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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 2 K 2241/02
Rechtsgebiete: EGV, KStG, EStG, AO


Vorschriften:

EGV Art. 56 Abs. 1
EGV Art. 58 Abs. 1
EGV Art. 58 Abs. 3
KStG § 30 Abs. 2
EStG § 36 Abs. 2
KStG § 46
AO § 175 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Dem EuGH werden gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 EG, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile einer Regelung - wie § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) - entgegen, wonach die Körperschaftsteuer in Höhe von 3/7 der Bruttodividenden auf die Einkommensteuer angerechnet wird, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) als verwendet gilt, obwohl die auf der von einer im EG-Ausland ansässigen Körperschaft bezogenen Dividende lastende tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer faktisch nicht feststellbar ist und höher sein könnte?

2. Stehen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 EG, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile einer Regelung - wie § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) - entgegen, wonach die Anrechnung der Körperschaftsteuer die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 ff. KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) erfordert, die u.a. den Betrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer sowie die Zusammensetzung der Leistung nach den unterschiedlichen Teilen des verwendbaren Eigenkapitals auf der Grundlage einer speziellen Eigenkapitalgliederung im Sinne des § 30 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) enthalten muss, obwohl die tatsächlich entrichtete anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer faktisch nicht festzustellen und die Bescheinigung im Hinblick auf ausländische Dividenden faktisch unmöglich beizubringen ist?

3. Gebietet es die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 EG bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) und in Ermangelung der Feststellbarkeit der auf der ausländischen Dividende lastenden tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer die Höhe der Körperschaftsteuerbelastung zu schätzen und ggf. dabei auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen?

4. a.) Falls Frage 2) verneint wird und eine Körperschaftsteuerbescheinigung erforderlich ist:

Sind der Effektivitätsgrundsatz und Effet utile dahingehend zu verstehen, dass sie einer Regelung - wie § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO - entgegenstehen, wonach u.a. die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung ab dem 29. Oktober 2004 nicht mehr als rückwirkendes Ereignis gilt, wodurch die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer bei bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen verfahrensrechtlich unmöglich gemacht wird, ohne dass eine Übergangsfrist zur Geltendmachung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer eingeräumt worden ist?

b.) Falls Frage 2) bejaht wird und keine Körperschaftsteuerbescheinigung erforderlich ist:

Sind die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG, der Effektivitätsgrundsatz und Effet utile dahingehend zu verstehen, dass sie einer Regelung - wie § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO - entgegenstehen, wonach ein Steuerbescheid zu ändern ist, soweit ein rückwirkendes Ereignis - wie etwa die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung - eintritt und damit bezüglich inländischer Dividenden eine Körperschaftsteueranrechnung auch bei bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden möglich ist, während dies bei ausländischen Dividenden mangels Körperschaftsteuerbescheinigung nicht möglich wäre?

Gründe:

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe für ausländische Dividenden Körperschaftsteuer nach § 36 EStG a.F. anzurechnen ist.

I. Verfahrensverlauf

Die Kläger sind Erben nach dem am .... verstorbenen M.

Der Einkommensteuerbescheid 1995 für M vom 16. Februar 1998 und der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 7. September 1998 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO. Der Einkommensteuerbescheid 1997 für M vom 26. Juli 2000 enthält keinen Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 beantragten die Kläger - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - die Anrechnung von 3/7 der vom Erblasser erzielten Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Jahren 1995 bis 1997 (Streitjahre) in Höhe von insgesamt .... DM wie folgt:

"Ich beantrage......, in den Einkommensteuerbescheiden die Körperschaftsteuer auf die aus dem EG-Ausland stammenden Dividenden laut der anliegenden Tabelle "Dividenden Niederlande und Dänemark" anzurechnen".

Zur Begründung des Antrags beriefen sie sich auf das Verkooijen-Urteil des EuGH (vom 6. Juni 2000 Rs. C-35/98, EuGHE I 2001, 1327). Wegen der näheren Einzelheiten zu den Dividenden und der Zusammensetzung des seinerzeit begehrten Anrechnungsbetrages wird auf die dem Schreiben vom 30. Oktober 2000 anliegende Tabelle verwiesen.

Mit Schreiben vom 30. November 2000, dem Bevollmächtigten der Kläger erstmals zugegangen per Telefax am 16. Januar 2001, lehnte der Beklagte den Antrag auf Anrechnung der Körperschaftsteuer ab.

Am 16. Januar 2001 legten die Kläger - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - hiergegen Einspruch ein. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 bestellte sich der Klägervertreter für den Nachlass des M und begründete den Einspruch damit, dass die Nichtanrechnung der Körperschaftsteuer einer ausländischen Gesellschaft im deutschen Körperschaftsteueranrechnungsverfahren "offensichtlich" gegen die Grundfreiheiten der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit verstoße. Dabei wurde auf das Urteil des BFH vom 18. Februar 1998 (n.v.) Bezug genommen und ein korrigierter Abrechnungsbescheid beantragt. An diesen Antrag ist mit Kugelschreiber handschriftlich - wohl vom Beklagten - folgende Anmerkung hinzugefügt worden: "Das ist doch der gleiche Antrag wie vom 30. Oktober 2000".

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 wurde "die Erteilung von geänderten Abrechnungsverfügungen zu den Einkommensteuerfestsetzungen 1995, 1996 und 1997 des verstorbenen M" abgelehnt. Als Streitgegenstand ist angegeben: "Abrechnung zur Einkommensteuer 1995, 1996 und 1997". In der Begründung wird u.a. ausgeführt, dass das Begehren der Einspruchsführer dahingehend ausgelegt werde, dass sie die Erteilung von geänderten Anrechnungsverfügungen zu den Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1995, 1996 und 1997 und nicht den Erlass eines förmlichen Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO beantragten. Aufgrund der Gesetzeslage bestehe jedoch keine Veranlassung zur Gewährung der begehrten Körperschaftsteueranrechnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 verwiesen (befindlich in der Einkommensteuerakte des Beklagten).

Daraufhin erhoben die Kläger fristgerecht Klage. Sie beantragten mit Schriftsatz vom 24. Juni 2002 für 1995, 1996 und 1997 niederländische und dänische Körperschaftsteuer in der im Einzelnen angegebenen Höhe "auf die Einkommensteuer des verstorbenen M anzurechnen und infolge dessen zuzüglich der gesetzlichen Nachzahlungszinsen zu erstatten". U.a. führten die Kläger dabei klarstellend aus, dass mit dem Antrag vom 30. Oktober 2000 hauptsächlich der Erlass eines Abrechnungsbescheides begehrt werde, in welchem die dort genannten ausländischen Körperschaftsteuern nach § 36 EStG in Verbindung mit dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot angerechnet werden.

Infolge des richterlichen Hinweises des seinerzeit zuständigen Berichterstatters vom 2. Januar 2003 erließ der Beklagte am 20. Februar 2003 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, in dem die begehrte Körperschaftsteueranrechnung abgelehnt wurde.

Nachdem sowohl die Kläger als auch der Beklagte zum Zwecke der Beschleunigung der Sache auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten, erging am 24. Juni 2004 der Beschluss des erkennenden Senats mit dem dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde:

"Ist § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung), wonach nur die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet wird, mit Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 a und Abs. 3 EGV vereinbar?"

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 24. Juni 2004 verwiesen (Bl. 129 ff. der FG-Akte).

Am 7. Januar 2005 erweiterten die Kläger ihre Klage. Sie beantragten "nunmehr, folgende ausländische Körperschaftsteuern in den Streitjahren 1995-1997 auf die Einkommensteuer des verstorbenen M anzurechnen und in Folge dessen zuzüglich der gesetzlichen Nachzahlungszinsen zu erstatten ...".

Bei den im Einzelnen näher ausgeführten Anrechnungsbeträgen handelte es sich - neben den bereits streitigen Anrechnungsbeträgen auf niederländische und dänische Dividenden - um solche, die Dividenden aus Norwegen, Kanada, Neuseeland, Schweiz, USA Federal Income Tax, USA State Income Tax, EK 01 Ausschüttung der FAG Kugelfischer AG und EK 01 Dividenden der Continental AG betreffen.

Mit Urteil vom 6. März 2007 hat der EuGH die Vorlagefrage dahingehend beantwortet, dass die Artikel 56 EG und 58 EG dahin auszulegen seien, dass sie einer Steuerregelung entgegenstünden, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift komme, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet werde, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat habe, nicht aber dann, wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat habe. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Urteil des EuGH vom 6. März 2007 Bezug genommen (C-292/04 -Meilicke, Slg. 2007, I-1835).

Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2007 (eingegangen am 29. Mai 2007) trugen die Kläger vor, dass sie das Urteil des EuGH vom 6. März 2007 veranlasse, den Klageantrag neu zu formulieren und inhaltlich nochmals über den Antrag vom 7. Januar 2005 hinaus zu erweitern. Sie würden nunmehr beantragen, die im Einzelnen angeführten und näher bezifferten ausländischen Körperschaftsteuern in den Streitjahren 1995 bis 1997 auf die Einkommensteuer des verstorbenen M anzurechnen und in Folge dessen zu erstatten. Es handele sich dabei um die Körperschaftsteuern auf Dividenden aus den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, Kanada, Neuseeland, Schweiz, USA Federal Income Tax, USA State Income Tax, EK 01 Ausschüttung der FAG Kugelfischer AG, EK 01 Dividende der Continental AG und nunmehr auch aus Dividenden aus Frankreich (zuzüglich Avoir Fiscal), Großbritannien, Australien, Südafrika. Des weiteren würden sie, die Kläger beantragen, auf die resultierende Einkommensteuererstattung Zinsen festzusetzen.

II. Zulässigkeit und Gegenstand der Klage

Die Kläger tragen zur Frage der Zulässigkeit der Klage vor, dass sie anlässlich der Einwendungen des Beklagten ihr Klagebegehren dahingehend präzisieren würden, dass die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer durch eine Erhöhung des in den Einkommensteuerbescheiden auf der Seite 1, in der Zeile "Körperschaftsteuer, französische Steuergutschrift" angegebenen Betrags (im von den Klägern beispielhaft vorgelegten Einkommensteuerbescheid 1995 pink markiert, befindlich in der Finanzgerichtsakte im Anlagenhefter zum klägerischen Schriftsatz vom 23. November 2007, Anlage 1) geschehen solle. Hilfsweise solle dies durch Erhöhung des "Steuerabzugs für ausländische Einkünfte" (orange markiert) auf Seite 2 des Einkommensteuerbescheides im Rahmen der Berechnung der Einkommensteuer erfolgen. Des weiteren werde beantragt, die in den Einkommensteuerbescheiden angeführten Beträge "Einkünfte aus Kapitalvermögen", Untertitel "Einnahmen" (blau markiert) um die anzurechnenden Körperschaftsteuern zu erhöhen und in Folge dessen auch die festgesetzte Einkommensteuer (gelb markiert) zu erhöhen, und zwar gleichzeitig mit der Durchführung der Anrechnung der Körperschaftsteuer. Schließlich werde beantragt, aus der Differenz zwischen der zu Gunsten der Kläger anzurechnenden Körperschaftsteuer und der zu Lasten der Kläger festzusetzenden höheren Einkommensteuer die Unterschiedsbeträge zu ermitteln, festzusetzen und zu erstatten (grün markiert, "demnach zu viel gezahlt").

Die Klage sei zulässig und zwar sowohl hinsichtlich des Abrechnungsbescheides als auch hinsichtlich der Änderung der Steuerfestsetzungen.

Ihr am 30. Oktober 2000 gestellter Antrag sei dahingehend zu verstehen, dass sie in erster Linie die Änderung der in den Einkommensteuerbescheiden aufgeführten Zeilen "Körperschaftsteuer und französische Steuergutschrift" durch Erhöhung der Anrechnung um die Körperschaftsteueranrechnungsbeträge begehrten. Darin sei ein Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides zu sehen. Zugleich sei der Antrag vom 30. Oktober 2000 auch als Antrag zu verstehen, die Steuerfestsetzung zu ändern.

Im Verlauf des Verfahrens hätten sie zwar präzisiert, dass sie auch den in den Steuerbescheiden liegenden Abrechnungsbescheid anfechten würden; darin liege aber keine Rücknahme des Einspruchs gegen die Steuerfestsetzung.

Die Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 stelle damit eine Entscheidung über den schon am 30. Oktober 2000 beantragten und unter dem 30. November 2000 abgelehnten Abrechnungsbescheid dar. Der Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 2002 stelle damit nur eine Klarstellung dar. Auf die Frage ob der am 20. Februar 2003 erlassene Abrechnungsbescheid nach § 68 FGO an die Stelle der Einspruchsentscheidung getreten sei, komme es deshalb nicht an, weil Gegenstand des Klageverfahrens gerade auch der Antrag auf Erlass des ausstehenden Abrechnungsbescheides gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch die Änderung der Steuerfestsetzung Gegenstand des Klageverfahrens. Bei jedem Antrag auf Anrechnung inländischer oder ausländischer Körperschaftsteuer durch Abrechnungsbescheid werde sowohl eine Änderung der Zeile "Körperschaftsteuer" auf Seite 1 des Einkommensteuerbescheides, die das steuerliche Erhebungsverfahren betreffe, als auch eine Änderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die die Festsetzung der Einkommensteuer betreffe, begehrt. Dies ergebe sich aus den materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Zusammenhängen zur Anrechnung zusätzlicher Körperschaftsteuer und Festsetzung von zusätzlicher Einkommensteuer.

Der Beklagte trägt - erstmals mit Schreiben vom 19. April 2005 - vor, dass die Klage aus verfahrensrechtlichen Gründen unbegründet sei. Eine Körperschaftsteuergutschrift setze voraus, dass in gleicher Höhe Einnahmen angesetzt würden. Die Berücksichtigung der begehrten Körperschaftsteueranrechnungsbeträge im Rahmen der Erfassung des zu versteuernden Einkommens sei indessen in den hier streitigen Zeiträumen 1995-1997 nicht mehr möglich. Denn mangels Beantragung der Änderung der Steuerfestsetzung stehe die inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung einer Änderung der Einkommensteuerbescheide 1995-1997 entgegen.

Die eindeutigen Erklärungen und die Präzisierung der Anträge durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger sowie die Tatsache, dass die Kläger anwaltlich beraten seien, lasse keine dahingehende Auslegung des Klagebegehrens zu, dass die Änderung der Anrechnungsverfügung und auch der Steuerfestsetzung begehrt werde.

Darüber hinaus trägt der Beklagte - erstmals mit Schriftsatz vom 6. August 2007 - vor, dass die Klage unzulässig sei. Gegenstand des Klageverfahrens seien die Anrechnungsverfügungen zur Einkommensteuer 1995, 1996 und 1997 über die Anrechnung von dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer 1995, 1996 und 1997. Der Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 2003 könne die Anrechnungsverfügung nicht nach § 68 FGO ersetzen, weil der Regelungsinhalt des Abrechnungsbescheides mit dem der Anrechnungsverfügung nicht identisch sei. Der Abrechnungsbescheid sei somit nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Mit dem Abrechnungsbescheid entfalle das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtung der Anrechnungsverfügungen.

Der Beklagte regt an, über die Zulässigkeit des ursprünglichen Klageantrags durch Zwischenurteil gemäß § 97 FGO zu entscheiden.

III. Höhe der anzurechnenden Körperschaftsteuer

Die Kläger tragen vor, dass die Höhe der Körperschaftsteueranrechnung nicht als durch den EuGH geklärt anzusehen sei. Der EuGH habe zwar im Meilicke-Urteil (vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835 Rn. 15, 16) bestätigt, dass bei der Berechnung einer Steuergutschrift für einen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Aktionär die von der im Ausland ansässigen Gesellschaft tatsächlich entrichtete Steuer berücksichtigt werden müsse, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlage anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der Körperschaftsteuer im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft ergebe (ebenso schon Rn. 54 des Manninen-Urteils).

Ungeklärt sei dabei aber, ob der abstrakte Ausschüttungs-Körperschaftsteuersatz des Ansässigkeitsstaates anzurechnen sei, oder ob eine Art Gliederungsrechnung für die ausländische Gesellschaft über die Belastung des für Gewinnausschüttungen verwendeten Eigenkapitals i.S.d. § 30 KStG a.F. aufzustellen sei. Diese Frage sei unter Berücksichtigung des Zwecks des deutschen körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens zu beantworten. Zweck des deutschen körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens sei nicht die Anrechnung von 3/7 der Dividende als Selbstzweck gewesen, sondern die Sicherstellung, dass Inlandseinkünfte nur einmal besteuert würden, und zwar in Höhe des individuellen Einkommensteuersatzes der einzelnen Anteilseigner. Darum sei der EuGH ihres Erachtens dahingehend zu verstehen, dass für die Anrechnung auf einen Betrag abzustellen sei, der sich aus der Anwendung des im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft geltenden Körperschaftsteuersatzes auf die Ausschüttung ergebe, und nicht auf die tatsächlich von der ausschüttenden Gesellschaft an ihren Ansässigkeitsstaat gezahlte Körperschaftsteuer.

Dieses Verständnis finde eine Stütze in Rn. 16 und 22 des Meilicke-Urteils. Hierin stelle der EuGH klar, dass bei Dividenden aus Dänemark die Höhe der Körperschaftsteuergutschrift 34/66 betrage, weil der dänische Körperschaftsteuersatz in den betreffenden Jahren 34 % betragen habe und bei Dividenden aus den Niederlanden die Höhe der Körperschaftsteuergutschrift 35/65 bei einem niederländischen Steuersatz von 35 % betrage. Da dem EuGH die vollständigen Steuerakten mit den Namen der dänischen und niederländischen Gesellschaften vorgelegen hätten, sei es unwahrscheinlich, dass ihm entgangen sein könne, dass die Dividenden, welche M aus Dänemark und den Niederlanden empfangen habe, teilweise von Holding Gesellschaften gezahlt worden seien, welche einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte von in- und ausländischen Tochtergesellschaften erhalten hätten, welche auch Körperschaftsteuer zahlen würden, während die ausschüttende dänische bzw. niederländische Holding-Gesellschaft im Wesentlichen nach der Anrechnungs- und/oder der Freistellungsmethode besteuert werde und deshalb selbst nur geringe Körperschaftsteuer zahle.

Die Annahme, bei Dividenden von ausländischen Gesellschaften sei nur die von der ausschüttenden Gesellschaft selbst, nicht die von ihren Tochtergesellschaften entrichtete Körperschaftsteuer zu berücksichtigen, widerspreche den Rechtsgrundsätzen, welche der EuGH im Urteil Test Claimants( Urteil vom 12. Dezember 2006, Rs. C-446/04, Slg. 2006, I-11753) entwickelt habe. Dort habe er ausgeführt, dass eine britische Gesellschaft ATC Credit für ihre eigenen Ausschüttungen auch auf Dividenden erhalten müsse, die sie von ausländischen Tochtergesellschaften erhalte.

Die Annahme, dass nur die von der ausschüttenden Gesellschaft selbst tatsächlich entrichtete Steuer anzurechnen sei, stehe auch im Widerspruch zur deutschen Rechtslage. Jedenfalls bei Streubesitzinhabern, wie M, hänge die Anrechnung deutscher Körperschaftsteuer nicht davon ab, ob die auf der Dividendenausschüttung lastende und bescheinigte inländische Körperschaftsteuer von der inländischen ausschüttenden Gesellschaft tatsächlich gezahlt worden sei (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BStBl II 1994, 191).

Angesichts des Diskriminierungsverbots müsse für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer das gleiche gelten wie für die Anrechnung inländischer Körperschaftsteuer.

Bei der Anrechnung inländischer Körperschaftsteuer sei es nicht erforderlich, dass der anrechnungsberechtigte Anteilseigner nachweise, dass die bescheinigte Körperschaftsteuer von der ausschüttenden inländischen Körperschaft tatsächlich entrichtet worden sei. Die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG anrechenbare Körperschaftsteuer stehe in einem festen Verhältnis (9/16 bis 31. Dezember 1993, 3/7 ab 1. Januar 1994) zur Höhe der Beteiligungserträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (Urteil des BFH vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BStBl II 1994, 191, Abschn. II.5.). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG a.F. müsse nur die nach dem festen Verhältnis berechnete Körperschaftsteuer bescheinigt werden, nicht aber deren Festsetzung durch das Finanzamt. Zwischen der von der inländischen Körperschaft oder ihren inländischen Untergesellschaften entrichteten und der beim Anteilseigner anzurechnenden inländischen Körperschaftsteuer bestehe, nach der Rechtsprechung des BFH, nur ein vom Gesetzgeber gedanklich angenommener, aber kein tatsächlicher Zusammenhang. Die Anrechnung werde vom Anteilseigner vorgenommen, weil der Gesetzgeber bei inländischen Körperschaftsteuergutschriften eine entsprechende Steuerbelastung der ausschüttenden Körperschaft unterstelle.

Dies zeige sich daran, dass nicht etwa die inländische Körperschaftsteuergutschrift reduziert worden sei, wenn inländische Einkünfte mit einem Körperschaftsteuersatz belastet gewesen seien, welcher unter der normalen Körperschaftsteuer-Ausschüttungsbelastung gelegen habe (3/7 ab 1. Januar 1994). Vielmehr habe § 32 Abs. 2 Nr. 1 KStG a.F. für diesen Fall vorgeschrieben, dass ermäßigt mit inländischer Körperschaftsteuer belastetes verwendbares Eigenkapital in einen in Höhe der Ausschüttungsbelastung belasteten Eigenbetrag und einen nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag aufzuteilen sei. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 KStG a.F. habe immer das am höchsten mit Körperschaftsteuer belastete verwendbare Eigenkapital als ausgeschüttet gegolten.

Bei Gewinnausschüttungen von inländischen Gesellschaften werde nicht nur die inländische Körperschaftsteuer angerechnet, welche die ausschüttende inländische Gesellschaft selbst tatsächlich entrichtet habe, sondern auch diejenige inländische Körperschaftsteuer, welche auf Dividendeneinnahmen laste, die die ausschüttende inländische Gesellschaft von einer ununterbrochenen Kette inländischer Untergesellschaften empfangen habe. Bei inländischen Körperschaftsteuergutschriften sei es also nicht erforderlich gewesen, dass die ausschüttende Körperschaft die angerechnete Körperschaftsteuer selbst entrichtet habe.

Da ein Steuerpflichtiger bei inländischen Körperschaftsteuergutschriften nicht den Nachweis zu führen brauche, dass die angerechnete Körperschaftsteuer auch bezahlt worden sei, dürfe angesichts des Diskriminierungsverbots für ausländische Körperschaftsteuergutschriften nichts anderes gelten.

Vor diesem Hintergrund werde zur tatsächlichen Zahlung der anzurechnenden ausländischen Körperschaftsteuer ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH angeregt.

Soweit der Beklagte unter Berufung auf Art. 56 EG vortrage, dass die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf den Betrag deutscher Einkommensteuer begrenzt sei, der auf die ausländische Bruttodividende entfalle, sei dies nicht nachvollziehbar. Zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer nach den Urteilen Manninen(vom 7. September 2004, Rs. C-319/02, Slg. 2004, I-7477), Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) und Test Claimants(vom 12. Dezember 2006, Rs. C-446/04, Slg. 2006, I-11753) sei Deutschland nicht deshalb verpflichtet, weil es eine Doppelbesteuerung vermeiden müsse, sondern deshalb, weil Deutschland Auslandsdividenden nicht nachteiliger besteuern dürfe, als Inlandsdividenden. Bei Inlandsdividenden würde die Anrechnung von Körperschaftsteuer aber nicht auf den Einkommensteuertarif begrenzt, dem der Dividendenempfänger unterliege. Dies müsse auch bei Auslandsdividenden so sein. Die sich insoweit ergebende Rechtsfrage sei für die Entscheidung des Streitfalls erheblich, weil die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer den Betrag deutscher Einkommensteuer, der bei M auf die ausländische Bruttodividende entfalle, teilweise übersteige.

Für die Begrenzung der Körperschaftsteueranrechnung auf die auf die Dividende entfallende Einkommensteuer bestehe auch deshalb keine Veranlassung, weil die von ausländischen Muttergesellschaften nach Deutschland geleisteten Ausschüttungen zu einem erheblichen Teil auch mit deutscher Körperschaftsteuer vorbelastet seien, weil diese ausländischen Muttergesellschaften in Deutschland große Tochtergesellschaften unterhielten, welche deutsche Körperschaftsteuer gezahlt hätten. Dass die Gruppenbesteuerung eines Mitgliedstaates aber nicht danach unterscheiden dürfe, ob Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft über eine inländische oder eine ausländische Zwischengesellschaft gehalten würden, ergebe sich jüngst auch aus dem Papillon-Urteil des EuGH (vom 27. November 2008, C-418/07, IStR 2009, 66, insbes. Rn. 32).

Allenfalls wäre es vorstellbar, dass bei der Anrechnung der Körperschaftsteuer aus Auslandsdividenden zwischen Körperschaftsteuer-Vorbelastung aus deutscher und ausländischer Körperschaftsteuer zu unterscheiden und für die deutsche Körperschaftsteuer-Vorbelastung eine Anrechnung mit Erstattung zu gewähren, während die ausländische Körperschaftsteuer-Vorbelastung zu einer Anrechnung ohne Erstattung führen würde. Allerdings bestünden dann hinsichtlich der ohne Erstattungsmöglichkeit anzurechnenden ausländischen Körperschaftsteuer in Anlehnung an die am 3. Oktober 2008 dem EuGH vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz (Österreich), C-436/08 (Haribo) und C-437/08 (Österreichische Salinen) europarechtliche Bedenken.

Es sei darauf hinzuweisen, dass die von M empfangenen Auslandsdividenden in erheblicher Höhe auch mit deutscher Körperschaftsteuer vorbelastet gewesen seien. So gut wie alle Auslandsgesellschaften, von denen M Dividenden bezogen habe, hätten nämlich deutsche Tochtergesellschaften gehabt, die ihre deutschen Einkünfte der deutschen Körperschaftsteuer unterworfen und nach Abzug der deutschen Ausschüttungsbelastung an ihre ausländische Muttergesellschaft ausgeschüttet hätten (z.B. Royal Dutch Shell, ING, Unilever).

Der Beklagte trägt dagegen vor, dass es für die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf die effektive Belastung der Dividenden mit ausländischer Körperschaftsteuer und nicht auf den nominalen Körperschaftsteuersatz des Sitzstaats der ausländischen ausschüttenden Gesellschaft ankomme. Aus den Urteilen der Rechtssachen Manninen(vom 7. September 2004, Rs. C-319/02, Slg. 2004, I-7477 Rn. 54) und Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835 Rn. 22) ergebe sich, dass zur Vermeidung bzw. Abmilderung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nur die festgesetzte und gezahlte Körperschaftsteuer anzurechnen sei. Eine andere Sichtweise wäre mit dem Sinn und Zweck des Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens auch gar nicht vereinbar.

Die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer sei zudem auf den Betrag der deutschen Einkommensteuer begrenzt, der auf die ausländische Bruttodividende entfalle. Die Bundesrepublik Deutschland sei aufgrund der Urteile in den Rechtssachen Manninen(vom 7. September 2004, C-319/02, Slg. 2004, I-7477) und Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) nur insoweit zur Beseitigung bzw. Abmilderung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei Dividendenzahlungen aus Art. 56 EG verpflichtet, als die wirtschaftliche Doppelbesteuerung des Anteilseigners durch eine deutsche Steuerbelastung verursacht werde. Insoweit werde auf die Ausführungen des EuGH in den Urteilen Amurta(vom 8. November 2007, Rs. C-379/05, Slg. 2007, I-9569, Rn. 71) und Orange European Small Cap Fund NV(vom 20. Mai 2008, Rs. C-194/06 -, Slg. 2008, I-3747, Rn. 42 und 43) verwiesen. Sollte nach der Anrechnung - begrenzt auf die Höhe der deutschen Steuerbelastung - noch eine Doppelbesteuerung vorliegen, sei der Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft zur Abmilderung der Doppelbesteuerung verpflichtet. Sollte auch danach noch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht vollständig beseitigt sein, könne dies nur in dem Nebeneinander verschiedener Steuerverwaltungen und unterschiedlicher Körperschaftsteuersysteme begründet sein. Dies stelle für sich genommen jedoch keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages dar.

Entgegen des Klägervortrags könne dem Test Claimants-Urteil des EuGH (vom 12. Dezember 2006, C-446/04, Slg. 2006, I-11753) nicht entnommen werden, dass im Gegensatz zu den Aussagen des EuGH in Rn. 22 des Meilicke-Urteils (vom 6. März 2007, C-292/04, a.a.O.) für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer nicht auf die tatsächlich entrichtete Steuer abzustellen sei. Die dem Test Claimants-Urteil zugrunde liegende Problematik betreffe allenfalls die sogenannte "Weiterreichung" des Anrechnungsguthabens.

Soweit die Kläger vortragen würden, dass es sich bei einem Großteil der Dividenden um Dividenden aus inländischen Enkelgesellschaften handele, sei dies eine bloße Behauptung.

IV. Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung als Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer

1. Grundsätzliches (Vorlage dem Grunde nach)

Die Kläger tragen vor, dass der Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auch ohne Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 3 b EStG a.F. i.V.m. §§ 44-46 KStG a.F. bestehe.

Bis heute gebe es kein amtlich vorgeschriebenes Muster für eine solche Bescheinigung im Falle ausländischer Dividenden. Der "Effet utile" des Gemeinschaftsrechts verbiete es jedoch, dass Deutschland sich seinen Verpflichtungen aus den Urteilen Manninen(vom 7. September 2004, C-319/02, Slg. 2004, I-7477) und Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) dadurch entziehen könne, dass kein amtliches Muster für die Körperschaftsteuergutschriften auf Auslandsdividenden zur Verfügung gestellt werde.

Der Anspruch auf Körperschaftsteuergutschrift auf Auslandsdividenden ergebe sich aus dem bereits zur Einkommensteuer veranlagten Betrag der steuerpflichtigen Auslandsdividende und dem abstrakten ausländischen Körperschaftsteuersatz, wie er aus allgemein zugänglichen Quellen ermittelt werden könne.

Dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Vorlage der Körperschaftsteuerbescheinigung" würde bei Auslandsdividenden die Erklärung des Anrechnungsgläubigers, die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuern zu beanspruchen, entsprechen.

Sollte eine Körperschaftsteuerbescheinigung hingegen erforderlich sein, stelle sich die Frage, welche formellen Anforderungen noch nachträglich an die Nachweise für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuern zu stellen seien. Insbesondere stelle sich die Frage, ob noch förmliche Körperschaftsteuerbescheinigungen mit den Haftungsfolgen des § 44 Abs. 5 KStG a.F. verlangt werden könnten, nachdem die normalen Aufbewahrungsfristen der ausschüttenden in- und ausländischen Körperschaften für gezahlte ausländische Körperschaftsteuern längst abgelaufen seien. Würden hier überzogene Anforderungen an die Steuerpflichtigen gestellt, läge ein Verstoß gegen den "Effet utile" des europäischen Gemeinschaftsrechts vor, da die Bundesrepublik Deutschland dann inländische Körperschaftsteuergutschriften gegenüber ausländischen dadurch bevorzugen würde, dass für ausländische Körperschaftsteuergutschriften erst 10 bis 20 Jahre später die Anforderungen an den Nachweis bekannt gegeben worden seien.

Hinzu komme, dass weder das deutsche noch das auf die ausländische ausschüttende Gesellschaft anwendbare Recht eine Verpflichtung der ausländischen Gesellschaften vorsehe, einem im Deutschland ansässigen Empfänger einer Dividende eine Körperschaftsteuerbescheinigung auszustellen.

Es werde angeregt, den EuGH im Wege der Vorlagefrage zu fragen, ob es europarechtlich zulässig sei, die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer von der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. abhängig zu machen.

Für den Fall, dass der EuGH diese Frage verneine, werde angeregt, den EuGH zu der Frage zu ersuchen, welche Nachweise den Anteilsinhabern, die von Deutschland die Umsetzung der Rechtsprechung in den Rechtssachen Manninen(vom 7. September 2004, C-319/02, Slg. 2004, I-7477) und Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) begehrten, zumutbar seien. Dabei könne gefragt werden, ob Deutschland auf die Amtshilferichtlinie bzw. auf den Auskunftsaustausch nach etwaigen Doppelbesteuerungsabkommen zu verweisen sei und ob bei einer etwaigen Schätzung zu Gunsten der Anteilseigner zu berücksichtigen sei, dass es auch bei ausländischen börsennotierten Gesellschaften nur theoretisch, nicht aber tatsächlich zu einer Ausschüttung von Dividenden zu kommen gepflegt habe, deren Vorbelastung mit in- und ausländischer Körperschaftsteuer niedriger als die Ausschüttungsbelastung gewesen sei.

Der Beklagte trägt dagegen vor, dass das Erfordernis der Vorlage einer Steuerbescheinigung i.S.d. §§ 44 ff. KStG nicht entbehrlich sei.

Der Antrag auf Anrechnung einer Auslandsdividende könne entgegen der Auffassung der Kläger nicht als "Vorlage der Körperschaftsteuerbescheinigung" i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 b EStG gelten. Im Vergleich zur Behandlung bei Dividendenbezug von einer inländischen ausschüttenden Körperschaft komme diese Forderung einem Verzicht auf die Vorlage einer Steuerbescheinigung bei ausländischen ausschüttenden Körperschaften gleich. Eine solche Ungleichbehandlung stehe jedoch - bezogen auf rein inländische Sachverhalte - in einem Widerspruch zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Vorlage einer Steuerbescheinigung sei eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anrechnung von Körperschaftsteuer, auf die nicht verzichtet werden könne. Es handele sich hierbei um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, auf das nicht einmal in Schätzungsfällen verzichtet werden könne.

Erstmals mit Schriftsatz vom 6. August 2007 hat der Beklagte vorgetragen, dass die Auffassung der Kläger, dass die Vorlage einer Steuerbescheinigung mangels Veröffentlichung eines amtlichen Musters nicht möglich sei, nicht nachvollziehbar sei. Das für inländische Dividenden zu verwendende amtliche Muster (zuletzt: BMF Schreiben vom 20. Februar 2001, BStBl I 2001, 235) könne in den Fällen der grenzüberschreitenden Körperschaftsteueranrechnung gleichermaßen verwendet werden.

2. Vorgelegte Bescheinigungen (Anforderungen an die Bescheinigung)

Im Laufe des Klageverfahrens haben die Kläger "Jahressteuerbescheinigungen" für 1995 bis 1997 der F Bank (Niederlande) eingereicht. Sie sind betitelt mit "Jahressteuerbescheinigung 1995 (bzw. 1996 und 1997) gemäß § 45 KStG, in Anwendung des EuGH-Urteils vom 6. März 2007, Rs. C-292/04 (Meilicke) für M, Depot-Nr. 26.40.87.712". In der Bescheinigung sind jeweils angegeben: Ausschüttende Gesellschaft, Auszahlungsdatum, Höhe der Brutto-Dividende und Höhe der "nach Manninen/Meilicke anrechenbare Körperschaftsteuer". Die Bescheinigungen sind von S unterschrieben. Wegen der Einzelheiten wird hierauf verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 9. September 2008 haben die Kläger Jahressteuerbescheinigungen der D Bank vom 11. August 2008 für die dänischen Dividenden für die Jahre 1995 und 1996 überreicht. Die Bescheinigungen sind betitelt mit "Jahressteuerbescheinigung 1995 (bzw. 1996) gemäß § 45 KStG in Anwendung des EuGH-Urteils vom 6. März 2007, Rs. C-292/04 (Meilicke)" jeweils für die U GmbH. Diese U GmbH hielt die entsprechenden Beteiligungen treuhänderisch für M. In den Bescheinigungen sind jeweils aufgelistet, die ausschüttende Gesellschaft, Auszahlungsdatum, Bruttodividende, die nach Manninen/Meilicke anrechenbare Körperschaftsteuer. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bankbescheinigungen der D Bank verwiesen. Wegen der Einzelheiten zum Treuhandverhältnis zwischen M und der U GmbH wird auf die Treuhandvereinbarung vom .... verwiesen.

Die Kläger haben auch ein Schreiben der C vom ...., der A vom .... und der E vom .... vorgelegt, die die Erteilung einer Körperschaftsteuerbescheinigung jeweils mangels geklärter Rechtslage abgelehnt haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der C, der A und der E verwiesen.

Der Beklagte hat hingegen ein Schreiben des Belastingdienst N vom .... eingereicht (in niederländischer Sprache) betreffend die steuerliche Belastung der Firma R. Sinngemäß wird darin zum Ausdruck gebracht, dass der Körperschaftsteuertarif der Gesellschaften nicht bescheinigt werden könne, jedoch der allgemeine Tarif z.B. in den Jahren 1988 bis 2001 35 % betragen habe. Wegen der Einzelheiten wird hierauf verwiesen.

Die Kläger tragen in diesem Zusammenhang vor, dass der Beklagte erstmals im Schriftsatz vom 6. August 2007 die Auffassung vertrete habe, dass das zuletzt im BMF-Schreiben vom 20 Februar 2001 (BStBl I 2001, 235) für inländische Körperschaftsteuerbescheinigungen veröffentlichte Muster gleichermaßen für grenzüberschreitende Fälle verwendet werden könne. Allerdings sei problematisch, dass dieses Muster auf inländische Dividenden zugeschnitten sei.

Sie, die Kläger, hätten sich gleichwohl bemüht, entsprechende Bescheinigungen über ausländische Körperschaftsteuer zu besorgen. Diese Bemühungen würden sich jedoch außerordentlich schwierig gestalten und seien nur teilweise erfolgreich gewesen. Überwiegend hätten sie trotz entsprechender Anfragen keine Körperschaftsteuerbescheinigungen erhalten. So hätten sie beispielsweise Mitte November 2008 insgesamt 72 US-amerikanische Gesellschaften, von denen M Dividenden bezogen habe, um Erteilung einer Körperschaftsteuerbescheinigung gebeten. Nur 15 Gesellschaften hiervon hätten überhaupt geantwortet. Und wiederum nur 4 hiervon hätten die erbetenen Körperschaftsteuerbescheinigungen erteilt.

Zahlreiche Aussteller von Körperschaftsteuerbescheinigungen seien im Ungewissen darüber, ob und unter welchen Umständen sie für auf Auslandsdividenden lastende deutsche und ausländische Körperschaftsteuer eine solche Bescheinigung ausstellen dürften, und verweigerten darum die Ausstellung der Bescheinigung.

Das deutsche Recht gewähre den inländischen Anteilseignern in ihrer Situation nicht einmal ein einklagbares Recht gegen die ausschüttende Körperschaft auf Ausstellung einer dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Bescheinigung.

Erfolg sei ihnen allerdings beschieden worden für die Anrechnung der niederländischen Körperschaftsteuer gemäß Klageantrag für 1995, 1996 und 1997 durch die F Bank.

Der Einwand des Beklagten, die Vorbelastung der niederländischen Dividenden mit Körperschaftsteuer betrüge nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen und unter Berücksichtigung der Rechtslage in den Niederlanden nicht einheitlich 35 %, zumal mangels Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens in den Niederlanden auch keine einheitliche Ausschüttungsbelastung von 35 % hergestellt worden sein könne, sei nicht überzeugend. Denn der Beklagte verkenne, dass für die Frage der Berechnung der Vorbelastung der niederländischen Dividenden mit niederländischer Körperschaftsteuer § 32 KStG a.F. entsprechend anzuwenden sei. Das führe dazu, dass die für die Körperschaftsteueranrechnung erforderliche Vorbelastung der niederländischen Dividenden mit niederländischer Körperschaftsteuer nach dem Tarif von 35 % erst ende, nachdem die ausschüttenden niederländischen Gesellschaften sämtliche seit dem 1. Januar 1977 versteuerten, aber bisher nicht ausgeschütteten Gewinne ausgeschüttet hätten. Solange die Ausschüttungen der Jahre 1977 bis 1997 nicht mehr als 65/35 der in den Jahren 1977 bis 1997 gezahlten Körperschaftsteuer betrügen, reiche die Vorbelastung für die von F bescheinigte Körperschaftsteuer aus. Da Publikumsgesellschaften regelmäßig höchstens 50 % ihres Gewinns auszuschütten pflegen würden, spreche die Lebenserfahrung dafür, dass die streitigen niederländischen Dividenden mit Körperschaftsteuer vorbelastet gewesen seien.

Daher habe auch die bescheinigende Bank aus eigener Kenntnis über das Ausschüttungsverhalten der Körperschaften beurteilen können, dass die Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuer unter analoger Anwendung der in § 32 KStG a.F. angeordneten Aufteilung ermäßigt belasteter Eigenkapitalanteile dazu führe, dass die bescheinigten Dividenden mit "tatsächlich entrichteter" Körperschaftsteuer belastet gewesen seien.

Der Beklagte nenne keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die davon abweichenden und von ihm behaupteten "allgemeinen Erfahrungsgrundsätze", auf welche er sich berufe.

Dagegen liege es neben der Sache, wenn der Beklagte sich darauf berufe, dass das niederländische Steuerrecht nicht vom handelsbilanziellen Ergebnis eines Wirtschaftsjahres ausgehe, und dass darum die Körperschaftsteuer, welche auf dem nach niederländischem Handelsrecht ermittelten ausschüttungsfähigen Gewinn laste, nicht exakt dem allgemeinen niederländischen Körperschaftsteuertarif von 35 % entsprechen würde. Dabei verkenne der Beklagte, dass es für die Körperschaftsteuergutschrift weder nach den §§ 28 Abs. 3, 30, 32 KStG a.F. noch nach Rn. 15 des Meilicke-Urteils des EuGH (vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) auf den Prozentsatz ankomme, mit dem die Handelsbilanzgewinne der ausländischen Körperschaft durchschnittlich mit Körperschaftsteuer belastet seien.

Für die Anregung des Beklagten, die Unterlagen der F Bank oder der ausschüttenden Gesellschaften zwecks Berechnung des begehrten Anrechnungsbetrages aus einer Eigenkapitalgliederung beizuziehen, bestehe weder eine Rechtsgrundlage noch eine sonstige Veranlassung. Die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer unterliege denselben verfahrensrechtlichen Grundsätzen wie die Anrechnung inländischer Körperschaftsteuer. Für die Anrechnung inländischer Körperschaftsteuer habe der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass die Unterlagen der ausschüttenden Kapitalgesellschaft im Verfahren der Körperschaftsteueranrechnung beim Dividendenempfänger nicht beizuziehen seien, sondern dass der bloß gedankliche Zusammenhang zwischen Ausschüttung und inländischer Körperschaftsteuerbelastung genüge ( BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BStBl II 1994, 191). Bei inländischen Körperschaftsteuerbescheinigungen bräuchten Anteilseigner nicht zusätzlich zu der Vorlage der Bescheinigung nach amtlichem Muster nachzuweisen, dass die Körperschaftsteuerbescheinigung inhaltlich richtig sei. Es sei nicht einzusehen, warum dies bei der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer anders sein solle. Anderenfalls bestünde eine Diskriminierung ausländischer Dividenden.

Für die Jahressteuerbescheinigungen der D Bank für die dänischen Dividenden würden die vorangegangenen Erwägungen entsprechend gelten.

Der Beklagte trägt zu den vorgelegten Bescheinigungen vor, dass die von den Klägern bislang vorgelegten Dokumente allesamt unrichtige Anrechnungsbeträge bescheinigen würden. Ungeachtet der Frage, ob die Vorlage einer Steuerbescheinigung materiell-rechtliche Voraussetzung für die Körperschaftsteuer sei, sei er nicht an deren Inhalt gebunden, sofern unrichtige Anrechnungsbeträge bescheinigt worden seien (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BStBl II 1995, 362). Inwieweit eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer zu erfolgen habe, bestimme sich einzig nach der Körperschaftsteuerbelastung der von der gebietsfremden Körperschaft ausgeschütteten Dividenden.

Zu den Jahressteuerbescheinigungen der F Bank trägt der Beklagte vor, dass hiermit offensichtlich der Eindruck erweckt werden solle, dass die Vorbelastung der niederländischen Dividenden mit Körperschaftsteuer einheitlich 35 % betrage. Die bescheinigte anrechenbare Körperschaftsteuer entspreche zwar rechnerisch dem damals in den Niederlanden geltenden Körperschaftsteuertarif i.H.v. 35 %, sie könne jedoch nicht der tatsächlich geschuldeten Körperschaftsteuer entsprechen. Der bescheinigte nominale Körperschaftsteuersatz erlaube keinen Rückschluss auf die tatsächliche Körperschaftsteuerbelastung der ausgeschütteten Dividenden.

Die Annahme, dass die in den vorgelegten Jahressteuerbescheinigungen bescheinigte Körperschaftsteuer nicht der tatsächlich geschuldeten Körperschaftsteuer entsprechen könne, ergebe sich nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen, den allgemeinen Denkgesetzen und unter Berücksichtigung der Rechtslage in den Niederlanden. Anders als die Bundesrepublik Deutschland verfügten die Niederlande über kein Körperschaftsteueranrechnungsverfahren und über keine Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, so dass grundsätzlich keine einheitliche Ausschüttungsbelastung von 35 % hergestellt worden sein könne. Der allgemeine Körperschaftsteuertarif entspreche regelmäßig nicht der Ausschüttungsbelastung. Etwas anderes gelte nur unter der Prämisse, dass handelsrechtlicher Gewinn und steuerlicher Gewinn identisch seien, was jedoch nicht der Fall sei. Es werde daher die Beiziehung der Unterlagen der ausstellenden Bank angeregt, die die Grundlage für die Bescheinigung der Vorbelastung i.H.v. 35 % gebildet hätten.

Zum Beleg dessen, dass insbesondere in den Niederlanden registrierte börsennotierte Gesellschaften regelmäßig nicht der Besteuerung nach dem allgemeinen Körperschaftsteuertarif unterlägen, werde auf die entsprechende Bestätigung des niederländischen Belastingdienst N betreffend die Firma R verwiesen. Dieses Schreiben bestätige, dass der Nominalsatz nicht der tatsächlichen Körperschaftsteuerbelastung entspreche. In diesem Schreiben werde sinngemäß darauf verwiesen, dass Steuersatz und Steuerbelastung des betroffenen Steuerpflichtigen gerade nicht bescheinigt werden könnten, sondern nur der reguläre Körperschaftsteuersatz in den Niederlanden.

Soweit es nach Auffassung der Kläger für die Ermittlung der Ausschüttungsbelastung nicht auf die handelsbilanziellen Ergebnisse, sondern auf das steuerpflichtige Einkommen ankommen solle, würden die Kläger die Tatsache verkennen, dass sich der ausschüttungsfähige Gewinn nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittele.

Mit dem Urteil vom 6. März 2007 habe der EuGH - entgegen der klägerischen Auffassung - auch keine Steuergutschrift in Höhe von 35/65 "gebilligt". Der EuGH habe entsprechend dem Ziel des Körperschaftsteueranrechnungssystems - Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung - lediglich den Rahmen für die Bemessung der Steuergutschrift vorgegeben.

Die vorgelegten "Jahressteuerbescheinigungen" würden folglich keinen ordnungsgemäßen Nachweis der ausländischen Körperschaftsteuerbelastung entsprechend der Meilicke- Entscheidung des EuGH (vom 6. März 2007, Rs. C-292/04, Slg. 2007, I-1835) darstellen, da dort offensichtlich keine "tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer" (im Sinne einer effektiven Körperschaftsteuerbelastung), sondern eine nominelle Körperschaftsteuerbelastung basierend auf dem allgemeinen Körperschaftsteuertarif bescheinigt worden sei.

V. § 175 AO

Die Kläger tragen vor, dass nach § 175 Abs. 2 Satz 2 AO die Vorlage oder Erteilung einer Steuerbescheinigung nicht mehr als rückwirkendes Ereignis gelte, wenn die Erteilung oder Vorlage nach dem 28.Oktober 2004 erfolge. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO sei eine bloße Fiktion im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung. Nach der Rechtsprechung des BFH sei hingegen die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ( BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897). § 175 Abs. 2 Satz 2 AO führe zu einer Diskriminierung ausländischer Dividenden im Verhältnis zu inländischen Dividenden.

Die Änderung des § 175 AO durch das Gesetz vom 9. Dezember 2004 (EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz) habe gezielt nur den Empfängern von Auslandsdividenden den Weg zur Körperschaftsteuergutschrift versperren sollen, während den Empfängern von Inlandsdividenden jedenfalls für den Regelfall der Anspruch auf Körperschaftsteuergutschrift über die sonstige Bestandskraft eines Steuerbescheides hinaus erhalten werden sollte. Dies werde durch die Übergangsvorschrift des Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO bestätigt. Dort werde angeordnet, dass § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.d.F. des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 nicht für die Bescheinigung der anrechenbaren Körperschaftsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen anzuwenden sei. Für Inlandsdividenden spiele die Behandlung der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung als rückwirkendes Ereignis aber nur noch bei verdeckten Gewinnausschüttungen eine praktische Rolle, da bei offenen Gewinnausschüttungen die Körperschaftsteuerbescheinigungen spätestens im Jahre 2002 erteilt und dem zuständigen Finanzamt längst vorgelegt worden seien. Von der Neuregelung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO seien deshalb regelmäßig ausschließlich die ausländischen Dividenden betroffen. In diesen Fällen gelte die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis. Dann finde auch § 175 As. 1 Satz 2 AO keine Anwendung, so dass die Änderung der Steuerfestsetzung und folglich auch die Körperschaftsteueranrechnung nicht mehr möglich seien.

Ratio legis der in Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO getroffenen Unterscheidung zwischen offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen sei die Tatsache, dass der Gesetzgeber beim körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren das Interesse an der Richtigkeit der Besteuerung höher einschätze als das Interesse an Rechtssicherheit durch baldige Bestandskraft. Bei verdeckten Gewinnausschüttungen, die eine inländische Körperschaftsteuergutschrift vermitteln würden, habe der Gesetzgeber unbillige Ergebnisse in den Fällen vermeiden wollen, in denen das Vorliegen einer Körperschaftsteuergutschrift problematisch erscheine, z.B. im Rahmen einer Außenprüfung erst nachträglich bekannt werde (so BT-Drucks. 15/4050; Nachweise bei Tipke/Kruse, AO, § 175 Tz. 49 b).

Diese Ratio legis spreche dafür, Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO auf die bis zum heutigen Tage streitigen Körperschaftsteuergutschriften für ausländische Körperschaftsteuer analog anzuwenden. Dann würde § 175 Abs. 2 Satz 2 AO darauf keine Anwendung finden. Der Rechtsgedanke, der zur Beibehaltung der Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO für Körperschaftsteuergutschriften auf verdeckte Gewinnausschüttungen geführt habe, gelte auch für ausländische Körperschaftsteuergutschriften. Denn auch hier bestünden große Unsicherheiten über die Höhe der Körperschaftsteuergutschriften. Angesichts dessen seien die hier streitgegenständlichen Gewinnausschüttungen im Wege der Auslegung als verdeckte Gewinnausschüttung i.S.v. Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO einzuordnen. Zwar spreche der Wortlaut hiergegen, da es sich bei den streitigen Dividenden um offene Gewinnausschüttungen handele. Die Auslegung erfolge jedoch nicht allein nach dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch nach deren Sinn und Zweck.

Die Sonderbehandlung von verdeckten Gewinnausschüttungen durch Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO belege, dass § 175 Abs. 2 Satz 2 AO speziell zur Abschaffung wohlerworbener Rechte aus der Manninen-Rechtsprechung des EuGH ( Urteil vom 7. September 2004, Rs. C-319/02, Slg. 2004, I-7477) geschaffen worden sei.

Wenn hingegen § 175 Abs. 2 Satz 2 AO und Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO nicht im vorgenannten Sinne auszulegen seien, bestehe eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit und ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes.

Wenn die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung auch für ausländische Körperschaftsteuer materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Anrechnung sei, dann sei ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes gegeben, da die Beibringung einer solchen Bescheinigung vom deutschen Staat mangels Veröffentlichung eines amtlichen Musters vereitelt werde.

Den Unions-Bürgern könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass sie nicht unter Anwendung des Grundig Italiana-Urteils des EuGH (vom 24. September 2002 C-255/00, Slg. 2002, I-8003 Rn. 41) binnen 6 Monaten seit dem Gesetz vom 9. Dezember 2004 die Körperschaftsteuerbescheinigungen vorgelegt hätten. Denn mangels Existenz eines zu nutzenden Musters sei dies nicht möglich gewesen.

Bezüglich des Erfordernisses einer angemessenen Übergangsfrist werde neben dem Grundig Italiana-Urteil auch auf das im EuGH-Urteil vom 10. April 2008 (Rs. C-309/96, Marks & Spencer, IStR 2008, 664) zitierte Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 (Rs. C-62/00, Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325) hingewiesen.

Es werde daher vorgeschlagen, bezüglich des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH vorzulegen.

Der Beklagte trägt dagegen vor, dass die Kläger keine Körperschaftsteuerbescheinigungen im Sinne des Gesetzes vorgelegt hätten, so dass mangels Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ausscheide.

Die Änderung in § 175 Abs. 2 Satz 2 AO durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Änderung in § 175 Abs. 2 Satz 2 AO gelte nämlich für gemeinschaftsrechtliche und rein nationale Sachverhalte gleichermaßen. Nach dem Bericht des Finanzausschusses zum EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz sei Anlass für die Änderung des § 175 AO die verfahrensrechtliche Gleichstellung von im Besteuerungsverfahren zu erbringenden Nachweisen in Unabhängigkeit von der jeweiligen Ausgestaltung des materiell-rechtlichen Besteuerungstatbestandes gewesen (vgl. BT-Drucks. 15/4050, Seite 61).

Eine Übergangsfrist sei aus der Sicht des Gesetzgebers nicht notwendig gewesen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Steuersenkungsgesetzes vom 15. Februar 2000 sei die Europarechtswidrigkeit des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens Anlass für die Abschaffung des Vollanrechnungsverfahrens gewesen (vgl. BT-Drucks. 14/2683, Seite 95). Letztendlich habe auch der EuGH im Urteil Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835 Rn. 38) bestätigt, dass spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Verkooijen vom 6. Juni 2000 (C-35/98, Slg. 2000, I-4071) die Unvereinbarkeit des deutschen Anrechnungsverfahrens mit dem Primärrecht festgestanden habe. In dem Zeitraum von 2000-2004 habe damit für einen inländischen Anteilseigner ausreichend Zeit bestanden, seinen Erstattungsanspruch hinsichtlich ausländischer Dividenden geltend zu machen.

Aber auch wenn man aufgrund des Fehlens einer Übergangszeit die Effektivität des gemeinschaftsrechtlich bedingten Rückforderungsanspruchs als unzureichend gewährleistet ansehen wolle, führe dies nicht dazu, dass die Anwendung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO grundsätzlich ausgeschlossen werde. Zumindest nach Ablauf einer Übergangsfrist von 6 Monaten dürfe entsprechend des Grundig Italiana-Urteils des EuGH (vom 24. September 2002 C-255/00, Slg. 2002, I-8003 Rn. 41) die Anwendung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO zweifelsfrei sein.

Eine analoge Anwendung des Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 2 EGAO komme - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht Betracht. Der Wortlaut und damit der Anwendungsbereich der Vorschrift seien eindeutig. Insbesondere könne auch die Unkenntnis über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht mit einer eventuellen Unsicherheit der Kläger über die Rechtsfrage, ob eine Gewinnausschüttung zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtige, gleichgesetzt werden.

VI.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrages und der von ihm im Einzelnen angeregten Vorlagefragen wird auf die Schriftsätze vom ... ... verwiesen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Beklagtenvortrages wird auf die Schriftsätze vom ... ... verwiesen.

VII. Anträge

Die Kläger beantragen,

1. die nachstehend aufgeführten ausländischen Körperschaftsteuern in den Streitjahren 1995-1997 anzurechnen:

für 1995

...

für 1996

...

für 1997

...

Hauptsächlich: durch Erhöhung des in den Anlagen 1, 2 bzw. 3 pink markierten Bereichs;

Hilfsweise: durch Erhöhung des in den Anlagen 1,2 bzw. 3 orange markierten Bereichs;

2. die in den Anlagen 1, 2 und 3 blau markierten Bereiche "Einkünfte aus Kapitalvermögen", Untertitel "Einnahmen", um die gemäß Ziff. 1 angerechneten Beträge zu erhöhen und infolgedessen auch die in den Anlagen 1, 2 und 3 gelb markierte festgesetzte Einkommensteuer gemäß dem anwendbaren Einkommensteuertarif zu erhöhen, und zwar gleichzeitig mit der Durchführung der in Ziff. 1 beantragten Anrechnung;

3. aus der Differenz zwischen der gemäß Klageantrag Ziff. 1 zugunsten der Kläger anzurechnenden Körperschaftsteuer und der gemäß Klageantrag Ziff. 2 zu Lasten der Kläger festzusetzenden höheren Einkommensteuer die in den Anlagen 1, 2 und 3 grün markierten Unterschiedsbeträge zu ermitteln, festzusetzen und zu erstatten, und zwar gleichzeitig mit der Durchführung der in den Klageanträgen Ziff. 1 und 2 beantragten Maßnahmen;

4. für den gemäß Ziff. 3 festgesetzten Unterschiedsbetrag nach § 233 a AO gleichzeitig mit der in Ziffer 3 beantragten Maßnahme die Erstattungszinsen i.H.v. 0,5 % pro Monat an den in den Anlagen 1, 2 und 3 violett markierten Stellen festzusetzen und darüber mit den Klägern an der grün markierten Stelle abzurechnen, und zwar

für 1995 seit 1. April 1997, hilfsweise seit 1. April 1998

für 1996 seit 1. April 1998, hilfsweise seit 1. April 1999

für 1997 seit 1. April 1999, hilfsweise seit 1. April 2000;

hilfsweise,

ab 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in welchem die Körperschaftsteuerbescheinigung vom Gericht i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 3 (b) EStG als "vorgelegt" angesehen wird;

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Erstattungszinsen nach § 233 a AO seit den vorstehend beantragten Zeitpunkten festzusetzen;

5. das Gericht möge die Änderung der streitgegenständlichen Steuerbescheide einschließlich der Zinsfestsetzung gemäß Klageantrag 4 nach § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht dem Finanzamt überlassen, sondern selbst durchführen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 14. Mai 2009 ist das Verfahren wegen Abrechnung über die Anrechnung von norwegischer, kanadischer, neuseeländischer, schweizer, US-amerikanischer (Federal und State), französischer (zzgl. Avoir fiscal), großbritannischer, australischer und südafrikanischer Körperschaftsteuer sowie von auf EK 01-Ausschüttungen lastender Körperschaftsteuer und wegen diesbezüglicher Anträge auf Änderung der Einkommensteuer 1995 bis 1997 sowie wegen Zinsen auf die sich hieraus und aus der Anrechnung dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer ergebenden Erstattungsbeträge zur gesonderten Entscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO abgetrennt worden (Aktenzeichen 2 K 1712/09), da das Klageverfahren insoweit spruchreif ist.

B. Das Klageverfahren wegen Abrechnung über die Anrechnung von dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer und wegen diesbezüglicher Anträge auf Änderung der Einkommensteuer 1995 bis 1997 wird ausgesetzt. Es wird gemäß Art. 234 EGV die Vorabentscheidung des EuGH über die im Tenor des Beschlusses genannten Rechtsfragen eingeholt.

Die Anrufung des EuGH ist gemäß Art. 234 EGV geboten, weil das Verständnis der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 EG sowie des Effektivitätsgrundsatzes und des "Effet utile" in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft sind.

Entscheidend für den Ausgang des Klageverfahrens ist, wie die Höhe der Körperschaftsteueranrechnung zu bemessen ist, ob eine Körperschaftsteuerbescheinigung zu fordern ist, ob in Ermangelung der Feststellbarkeit der auf der ausländischen Dividende lastenden tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer die Höhe der Körperschaftsteuerbelastung zu schätzen und ggf. dabei auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen sind und ob § 175 AO gemeinschaftsrechtskonform ist.

I. Rechtliche Grundlagen der Durchführung der Körperschaftsteueranrechnung

Den Vorlagefragen liegt folgender rechtlicher Rahmen zugrunde:

1. Nach dem nationalen Recht in den Streitjahren 1995 bis 1997 ist auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung i.H.v. 3/7 der Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG a.F. anrechenbar, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammten, für die Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. als verwendet galt. Hintergrund ist, dass die Ausschüttung mit der Ausschüttungsbelastung i.H.v. 30 % belastet war ( § 23 Abs. 1 KStG a.F.). Die Anrechnung i.H.v. 3/7 entsprach also grundsätzlich der tatsächlichen Körperschaftsteuer-Belastung der (Brutto-)Dividende. Die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG anzurechnende Körperschaftsteuer gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und erhöht die Bemessungsgrundlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

Die Körperschaftsteueranrechnung setzt nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Satz 4 Nr. 3 Buchst. b EStG a.F. die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44, 45 KStG a.F. voraus.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird die Körperschaftsteueranrechnung grundsätzlich in zwei Schritten auf zwei Ebenen durchgeführt: Zum einen die Berücksichtigung der Anrechnung im Steuererhebungsverfahren und zum anderen die Berücksichtigung des Anrechnungsguthaben als Kapitaleinkünfte im Steuerfestsetzungsverfahren.

a. Die Berücksichtigung der Körperschaftsteueranrechnung im Steuererhebungsverfahren erfolgt - soweit wie vorliegend Streit besteht - im Verfahren bezüglich des Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1993 I R 100/92, BStBl II 1993, 836).

Die Rechtsgrundlage der Berücksichtigung der vermeintlichen Körperschaftsteueranrechnung im Steuererhebungsverfahren ist umstritten. Nach Auffassung des I. und VI. Senats des BFH bildet § 218 Abs. 2 AO eine selbständige Rechtsgrundlage für die Änderung der Steueranrechnung - vorbehaltlich des Bestehens der übrigen Voraussetzungen für eine solche Steueranrechnung (s. BFH-Urteil vom 28. April 1993 I R 100/92, BStBl II 1993, 836; vom 5. Mai 1993 VI R 91/93, BFH/NV 1994, 862). Diese Auffassung sieht § 218 Abs. 2 AO als Sonderregelung gegenüber den §§ 130, 131 AO an, die diesen Vorschriften vorgehe, so dass das Finanzamt nicht gehindert sei, die ursprüngliche Anrechnung jederzeit nach Grund und Höhe zu korrigieren. Dem steht die Auffassung des VII. Senats des BFH entgegen ( Urteil vom 15. April 1997 VII R 100/96, BStBl II 1997, 787). Hiernach ist eine Änderung der Steueranrechnung nur unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO zulässig. § 218 Abs. 2 AO könne vor allem den durch § 130 Abs. 2 AO gewährten Vertrauensschutz nicht aushöhlen.

Im Streitfall kommt es auf diesen Rechtsstreit nicht an, da es um die Anrechnung weiterer Steuern, also um eine Änderung zugunsten der Kläger geht. Insoweit haben die Kläger keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Fortbestehens der ursprünglichen Anrechnung, die die ausländischen Körperschaftsteuern nicht umfasste.

b. Neben der Anrechnung im Steuererhebungsverfahren vollzieht sich die Körperschaftsteueranrechnung grundsätzlich - und jedenfalls ab 1996 zwingend - innerhalb der Einkommensteuerfestsetzung durch Berücksichtigung des Anrechnungsguthaben als Kapitaleinkünfte ( § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG a.F.). Seit 1996 sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass eine Körperschaftsteueranrechnung ausgeschlossen ist, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht um die Körperschaftsteuergutschrift erhöht werden ( § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG a.F.).

aa. Die Rechtsgrundlage für die Änderung der Steuerfestsetzung hängt davon ab, ob der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig geworden ist oder nicht.

Wurde gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt, ist dieser nicht bestandskräftig geworden. Die Änderung der Steuerfestsetzung erfolgt auf der Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO.

Besteht ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO - wie im Streitfall bezüglich der Jahre 1995 und 1996 - kann die Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO vorgenommen werden.

Besteht kein Vorbehalt der Nachprüfung und ist der Bescheid bestandskräftig geworden - wie im Streitfall bezüglich des Jahres 1997 -, kommt als Berichtigungsnorm (jedenfalls bei inländischen Dividenden) in erster Linie § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

bb. Für die Jahre vor 1996 - also auch bezüglich des Streitjahres 1995 - werden innerhalb des BFH zwischen dem I. und dem VIII. Senat (I. Senat: Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988; VIII. Senat: Urteil vom 19. August 2003 VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925) divergierende Auffassungen dazu vertreten, ob es zum Zwecke der Körperschaftsteueranrechnung zwingend der Änderbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung bedarf. Es stellt sich dort die Frage, ob die Körperschaftsteueranrechnung nicht auch möglich ist, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht um die Körperschaftsteuergutschrift erhöht werden, also die Einkommensteuerfestsetzung unberührt bleibt.

2. Nach dem im Wege des Vorabersuchens im Streitfall ergangenen Urteil des EuGH vom 6. März 2007 (C-292/04 -Meilicke, Slg. 2007, I-1835) sind die Artikel 56 EG und 58 EG dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung entgegenstehen, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet wird, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat hat, nicht aber dann wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

Daraus folgt, dass dem inländischen Anteilseigner eine Körperschaftsteueranrechnung nicht nur für von inländischen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden (sog. Inlandsdividenden), sondern auch für von in anderen EG-Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden (sog. (EG-)Auslandsdividenden) zu gewähren ist.

II. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen

Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.

1. Vorbehaltlich der sich aus den Vorlagefragen ergebenden Zweifel erfüllen die Kläger die Voraussetzungen für die Anrechnung der geltend gemachten niederländischen und dänischen Körperschaftsteuer. Ihr Rechtsvorgänger M hat Dividenden von in den Niederlanden und in Dänemark ansässigen Kapitalgesellschaften bezogen. Der Vorlage an den EuGH steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der streitentscheidenden Norm des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG um inzwischen ausgelaufenes Recht handelt. Unabhängig vom Streitfall, in dem entsprechender Rechtsschutz nicht mit dem Argument ausgelaufenen Rechts verweigert werden darf, sind in der Bundesrepublik Deutschland Anrechnungsbeträge erheblichen Umfangs noch nicht berücksichtigt worden und ruhen Verfahren im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit. Dies wird durch vielzählige Anfragen Externer zum Sachstand des Verfahrens belegt.

2. Die Klage ist auch - entgegen der Auffassung des Beklagten - überwiegend zulässig, soweit sie den nicht abgetrennten Teil und damit die Anrechnung dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer betrifft, also soweit sie ursprünglich am ... erhoben wurde. Unzulässig ist sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses lediglich hinsichtlich des Antrages auf Änderung der Einkommensteuer 1995. Hierdurch wird jedoch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen nicht berührt, da die Anrechnung von dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer im Streitjahr 1995 gleichwohl Klagegegenstand bleibt.

a. Auslegung des Klagebegehrens

Gegenstand der Klage bilden der Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 2003 und die Einkommensteuerfestsetzungen 1995 bis 1997. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Klagebegehrens der Kläger.

aa. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich gewollten Klagebegehrens, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB zu ermitteln ( BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589; vom 8. Mai 2008 VI R 12/05, BStBl II 2009, 116). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen ( BFH-Urteil vom 8. Mai 2008 VI R 12/05, a.a.O.; Beschluss vom 8. Mai 2007 X B 43/06, BFH/NV 2007, 1499). Ungeachtet der Frage, ob dies dem Grunde nach auch für Erklärungen rechtskundiger Personen gilt (bejahend: BFH-Urteil vom 8. Mai 2008 VI R 12/05, a.a.O.; verneinend: BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 35/06, BFH/NV 2006, 1800), ist die Erklärung eines Rechtskundigen (z.B. Rechtsanwalt) jedenfalls dann einer Auslegung zugänglich, wenn dieser sich über die rechtliche Tragweite seiner Erklärung nicht im Klaren sein konnte (Arg. ex BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 35/06, a.a.O.), an seine Erklärung sind lediglich strengere Auslegungsmaßstäbe anzulegen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, a.a.O.).

bb. Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall eine Auslegung des Klagebegehrens möglich. Es war von vornherein - seit Zugang des Schreibens der Kläger vom 30. Oktober 2000 beim Beklagten - klar erkennbar, dass die Kläger bezüglich der Streitjahre 1995 bis 1997 die Anrechnung der Körperschaftsteuer, die auf den niederländischen und dänischen Dividenden lastete, begehrten. So beantragten sie auch im Schreiben vom 30. Oktober 2000, die entsprechende Körperschaftsteuer "anzurechnen". Dieser Antrag impliziert sämtliche zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen Verfahrensschritte. Dabei handelt es sich einerseits um den Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO unter Anrechnung der niederländischen und dänischen Körperschaftsteuer und andererseits um den Antrag auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 1995 bis 1997. Ob ein Antrag auf Änderung der Einkommensteuer 1995 tatsächlich zum Zwecke der Körperschaftsteueranrechnung erforderlich ist, kann an dieser Stelle dahinstehen, da die Kläger ihr Begehren stets einheitlich und undifferenziert vorgebracht haben und auch nach entsprechendem gerichtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2009 den Antrag auf Änderung der Einkommensteuer 1995 gestellt haben.

Mit dem gegen die Ablehnung eingelegten Einspruch vom 16. Januar 2001 hielten die Kläger an ihrem Ziel der Körperschaftsteueranrechnung fest. Auch wenn die Kläger im Laufe des Einspruchsverfahrens mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 den Erlass eines Abrechnungsbescheides ausdrücklich beantragten, ändert dies nichts daran, dass ihr Begehren weiterhin in der Körperschaftsteueranrechnung bestand. Mit der ausdrücklichen Formulierung des Antrags auf Erlass eines Abrechnungsbescheides wollten sie ihr Begehren nicht einschränken. Folglich bestand auch der Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzungen fort. Nicht anders hat selbst der Beklagte das Schreiben der Kläger vom 19. Dezember 2001 verstanden, indem er das Schreiben der Kläger vom 19. Dezember 2001 mit der Anmerkung versah: "Das ist doch der gleiche Antrag wie vom 30. Oktober 2000".

Mit der Klagebegründungsschrift vom 24. Juni 2002 begehrten die Kläger weiterhin ausdrücklich die Anrechnung der niederländischen und dänischen Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer. Dabei wiesen die Kläger insbesondere auch darauf hin, dass die Steuerbescheide, für welche die Anrechnung geltend gemacht werde, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.v. § 164 AO stünden, so dass § 36 Abs. 2 Nr. 3 f EStG (gültig ab 1996) der Anrechnung nicht entgegenstehe. Ungeachtet dessen, dass der Einkommensteuerbescheid 1997 zutreffenderweise nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, wird an diesen Ausführungen der Kläger deutlich, dass sie nach wie vor die Änderung der Steuerfestsetzungen begehrten. Die näheren Rechtsausführungen zum Erlass eines Abrechnungsbescheides und der hilfsweisen Änderung der Einkommensteuerbescheide, falls die Anrechnung der Körperschaftsteuer als Teil der Steuerfestsetzung angesehen werden sollte, ändert an der Auslegung nichts. Denn hierdurch wird nur einmal mehr deutlich, dass die Kläger die Körperschaftsteueranrechnung begehrten und lediglich Unsicherheiten bezüglich deren verfahrensrechtlichen Umsetzung bestanden. Dies kann den Klägern trotz ihrer Vertretung durch einen Rechtskundigen nicht angelastet werden, da diese Verfahrensschritte seinerzeit noch nicht eindeutig bestimmt waren (zu den verschiedenen Möglichkeiten s. z.B. die Darstellung bei Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2177).

Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Ausführungen der Kläger im Schriftsatz vom 7. Januar 2005. Hierin wird erneut deutlich, dass die Kläger klar und unmissverständlich die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer begehren und die hierzu erforderlichen Verfahrensschritte beachten wollten, diesbezüglich jedoch Unsicherheiten bestanden.

Die verfahrensrechtlichen Unsicherheiten wurden für die Veranlagungszeiträume vor 1996 - hier also bezüglich des Streitjahres 1995 - zusätzlich dadurch begründet, dass innerhalb des BFH keine einheitliche Rechtsprechung zu der Frage bestand, ob zwecks Körperschaftsteueranrechnung (auch) eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung zu beantragen ist. Der VIII. Senat vertrat die Auffassung, dass sowohl ab 1996 als auch in den Jahren davor die Anrechnung der Körperschaftsteuer nur möglich sei, wenn die entsprechenden Einnahmen aus Kapitalvermögen bei der Einkommensteuerveranlagung erfasst würden (z.B. BFH-Urteil vom 19. August 2003 VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925 m.w.N.). Der I. Senat hingegen war der Ansicht, dass die Körperschaftsteueranrechnung vor 1996 wegen der damaligen Fassung des § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG auch ohne Erfassung der Körperschaftsteuergutschrift als Kapitaleinkünfte zulässig sei (z.B. Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988 m.w.N.). Auch dies zeigt, dass es berechtigt ist, das Klagebegehren der Kläger im Wege der Auslegung zu bestimmen ist, obwohl diese durch einen Rechtskundigen vertreten waren. Denn es war für niemanden klar erkennbar, wie das Klagebegehren im Einzelnen verfahrensrechtlich umzusetzen ist.

Die Auslegungsfähigkeit des Klagebegehrens der Kläger und dessen Auslegung im Sinne des Senats wird dadurch bestätigt, dass insbesondere auch der Beklagte über Jahre keinerlei Zweifel hieran hatte. Er erklärte sich im Jahre 2003 sogar mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Erst mit Schreiben vom 19. April 2005, also 4 1/2 Jahre nach dem Antrag der Kläger vom 30. Oktober 2000, trug er erstmals den Einwand vor, dass die Kläger keinen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzungen gestellt hätten und deshalb eine Körperschaftsteueranrechnung mangels Erfassbarkeit der Gutschrift als Einnahme nicht möglich sei. Der Einwand, dass der Abrechnungsbescheid nicht Klagegegenstand sei, wurde sogar noch später, nämlich erstmals mit Schriftsatz vom 6. August 2007, vorgetragen, also fast 7 Jahre nach der ursprünglichen Antragstellung durch die Kläger.

b. Vorverfahren

Die Voraussetzung eines erfolglos abgeschlossenen Vorverfahren i.S.d. § 44 FGO ist mit Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 erfüllt.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Einspruchsentscheidung nach seiner Auslegung nur auf die Anrechnungsverfügung erstreckte, da es sich insoweit lediglich um eine unvollständige Einspruchsentscheidung handelt, die gleichwohl den Anforderungen des § 44 Abs. 1 FGO gerecht wird.

aa. Eine Einspruchsentscheidung i.S.d. § 44 Abs. 1 FGO bildet auch eine unvollständige Rechtsbehelfsentscheidung. Auch diese schließt in der nach dem Gesetz erforderlichen Weise das außergerichtliche Vorverfahren förmlich ab ( BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 134/98, BStBl II 2002, 176). § 44 Abs. 1 FGO fordert die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nicht nur, um die Finanzgerichte vor nicht hinreichend vorbereiteten Klagen zu schützen, sondern hat auch Bedeutung für den Rechtsuchenden, der so einen zusätzlichen kostenlosen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, und gibt der Verwaltung die Möglichkeit der Selbstkontrolle ( BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 134/98, a.a.O.).

Macht die Behörde während des Einspruchsverfahrens von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und erlässt nur eine unvollständige Einspruchsentscheidung, soll dies nicht zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden gehen. Würde in derartigen Fällen der förmliche Abschluss des Verfahrens verneint, könnten die Steuerpflichtigen nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, obwohl sie auf die Vollständigkeit der Rechtsbehelfsentscheidung keinen Einfluss nehmen können. Der Schutz des Steuerpflichtigen, den § 44 FGO nicht zuletzt anstrebt, würde sich ins Gegenteil verkehren ( BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 134/98, a.a.O.). Dies muss erst Recht gelten, wenn die Finanzbehörde über ein "aliud" entscheidet, also über etwas, das der Steuerpflichtige so nicht mit seinem Antrag und Einspruch begehrt hat.

bb. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Einspruchsentscheidung deckt nicht das Begehren der Kläger ab. Der Einspruch der Kläger richtete sich nämlich gegen die Ablehnung ihres Antrages durch den Beklagten. Sowohl der Antrag der Kläger vom 30. Oktober 2000 als auch die Ablehnung durch den Beklagten vom 30. November 2000 betrafen die "Anrechnung von Körperschaftsteuer" - und zwar ohne Eingrenzung der insoweit erforderlichen Verfahrensschritte. Im Wege der Auslegung ist davon auszugehen, dass hiermit der Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO und die Änderung der Steuerfestsetzungen 1995 bis 1997 gemeint sind. Gleichwohl erstreckt sich die Einspruchsentscheidung nach dem ausdrücklichen Verständnis des Beklagten nur auf die Anrechnungsverfügung. Dies vermag indes am Gegenstand des Einspruchsverfahrens nichts zu ändern und ist unschädlich im Hinblick auf § 44 FGO.

Dies gilt umso mehr als jeder Rechtsbehelf gegen eine Anrechnungsverfügung als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO anzusehen ist ( BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 VI R 91/93, BFH/NV 1994, 862), der Beklagte also diese Auslegung so nicht hätte vornehmen dürfen. Hinzu kommt, dass der Beklagte selber in der Einspruchsentscheidung trotz der von ihm vorgenommenen Auslegung des Einspruchsbegehrens Unsicherheiten im Hinblick auf den Gegenstand der Einspruchsentscheidung aufkommen lässt. So bezeichnet der Beklagte den Streitgegenstand mit "Abrechnung zur Einkommensteuer" und spricht selber in der Einspruchsentscheidung wiederholt von "Abrechnungsverfügungen" (nicht "Anrechnungsverfügungen"). Damit könnte der Eindruck erweckt werden, dass er zumindest auch über die Abrechnung habe entscheiden wollen und den Erlass eines Abrechnungsbescheides ablehne.

c. Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ist - außer bezüglich des Antrages auf Änderung der Einkommensteuer 1995 - gegeben.

aa. Das Rechtsschutzbedürfnis ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht durch den Erlass des Abrechnungsbescheides entfallen.

Denn die Klage war von vornherein u.a. auf den Erlass des Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO zwecks Anrechnung der niederländischen und dänischen Körperschaftsteuer gerichtet.

(1) Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Klage ursprünglich nicht gegen die Anrechnungsverfügung gerichtet, so dass der Aspekt nicht zum Tragen kommt, dass bei einer Anfechtung der Anrechnungsverfügung das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO ergeht ( BFH-Urteil vom 24. Juni 1993 VII R 141/92, BStBl II 1993, 836).

(2) Das Rechtsschutzbedürfnis ist aber auch nicht entfallen, weil der Beklagte im Laufe des Klageverfahrens den bis dahin nicht ergangenen Abrechnungsbescheid erlassen hat, dessen Erlass die Kläger begehrt hätten. Dadurch hat sich das Klagebegehren insoweit nämlich nicht erledigt. Das Begehren auf Erlass des Abrechnungsbescheides diente von vornherein der Anrechnung der niederländischen und dänischen Körperschaftsteuer im Steuererhebungsverfahren als Teil des insgesamt erforderlichen Verfahrens. Über die Frage der Anrechnung der Körperschaftsteuer im Steuererhebungsverfahren sollte im "richtigen" Verfahren, nämlich im Verfahren wegen des Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO, gestritten werden.

Dementsprechend hat der Beklagte mit dem Erlass des abschlägigen Abrechnungsbescheides nicht dem Klagebegehren der Kläger entsprochen. Durch den Erlass des Abrechnungsbescheides, mit dem die begehrte Körperschaftsteueranrechnung nicht gewährt wurde, konnte der Beklagte die Kläger damit nicht aus dem zulässigen Verfahren drängen und auf ein neues Einspruchsverfahren verweisen, das dann etwa die Anfechtung des Steuerabrechnungsbescheides zum Gegenstand gehabt hätte (vgl. so auch zum Fall der Erlass des ausstehenden Verwaltungsaktes im Rahmen einer Untätigkeitsklage, der dem Begehren des Klägers nicht entspricht BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035).

bb. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch hinsichtlich der Beantragung der Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 1996 und 1997 - nicht aber 1995 - gegeben.

(1) Dem steht bezüglich der Streitjahre 1996 und 1997 nicht entgegen, dass mit dem Änderungsantrag eine Erhöhung der Kapitaleinkünfte um die Körperschaftsteuergutschrift und damit die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer begehrt wird.

Von dem Grundsatz, dass eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, wenn die Festsetzung höherer Einkünfte begehrt wird, besteht nämlich eine Ausnahme, wenn andernfalls die Anrechnung einer höheren Körperschaftsteuer nicht möglich wäre ( BFH-Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988). Es erweist sich dann als notwendig, die entsprechenden Einnahmen bei der Veranlagung zu erfassen, also die Einkünfte aus Kapitalvermögen entsprechend zu erhöhen ( § 36 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG a.F.; BFH-Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, a.a.O., m.w.N.). Ab dem Veranlagungszeitraum 1996 sah das Gesetz ausdrücklich vor, dass eine Körperschaftsteueranrechnung ausgeschlossen ist, wenn die Körperschaftsteuergutschrift nicht als Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F. erfasst ist ( § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 i.V.m. § 52 Abs. 1 EStG 1990 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995, BStBl I 1995, 438). Demzufolge kann ab 1996 eine Körperschaftsteueranrechnung nur bei entsprechender Erfassung des Anrechnungsbetrages bei den Kapitaleinkünften erfolgen. Angesichts dessen ist das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Änderung der Steuerfestsetzungen 1996 und 1997 jedenfalls gegeben.

(2) Anders verhält es sich bezüglich der Änderung der Steuerfestsetzung 1995, bei der das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger zu verneinen ist.

Der Senat ist der Auffassung, dass die Körperschaftsteuer auch dann auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, wenn die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung nicht als Einnahme aus Kapitalvermögen erfasst ist.

Zwar sah § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG a.F. sowohl in der vor als auch nach 1996 gültigen Fassung vor, dass die Körperschaftsteuergutschrift zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört. Allerdings war die Anrechnung der Körperschaftsteuer erst durch die Änderung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 mit Wirkung ab 1996 ausdrücklich für den Fall ausgeschlossen worden, dass die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung nicht erfasst wird. Hieraus schließt der Senat, dass deshalb vor 1996 die Körperschaftsteueranrechnung auch ohne deren Erfassung bei den Einkünften gewährt werden kann. Die Ergänzung des Gesetzes hatte konstitutive Bedeutung hatte. Die dem entgegenstehende Annahme des Gesetzgebers, wonach die im JStG 1996 vorgenommene Änderung des § 36 Abs. 2 EStG a.F. eine schon bis dahin existente Rechtslage lediglich klarstelle (BT-Drucks 13/901, Seite 137), hat sich im früheren Regelungstext nicht niedergeschlagen. Damit folgt der Senat der Auffassung des I. Senats des BFH (Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988 m.w.N.; a.A. VIII. Senat des BFH, Urteil vom 19. August 2003 VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925 m.w.N.; trotz der in diesem Punkt bestehenden Abweichung zwischen dem I. und dem VIII. Senat bedarf es nach Auffassung des I. Senats keiner Anfrage gemäß § 11 Abs. 2 FGO, weil der Geschäftsverteilungsplan des BFH für Streitfragen der erwähnten Art zwischenzeitlich die Alleinzuständigkeit des I. Senats vorsehe, s. Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, a.a.O.).

(3) Das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Antrages auf Änderung der Einkommensteuer 1995 ändert jedoch nichts an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen. Denn das Vorlageersuchen betrifft Fragen der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuern, die sich auch bezüglich des Streitjahres 1995 weiterhin stellen. Denn das Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses bezüglich der Einkommensteuer 1995 führt nicht zur Unzulässigkeit der Körperschaftsteueranrechnung im Streitjahr 1995. Die Körperschaftsteueranrechnung für 1995 ist lediglich ohne Änderung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage möglich, die Anrechnung kann allein im Steuererhebungsverfahren im Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO erfolgen. Diesbezüglich sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.

d. Kein Zwischenurteil

Entgegen der Anregung des Beklagten entscheidet der Senat über die Zulässigkeit nicht durch Zwischenurteil nach § 97 FGO. Ein solches ist nicht zweckmäßig, da die Zulässigkeit keine vorab zu klärenden Rechtsfragen enthält.

III. Höhe der Körperschaftsteueranrechnung

Der Senat hat zunächst Zweifel hinsichtlich der Höhe der auf EG-ausländische Dividenden zu gewährenden Körperschaftsteueranrechnung.

1. Die Höhe der Körperschaftsteueranrechnung richtet sich nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. Diese Norm sieht - soweit hier von Bedeutung - folgendes vor:

(2) ... 2 Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:

...

Nr. 3 die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gilt. ... 3 Die Anrechnung erfolgt unabhängig von der Entrichtung der Körperschaftsteuer. ...

Dabei gehören zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG insbesondere Dividenden. Ausschüttungen, für die Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG als verwendet gilt, sind solche aus dem sog. EK 0. Hierbei handelt es sich um nicht besteuerte Eigenkapitalteile unterschiedlicher Herkunft. Zur Erfassung der verschiedenen Eigenkapitalteile sieht § 30 Abs. 1 KStG a.F. die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals vor. Diese Eigenkapitalgliederung stellt eine von der Gewinnermittlung zu unterscheidende komplexe Sonderrechnung dar, deren einziges Ziel darin besteht, die Grundlage für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei der Gewinnausschüttung festzustellen. Soweit für den Senat ersichtlich, handelt es sich dabei um eine Gliederungsrechnung, die so nur von der deutschen Rechtsordnung vorgesehen war.

§ 30 KStG a.F. lautet wörtlich, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:

(1) Das verwendbare Eigenkapital ist zum Schluss jedes Wirtschaftsjahrs entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern. Die einzelnen Teilbeträge sind jeweils aus der Gliederung für das vorangegangene Wirtschaftsjahr abzuleiten. In der Gliederung sind vorbehaltlich des § 32 KStG die Teilbeträge getrennt auszuweisen, die entstanden sind aus

1. Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1993 der Körperschaftsteuer ungemildert unterliegen;

2. Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1993 einer Körperschaftsteuer von 30 vom Hundert unterliegen;

3. Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen oder die das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft in vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben.

(2) Der in Absatz 1 Nr. 3 bezeichnete Teilbetrag ist zu unterteilen in

1. Eigenkapitalteile, die in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren aus ausländischen Einkünften entstanden sind, sowie die nach § 8 b Abs. 1 und 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Beträge;

2. sonstige Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen und nicht unter Nummer 3 oder 4 einzuordnen sind;

3. verwendbares Eigenkapital, das bis zum Ende des letzten vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahrs entstanden ist;

4. Einlagen der Anteilseigner, die das Eigenkapital in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben.

...

2. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob der Übertragung der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. auf Ausschüttungen von in anderen EG-Mitgliedstaaten - hier in den Niederlanden und Dänemark - ansässigen Gesellschaften die Kapitalverkehrfreiheit nach Art. 56 EG, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG sowie der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile entgegenstehen.

a. Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet nach Art. 56 EG alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG berührt Art. 56 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlegeort unterschiedlich behandeln. Dies darf jedoch nach Art. 58 Abs. 3 EG weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S.d. Art. 56 EG darstellen.

Das Effektivitätsprinzip besagt, dass die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung verleiht, nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf ( EuGH-Urteil vom 8. März 2001, Rs. C-397/98 u. C-410/98 -Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-727 Rn. 85 m.w.N.; vom 2. Oktober 2003, Rs. C-147/01 - Weber's Wineworld, Slg 2003, I-11365 Rn. 38).

Nach dem Prinzip des Effet utile müssen die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen treffen, um dem Gemeinschaftsrecht die größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen.

b. Würde man von einer Übertragung der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. auf Ausschüttungen von in anderen EG-Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften ausgehen, würde dies bedeuten, dass auch auf EG-ausländische Dividenden grundsätzlich eine Körperschaftsteueranrechnung i.H.v. 3/7 der Dividenden vorzunehmen ist, sofern sichergestellt ist, dass es sich nicht um Dividenden handelt, für die Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG als verwendet gilt, die also - vereinfacht ausgedrückt - keine Körperschaftsteuervorbelastung aufweisen.

c. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass bei der Anrechnung die von der Gesellschaft "tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer" berücksichtigt werden muss ( Urteil vom 7. September 2004, Rs. C-319/02 -Manninen, Slg. 2004, I-7477 Rn. 54; vom 6. März 2007, C-292/04 -Meilicke, Slg. 2007, I-1835 Rn. 15). Dabei versteht der Senat den EuGH dahingehend, dass er damit die Anrechnung der effektiv im Ausland gezahlten Körperschaftsteuer meint und nicht eine anhand der ausländischen Bemessungsgrundlage sowie des dort geltenden Steuersatzes typisierend ermittelte Körperschaftsteuer. Dieses Verständnis findet sich auch in der deutschen Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. insoweit wieder, als die Körperschaftsteueranrechnung i.H.v. 3/7 der Bruttodividende in der Regel der tatsächlich von der ausschüttenden Gesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer entspricht. Dies wird durch die Gliederungsrechnung i.S.d. § 30 KStG a.F. und die Verwendungsreihenfolge der verschiedenen Eigenkapitalteile nach § 32 KStG a.F. sichergestellt, sowie dadurch, dass die Körperschaftsteueranrechnung bei Ausschüttung nicht körperschaftsteuerlich vorbelasteter Eigenkapitalteile i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG a.F. ausdrücklich ausgeschlossen ist.

d. Bei einem Abstellen auf die tatsächlich im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer hat der Senat jedoch ernsthafte Zweifel, ob hierdurch die Kapitalverkehrsfreiheit, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile verletzt werden. Denn es dürfte faktisch unmöglich oder zumindest unzumutbar sein, die tatsächliche körperschaftsteuerliche Vorbelastung einer ausländischen Dividende festzustellen, zumal eine Kapitalgesellschaft, insbesondere innerhalb eines Konzerns - wie zum Teil im Streitfall - neben regulär versteuerten auch ermäßigt oder insbesondere steuerbefreite Gewinne aufweist. Für ausländische Kapitalgesellschaften besteht - soweit für den Senat ersichtlich - keine Pflicht zur Erstellung einer Eigenkapitalgliederung nach § 30 KStG a.F. Insbesondere in den Niederlanden und in Dänemark, deren Körperschaftsteuer im Streitfall angerechnet werden soll, gab es eine solche Gliederungsrechnung nicht. In beiden Staaten bestand das Körperschaftsteuersystem in den Streitjahren in einem klassischen System der Doppelbelastung (s. Hey, in Herrmann/Heuer/Raupach, Einführung zum KStG, Stand: 1999, Rn. 241 und 340), so dass auch keine Notwendigkeit bestand, die körperschaftsteuerliche Vorbelastung von ausgeschütteten Gewinnen aufzuzeichnen. Es wird deshalb faktisch unmöglich oder nur unter Überwindung unzumutbarer Hürden möglich sein, die tatsächliche körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Gewinnausschüttungen nachzuvollziehen. Denn die Ermittlung der tatsächlichen Körperschaftsteuer-Vorbelastung würde im Zweifel die Erstellung einer "Schatten-Eigenkapitalgliederung" erfordern. Dies wäre jedoch - unabhängig vom unzumutbaren Aufwand - nur denkbar, wenn die Kapitalgesellschaften entsprechende Geschäftsunterlagen herausgeben würden. Ungeachtet dessen, dass diese angesichts der zeitlich weit zurückliegenden Streitjahre möglicherweise bereits vernichtet wurden, ist nicht davon auszugehen, dass die Kapitalgesellschaften die Unterlagen zur Verfügung stellen würden. Deutsche Anleger - wie die Kläger als Rechtsnachfolger des Anlegers M - hätten ihnen gegenüber auch keinen entsprechenden Herausgabeanspruch.

Das würde dazu führen, dass die Anrechnung der tatsächlich im Ausland gezahlten Körperschaftsteuer praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde. Deshalb hat der Senat Zweifel, ob eine verdeckte oder indirekte Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit und ein Verstoß gegen die Grundsätze der Effektivität und des Effet utile bestehen. Hinzu kommt, dass das deutsche Recht in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. - wenn auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung inländischer Kapitalgesellschaften zur Erstellung einer Gliederungsrechnung i.S.d. § 30 KStG a.F. - bei inländischen Dividenden vorsieht, dass die Anrechnung unabhängig von der Entrichtung der Körperschaftsteuer erfolgt.

3. Zusätzlich zu den Zweifeln aufgrund der praktischen Unmöglichkeit der Feststellbarkeit der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Gewinnausschüttungen ergeben sich für den Senat weitere europarechtliche Zweifel hinsichtlich der Höhe der anzurechnenden ausländischen Körperschaftsteuer, wenn die tatsächlich entrichtete ausländische Körperschaftsteuer höher ist als die auf inländischen Dividenden lastende deutsche Körperschaftsteuer. Diese Frage ist im Streitfall von Bedeutung, weil der Körperschaftsteuersatz in den Streitjahren in den Niederlanden zwischen 35 und 40 % (s. Hey, in Herrmann/Heuer/Raupach, Einführung zum KStG, Stand: 1999, Rn. 343) und in Dänemark 34 % (Per Winther, Alsø & Breinholt, Steuer Revue/Revue Fiscale 1999, 359, auch abrufbar über: http://www.steuerrevue.ch/pdf/05-99-357.pdf) betrug und insoweit die tatsächlich nicht feststellbare Vorbelastung der Dividenden durchaus auch mehr als 30 % betragen dürfte.

a. Es bestehen Zweifel, ob insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit durch eine solche Beschränkung verletzt wird. Denn während auf inländische Dividenden die gesamte Körperschaftsteuervorbelastung angerechnet würde, bliebe bei ausländischen Dividenden bei einer entsprechenden Beschränkung auf eine Anrechnung i.H.v. 3/7 - im Gegensatz zu inländischen Dividenden - eine ausländische "Rest"-Körperschaftsteuerbelastung bestehen.

Gegen eine Begrenzung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer durch die Höhe des inländischen Körperschaftsteuerguthabens (3/7) könnte zudem die Kohärenz des Steuersystems sprechen. Die Kohärenz des deutschen Steuersystems ist im Hinblick auf das mit der deutschen Regelung des Anrechnungsverfahrens verfolgte Ziel der Verhinderung der Doppelbesteuerung von Gesellschaftsgewinnen gewährleistet, soweit der Zusammenhang zwischen der dem Aktionär gewährten Steuervergünstigung und der geschuldeten Körperschaftsteuer aufrechterhalten wird ( EuGH-Urteil vom 6. März 2007, Rs. C-292/04 -Meilicke, Slg. 2007, I-1835 Rn. 29). Die Sicherstellung des Körperschaftsteuersubstrats ist in diesem System nach der Kohärenz nicht erforderlich, da Vor- und Nachteil bei verschiedenen Steuerpflichtigen eintreten (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 6. Juni 2000, Rs. C-35/98 -Verkooijen, Slg. 2000, I-4071 Rn. 56 ff.). Etwaige Erstattungen wären dann systembedingt hinzunehmen (so Sedemund, IStR 2005, 814).

b. Andererseits würde durch eine Beschränkung der Anrechnung auf 3/7 der Bruttodividende auf ausländische Dividenden genau der gleiche Betrag angerechnet wie auf inländische. Hierfür könnte auch sprechen, dass die Grundfreiheiten des EG-Vertrages lediglich Schutz vor einer Schlechterbehandlung grenzüberschreitender Sachverhalte durch den Herkunftsstaat bieten, nicht jedoch eine Besserstellung dieses Vorgangs (vgl. Schnitger, FR 2004, 1357, 1365). Zwar wird ein unbeschränkt Steuerpflichtiger weniger geneigt sein, in ausländische Tochterkapitalgesellschaften zu investieren, soweit der dort anwendbare Steuersatz höher als der inländische ist. Dieser Tatsache jedoch im Sinne eines weiten Beschränkungsverbotes nachkommen zu wollen, indem der Wohnsitzstaat eine höhere ausländische Steuer anrechnen muss, könnte möglicherweise zu weit führen (bejahend Schnitger, FR 2004, 1357, 1365). Steuerliche Belastungen, die aus der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten resultieren, sind nämlich hinzunehmen ( EuGH-Urteil vom 12. Mai 1998, Rs. C-336/96 -Gilly, Slg. 1998, I-2793 Rn. 30 ff.). Daraus könnte grundsätzlich gefolgert werden, dass steuerliche Mehrbelastungen, die allein aufgrund eines höheren ausländischen Steuersatzes in einem anderen Mitgliedstaat entstehen, grundfreiheitsrechtlich nicht bedenklich sind. Anders ausgedrückt kann der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nicht dafür haftbar gemacht werden, dass ein ausländischer Staat eine höhere Steuer erhebt. Sich hieraus ergebende Beschränkungen sind nur Ausdruck der Disparitäten der verschiedenen Steuersysteme der Mitgliedstaaten, deren (diskriminierungs-)freie Ausgestaltung jedoch weiterhin im Aufgabenbereich der einzelstaatlichen Gesetzgeber verbleibt (Schnitger, FR 2004, 1357, 1365; i.E. so auch Rehm/Nagler, GmbHR 2007, 381, 383).

4. Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage der Beschränkung der Körperschaftsteueranrechnung auf die auf die Dividende entfallende deutsche Körperschaftsteuer lässt der Senat dahingestellt, da er nicht von deren Entscheidungserheblichkeit überzeugt ist. Vorbehaltlich der diesbezüglichen Beweilastverteilung hat der Beklagte hierzu im Bewusstsein der Problematik mit konkretem Bezug zum Sachverhalt nichts vorgetragen. Die Kläger haben sich hingegen auf den unsubstantiierten Vortrag beschränkt, dass die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer den Betrag deutscher Einkommensteuer, der bei M auf die ausländische Bruttodividende entfalle, teilweise übersteige. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass dies gerade auch für die dänischen und niederländischen Dividenden gilt, zumal die Klage vor der Abtrennung mit dem vorliegenden Beschluss eine Vielzahl verschiedener Dividenden betraf.

5. Die europarechtlichen Zweifel des Senats hinsichtlich der Höhe der auf ausländische Dividenden anzurechnenden Körperschaftsteuer finden sich auch im deutschen Schrifttum wieder.

Angesichts der Probleme bezüglich der Feststellung der tatsächlichen ausländischen Körperschaftsteuerbelastung ist im deutschen Schrifttum die Auffassung weit verbreitet, dass die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer pauschal - ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung - erfolgen solle. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Höhe dieser pauschalen Anrechnung.

Zum Teil wird die Gewährung einer Körperschaftsteueranrechnung unter Berücksichtigung des pauschalen Körperschaftsteuersatzes, der im Sitzland der ausschüttenden Gesellschaft gegolten hat, befürwortet (so Sedemund, IStR 2005, 814; wohl auch Hamacher/Hahne, DB 2004, 2386, 2387; Rainer, DStR 2007, 527, 528; Scherer, DStR 2008, 1274, 1276).

Alternativ wird zum Teil vertreten, dass die Körperschaftsteuer pauschal i.H.v. 3/7 der ausgeschütteten Dividende anzurechnen sein soll (Balmes/Ribbrock, BB 2006, 17, 18; wohl auch Schön, JbFfStR 2005/2006, 44, 49 f.; wohl auch Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403, 411).

Indes hat der Senat insoweit Bedenken gegen die im Schrifttum vorgeschlagenen Methoden pauschaler Körperschaftsteueranrechnung, als es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt und der Senat Bedenken hat, ob sie sich unmittelbar aus der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 46 EG und dem Effektivitätsgrundsatz ableiten lassen, insbesondere welcher Methode der Vorzug zu geben wäre. Würde der EuGH die Unvereinbarkeit des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. mit Gemeinschaftsrecht feststellen, würde die gesetzliche Rechtsgrundlage für die Bestimmung der Höhe der Körperschaftsteueranrechnung entfallen und eine andere nicht zur Verfügung stehen. Möglicherweise könnte hier der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers berührt sein, der allerdings - trotz der spätestens seit dem Meilicke-Urteil des EuGH (vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) offensichtlichen Europarechtswidrigkeit des Ausschlusses ausländischer Dividenden vom deutschen Anrechnungsverfahren und der intensiven Diskussion im Schrifttum hinsichtlich der daraus resultierenden Umsetzungsprobleme - untätig geblieben ist und in Anbetracht dessen, dass das Anrechnungsverfahren mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 abgeschafft wurde, auch in Zukunft untätig bleiben dürfte.

IV. Körperschaftsteuerbescheinigung

Weitere gemeinschaftsrechtlich bedingte Zweifel hat der Senat bezüglich der für die Gewährung der Körperschaftsteueranrechnung gesetzlich geforderten Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung insbesondere i.S.d. § 44, 45 KStG a.F.

1. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a.F. wird die Körperschaftsteuer nicht angerechnet, wenn die in den §§ 44, 45 KStG a.F. bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. Die Körperschaftsteuerbescheinigung ist dabei nicht ein bloßes Beweismittel, sondern materielles Tatbestandsmerkmal ( BFH-Urteil vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BStBl II 1991, 924). Nach § 44 KStG a.F. ist eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaft ihren Anteilseignern auf Verlangen verpflichtet, nach amtlich vorgeschriebenem Muster eine Steuerbescheinigung auszustellen, wenn sie für eigene Rechnung Leistungen erbringt, die bei den Anteilseignern Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG sind.

Im Einzelnen sehen die einschlägigen Vorschriften - soweit hier von Bedeutung - folgendes vor:

§ 36

...

(2) ... 2 Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:

...

Nr. 3 die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gilt. ... 4 Die Körperschaftsteuer wird nicht angerechnet:

...

b. wenn die in den §§ 44, 45 oder § 46 des Körperschaftsteuergesetzes bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist;

...

§ 44 KStG

(1) 1 Erbringt eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft für eigene Rechnung Leistungen, die bei den Anteilseignern Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes sind, so ist sie vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, ihren Anteilseignern auf Verlangen die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:

1.) den Namen und die Anschrift des Anteilseigners,

2.) die Höhe der Leistungen,

3.) den Zahlungstag,

4.) den Betrag der nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes anrechenbaren Körperschaftsteuer,

5.) den Betrag der zu vergütenden Körperschaftsteuer im Sinne des § 52; es genügt, wenn sich die Angabe auf eine einzelne Aktie, einen einzelnen Geschäftsanteil oder ein einzelnes Genussrecht bezieht,

6.) die Höhe der Leistung, für die der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 als verwendet gilt,

7.) die Höhe der Leistung, für die der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 4 als verwendet gilt.

...

§ 45 KStG

(1) 1 Ist die in § 44 Abs. 1 bezeichnete Leistung einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig und wird sie für Rechnung der Körperschaft durch ein inländisches Kreditinstitut erbracht, so hat das Institut dem Anteilseigner eine Bescheinigung mit den in § 44 Abs. 1 bezeichneten Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen. ...

Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die Körperschaftsteuerbescheinigung u.a. den Betrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer sowie die Zusammensetzung der Leistung nach den unterschiedlichen Teilen des verwendbaren Eigenkapitals enthalten muss. Die Zusammensetzung des Eigenkapitals folgt aus der besonderen Gliederung nach § 30 KStG.

2. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob der Übertragung der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a.F. auf Ausschüttungen von in anderen EG-Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften die Kapitalverkehrfreiheit nach Art. 56 EG sowie der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile entgegenstehen.

Diese Frage ist entscheidungserheblich, obwohl die Kläger für die niederländischen und dänischen Dividenden sogenannte "Steuerbescheinigungen" der F Bank und der D Bank vorgelegt haben. Diese Bescheinigungen werden den Anforderungen des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a.F. nämlich nicht gerecht, da sie insbesondere keine Angaben zu der Höhe der Leistung enthalten, für die jeweils der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 und des § 30 Abs. 2 Nr. 4 als verwendet gilt.

Würde man die Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a.F. auf die Fälle des Bezuges ausländischer Dividenden anwenden und demzufolge für die Körperschaftsteueranrechnung eine Körperschaftsteuerbescheinigung nach § 44 KStG verlangen, würde die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsordnung insoweit einräumt, praktisch unmöglich gemacht und die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer faktisch verweigert (vgl. Scherer, DStR 2008, 1274, 1276; Sedemund, IStR 2007, 245, 246; ähnlich de Weerth, DB 2005, 1407, 1411; Delbrück/Hamacher, IStR 2007, 627, 630).

In der Regel dürfte es nämlich faktisch unmöglich sein, von der ausländischen Körperschaft eine Bescheinigung zu bekommen, die den Vorgaben des § 44 KStG a.F. entspricht (vgl. Tiedtke/Szczesny, GmbHR 2007, 1086, 1090; Sedemund, IStR 2007, 245, 246 und IStR 2005, 814; Thömmes, IWB Fach 11a, S. 1131, 1136; Rehm/Nagler, GmbHR 2007, 381, 383; Gosch, DStR 2004, 1988, 1992 und StBp 2004, 338, 339; Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2180; Balster/Petereit, DStR 2004, 1985, 1988; Gosch, DStR 2004, 1988, 1992; Delbrück/Hamacher, IStR 2007, 627, 630; Balmes/Ribbrock, BB 2006, 17; Müller-Gatermann, JbFfStR 2005/2006, 59; Schnitger, FR 2004, 1357, 1371). Dies wird auch dadurch belegt, dass es den Klägern trotz entsprechender Bemühungen in keinem Fall gelungen ist, Körperschaftsteuerbescheinigungen i.S.d. § 44 KStG a.F. zu erhalten und ihre entsprechenden Anfragen bei den ausschüttenden Kapitalgesellschaften in den überwiegenden Fällen unbeantwortet blieben oder schlicht abschlägig beschieden wurden.

Zum einen besteht nämlich kein zivilrechtlicher Anspruch auf Erteilung überhaupt einer Bescheinigung des Anteilseigners gegenüber einer im EU-Ausland ansässigen Gesellschaft. Zum anderen sind die ausländischen Kapitalgesellschaften aber auch nicht in der Lage, Auskünfte gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 KStG a.F. über die bei der Ausschüttung als verwendet geltenden Teilbeträge i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 und 4 KStG a.F. zu geben. Sie führen nämlich keine Gliederungsrechnung, die § 30 KStG a.F. genügt. Auch im übrigen dürfte die Feststellung der tatsächlichen Belastung der Dividende mit ausländischer Körperschaftsteuer, wie bereits dargelegt, faktisch unmöglich sein. Dies gilt insbesondere auch für in den Niederlanden und in Dänemark ansässige Kapitalgesellschaften, auf deren Gewinnausschüttungen die Kläger die Körperschaftsteueranrechnung begehren.

Angesichts dessen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob das Erfordernis einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56, 58 EG) verstößt. De facto wird die europarechtlich gebotene Körperschaftsteueranrechnung (zielgerichtet) konterkariert und verbleibt es damit faktisch beim Ausschluss ausländischer Dividenden vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren (vgl. Scherer, DStR 2008, 1274, 1276). Die Aufrechterhaltung des Erfordernisses einer Steuerbescheinigung ist lediglich ein formal-rechtliches Argument zur Perpetuierung einer materiellen (europarechtswidrigen) Ungleichbehandlung (Scherer, DStR 2008, 1274, 1276). Eine Rechtfertigung hierfür ist für den Senat nicht ersichtlich.

Ebenso bestehen erhebliche Zweifel, ob das Effektivitätsgebot verletzt ist (bejahend Sedemund, IStR 2007, 245, 246; Thömmes, IWB Fach 11a, S. 1131, 1136; Schnitger, FR 2004, 1357, 1371). Diese beruhen darauf, dass die ausländischen Kapitalgesellschaften in Ermangelung der Erstellung einer Gliederungsrechnung den Nachweis nach § 44 Abs. 1 Nr. 7 und 8 KStG a.F. nicht erbringen können und auch im übrigen die effektive ausländische Körperschaftsteuerbelastung nicht feststellbar sein dürfte, so dass das Erfordernis eines solchen Nachweises dazu führen würde, dass die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer verfahrenstechnisch effektiv nicht möglich wäre. Angesichts dessen ist auch die Wahrung des Prinzips des Effet utile fraglich.

3. Auch in der deutschen Fachliteratur werden Zweifel an der europarechtlichen Vereinbarkeit des Erfordernisses einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. geäußert. Es wird teilweise gefordert, dass an den Nachweis der anzurechnenden Körperschaftsteuer keine überhöhten Anforderungen gestellt werden sollten (so Balster/Petereit, DStR 2004, 1985, 1988; Thömmes, IWB Fach 11a, S. 1131, 1136; Hamacher/Hahne, DB 2004, 2386, 2387).

a. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass der Nachweis durch die Vorlage von Steuerbescheiden und entsprechenden Zahlungsbelegen geführt werden könnte (Balster/Petereit, DStR 2004, 1985, 1988). Nach Auffassung anderer Stimmen könnte man es auch ausreichen lassen, aus dem zugrunde liegenden (erforderlichenfalls nachzuweisenden) Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Körperschaft im Zeitpunkt der Ausschüttung "retrograd" eine auf der Ausschüttung lastende Steuerbelastung zu errechnen, also auf den ausländischen Körperschaftsteuersatz abzustellen (Scherer, DStR 2008, 1274, 1276; Hamacher/Hahne, DB 2004, 2386, 2387; wohl auch Sedemund, IStR 2007, 245, 246). Hilfsweise für den Fall, dass der Steuerpflichtige die Beweismittel etwa für die Berechnung der ausländischen Körperschaftsteuer nicht beschaffen kann, wird vertreten, dass die Finanzverwaltung vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeit der Steuerverwaltung ( § 85 AO) und des Untersuchungsgrundsatzes ( § 88 AO) die Möglichkeit nutzen müsste, die ihr die Umsetzung der EG-Amtshilfe-Richtlinie in den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt (vgl. Scherer, DStR 2008, 1274, 1276; ähnlich Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 10. November 2005 in der Rs. Meilicke, C-292/04, Slg. 2007, I-1835 Rn. 29; Sedemund, IStR 2005, 814; Hamacher/Hahne, DB 2004, 2386, 2387).

b. Vereinzelt wird aber auch davor gewarnt, mangels Gliederungsrechnung der ausländischen Gesellschaften die Anforderungen an die Körperschaftsteuerbescheinigung herabzusetzen (so Gosch, DStR 2004, 1988, 1992). Dies wird damit begründet, dass ansonsten die dem deutschen Körperschaftsteuersystem immanenten Zusammenhänge zerstört würden. Die durch das Erfordernis der Gliederungsrechnung hergestellte materielle (und rechtstechnische, nicht nur faktische) Verknüpfung zwischen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft und des Anteilseigners verdeutliche, dass es jedenfalls dem deutschen System nicht nur um die Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Körperschafteuer (bei der Kapitalgesellschaft und beim Anteilseigner) gehe, sondern darüber hinaus um die im Gesetz angelegte Sicherstellung des Körperschaftsteuer-Substrats in einem geschlossenen Besteuerungskreis. Auch wenn die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer dem Anteilseigner zuzugestehen sei, sei nicht einzusehen, dass die für alle geltenden (und objektiv ja von allen erfüllbaren) Anrechnungsvoraussetzungen auf den Kopf gestellt würden. Wenngleich diese Auffassung die Systematik des Anrechnungsverfahrens für sich anführen kann, so ist ihr jedoch insoweit zu widersprechen, als die Körperschaftsteuerbescheinigung faktisch eben nicht von allen - insbesondere den Beziehern ausländischer Dividenden - oder nur unter Überwindung unzumutbarer Hürden vorgelegt werden kann.

V. Weitere Zweifel und Schätzung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ausländischer Dividenden

Die zuvor dargelegten europarechtlichen Zweifel und die faktischen Schwierigkeiten bzw. die faktische Unmöglichkeit der Feststellbarkeit der tatsächlichen Belastung der Dividende mit ausländischer Körperschaftsteuer sowie der Beibringung einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. führen den Senat zu weiteren, im Zusammenhang mit der Bestimmung der Höhe der Körperschaftsteueranrechnung bereits angedeuteten Problemen. Es stellt sich die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen die ausländische Körperschaftsteuer zutreffenderweise anzurechnen wäre.

Dem Senat ist bewusst, dass Schwierigkeiten bei der Feststellung der tatsächlich entrichteten Steuer auf alle Fälle kein Hemmnis für den freien Kapitalverkehr rechtfertigen können (Urteil des EuGH vom 7. September 2004, Rs. C-319/02 -Manninen, Slg. 2004, I-7477 Rn. 54).

Soweit der EuGH verlangen mag, dass nationale Gerichte von sich aus in Fällen einer festgestellten Diskriminierung - wie hier aufgrund des Ausschlusses ausländischer Dividenden vom Anrechnungsverfahren - schon vor Erlass entsprechender Korrekturgesetze auf die diskriminierten Personengruppen die ihnen bislang vorenthaltenen günstigeren Regelungen auf der Grundlage des geltenden Rechts anwenden, fehlt es dem Senat insoweit aber jedenfalls an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Denn die Anwendung des § 36 EStG a.F. als Rechtsgrundlage der Körperschaftsteueranrechnung für inländische Dividenden auch auf ausländische Dividenden könnte aufgrund der faktischen Unmöglichkeit der Feststellbarkeit der tatsächlichen Körperschaftsteuerbelastung und der Beibringung der Körperschaftsteuerbescheinigung zu einer faktischen Versagung der Körperschaftsteueranrechnung auf ausländische Dividenden führen. Sollte § 36 EStG a.F., soweit hier von Bedeutung, als europarechtswidrig anzusehen sein, würde dies zur Nichtanwendbarkeit der Norm - und nicht lediglich zum Entfallen einzelner Tatbestandsvoraussetzungen - führen. Eine andere Rechtsgrundlage steht jedoch nicht zur Verfügung.

Es fragt sich also, wie das Postulat der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer umzusetzen ist. Aufgrund der systemimmanenten "Vergünstigung" durch die Körperschaftsteueranrechnung steht (lediglich) fest, dass die Körperschaftsteueranrechnung auch auf ausländische Dividenden zu gewähren ist. Es ist aber unklar, ob und ggf. welche Voraussetzungen anstelle der tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer und der Körperschaftsteuerbescheinigung aufzustellen sind. Die Möglichkeiten zur Bestimmung der Höhe der Körperschaftsteueranrechnung und zu den Anforderungen an eine Körperschaftsteuerbescheinigung erscheinen vielfältig, was sich auch an den verschiedenen im Schrifttum vertreten Auffassungen zeigt. Der Senat hat Zweifel, ob sich dem Europarecht insoweit eindeutige Maßgaben entnehmen lassen und damit der EuGH hierauf eine Antwort geben könnte. Hier könnte nämlich auch der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers betroffen sein. Dieser ist indes konsequent untätig geblieben und wird es wohl auch bleiben, da das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren seit 2001 durch das sogenannte Halbeinkünfteverfahren ersetzt wurde. Angesichts dessen lässt der Senat mögliche Bedenken bezüglich der etwaigen Verkehrung der verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzen für den Fall der gerichtlichen Umsetzung der EuGH-Vorgaben vor einer Neuregelung durch den Gesetzgeber (s. hierzu Gosch, DStR 2007, 1895, 1897) dahingestellt.

Möglicherweise könnte das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 EG, bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. sowie in Ermangelung der Feststellbarkeit der auf der ausländischen Dividende lastenden tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer und angesichts der Untätigkeit des Gesetzgebers doch eine bestimmte Vorgehensweise zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer gebieten. Der Senat denkt dabei an eine einzelfallbezogene Schätzung der Höhe der Körperschaftsteuerbelastung, die dem vermeintlichen Erfordernis der Anrechnung der tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer möglicherweise am besten gerecht werden könnte. Dabei ist dem Senat durchaus bewusst, dass diese grob ausfallen müsste, da angesichts der mangelnden Feststellbarkeit der ausländischen Körperschaftsteuer Anhaltspunkte für eine genaue Schätzung fehlen.

Im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Schätzung würde sich dann auch die Frage stellen, ob das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit, die Berücksichtigung mittelbarer Körperschaftsteuervorbelastungen gebietet. Diese Frage ist entscheidungserheblich, da der Rechtsvorgänger der Kläger Dividenden u.a. von Kapitalgesellschaften bezog, die - was allgemein bekannt ist - einem Konzern angehören, z.B. Unilever. Diese Kapitalgesellschaften beziehen von ihren Tochtergesellschaften vorbelastete Gewinnausschüttungen, die dann ggf. weiterausgeschüttet werden. In Ermangelung einer Gliederungsrechnung i.S.d. § 30 KStG a.F. im Ausland dürfte es faktisch unmöglich sein, solche Vorbelastungen in ihrer tatsächlichen Höhe zu festzustellen. Deshalb stellt sich (lediglich) die Frage, ob sie im Wege einer etwaigen Schätzung zu berücksichtigen sind.

VI. § 175 AO

Des weiteren hat der Senat erhebliche Zweifel daran, ob § 175 AO einer europarechtlichen Überprüfung - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit und dem Effektivitätsgrundsatz sowie dem Prinzip des Effet utile - Stand hält.

1. Diese Frage ist insoweit von Bedeutung, als § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf der Ebene der Steuerfestsetzung als Rechtsgrundlage für die Erfassung des Körperschaftsteuerguthabens als Kapitaleinkünfte heranzuziehen ist. Dies betrifft im Streitfall den Veranlagungszeitraum 1997, da bezüglich des Jahres 1996 die Berichtigung über § 164 Abs. 2 AO erfolgen kann, da in diesem Jahr ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht (bezüglich des Jahres 1995 ist die Erfassung des Körperschaftsteueranrechnungsbetrages hingegen nach Auffassung des Senats angesichts der seinerzeitigen Fassung des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erforderlich).

Das Körperschaftsteuerguthaben ist auch bei ausländischen Dividenden als Kapitaleinkünfte zu erfassen. Zwar betrifft § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F., der die Erfassung des Anrechnungsguthabens als Kapitaleinkünfte regelt, wegen des Verweises auf § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. ausschließlich inländische Dividenden und bietet deshalb keine unmittelbare Grundlage für eine Besteuerung der ausländischen Körperschaftsteuerguthaben. Allerdings ist die Erfassung der ausländischen Körperschaftsteuerguthaben als Kapitaleinkünfte auf der Grundlage der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG geboten. Denn anderenfalls würden ausländische Dividenden gegenüber inländischen Dividenden systemwidrigerweise privilegiert. Ist die ausländische Körperschaftsteuer praeter legem aus Gründen gemeinschaftsrechtlicher Gleichbehandlung anzurechnen, so ist sie auch praeter legem als Einnahme zu erfassen (Gosch, DStR 2004, 1988, 1989).

2. Die Entscheidungserheblichkeit der EG-Rechtmäßigkeit des § 175 AO ergibt sich zudem daraus, dass bezüglich des Streitjahres 1997 keine anderen Berichtigungsnormen, z.B. § 173 Abs. 1 AO oder § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, einschlägig sind.

a. Die Anwendung des § 173 Abs. 1 AO scheitert daran, dass keine neue Tatsache gegeben ist. Die Mitteilung der ausländischen Körperschaftsteuer stellt lediglich eine rechtliche Neubewertung eines dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung bekannten Vorgangs dar (so auch Tormöhlen, in Korn, EStG, § 36 Rn. 40.5; Gosch, DStR 2004, 1988, 1990).

b. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO hat den Nachteil, dass es sich um eine Ermessensvorschrift handelt und sie deshalb bedeutend "schwächer" ist ("darf"; vgl. Loose, in Tipke/Kruse, AO, § 172 Rn. 20; Gosch, DStR 2004, 1988, 1990). Der Steuerpflichtige hat hieraus keinen Anspruch auf die Berichtigung, sondern lediglich auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. Und dabei kann es durchaus sein, dass es nicht ermessensfehlerhaft ist, nach Eintritt der Bestandskraft dem Aspekt des Rechtsfriedens mehr Gewicht beizumessen als der offenbar werdenden materiellen Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes infolge einer EuGH-Entscheidung (vgl. Gosch, DStR 2004, 1988, 1990).

3. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als Berichtigungsnorm setzt das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses voraus. Die Vorlage einer Bescheinigung über die anrechenbare Körperschaftsteuer gemäß § 44 KStG a.F. von einer inländischen Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich ein solch rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ( BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 48/98, BStBl II 1999, 527; vom 18. April 2000 VIII R 75/98, BStBl II 2000, 423). Dabei sieht § 175 Abs. 1 Satz 2 AO eine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist bis zum Ablauf des Kalenderjahres des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses vor.

Allerdings wurde § 175 AO durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz ( EURLUmsG) vom 8. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) mit Wirkung ab dem 29. Oktober 2004 (vgl. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO i.d.F. des EURLUmsG) dahingehend geändert, dass die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht als rückwirkendes Ereignis gilt.

§ 175 AO hat - soweit hier streitrelevant - folgenden Wortlaut:

(1) 1 Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

...

2. soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

2 In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) ... 2 Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO sieht zum zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO vor:

3) 1 § 175 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, S. 3310) ist erstmals anzuwenden, wenn die Bescheinigung oder Bestätigung nach dem 28. Oktober 2004 vorgelegt oder erteilt wird. 2§ 175 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung in der in Satz 1 genannten Fassung ist nicht für die Bescheinigung der anrechenbaren Körperschaftsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen anzuwenden.

Es sei angemerkt, dass der 28. Oktober 2004 das Datum der Dritten Lesung des EURLUmsG im Deutschen Bundestag ist, vgl. Plenarprotokoll 15/135 vom 28. Oktober 2004, 12425 B.

4. Die Zweifel des Senats an der EG-Rechtmäßigkeit des § 175 AO ergeben sich in zweierlei Hinsicht und zwar in Abhängigkeit davon, ob nach Auffassung des EuGH § 36 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a.F. gegen Europarecht verstößt oder nicht. Falls ein Verstoß nicht gegeben und damit eine Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. erforderlich wäre, stellt sich die Frage der EG-Rechtmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der "angemessenen Übergangsregelung". .Für den Fall, dass ein Verstoß bejaht wird und damit eine Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. nicht erforderlich wäre, ist fraglich, ob das Europarecht § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entgegensteht, wonach dann eine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide - und folglich auch der Körperschaftsteueranrechnung - nur bei inländischen Dividenden möglich wäre.

a. Für den Fall, dass nach Auffassung des EuGH eine Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. zum Zwecke der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer erforderlich wäre, ist im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Körperschaftsteueranrechnung für den Ausgang des Klageverfahrens entscheidend, ob § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO mit dem Effektivitätsgrundsatz sowie dem Prinzip des Effet utile vereinbar ist. Denn die Gesetzesänderung, die am 29. Oktober 2004 in Kraft getreten ist, sieht keine Übergangsfrist vor.

aa. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO, der den zeitlichen Anwendungsbereich des § 175 Abs. 2 AO regelt, macht damit die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs unmöglich. Indem die Vorlage von Bescheinigungen durch das EURLUmsG vom 8. Dezember 2004 rückwirkend ab dem 28. Oktober 2004 nicht mehr die Möglichkeit der Änderung von Steuerbescheiden eröffnet, erscheint die Geltendmachung des gemeinschaftsrechtlichen Erstattungsanspruchs, wie er aus den Entscheidungen in den Rechtssachen Manninen(vom 7. September 2004, C-319/02, Slg. 2004, I-7477) und Meilicke(vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. 2007, I-1835) ableitbar ist, praktisch unmöglich (vgl. Hahn, IStR 2005, 145, 148). Der Senat hat Zweifel, ob hierin ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zu sehen ist.

bb. Eine allgemeine (nicht nur auf die konkrete Rechtsprechung bezogene) rückwirkende Verkürzung von Ausschlussfristen ist nach der Rechtsprechung des EuGH zwar grundsätzlich nicht unzulässig (vgl. EuGH vom 9. Februar 1999, C-343/96 -Dilexport, Slg. 1999, I-579 Rn. 40 f.; vgl. auch EuGH vom 11. Juli 2002, C-62/00 -Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325 Rn. 36 ff.; vom 24. September 2002, C-255/00 -Grundig Italiana, Slg. 2002, I-8003 Rn. 35 ff.) Allerdings gibt es bei Änderungen allgemeiner Verfahrensnormen Schranken. So muss die Fristverkürzung insbesondere eine Übergangsregelung enthalten, die dem Einzelnen eine Frist einräume, die ausreiche, um nach Erlass der Regelung ohne Überstürzung die Erstattungsansprüche geltend zu machen, die er unter der alten Regelung hätte geltend machen können (Urteil des EuGH vom 24. September 2002, Rs. C-255/00 - Grundig Italiana, Slg. 2002, I-8003 Rn. 37 f.; Urteil vom 11. Juli 2002, Rs. C-62/00 - Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325 Rn. 38). Dabei kann eine sechsmonatige Übergangsfrist bereits angemessen sein (Urteil des EuGH vom 24. September 2002, Rs. C-255/00 - Grundig Italiana, a.a.O.). Diese Erwägungen zur Verkürzung von Fristen müssen gleichermaßen für die Aufhebung einer Anlaufhemmung - wie im Streitfall - gelten, da in beiden Fällen der Steuerpflichtige der Möglichkeit zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs beraubt wird (vgl. Schnitger, FR 2004, 1357, 1373). Der Senat fragt sich zudem, ob dies auch für eine nicht ausschließlich auf einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch angelegte Fristverkürzung gilt (vgl. Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2180; bejahend: Hahn, IStR 2005, 145, 149; Thömmes, IWB Fach 11a, S. 1131, 1134 f.; Tormöhlen, in Korn, EStG, § 36 Rn. 40.11; Korn/Strahl, KÖSDI 2005, 14557, 14566; Friedrich/Nagler, DStR 2005, 403, 412).

cc. Im Hinblick auf § 175 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO werden verfahrensrechtliche Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, die vor der Neuregelung bestanden haben, ohne Übergangsregelung beschnitten. Während der Steuerpflichtige bis zur Änderung des § 175 AO davon ausgehen konnte, durch die Vorlage einer Bescheinigung im Rahmen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO einen Ansatz der ausländischen Körperschaftsteuer als Einnahmen und damit im Ergebnis eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer zu erreichen, ist dieser Weg nach der Neuregelung nicht mehr gegeben.

Der nationale Gesetzgeber kann zwar grundsätzlich verfahrensrechtliche Verschärfungen allgemeiner Art einführen, wenn jedoch (auch) ein gemeinschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch betroffen ist, gebietet der Effektivitätsgrundsatz eine angemessene Übergangsregelung (vgl. Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2180).

dd. Problematisch erscheint, welche Übergangsfrist im Streitfall angemessen wäre. Sie muss gewährleisten, dass der die gewöhnliche Sorgfalt anwendende Steuerpflichtige die Zeit hat, Kenntnis von der Neuregelung zu nehmen und den entsprechenden Antrag unter Voraussetzungen vorzubereiten, die die Erfolgschancen nicht beeinträchtigen (Urteil des EuGH vom 24. September 2002, Rs. C-255/00 -Grundig Italiana, Slg. 2002, I-8003 Rn. 40). Geht man von dem Erfordernis der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung aus, so wäre zu berücksichtigen, dass dieses Erfordernis bislang ungeklärt und zweifelhaft erscheint. Hinzu kommt, dass die Erlangung einer solchen Bescheinigung von den ausländischen Körperschaften mit erheblichen, wenn nicht sogar unüberwindbaren, praktischen Problemen verbunden ist. Dies spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass eine Übergangsfrist von über sechs Monaten notwendig erscheint (so auch Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2180). Es fragt sich zudem, ob die Übergangsfrist überhaupt zu laufen beginnen kann, solange das Erfordernis der Körperschaftsteuerbescheinigung noch ungeklärt ist.

ee. Der Senat hat hingegen keine ernsthaften Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Einfügung des Satzes 2 in § 175 Abs. 2 AO mit dem Gemeinschaftsrecht. Der Senat sieht in dieser Neuregelung keine mittelbare oder verdeckte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit oder Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes sowie des Prinzips des Effet utile. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO gilt gleichermaßen für gebietsfremde wie für gebietsansässige Steuerpflichtige (Gosch, DStR 2002, 1988, 1992) und ist so allgemein gefasst, dass die Gesetzesänderung nicht nur auf die Vermeidung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuern gerichtet ist (Müller-Gatermann, JbFfStR 2005/2006, 59, 60; ähnlich Ritzer/Stangl, DStR 2004, 2176, 2178; a.A. Schön, JbFfStR 2005/2006, 44, 52 f.; Eicker, BB 2005, 131, 135; de Weerth, DB 2005, 1407, 1411; Sedemund, IStR 2007, 245, 247).

b. Für den Fall, dass nach Auffassung des EuGH eine Körperschaftsteuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a.F. zum Zwecke der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer nicht erforderlich wäre, ist im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Körperschaftsteueranrechnung von Bedeutung, ob § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gemeinschaftsrechtskonform ist. Hiernach ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein rückwirkendes Ereignis - wie etwa die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung - eintritt. Damit ist bezüglich inländischer Dividenden eine Körperschaftsteueranrechnung auch bei bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden möglich. In Ermangelung einer Körperschaftsteuerbescheinigung bei ausländischen Dividenden wäre eine Körperschaftsteueranrechnung trotz bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide bei ausländischen Dividenden indes mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht möglich. Dies könnte eine Diskriminierung von Auslandsdividenden, insbesondere einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG sowie des Effektivitätsgrundsatzes und des Prinzips des Effet utile darstellen.

Ende der Entscheidung

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