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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 2 K 1354/01
Rechtsgebiete: EStG, BewG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs 2
EStG § 8 Abs 2 S 9
EStG § 19a
EStG § 19a Abs 1
EStG § 19a Abs 1 S 1
EStG § 19a Abs 8
EStG § 19a Abs 8 S 1
BewG § 9
BewG § 9 Abs 2
BewG § 9 Abs 2 S 2
EStG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Vermögensbeteiligungen der Arbeitnehmer der Klägerin.

Die Klägerin ist durch Umwandlung in eine Aktiengesellschaft aus der XY zum 01.01.0001 entstanden.

Für die Zeit vom 01.01.0000 bis zum 31.12.0002 wurde bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt (Teilbericht vom 15.01.0004). Hierbei wurde u.a. Folgendes festgestellt:

Im Rahmen der Privatisierung der Klägerin wurde ihren Mitarbeitern angeboten, sich durch Aktienerwerb zu beteiligen. Dies geschah durch mehrere sog. "Programmteile".

Der erste Programmteil sah die steuerbegünstigte Überlassung von XY-Aktien nach § 19a EStG vor. Der Börsenzulassungsprospekt vom 15.11.0000 (Seiten 12 - 15) regelt diesbezüglich, dass

"Privatanlegern ... im Rahmen des Angebots Deutschland bis zu 300 Aktien je Anleger zum Verkaufspreis pro Aktie abzüglich eines Abschlags in Höhe von DM 0,50 pro Aktie angeboten (der "ermäßigte deutsche Verkaufspreis")"

werden. Bereits zuvor war in einer Mitarbeiterzeitschrift ausführlich über die Möglichkeiten der Arbeitnehmerbeteiligung nach § 19a EStG im Rahmen des Börsengangs der Klägerin berichtet worden (NN, 12/00).

Die Aktien wurden den Mitarbeitern unter Ausschöpfung des steuerfreien Höchstbetrages nach § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung mit einem Preisabschlag von 40% auf den Emissionspreis überlassen. Zusätzlich wurde der weitere Preisnachlass in Höhe von 0,50 DM gewährt, der allen Privatanlegern zustand, die Aktien im Rahmen der Börseneinführung bei einer der Emissionsbanken zeichneten. Außerdem erhielten die Mitarbeiter Bonusaktien, wenn sie die steuerbegünstigt erworbenen Aktien bis zum 30.09.0000 nicht veräußerten.

Im Rahmen des zweiten Programmteils (sog. Innovatives Modell) wurde den Mitarbeitern die Möglichkeit geboten, sich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, der XxZ (XxZ), zu beteiligen. Alleiniger Geschäftszweck der XxZ war es, für etwa fünf Jahre ein Paket XY-Aktien zu erwerben, zu halten und zu verwalten. Beitrittsberechtigt waren ausschließlich Mitarbeiter des XY-Konzerns. Sie erhielten für eine Bareinlage von 300,- DM einen Anteil am Aktienpaket im Emissionswert von 1.500,- DM. Der Differenzbetrag von 1.200,- DM wurde durch ein Darlehen der TT- AG (TT AG) an die XxZ finanziert. Zur Verwaltungsoptimierung und Risikoverlagerung wurde das zivilrechtliche Eigentum am Aktienpaket von der XxZ auf die TT-AG im Rahmen einer Wertpapieranleihe übertragen; hierfür erhielt die XxZ Kompensationszahlungen und eine Leihgebühr. Zur Steuerung der Aktienrisiken konnte die TT-AG während der Dauer der Wertpapierleihe über die geliehenen Aktien frei verfügen.

Das Darlehen war zu verzinsen. Dabei konnte die XxZ anstelle der jährlichen Zinszahlung wahlweise ihre Ansprüche aus der Wertpapierleihe an Erfüllungs Statt an die TT-AG abtreten. Außerdem zahlte die Klägerin der TT-AG einen Modellkostenzuschuss von 220,- DM je beteiligtem Mitarbeiter, weil die TT-AG Aktienrisiken übernahm, die durch die Zinszahlungen der XxZ nicht vollständig abgedeckt wurden. Der Zuschuss wurde von der Klägerin monatlich geleistet.

Das Darlehen hatte die gleiche Laufzeit wie die XxZ, also etwas mehr als fünf Jahre. Am Laufzeitende war das Darlehen zurückzuzahlen, wobei der Rückzahlungsbetrag von der Notierung der XY-Aktie am Rückzahlungstag abhängig war. Lag der Wert der XY-Aktie unter dem Wert des Aktienpakets bei Darlehensabschluss, fiel der Rückzahlungsbetrag um den Unterschiedsbetrag. In diesem Fall erhielt der Mitarbeiter seine Bareinlage von 300,- DM in voller Höhe zurück.

Der Börsenzulassungsprospekt vom 15.11.0000 (Seite nn) erwähnt auch dieses Modell. Wörtlich wird hierzu ausgeführt:

"Die XY wird Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem Programm mit ca. 300,- DM je teilnehmenden Mitarbeiter subventionieren."

In der o.g. Mitarbeiterzeitung (NN, 12/00) wird diese Modell dergestalt beschrieben, dass u.a. der aufgenommene Kredit risikolos sei und dass das sonst übliche Risiko des Wertverlustes der teilweise fremdfinanzierten Aktien auf die TT-AG abgewälzt werde (Bl. 71 FG-Akte). Diese Risikoübernahme durch die TT-AG werde von der Klägerin "unterstützt".

Der Lohnsteuer-Außenprüfer gelangte aufgrund einer anderen Bewertung der Aktienüberlassung bei dem Programmteil 1 zur Annahme steuerpflichtigen Arbeitslohns. Im Gegensatz zur Klägerin bewertete er jede Aktie mit einem als gemeinem Wert angesehenem Betrag von 28,50 DM statt 28,- DM. Nach Abzug des steuerfreien Betrages von 300,- DM nach § 19a Abs. 1 EStG a.F. errechnete er einen zu versteuerndem Arbeitslohn von 4,20 DM je Arbeitnehmer. Wegen der Berechnung wird auf Tz. 10.2.1 des Berichts vom 15.01.0000 verwiesen.

Ferner wertete er den Modellkostenzuschuss beim Programmteil 2 als Risikozuschuss zur Absicherung des Kursrisikos und damit als steuerpflichtigen Arbeitslohn, weil die von der Klägerin geleisteten Zahlungen dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Laufzeit des Modells die vollständige Rückzahlung der Bareinlage garantierten; dies bedeute, dass der einzelne Mitarbeiter von einer individuellen Zahlungsverpflichtung an die TT-AG befreit sei, wenn er aufgrund von Einzelvereinbarungen den gleichen Vorteil habe erreichen wollen. Es handele sich daher um eine Kostenerstattung seitens der Klägerin. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Tz. 10.2.2 des Berichts vom 15.01.0000 verwiesen.

Der Beklagte folgte den Ausführungen der Lohnsteuer-Außenprüfung und erließ am 19.01.0000 einen Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid. Die o.g. Streitpunkte wurden im Rahmen die Lohnsteuer-Nachforderung geltend gemacht.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor, dass der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften, für die ein Kurs weder im Amtlichen Handel noch im geregelten Markt ermittelt worden sei, aus den Verkäufen abzuleiten sei, die weniger als ein Jahr zurücklägen. Als gemeiner Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften sei gem. Abschnitt 8 Abs. 1 VStR der Betrag anzusetzen, den ein Käufer für den Erwerb eines Anteils aufwenden würde. Im Zeitpunkt der Mitarbeiterbeteiligungen habe das Emissionskonsortium eine Vielzahl von XY-Aktien veräußert. Zum Überlassungszeitpunkt habe es zwei unterschiedliche Emissionspreise für private (= 28,00 DM) und institutionelle (= 28,50 DM) Anleger gegeben. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG könne entnommen werden, dass der Gesetzgeber für den Fall unterschiedlicher Preise den niedrigsten am Stichtag festgestellten Preis als gemeinen Wert ansehe. Die Bestimmung des gemeinen Wertes der überlassenen Mitabeiterbeteiligungen mit dem Emissionspreis für Privatanleger entspreche auch der Intention des Gesetzgebers bei der Abfassung des § 19a Abs. 8 EStG. Die Bewertungsregel solle der Bestimmung eines objektiven Wertes für die überlassenen Mitarbeiterbeteiligungen dienen. Ein solcher objektiver Wert sei im Zweifelsfall der Preis, den der Mitarbeiter bei einem Aktienerwerb ohne Zwischenschaltung des Arbeitgebers erzielt hätte. Zum Zeitpunkt des erstmaligen Verkaufs habe jeder Privatanleger die Aktie zu 28,00 DM zeichnen können. Für die Auffassung des Finanzamts, den Ausgabekurs für institutionelle Anleger zugrunde zu legen, gebe es keinerlei Begründung.

Hinsichtlich des zweiten Programmteils trug die Klägerin vor, dass die von ihr an die TT-AG gezahlten Modellkostenzuschüsse keinen Barlohn darstellten. Sie seien auch nicht durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst, vielmehr seien sie im eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt. Beim erstmaligen Börsengang habe das Motiv im Vordergrund gestanden, im verstärkten Maße Aktien auch in der eigenen Belegschaft unterzubringen, um auf diese Weise angesichts des gewaltigen Platzierungsvolumens einen möglichst hohen Emissionspreis zu erzielen. Die mögliche Bereicherung des Arbeitnehmers trete deshalb und auch angesichts des geringen Pro-Kopf-Betrages von 3,61 DM monatlich in den Hintergrund. Eine lohnsteuerliche Erfassung von Arbeitslohn in Gestalt von Barlohn setze grundsätzlich eine Zahlung oder eine Überweisung auf das Konto des Arbeitnehmers voraus. Für die Annahme eines verkürzten Zahlungsweges habe zumindest eine ausdrückliche oder stillschweigende Anweisung der Klägerin durch den Arbeitnehmer zugrunde liegen müssen. Dies sei im Streitfall jedoch nicht gegeben. Allenfalls könne ein mit dem innovativen Modell verbundener steuerbarer Arbeitslohn lediglich als Sachbezug auftreten. Da das Finanzamt selbst von einem monatlichen Wert von 3,67 DM pro Mitarbeiter ausgehe, greife insoweit die Freigrenze des § 8 Abs. 2 EStG ein.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück (Entscheidung vom 02.02.0000).

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Der Einleitungssatz der Klagebegründung vom 01.03.0000 lautet:

"Wir fechten die genannten Bescheide nur insoweit an, als diese das 'klassische Modell (§ 19a EStG)' der Vermögensbeteiligungen unserer Mitarbeiter betreffen (Seiten 5 und 8 der Einspruchsentscheidung vom 02.02.0000)."

Zur Begründung führt sie insoweit aus, dass durch eine entsprechende Neufassung von Abschn. 77 Abs. 9 LStR 0000 klar gestellt worden sei, dass von dem günstigeren Preis für Privatanleger auszugehen sei. Zu diesem Preis von 28,- DM hätten ihre Mitarbeiter auch über den regulären Börsenhandel die Aktien erwerben können. Der Beklagte berufe sich lediglich auf ein Erörterungsergebnis der Lohnsteuerreferenten der Bundesländer ohne eine weitere Begründung zu geben.

Unverständlich sei, dass der Beklagte die Regelung in Abschn. 77 Abs. 9 LStR 0000 nicht anwende. Die LStR legten das Gesetz nur in einer für die Verwaltung bindenden Weise aus. Die sich die Rechtslage aber seit den Streitjahren insoweit nicht geändert habe, sei die Vorschrift auch rückwirkend anzuwenden. Die Aussage des Beklagten, wonach eine Differenzierung zwischen privaten Kleinanlegern und institutionellen Anlegern in diesem Zusammenhang für die Wertermittlung unzulässig sei, stehe in direktem Widerspruch zu den LStR. Unabhängig davon habe der Beklagte nicht dargetan, welche Gründe ihn zu einer Änderung seiner Rechtsauffassung im Sinne der Klägerin ab den LStR 0000 bewogen habe.

Erstmalig mit Schriftsatz vom 11.06.0000 führt die Klägerin aus, dass sie den Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid insgesamt anfechte um zu verhindern, dass er hinsichtlich des Programmteils 2 Bestandskraft erlange. Dieser Programmteil sei nämlich erst mit Liquidation der XxZ abgeschlossen, so dass auch dann erst der für die Beurteilung der Besteuerung maßgebliche Sachverhalt vollendet sei. Dies gelte insbesondere für die bis dahin als Modellkostenzuschuss erfolgten Zahlungen der Klägerin an die TT-AG.

Der Beklagte leite aus diesen Modellkostenzuschüssen einen steuerpflichtigen Barlohn der Mitarbeiter in Höhe von monatlich DM 3,61 pro Person ab. Es lägen jedoch unter die Freigrenze des § 8 Abs.2 EStG fallende Sachbezüge vor. Maßgeblich sei, ob der Arbeitnehmer aufgrund einer Einzelvereinbarung zur Zahlung an einen Dritten tatsächlich verpflichtet sei oder nicht. Sei dies - wie vorliegend unstrittig - nicht gegeben, könne auch kein verkürzter Zahlungsweg angenommen werden, wenn der Arbeitgeber von einem Dritten Leistungen einkaufe, die für seine Beschäftigten eine Sachzuwendung darstellen.

Die Klägerin beantragt,

den Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid vom 19.01.0000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 02.02.0000 insoweit abzuändern, als der Beklagte einen Lohnsteuer-Betrag von 85.928,- DM nebst Nebenleistungen laut Tz. 10 des Berichts vom 15.01.0000 nachgefordert hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass die von der Klägerin genannte Regelung des Abschn. 77 LStR 0000 für den Streitzeitraum keine Geltung entfalte.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist in vollem Umfang zulässig.

Zwar hat die Klägerin erst weit nach Ablauf der Klagefrist mit Schriftsatz vom 11.06.0000 ihr Begehren dahingehend klar gestellt, dass sie den Lonhsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid nicht nur hinsichtlich der Nachforderung aus der klassischen Vermögensbeteiligung ihrer Arbeitnehmer anfechte, sondern auch bezüglich des innovativen Modells. Es ist in der Rechtsprechung aber anerkannt, dass die betragsmäßige Erweiterung des Klagebegehrens (§ 264 Nr. 2 ZPO i.V. mit § 155 FGO) kein unzulässige Klageänderung darstellt. Vielmehr bedeutet die Nennung nur eines Teilbetrages im Regelfall gerade nicht, dass der Kläger hinsichtlich des nicht genannten Teiles eine Teilbestandskraft herbeiführen möchte (grundlegend BFH-Beschluss vom 23.10.1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327). Für den Ausnahmefall, in dem nur eine Teilanfechtung anzunehmen ist, muss der Wille, von einem weiteren Begehren abzusehen, deutlicher zum Ausdruck kommen als in der bloßen Anfechtung des Steuerbescheides wegen bestimmter Streitpunkte. Nur wenn der Steuerpflichtige eindeutig zu erkennen gegeben hat, er werde von einem weitergehenden Begehren absehen, wird der Steuerbescheid im ausdrücklich nicht angefochtenen Teil bestandskräftig (BFH-Urteil vom 23.04.2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140).

Danach konnte die Klägerin auch nach Ablauf der Klagefrist noch das weitere Begehren hinsichtlich des innovativen Vermögensbeteiligungsmodells streitig stellen. Denn sie hatte zuvor nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie von einem weiter gehenden Klagebegehren Abstand nehmen wolle.

II.

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid vom 19.01.0000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht einen Aktienausgabewert von 28,50 DM angenommen sowie den Zuschuss zum innovativen Modell der Lohnsteuer unterworfen.

1. Der angefochtene Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als der Beklagte bei der Aktienausgabe an die Arbeitnehmer der Klägerin von einem Betrag von 28,50 DM ausgegangen ist. Zutreffend ist der von der Klägerin ursprünglich angesetzte Wert von 28,- DM/Aktie. Der Freibetrag von 300 DM nach § 19a Abs. 1 EStG ist damit nicht überschritten.

Nach § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist als Wert der Vermögensbeteiligung grundsätzlich der gemeine Wert anzusetzen. Der gemeine Wert bestimmt sich nach § 9 BewG (Schmidt/Heinicke, EStG, 22. Aufl. 2003, § 19a Rn. 26). Danach wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Aus dieser Definition folgt, dass unter dem gemeinen Wert der Betrag zu verstehen ist, der im Verkaufsfall üblicherweise als Erlös erzielbar ist. Dies ist der Verkehrswert. Daher lässt sich der gemeine Wert am zuverlässigsten aus einer Vielzahl tatsächlicher Verkäufe derartiger Wirtschaftsgüter herleiten (BFH-Urteil vom 29.04.1987 X R 2/80, BFHE 150, 453, BStBl II 1987, 769). Finden solche Verkäufe in großer Zahl statt, so bietet dies die Gewähr, dass die dabei erzielten tatsächlichen Verkaufserlöse auch für das zu bewertende Wirtschaftsgut als Verkaufspreis zu erzielen wären.

Im Streitfall liegt es auf der Hand, dass es im Vorfeld der erstmaligen Notierung der Aktien der Klägerin zu einer Vielzahl von Verkäufen unter Beachtung des sog. "ermäßigt deutschen Verkaufspreises" gekommen ist, so dass der Verkehrswert 28,- DM/Aktie betragen hat.

Der Preisabschlag von 0,50 DM/Aktie stellt auch keinen ungewöhnlichen Umstand dar, welcher definitionsgemäß außer Betracht bleiben müsste. Denn hierunter werden nur solche Umstände verstanden, mit denen der Verkehr bei Abschätzung des Wertes des Wirtschaftsgutes nicht zu rechnen pflegt. Da vorliegend der Preisabschlag im Vorfeld der Emission - nicht zuletzt aufgrund des Börsenzulassungsprospektes - allgemein bekannt war, kann er nicht zugleich ein ungewöhnlicher Umstand sein.

Die Tatsache, dass nur Privatanleger bis zu einer bestimmten Menge verbilligt Aktien der Klägerin erwerben konnten, ist auch nicht als unbeachtlicher persönlicher Umstand zu werten. Denn der Preisnachlass von 0,50 DM/Aktie beruhte nicht auf einer persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und den Erwerbern, sondern diente vielmehr dazu, schon im Vorfeld für eine breite Streuung der Aktie außerhalb der institutionellen Anleger zu einem günstigen Preis zu sorgen. Insoweit lagen zum Zeitpunkt der Ausgabe lediglich zwei völlig unterschiedliche Marktsegmente vor, die zu unterschiedlichen Preisbildungen gekommen sind. Da sich der Streitfall im Bereich der Privatanleger bewegt, kann auch nur der für dieses Segment bedeutsame Preis zu Grunde gelegt werden. Insoweit handelt es sich vielmehr um einen den Preis beeinflussenden Umstand i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Danach ist anerkannt, dass sich der geldwerte Vorteil im Rahmen des § 19a EStG nach dem im Überlassungsangebot benannten Preisnachlass bemisst, wenn der Arbeitgeber Wertpapiere an seine Arbeitnehmer gegen einen fest und unabänderlich bezifferten Preisnachlass überlässt (BFH, Urteil vom 04.04.2001 VI R 96/00, BFHE 195, 540, BStBl II 2001, 813).

Zwar ist aufgrund der Privatisierung der Klägerin im Jahr 0000 und des gerichtsbekannten enormen Werbeaufwands für den Erwerb der Aktien durch die Bevölkerung ("XY-aktie") ein speziell für die Mitarbeiter ausgearbeitetes Überlassungsangebot wohl nicht erstellt worden, zumindest wurde es dem Senat trotz Nachfrage nicht vorgelegt. Allerdings ist im Börsenzulassungsprospekt vom 15.11.0000 (Seiten nn, mm) ausgeführt, dass die Mitarbeiter neben dem Abschlag von 40% - wie jeder andere private Erwerber auch - den Abschlag von 0,50 DM/Aktie erhalten. Damit steht hinsichtlich der insoweit allein streitigen Frage - die Höhe des gemeinen Wertes der Aktien anlässlich ihrer Ausgabe - fest, dass bereits vor der ersten Börsennotierung jeder Privatanleger in Deutschland den genau bezifferten Preisnachlass von 0,50 DM erhielt. Dies muss auch für die Arbeitnehmer der Klägerin gelten.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis, kann der Senat offen lassen, ob R 77 Abs. 9 LStR 0000 insoweit Rückwirkung für das Streitjahr beizumessen ist oder ob eine Auslegung im Sinne des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Protokolls der Sitzung der Lohnsteuer-Referenten vom 03.-06.09.0000 möglich ist. Denn jedenfalls hat diese Auslegung in den LStR schon vom Wortlaut her keinen oder zumindest einen höchst missverständlichen Niederschlag gefunden. Abgesehen davon ist der Senat weder an die LStR noch an deren Auslegung durch die Lohnsteuer-Referenten gebunden.

2. Die Klage ist ebenfalls begründet, soweit der Beklagte den Zuschuss der Klägerin in Höhe von 220,- DM/Mitarbeiter für die sog. innovative Vermögensbeteiligung der Lohnsteuer unterworfen hat. Denn diesbezüglich liegt ein steuerfreier Sachbezug nach § 8 Abs. 2 EStG vor.

a) Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit auch Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 LStDV alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.

Demgemäß ist Arbeitslohn jeder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (Schmidt/Drenseck, EStG, 22. Aufl. 2003, § 19 Rn. 24 m.w.N.). Entscheidend ist, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, was danach zu beurteilen ist, wozu die Zahlung erfolgte (BFH-Urteil vom 26.05.1998 VI R 9/96, BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581).

Danach stellt der Zuschuss in Höhe von 220,- DM, den die Klägerin je beteiligtem Arbeitnehmer an die TT-AG gezahlt hat, Arbeitslohn dar. Denn mit den monatlichen Zahlungen an die TT-AG hat die Klägerin eine mittelbare Geldleistung an ihre Mitarbeiter erbracht. Dadurch wurde nämlich zum einen das von der TT-AG übernommene Kursrisiko entgolten, zum anderen aber auch sicher gestellt, dass die Arbeitnehmer bei Auslaufen des Modells mindestens ihre Gesellschaftereinlage bei der XxZ zurück erhielten.

b) Dieser Arbeitslohn ist auch nicht erst mit Ablauf des Modells nach fünf Jahren dem jeweiligen Arbeitnehmer zugeflossen. Denn die Klägerin hat nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung monatlich an die TT-AG Zahlungen erbracht, die sich in der Summe auf 220,- DM je teilnehmenden Arbeitnehmer errechneten. Allein die Tatsache, dass die Arbeitnehmer am Ende des Modells neben ihrer Einlage von 300,- DM den ihnen zustehenden Anteil am Liquidationsergebnis in Geld oder Aktien zurück erhielten, führt nicht dazu, dass der von der Klägerin monatlich anteilig gezahlte Zuschuss auch erst am Ende des Modells im Jahre 2001 insgesamt als zugeflossen anzusehen ist. Vielmehr hat er modellbedingt das Kursrisiko der TT-AG insgesamt in der Form abgegolten, dass aufgrund der monatlichen Zahlungen durch die Klägerin auch ein entsprechender Zufluss bei den Arbeitnehmern anzunehmen ist.

c) Allerdings ist dieser monatliche Lohnzufluss als steuerfreier Sachbezug nach § 8 Abs. 2 EStG zu werten, der unter die monatliche Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG fällt.

Nach § 8 Abs. 1 EStG sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Geld zu, ist dieses mit dem Nennwert anzusetzen. Besteht der Arbeitslohn in Sachbezügen, ist deren Geldeswert nach § 8 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge) sind dabei gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen, wobei eine Aufgriffsgrenze von monatlich 50 DM besteht.

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Beschreibungen des sog. innovativen Modells erbringt die Klägerin diese Zuschuss an die TT-AG dafür, dass diese das Risiko aus der Wertentwicklung der von ihr in Wertpapierleihe übernommenen Aktien der Klägerin trägt und dass zugleich für den einzelnen teilnehmenden Arbeitnehmer über die gesamte Laufzeit des Modells sicher gestellt wird, dass er zumindest seine Einlage von 300 DM zurück erhält. Andernfalls unterläge die Einlage dem Risiko, durch Kursverluste der Aktien der Klägerin aufgezehrt zu werden. Die Arbeitnehmer der Klägerin erhalten damit einen Vorteil von einem Dritten, der durch das Dienstverhältnis mit der Klägerin veranlasst ist. Jedoch tritt der Dritte - die TT-AG - gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer nicht selbständig auf. Denn zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und der TT-AG bestehen hinsichtlich des Zuschusses keine eigenständigen Rechtsbeziehungen. Aus Sicht des einzelnen Arbeitnehmers hat vielmehr die Klägerin selbst eine Dienstleistung - durch die TT-AG als Erfüllungsgehilfen - erbracht. So ist z.B. im Börsenzulassungsprospekt vom 15.11.0000 (Seite nn) ausdrücklich ausgeführt, dass das innovative Modell hinsichtlich des Risikozuschusses "subventioniert" werde. Dementsprechend ist in der Mitarbeiterzeitung "NN" in der Dezemberausgabe 0000 davon die Rede, dass die Risikoübernahme durch die TT-AG von der Klägerin "unterstützt" werde. Die Lage stellt sich demnach für den teilnehmenden Arbeitnehmer so dar, dass ausschließlich die Klägerin gegenüber der TT-AG auftritt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten bestand keine abgekürzte Zahlung durch die Klägerin zu Gunsten der an dem innovativen Modell teilnehmenden Arbeitnehmer. Denn dies würde voraussetzen, dass der einzelne Arbeitnehmer eine entsprechende Verpflichtung gegenüber der SBG eingegangen wäre. Dies ist indessen nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht der Fall.

III.

Die Revision wird hinsichtlich der Frage, ob der Zuschuss zum innovativen Modell als steuerfreier Sachbezug zu werten ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Es ist anerkannt, dass auch eine nur auf einen Streitpunkt beschränkte Revisionszulassung erfolgen kann, wenn insoweit in einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teil- oder Zwischenurteil entschieden werden könnte (BFH-Urteil vom 28.09.1990 VI R 157/89, BFHE 162, 290, BStBl II 1991, 86; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 115 FGO Rn. 290). Nach § 98 FGO kann das Gericht ein Teilurteil erlassen, wenn nur ein Teil des Streitgegenstands zur Entscheidung reif Ist. Dies wiederum setzt voraus, dass der Streitgegenstand seinerseits teilbar ist (BFH- Beschluss, vom 07.02.1992 III B 24-25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408).

Vorliegend ist der Streitgegenstand - die Höhe der Lohnsteuernachforderung - entsprechend den einzelnen Textziffern des dem Nachforderungsbescheid zu Grunde liegenden Prüfungsberichts teilbar, so dass auch eine beschränkte Revisionszulassung möglich ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr.10, 711 S.1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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