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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 27.06.1997
Aktenzeichen: 14 K 1284/92
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 1284/92

Tatbestand:

Der Streit geht um den Freibetrag für Freiberufler bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers in den Jahren 1988 und 1989.

Der Kläger war seit 1974 als Planungsberater tätig, seit 1983 übte er diese Tätigkeit selbständig aus. Der Beklagte hatte ihn jahrelang als Freiberufler anerkannt. Ende 1990 im Zusammenhang mit der Veranlagung zur Einkommensteuer 1988 überprüfte er diese Auffassung. Mit Änderungsbescheid vom 14. März 1991 für das Jahr 1988 und mit erstmaligem Bescheid vom 4. November 1991 zur Einkommensteuer 1989 lehnte er die Anerkennung des Freibetrages ab und wies auch den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 1992 zurück: Der Kläger habe seine Stellung als Freiberufler weder im Hinblick auf seine Ausbildung noch auf seine Tätigkeit hinreichend substantiiert und nachgewiesen. Die von ihm vorgelegte "Vorstudie" behandele im wesentlichen Fragen der EDV und rechtfertige nicht, ihn als beratenden Betriebswirt anzusehen.

Hiergegen hat der Kläger am 13. März 1992 Klage erhoben zu deren Begründung er vorträgt: Er habe nach dem Abitur zunächst als Journalist gearbeitet. Ab dem Wintersemester 1960/61 habe er zunächst teilzeitlich Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln, von 1965 bis 1968 vollzeitlich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bochum studiert. Er habe sämtliche Leistungsnachweise zur Meldung zur Prüfung erbracht. Hierzu legt er Studiennachweise und Scheine sowie Gebührenrechnungen für die separat bezahlten Veranstaltungen bei. Die Prüfung habe er aus familiären und finanziellen Gründen nicht ablegen können, zumal ihm danach eine interessante Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Planungsstab des Rektors der Universität ... angeboten worden sei. In der Folgezeit habe er auch für das Bundeskanzleramt und das Bundesverteidigungsministerium gearbeitet. Ab Herbst 1983 sei er selbständiger Planungsberater gewesen; er habe an Studien und Untersuchungen mitgearbeitet, er habe dabei kein "Werk" erstellt, das er dem Gericht als Arbeitsprobe vorlegen könne; er habe auch kein Erfolgshonorar erhalten. Unter anderem habe er an der Erstellung von Deckungsbeitragsrechnungen mitgewirkt, ebenso an einem Handbuch der Sparte "Kohle". In den Jahren 1985/1986 habe er für die A in Hamburg an einem Kontrahierungskonzept für den Mineralölhandel mitgearbeitet und dabei schwierige Fragen verantwortlich lösen müssen. Seit Mai 1986 sei er durchgängig für die B GmbH Köln als freier Mitarbeiter tätig gewesen. Er habe unter anderem die C AG in Fragen der Schadensabwicklung beraten und ein Konzept für Schäden bei Großkunden erarbeitet. In den Streitjahren habe er zunächst an einer "Vorstudie" über den Ist-Ablauf im Bereich Haftpflicht und über die Umstellung dieses Bereichs auf elektronische Artenverarbeitung maßgeblich mitgewirkt. Er habe im Anschluß auch eine "Grobanalyse" für dieses Projekt miterstellt. Der Kläger legt diese Arbeiten vor und erklärt hierzu weiter: Er habe die Einzelarbeiten, die in dieser Studie zusammengefaßt seien, konzipiert, koordiniert und später redaktionell zusammengefaßt. Die Konzeption im Bereich so komplexer betriebswirtschaftlicher Vorgänge erfordere wissenschaftliche Methoden und breite Kenntnisse der hauptsächlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre. Es sei allerdings schwierig, einen Beweis oder nähere Belege für seine Beteiligung an den vorgelegten Arbeitsproben beizubringen. Insgesamt sehe er sich aufgrund der Natur seiner beratenden Tätigkeit in einer Art Beweisnot, da es schwer sei, seine Leistungen im einzelnen zu objektivieren. Der Kläger legt eine Bescheinigung der B GmbH Köln vom 30. November 1992 vor, in der unter anderem bestätigt wird, daß der Kläger wegen seiner "betriebswirtschaftlichen Kenntnissen" als Berater hinzugezogen worden sei. Wegen des Inhalts im einzelnen wird auf die Bescheinigung verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 1988 und 1989 vom 14. März 1991 und 4. November 1991 in der Weise abzuändern, daß die Einkommensteuer in beiden Streitjahren unter Berücksichtigung des Freibetrags für freie Berufe gem. § 18 Abs. 4 EStG in Höhe von DM ... neu festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er sieht die Qualifikation des Klägers als eines beratenden Betriebswirts, insbesondere seine Ausbildung in der hinreichenden Breite und Tiefe, nicht für belegt an. Die vorgelegten schriftlichen Arbeiten seien nicht geeignet, seine Tätigkeit hinreichend konkret erkennen zu lassen, um mit genügender Sicherheit auf Kenntnisse schließen zu lassen, die denen eines mit ordentlichem Abschluß ausgebildeten Betriebswirts entsprächen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG, da er die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht hat dartun können. Als freiberufliche Tätigkeit des Klägers käme allein die des beratenden Betriebswirts oder eine dieser ähnliche Tätigkeit in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, siehe Urteil vom 14. März 1991 IV R 135/90, BStBl II 1991, 769 m.w.N., ist beratender Betriebswirt, wer nach einem entsprechenden Studium oder vergleichbaren Selbststudium verbunden mit praktischer Erfahrung mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeit einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Die erforderliche fachliche Breite in diesem Sinne umfaßt Fragen der Führung, der Fertigung, der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens sowie des Personalwesens. Die notwendige Breite der Betätigung ist demgegenüber schon vorhanden, wenn sie sich wenigstens auf einen dieser betrieblichen Hauptbereiche erstreckt.

Der Kläger hat den Senat schon nicht von dem Vorliegen einer hinreichend tiefen und erfolgreichen Ausbildung zum beratenden Betriebswirt überzeugen können. Da er über einen Abschluß als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt) nicht verfügt, muß er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Dies kann einmal dadurch geschehen, daß er im einzelnen darlegt und beweist, welche außerhalb der üblichen Studiengänge angebotenen Kurse er besucht und welche Werke er im Selbststudium durchgearbeitet hat. Da der Nachweis auch den Erfolg der autodidaktischen Ausbildung mit umfaßt, wird dieser Beweis in der Regel allerdings schwer zu erbringen sei. Daher hat die Rechtsprechung zugelassen, daß der Steuerpflichtige den erforderlichen Nachweis der theoretischen Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeiten führt. Für diese Form des Nachweises ist es jedoch erforderlich, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen besonders anspruchsvoll ist und nicht nur der Tiefe, sondern auch der Breite nach zumindest das Wissen des Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt.

Siehe BFH Urteil vom 14. März 1991 a.a.O. m.w.N.

Der Kläger hat nicht hinreichend dartun können, daß er diese Voraussetzungen erfüllt. Zwar hat er durch die Vorlage einer Reihe von Leistungsnachweisen aus seinem Studium an den Universitäten Köln und Münster, die ihm die Zulassung zur Diplomprüfung ermöglichten, die Breite einer studiengemäßen Befassung mit den Hauptgebieten der Betriebswirtschaft belegt. Über die Tiefe und den Erfolg einer solchen Befassung kann jedoch allein der Abschluß des Studiums, der zumindest eine umfangreiche Diplomarbeit und mündliche Prüfungen in mehreren Hauptfächern umfaßt, maßgebliches Zeugnis ablegen. Der Studiengang allein - ohne den Abschluß, der dem Kläger fehlt - kann den Schluß auf eine hinreichend tiefe und erfolgreiche Ausbildung nicht rechtfertigen. Der bloße Hochschulstudiengang als solcher kann auch den Abschluß einer Fach- oder Fachhochschule nicht ersetzen. Zwar mögen diese Abschlüsse in Niveau hinter dem an einer wissenschaftlichen Hochschule zurückstehen, jedoch beruhen sie auf eigenen curricularen Voraussetzungen mit eigenen Zwischen- und End-Leistungsnachweisen. Klausuren und Scheine eines Hochschulstudiums erscheinen hiermit nicht vergleichbar, erst recht können sie die entsprechenden Abschlüsse nicht ersetzen.

Der Kläger hat den Mangel an Nachweis einer in der Breite hinreichend tiefen und erfolgreichen Ausbildung auch nicht durch die Darlegung seiner praktischen Tätigkeit beheben können. Zwar hat er eine Reihe beratender Tätigkeiten vorgetragen (Mitarbeit im Planungsstab des Rektors der Universität ..., selbständige Beratungen im Bereich der Deckungsbeitragsrechnung, bei Kontraktierungskonzepten und bei der Planung und EDV-Umstellung der Schadensabwicklung einer Großversicherung). Jedoch lassen diese Tätigkeiten schon nicht erkennen, daß sie die Breite des Fachsbereichs Betriebswirtschaft abdecken (was für den Nachweis der nötigen Ausbildung erforderlich wäre): Sie beziehen sich offenbar auf das Verwaltungs- und Rechnungswesen; daß auch Führung, Fertigung, Finanzierung, Vertriebs- und Personalwesen berührt würden, ist jedoch nicht ersichtlich. Erst recht wird nicht hinreichend deutlich und belegt, daß die Tätigkeiten des Klägers besonders anspruchsvoll gewesen wären, so daß der Mangel an förmlichem Ausbildungsabschluß als kompensiert angesehen werden könnte. Der Kläger räumt selbst ein, daß ihm insoweit kaum Möglichkeiten des substantiierten Belegs zur Verfügung stünden, da entsprechende Bescheinigungen, insbesondere für seine selbständigen Tätigkeiten, nicht zu erlangen seien. Die Bescheinigung der B GmbH, die lediglich von "betriebswirtschaftlichen Kenntnissen" des Klägers spricht, reicht nicht aus, besonders anspruchsvolle Tätigkeiten zu belegen. Auch die vorgelegte "Vorstudie" und "Grobanalyse", die einzigen schriftlichen Arbeitsproben, die der Kläger vorlegen kann, reichen hierfür nicht aus. Abgesehen davon, daß sie nur einen umgrenzten Teilbereich der Betriebswirtschaft betreffen, lassen sie den konkreten Anteil des Klägers bei ihrem Zustandekommen nicht hinreichend genau erkennen, um auch nur einen Ansatz zur Beurteilung "besonders anspruchsvoller" Arbeitsergebnisse zu bieten.

Hat somit der Kläger die - ausbildungsmäßigen - Voraussetzungen der Tätigkeit im Beruf des beratenden Betriebswirts nicht dartun können, so fehlt eine solche hinreichende Darlegung auch für eine Tätigkeit in einem "ähnlichen Beruf". Ein solcher "ähnlicher Beruf" kann nämlich nur dann bejaht werden, wenn seine Ausübung auf einer vergleichbaren fachlichen Vorbildung beruht und die Beratungstätigkeit sich auf einen vergleichbar breiten betriebswirtschaftlichen Bereich erstreckt wie die eines beratenden Betriebswirts.

Siehe BFH Urteil vom 14. März 1991 a.a.O. m.w.N.

Die Voraussetzungen einer Ausbildung die der eines Betriebswirts "vergleichbar" wäre, hat der Kläger aber ebensowenig hinreichend dargetan und belegt, wie die der Ausbildung eines Betriebswirts, so daß die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abgewiesen werden muß.

Ende der Entscheidung

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