlehen in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG liegt kein Verstoß gegen das Realisationsprinzip, das Prinzip der Periodenabgrenzung und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil hierdurch tatsächlich noch nicht realisierte Zinsvorteile bereits bei Aufnahme des Darlehens in steuerpflichtigen Ertrag umgewandelt würden. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass der tatsächliche Belastungswert einer längerfristig unverzinslich gewährten Verbindlichkeit deutlich unter ihrem Nominalwert liegt. Durch den Ansatz des Nominalwertes würde der Kaufmann daher ein zu niedriges Betriebsvermögen ausweisen. Über den Betriebsvermögensvergleich, der nach § 4 Abs. 1 EStG Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung ist, wird das steuerpflichtige Einkommen durch das zu niedrig angesetzte Betriebsvermögen geschmälert. Im Ergebnis wirkt sich der bewertungsrechtliche Belastungsüberhang daher wie Aufwand auf das Einkommen aus. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG korrigiert diesen Belastungsüberhang, indem er die Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung eines typisierten Zinssatzes von 5,5% für steuerliche Zwecke mit einem Wert ansetzt, der dem wahren Belastungswert zumindest näher kommt als der Nominalwert. Durch die im Falle bestimmbarer Laufzeit ratierliche Aufzinsung der Schulden zu den nachfolgenden Bilanzstichtagen wird der Wertansatz - ebenfalls typisierend -- bis zum Rückzahlungszeitpunkt wieder an den Nominalwert angepasst. Durch die Abzinsung wird daher kein zukünftiger Ertrag vorweggenommen, sondern eine tatsächlich nicht vorhandene Betriebsvermögensminderung ausgeglichen.

Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip liegt auch nicht deshalb vor, weil § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG dazu führen würde, dass sich das Einkommen der Kapitalgesellschaft aufgrund einer Einlage des Gesellschafters erhöht. Mit der Hingabe eines Darlehens entscheidet sich der Anteilseigner bewusst für die Gewährung von Fremdkapital und gegen die Erhöhung seiner Gesellschaftseinlagen. Diesen Weg wird er wählen, weil er in dem Ansatz von Fremdkapital gesellschaftliche, steuerliche, handelsrechtliche oder sonstige Vorteile sieht. Der Grundsatz der Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit gebietet nicht, diese Entscheidung punktuell außer Acht zu lassen und das Fremdkapital für Zwecke der Bewertung des Betriebsvermögens wie Eigenkapital zu behandeln.

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass der Gesellschafter über die unverzinsliche Kapitalgewährung ein erhöhtes Ausschüttungspotenzial schafft und eine Steigerung seines Anteilwertes herbeiführt, nicht die Annahme, Gesellschafterdarlehen seien entgegen dem Wortlaut der Vorschrift vom Abzinsungsgebot auszunehmen. Diese mit der Unverzinslichkeit einhergehenden Vorteile mögen ausreichende rechtspolitische Gründe darstellen, "Gesellschafterfremdkapital" anders zu behandeln als sonstiges Fremdkapital. Solche rechtspolitischen Differenzierungen hat hingegen der Gesetzgeber und nicht die rechtsprechende Gewalt zu treffen (vgl. hierzu insbesondere Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 8. September 2008, a. a. O.).

1.2. Der sich aus der Abzinsung ergebende Gewinn kann nicht über eine Einlage nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. mit § 8 Abs. 1 S. 1 KStG neutralisiert werden. Einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter, zu denen die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital nach bisher ganz herrschender, auf der Rechtsprechung des GrS des BFH beruhender Meinung nicht gehört (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BStBl II 1988, 348). Hieran hat sich durch die Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts geändert. (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 15. Januar 2009, a. a. O., und die weiteren Nachweise im Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 8. September 2008, a.a.O.).

1.3. Die tatsächliche Laufzeit der Kredite war am Bewertungsstichtag 31.12.2002 nicht bekannt. Da keine Anhaltspunkte für eine alsbaldige Kündigung der Verträge vorhanden waren, hat der Beklagte für die Berechnung der Verzinsung zu Recht den Faktor für Verbindlichkeiten mit unbestimmter Laufzeit herangezogen. Nach § 13 Abs. 2 des BewG sind Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer, die nicht vom Leben bestimmter Personen abhängen, mit dem 9,3-fachen des Jahreswertes zu bewerten. Dementsprechend hat der Beklagte die Abzinsungsbeträge zutreffend mit dem 9,3 - fachen des nach einem Zinsfuß von 5,5% bemessenen Zinsvorteils berechnet. Auf der Grundlage dieser, auch von ihr für richtig befundenen Berechnung hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.1.2006 die Bildung entsprechender Rücklagen gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG im Wege der Bilanzänderung beantragt. Für die Anwendung der Vereinfachungsregelung des BMF-Schreibens vom 26.5.2005, a. a. O., Tz.2 und 7 f., nach der die Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung eines Vervielfältigers von 0,503 anzusetzen wären, bleibt daher kein Raum.

1.4. Den Ertrag aus der Abzinsung des Darlehens "M III" mit einem Nennbetrag von ... € hat der Beklagte indessen zu Unrecht zum 31.12.2003 gewinnerhöhend erfasst. Wie zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich zu Recht außer Streit steht, handelt es sich auch bei diesem Darlehen um eine bereits seit dem 31.12.1998 bestehende Altverbindlichkeit. Die Abzinsung dieser Verbindlichkeit hätte daher mit entsprechender Verlagerung der Gewinnauswirkung von ... € im ersten offenen Veranlagungszeitraum und damit bereits zum 31.12.2002 berücksichtigt werden müssen. Diese unzutreffende Handhabung ist nunmehr im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung über die das Jahr 2002 betreffenden Steuerfestsetzungen und -feststellungen im Wege der Saldierung (§ 177 Abs. 2 AO) mit der Gewinnminderung durch die Einstellung der begehrten Rücklagen gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG (... €; siehe dazu unten Tz. 2) zu berichtigen.

2. Der Gewinn des Jahres 2002 ist aber entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG im Wege der Bilanzänderung um Rücklagen in Höhe von 6/10 der zum 31.12.2002 zu erfassenden Abzinsungserträge von ... €, also um ... €, zu mindern.

2.1. Die in § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG normierten Voraussetzungen für eine entsprechende Änderung des Jahresabschlusses zum 31.12.2002 liegen vor.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 ist außerhalb des Anwendungsbereichs der sog. Bilanzberichtigung i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG, also der Korrektur einer unrichtigen Bilanz, eine Bilanzänderung dann zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht und soweit deren Auswirkung auf den Gewinn reicht.

Die Notwendigkeit einer derartigen Bilanzberichtigung mit der Klägerin nachteiliger Gewinnauswirkung ergibt sich aus den angegriffenen Änderungsbescheiden für das Jahr 2002 vom 29.11.2005, die mit dem vorliegenden Urteil hinsichtlich der bei der Steuerfestsetzung berücksichtigten Abzinsung bestätigt werden. Gleiches gilt für die nach diesem Urteil erforderliche Berücksichtigung der Abzinsung des Darlehens "M III" im Jahr 2002. Die sich danach ergebende Erhöhung des Bilanzgewinns übersteigt den Betrag der begehrten Rückstellung. Der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen Bilanzberichtigung und Bilanzänderung ist zu bejahen, da sich beide Maßnahmen auf dieselbe Bilanz beziehen und die Änderung der Bilanz bereits mit dem Einspruch gegen die angegriffenen Bescheide beantragt wurde. Nachdem der Beklagte die Bilanzänderung abgelehnt hatte, war die wegen dieses Begehrens auf den Rechtsweg verwiesene Klägerin auch nicht verpflichtet, schon mit der Beantragung der Bilanzänderung eine geänderte bzw. berichtigte Bilanz einzureichen. Denn soweit der Senat die begehrte Bilanzänderung für zulässig erachtet, ist die Klägerin mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung verpflichtet, die Berichtigung der Bilanz entsprechend durchzuführen. Gleiches gilt für die Bilanzänderung (Urteile des BFH vom 27. September 2006 IV R 7/06, BFHE 215, 172, BStBl II 2008, 600, und vom 31. Mai 2007 IV R 54/05, BFHE 218, 188, BStBl II 2008, 665, m. w. N.).

2.2. Eine Bilanzänderung besteht ihrem Wesen nach darin, dass ein richtiger Bilanzansatz durch einen anderen ebenso richtigen Bilanzansatz ersetzt wird. Sie setzt mithin voraus, dass das Handels- und Steuerrecht dem Steuerpflichtigen einen Spielraum für den Bilanzansatz gewährt, wie es z. B. bei einem Ansatz- oder Bewertungswahlrecht der Fall ist.

Ein derartiges Wahlrecht gewährt § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG. Danach kann für den Gewinn, der sich aus der erstmaligen Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bei bereits zum Ende eines vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres bestehenden Verbindlichkeiten ergibt, jeweils in Höhe von 9/10 eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden neun Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/9 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).

Die bezifferten Vorgaben der Übergangsregelung zur Höhe der Rücklage und der Dauer des Auflösungszeitraums gehen zwar ersichtlich von dem Normalfall aus, dass das Abzinsungsgebot erstmals in den nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahren angewandt wird. Eine weitere Voraussetzung als die Entstehung eines Abzinsungsgewinnes aus der erstmaligen Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf Altverbindlichkeiten wird indessen in § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG für die Bildung einer die Gewinnauswirkung auf mehrere Jahre verteilenden Rücklage nicht aufgestellt. Vielmehr wird nur die sich aus dieser Konstellation ergebende Gewinnauswirkung, nicht aber zugleich deren Eintreten in einem bestimmten der Einführung des Abzinsungsgebots nachfolgenden Veranlagungszeitraum als Tatbestandvoraussetzung der Rücklagenbildung normiert. § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG schließt damit seinem Wortlaut nach nicht aus, dass in den Fällen, in denen - wie im Streitfall - die Abzinsung von Altverbindlichkeiten in dem nach den 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr unterblieben ist und erstmals in einem Folgejahr vorgenommen wird, die Rücklage ebenfalls erst in diesem Jahr gebildet wird.

Eine hinter diesem Wortlaut zurückbleibende restriktive Auslegung der Übergangsregelung erscheint dem erkennenden Senat nicht geboten. Hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Übergangsregelung auf das erste nach dem 31.12.1998 endende Wirtschaftsjahr beschränken wollen, so hätte es nahe gelegen, dies - wie im Falle der ausdrücklich auf das "Erstjahr" der Geltung der Rechtsänderung beschränkten Übergangsregelung des § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG - durch eine entsprechende zeitliche Befristung des Wahlrechts zum Ausdruck zu bringen. Dies umso mehr, als der Zweck der Übergangsregelung, die mit der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf Altverbindlichkeiten verbundenen Härten abzumildern, sich erst mit dem Ende des 10-jährigen Übergangszeitraums und nicht bereits mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums 1999 erledigen kann. Überzeugende Gründe, aus denen heraus diese Milderung von der Rücklagenbildung im Erstjahr der Geltung der Rechtsänderung abhängig sein sollte, sind demgegenüber nicht erkennbar. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, dass § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG nach der Intention des Normgebers als Sanktionsregelung für die verspätete Erfassung von Abzinsungsgewinnen ausgestaltet werden sollte.

Ausgehend vom Sinn und Zweck der Übergangsregelung wird die Möglichkeit der Rücklagenbildung nach § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG in einem dem Erstjahr des Übergangszeitraums nachfolgenden Jahr in Rechtsprechung (Beschluss des FG Köln vom 30. September 2005 11 V 2132/05, n. v.) und Schrifttum (Glanegger, a. a. O., 24 Aufl., § 6 Rn. 409; Neu, EFG 2009, 976) teilweise ausdrücklich befürwortet. Dem BMF-Schreiben vom 26.5.2005, a. a. O., ist insoweit nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit die Gegenmeinung (Verfügung der OFD Koblenz vom 5.6.1.2006 S 2138 A, [...]Dokument; vgl. auch Kiesel/Görner, a. a. O., § 6, Tz. 1150; nicht eindeutig: Ehmcke in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG, Tz. 956) darauf verweist, dass wegen der für das sog. Erstjahr eingetretenen Bestandskraft die Rücklage auch unter Berücksichtigung der "Grundsätze der Bilanzberichtigung" nicht mehr nachträglich gebildet werden könne, ist dem entgegenzuhalten, dass auslösendes Moment für die Bildung der Rücklage die Abzinsung von Altverbindlichkeiten in einem Folgejahr ist. Diese Abzinsung ist indessen nach den in diesem Folgejahr bestehenden Verhältnissen (Verzinslichkeit, Laufzeit der Verbindlichkeit) vorzunehmen und beruht nicht auf der Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes der Vorjahre nach dem Prinzip des formellen Bilanzzusammenhangs (vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142). Es ist daher nicht ersichtlich, warum die Bestandskraft der Veranlagung des ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahrs die Bildung der Rücklage in einem Folgejahr ausschließen sollte. Denn hierbei handelt es sich nicht um ein an die Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes für dieses bestandskräftige Vorjahr gekoppeltes Wahlrecht. Soweit indessen die Abzinsung im Folgejahr deshalb im Wege der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG erfolgt, weil sich die zunächst vorgelegte Bilanz nach den Verhältnissen dieses Folgejahres als unrichtig erweist, eröffnet § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG die Möglichkeit, die Rücklage im Wege der Bilanzänderung ebenfalls in diesem Nachholungsjahr zu bilden. So liegt es im Streitfall.

2.3. Das Wahlrecht des § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG kann indessen in einem dem Veranlagungszeitraum 1999 nachfolgenden Jahr nur mit der Maßgabe für bereits zum Ende eines vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahres bestehende Altverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden, dass die Höhe der zulässigen Rücklage um 1/10 für jedes Jahr abzuschmelzen ist, in dem das Abzinsungsgebot nicht befolgt wurde und demnach die Vergünstigung der Übergangsregelung auch nicht in Anspruch genommen werden konnte. Dies führt bei der vorliegend zu beurteilenden erstmaligen Abzinsung von Altverbindlichkeiten im Jahr 2002 - in Übereinstimmung mit dem auf diesen Umfang beschränkten Begehren der Klägerin - zu einer Begrenzung der Rücklagen auf 6/10 des Abzinsungsgewinns und einer entsprechenden Verkürzung des Auflösungszeitraums auf sechs Jahre.

Eine zu diesem Ergebnis führende teleologische Reduktion der gesetzlichen Regelung der Rücklagenhöhe erscheint deshalb geboten, weil andernfalls eine über den 10-jährigen Geltungszeitraum der Übergangsregelung hinausreichende Milderung der Besteuerung der Abzinsungserträge eintreten würde. Dafür ist aber nach dem Sinn und Zweck der Übergangsregelung keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich. Zudem würde eine wortgetreue Anwendung der Übergangsregelung auf Fälle der verspäteten Befolgung des Abzinsungsgebotes auch zu einer Besserstellung des säumigen Steuerpflichtigen führen, die nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben kann.

3. Bei der der Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 und 2004 zugrunde liegenden Ermittlung des Einkommens und des Gewerbeertrages sind die Rücklagen nach den vorstehenden Ausführungen unter Tz. 2.3. mit 1/6 ihres Betrages gewinnerhöhend aufzulösen. Dies entspricht einem Jahresbetrag von jeweils ... €.

Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2003 sowie die Gewerbesteuermessbetrag-Zerlegung 2003 werden demgegenüber von der Höhe dieses Auflösungsbetrages nicht beeinflusst, da sich kein positiver Gewerbeertrag ergibt.

4. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen der Einbeziehung von Gesellschafterdarlehen in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und der Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Rücklagen gemäß § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG bei der erstmaligen Abzinsung von Altverbindlichkeiten in einem dem Veranlagungszeitraum 1999 nachfolgenden Jahr zugelassen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 151 Abs. 3 FGO, 709 ZPO.

Ende der Entscheidung

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