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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: 14 K 3496/04
Rechtsgebiete: AbgG, EStG


Vorschriften:

AbgG § 12
EStG § 3c
EStG § 22 Nr. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 3496/04

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte im Streitjahr als Versicherungsangestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Weiter erzielte er aus einer als Einzelunternehmen betriebenen Versicherungsvermittlung Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus einer Beteiligung an einer KG gesondert festgestellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ferner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin ist freiberufliche Musiklehrerin und Musikerin.

Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 24.07.2003 berücksichtigte der Beklagte im wesentlichen erklärungsgemäß folgende Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit:

 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte1.692 DM
Aufwendungen für Arbeitsmittel Büromaterial etc. 2.102,19 DMAfA PC 499,50 DM Telekommunikationskosten 949,02 DM insgesamt (unter Aufrundundung der Einzelsummen)3.553 DM
übrige Werbungskosten Reisekosten (ausschl. Tagespauschalen)1.304,00 DM
Fahrtkosten zum Kauf von Büromaterial 158,92 DMBewerbungskosten 664,00 DM Kontoführungsgebühren 30,00 DM Kreditkartengebühren 60,00 DM Insgesamt (aufgerundet)2.217 DM

Nicht berücksichtigt wurden lediglich geltend gemachte Aufwendungen von 100 DM für Tageszeitungen als Bewerbungskosten.

Für die Klägerin als freiberufliche Musiklehrerin erklärten die Kläger einen Verlust von 8 DM und für ihre Tätigkeit als Musikerin einen Gewinn von 667 DM. Betriebseinnahmen - Honorare von drei Musikschulen - von 15.051,24 DM als Musiklehrerin wurden Betriebsausgaben von 15.058,26 DM gegenübergestellt. Die erklärten Betriebsausgaben setzen sich wie folgt zusammen:

 Fahrtkosten zu den Musikschulen6.034 DM
Verpflegungsmehraufwand für diese Fahrten400 DM
Kauf von Musikinstrumenten und Noten etc. (30 Einzelbeträge)2.755 DM
weitere Arbeitsmittel (Fagottrohre, Musikinstrumente etc.)4.467 DM
Fahrtkosten zur Beschaffung von Arbeitsmitteln1.151 DM
Porti, Versicherungen250 DM

Für die Tätigkeit der Klägerin als Musikerin erklärten die Kläger Betriebseinnahmen (Konzerthonorare) von 3.580 DM und Betriebsausgaben, überwiegend Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand sowie Arbeitsmittel, von 2.912,58 DM.

In dem Einkommensteuerbescheid vom 24.07.2003 berücksichtigte der Beklagte Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Klägerin von 5.809 DM. Die Abweichung von der Erklärung beruht ausschließlich auf der Kürzung der Betriebsausgaben (insbesondere Generalüberholung eines angeschafften Fagotts als Anschaffungskosten, Nichtanerkennung von Konzertkleidung und Kürzung von Fahrtkosten).

Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2004 mangels Vorlage einer Einspruchsbegründung als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren haben die Kläger mit Schriftsatz vom 15.04.2005 unter Hinweis auf das Revisionsverfahren beim BFH VI R 81/04 die Aussetzung des Verfahrens begehrt. In dem Revisionsverfahren geht es um die Frage, ob die Steuerfreistellung großer Teile der Einkünfte von Bundestagsabgeordneten mit der Verfassung vereinbar sei und inwieweit eine derartige Freistellung von Einkünften anderer Personen von Verfassungs wegen geboten sei.

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihr Begehren dahingehend konkretisiert, dass sie eine steuerfreie Auslagenpauschale wie Bundestagsabgeordnete erhalten (wohl 6.035,-- DM). Sie sehen in der Nichtgewährung einer solchen steuerfreien Auslagenpauschale einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Kläger beantragen,

1. Das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen,

2. Die Steuer in der Weise herabzusetzen, dass eine steuerfreie Pauschale wie bei Bundestagsabgeordneten berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 05.11.2004 die Steuerfestsetzung für das Streitjahr zugunsten der Kläger geändert. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Klägerin wurden in dem Bescheid lediglich noch mit 2.894,-- DM berücksichtigt.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist entscheidungsreif.

1. Das Verfahren war nicht im Hinblick auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof VI R 81/04 nach § 74 FGO auszusetzen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder nicht Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, dass dem Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, einordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Das Revisionsverfahren ist kein vorgreifliches Verfahren im Sinne der Bestimmung, da es andere Beteiligte betrifft und schon deshalb ohne unmittelbaren Einfluss auf das Klageverfahren der Kläger ist. Der Umstand, dass eine vom Bundesfinanzhof geäußerte Rechtsauffassung auch für das Verfahren der Kläger bedeutsam werden könnte, begründet keine Vorgreiflichkeit.

2. Es kommt auch nicht in Betracht, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die von den Klägern geltend gemachte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorzulegen. Denn eine Gleichbehandlung der Kläger mit Bundestagsabgeordneten würde, wie unter II. dargelegt wird, nicht zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer der Kläger führen.

3. Auch ein Ruhen des Verfahrens nach § 151 FGO i. V. m. § 251 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Denn das Ruhen setzt voraus, dass beide Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass das Ruhen aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Im Streitfall liegt lediglich ein entsprechender Antrag der Kläger, nicht hingegen des Beklagten vor. Im Übrigen erscheint das Ruhen im Hinblick darauf, dass es erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung beantragt worden ist und überdies die in dem Revisionsverfahren VI R 81/04 zu behandelnde Rechtsfrage für den Streitfall - wie nachfolgend unter II. dargelegt wird - nicht erheblich ist, nicht zweckmäßig.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Das Gericht legt das Begehren der Kläger dahingehend aus, dass die Einkünfte sowohl des Klägers als auch der Klägerin aus ihrer beruflichen Erwerbstätigkeit - zusätzlich zu den bereits berücksichtigten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben - in Höhe der steuerfreien Auslagenpauschale (Kostenpauschale), die Abgeordnete des Deutschen Bundestages auf der Grundlage von § 12 AbgG im Jahr 2001 maximal erhalten haben, steuerfrei belassen werden.

2. Für die Berücksichtigung eines zusätzlichen Steuerfreibetrags in Höhe der Kostenpauschale nach § 12 AbgG für die Kläger besteht keine gesetzliche Grundlage, sodass der Beklagte einen solchen Freibetrag zu Recht nicht berücksichtigt hat.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Steuerfreiheit der Auslagenpauschale für Abgeordnete des Deutschen Bundestages insoweit gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt, als Steuerpflichtigen, die nicht Mitglieder des deutschen Bundestages sind, eine entsprechende Steuerfreiheit nicht gewährt wird.

a) Sollte sich die Begünstigung der Abgeordneten im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.11.1975 2 BvR 593/74, DB 1975, 2267) als verfassungsgemäß erweisen, hätten die Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.

b) Auch wenn die Steuerbefreiung für Abgeordnete sich als verfassungswidrig erweisen sollten, könnte die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Herabsetzung der festgesetzten Steuer führen.

aa) Im Falle der Verfassungswidrigkeit der Steuerfreiheit der Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete könnte die Gleichbehandlung in der Weise herbeigeführt werden, dass diese Steuerfreiheit entfiele. Für die Kläger ergäbe sich daraus kein steuerlicher Vorteil.

bb) Selbst wenn die Steuerfreiheit, die für die Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete gewährt wird, auf alle Steuerpflichtigen ausgedehnt würde, könnte die Klage keinen Erfolg haben. Denn im Falle der Gleichbehandlung der Kläger mit Bundestagsabgeordneten ergäbe sich nicht nur keine weitere Steuerminderung, sondern sogar eine Erhöhung der Einkommensteuer. Die Steuerfreiheit der Kostenpauschale ist nämlich mit dem gegenüber § 3 c EStG erweiterten Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG verbunden. Danach dürfen die durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn zur Abgeltung durch das Mandat veranlassten Aufwands Aufwandsentschädigungen gezahlt werden. Die steuerfreie Kostenpauschale im Sinne des § 12 AbgG ist eine Aufwandsentschädigung in diesem Sinne. Im Rahmen einer Gleichbehandlung müsste auch dieses Abzugsverbot sinngemäß auf die Kläger übertragen werden. Dies bedeutete, dass die durch die berufliche Erwerbstätigkeit veranlassten Aufwendungen im Falle der Gewährung einer pauschalen Steuerbefreiung nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden könnten. Im Streitfall übersteigen die Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bzw. die Betriebsausgaben der Klägerin bei ihren Einkünften aus selbständiger Arbeit die Abgeordneten im Höchstfall gewährte Kostenpauschale (die sich von 6.251,-- DM im Jahr 1997 auf inzwischen 3.551,-- Euro im Jahr 2005 erhöht hat). Überdies wäre der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug im Falle der § 12 AbgG vergleichbaren Kostenpauschale für Aufwendungen der Kläger in Höhe der Pauschale auch nach § 3 c EStG verwehrt. Nach Abs. 1 der Vorschrift dürften Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Nach § 12 Abs. 2 AbgG wird die monatliche Kostenpauschale unter anderem gewährt für Bürokosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto und in der für das Streitjahr gültigen Fassung (bis zum 16. Oktober 2002 gültige Fassung) auch Telefonkosten, für Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages (für die Kläger vergleichbar deren Tätigkeitsorten) und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen, für Fahrtkosten sowie sonstige Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung). Auch die im Streitfall berücksichtigten Aufwendungen der Kläger für Aufwendungen in diesem Sinne, insbesondere Fahrt- und Reisekosten, Aufwendungen für Arbeitsmittel und Telefon- und Medienkosten übersteigen jeweils die Kostenpauschale für Abgeordnete. Ohne Bedeutung bleibt schließlich, ob Abgeordneten die Steuerfreiheit für Aufwendungen ohne tatsächlichen Nachweis gewährt wird. Denn dies ändert nichts daran, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Kläger höhere Aufwendungen als die maximale Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete berücksichtigt worden sind. Im übrigen hat der Beklagte auch die Aufwendungen der Kläger weitgehend ohne tatsächliche Nachprüfung der Entstehung bzw. Abzugsfähigkeit der Aufwendungen berücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn diese Aufwendungen in keiner Weise plausibel sind, wie sie es etwa für die erheblichen Aufwendungen für Fahrten zur Beschaffung einzelner Arbeitsmittel zutrifft. Die Annahme, dass für nahezu jedes Arbeitsmittel eine Einzelfahrt ausschließlich zum Einkauf dieses Arbeitsmittel erfolgt sei, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Dies gilt insbesondere angesichts der Vielzahl der behaupteten Fahrten. Der Beklagte ist weiter nicht der naheliegenden Frage nachgegangen, ob die auch für eine Musikerin und Musiklehrerin ungewöhnlich umfangreichen Einkäufe an Noten und Musikinstrumenten teilweise darauf zurückzuführen sind, dass diese - wie dies im Musikschulbereich nicht unübliche Praxis ist - auch für Schüler erfolgt sind. In diesem Falle wären entsprechende Aufwendungen als durchlaufende Posten zu behandeln bzw. entsprechende Betriebseinnahmen aus der weiteren Veräußerung zu erfassen. Aufwendungen für einen PC nebst Zubehör wie einen Computertisch etc. wären schließlich nur dann in voller Höhe berücksichtigungsfähig gewesen, wenn die Kläger substantiiert nachgewiesen hätten, dass der PC nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke benutzt wird. Im Hinblick auf das Verbot der Verböserung der Steuerfestsetzung im Klageverfahren bedurfte es weder der weiteren Aufklärung bzgl. der geltend gemachten Werbungskosten und Betriebsausgaben, noch konnten die Kläger Bundestagsabgeordneten gleichgestellt werden.

3. Die Revision war nicht zuzulassen. Es ist keine der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO erfüllt, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die in dem Revisionsverfahren beim BFH VI R 81/04 zu behandelnde Frage der Ausdehnung der Steuerfreiheit der Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete auf alle Steuerpflichtigen stellt sich aus den dargelegten Gründen im Streitfall nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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