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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 3 K 6985/99
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 2
GG Art. 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

3 K 6985/99

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld; streitentscheidend ist der Aufenthaltsstatus der Klägerin, die im fraglichen Zeitraum keine deutsche Staatsangehörige war.

A. Die im Jahr 1969 geborene Klägerin ist mit Herrn AX verheiratet und hat drei Kinder, nämlich die Söhne B (geboren am 17.09.1986) und C (geboren am 01.11.1987) sowie die Tochter D (geboren am 20.10.1994).

Bis zum Jahr 1997 lebte die Klägerin mit ihrer Familie in Y, Kasachstan.

B. Nach Feststellungen des Bundesverwaltungsamtes im schriftlichen Aufnahmeverfahren erfüllte der Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen für eine Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland als Spätaussiedler i.S.d. § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge Bundesvertriebenengesetz - BVFG -. Mit Datum vom 13.03.1997 wurde dem Ehemann ein Aufnahmebescheid erteilt. Die ausstellende Behörde wies in diesem Bescheid darauf hin, dass mit dem Verwaltungsakt keine endgültige Entscheidung über die Eigenschaft als Spätaussiedler getroffen werde.

Der Klägerin wurde als Ehegattin im Bescheid ebenfalls die Einreise gestattet, ohne dass sie selbst die Voraussetzungen als Spätaussiedlerin erfüllte.

Am 02.09.1997 wurde der Klägerin - noch in Kasachstan - ein bis zum 01.03.1998 befristetes Visum erteilt, nach Angaben der heute zuständigen Ausländerbehörde der Stadt F als "Ehegattin eines Aussiedlers".

Die Klägerin reiste am 20.09.1997 in die Bundesrepublik ein. In einem Registrierschein des Bundesverwaltungsamtes (Verteilschein zum Aufnahmebescheid offenbar der Mutter) vom 09.10.1997 wurde die Klägerin als "Abkömmling eines Spätaussiedlers" i.S.d. § 7 Abs. 2 BVFG qualifiziert.

Der Fall der Klägerin wurde dem Land Nordrhein-Westfalen zugewiesen und im Oktober 1997 im Rahmen einer Verteilung an die Landesstelle des Bundesverwaltungsamtes in E abgegeben.

C. Am 20.10.1997 stellte die Klägerin einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld.

Am 27.11.1997 erließ das seinerzeit zuständige Arbeitsamt G einen Bewilligungsbescheid, in welchem es heißt [Unterstreichung auch im Original]:

"Sie sind als Spätaussiedler/ Vertriebene in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Ich habe aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Aufnahmebescheid/Registrierschein) den Anspruch auf Kindergeld - wie nachstehend aufgeführt - gem. § 155 Abs. 2 - AO - vorläufig festgesetzt.

Der Anspruch auf Kindergeld ist jedoch davon abhängig, dass ihr Status als Spätaussiedler/Vertriebene festgestellt und durch Vorlage des Bundespersonalausweises bzw. der Bescheinigung nach § 15 Bundesvertriebenengesetz - BVFG - nachgewiesen wird.

Legen Sie bitte umgehend den entsprechenden Nachweis der Familienkasse vor.

Das Kindergeld für Ihre Kinder ... habe ich für die Zeit von 09 - 11 / 1997 ... zur Zahlung angewiesen. ... "

Die Klägerin bezog daraufhin zunächst Kindergeld.

Aufgrund der Wohnsitznahme der Klägerin wurde im Dezember 1997 die Familienkasse F für die Bewilligung von Kindergeld zuständig. Mit Schreiben vom 01.12.1997 gab das Arbeitsamt G (Familienkasse) - nachdem dies bereits im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 27.11.1997 angekündigt worden war - das Verfahren an die zuständige Stelle in F ab.

Dementsprechend sandte das Arbeitsamt F (Familienkasse) mit Datum vom 10.12.1997 der Klägerin ein Schreiben, in welchem es u.a. heißt:

"... das Arbeitsamt G hat mir Ihre Kindergeldakte übersandt. Sie werden hier unter der Kindergeldnummer ... geführt.

Aufgrund Ihrer Angaben habe ich das Kindergeld ab Dezember 1997 in der bisherigen Höhe festgesetzt. ... "

Mit interner Verfügung vom gleichen Tag verfügte das Arbeitsamt eine Wiedervorlage der Sache in "08/98 - Grund: Vertriebenenausweis".

Bereits am 04.12.1997 hatte die Klägerin mittels eines Formschreibens Einspruch gegen die Festsetzung des Kindergeldes eingelegt.

Die Klägerin begründete ihren Rechtsbehelf mit einem Hinweis auf einen "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.05.1990". Der zitierte Beschluss betrifft ganz offenbar die Verfassungswidrigkeit der Kindergeldkürzung gemäß § 10 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (Aktenzeichen des BVerfG: BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86). Die Klägerin beantragte sinngemäß, zum frühest möglichen Zeitpunkt höhere Kindergeldzahlungen für das 1. und 2. Kind zu erhalten.

D.

Im Januar 1998 beantragte die Klägerin bei dem Bundesverwaltungsamt die Erteilung einer Bescheinigung zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft nach § 15 BVFG.

Mit Datum vom 22.07.1998 sandte das Arbeitsamt F ein weiteres Schreiben an die Klägerin, in welchem es heißt:

"Über ihren Anspruch auf Kindergeld ist noch nicht bzw. noch nicht endgültig entschieden werden, weil noch die Vorlage folgender Unterlagen erforderlich ist: Vertriebenenausweis oder Personalausweis.

Ich bitte um baldige Erledigung dieses Schreibens".

Die Klägerin antwortete hierauf unter dem 31.07.1998. Sie teilte mit, sie habe die Spätaussiedlerbescheinigung im "Januar 1998" beantragt, aber bis "heute" noch nicht erhalten.

Tatsächlich ging die zuständige Ausländerbehörde später davon aus, dass der Aufenthalt der Klägerin im Hinblick auf diese Antragstellung gemäß § 69 Abs. 3 des Ausländergesetzes (Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet vom 09.07.1990, BGBl. I Seite 1354 mit späteren Änderungen - gültig bis 31.12.2004) bis 31.03.1999 "als erlaubt" galt.

Nach den dem Gericht möglichen Feststellungen wurde der Klägerin weder zu diesem noch zu einem späteren Zeitpunkt - im streitigen Zeitraum - die Erlaubnis erteilt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Mit Datum vom 14.12.1998 sandte das Arbeitsamt F ein vergleichbares Erinnerungsschreiben an die Klägerin. Auch in diesem Schreiben wies die Familienkasse darauf hin, dass über den Anspruch auf Kindergeld noch nicht bzw. noch nicht endgültig entschieden werden könne, weil der Vertriebenenausweis noch nicht vorliege. Das Arbeitsamt bat die Klägerin, das Schreiben bis zum 10.01.1999 zu beantworten. Wenn dieser Termin nicht eingehalten werde - so die Familienkasse weiter - müsse das Kindergeld "auf 0,- DM" festgesetzt werden.

Auch auf dieses Schreiben antwortete die Klägerin - diesmal mit Schreiben vom 07.01.1999 - der Gestalt, dass sie mitteilte, die Spätaussiedlerbescheinigung sei im Januar 1998 beantragt worden, sie liege aber noch nicht vor; die Bescheinigung werde aber unverzüglich nach Erteilung übersandt.

E. Zu Beginn des Jahres 1999 stellte sich heraus, dass die Anerkennung der Klägerin als Spätaussiedlerin verweigert worden war. Der Klägerin wurde kein Bundespersonalausweis erteilt; die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG war bestandskräftig abgelehnt worden.

Da ein Verlassen des Bundesgebiets durch die Klägerin seitens der Ausländerbehörde als außergewöhnliche Härte angesehen wurde, wurde der Klägerin nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine "Aufenthaltsbefugnis" aus humanitären Gründen erteilt. Diese Befugnis war zunächst befristet bis zum 28.03.2001, sie wurde im weiteren Verlauf des Verfahrens jedoch mehrfach bis zum 23.03.2005 verlängert.

Nachdem das Arbeitsamt F von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, erließ es mit Datum vom 28.04.1999 einen neuen Kindergeldbescheid. In diesem Bescheid heißt es:

"Ihrem Antrag auf Kindergeld vom 20.10.1997 kann nicht entsprochen werden. Kindergeld wird auf 0,- DM festgesetzt.

Nach § 62 EStG haben ausländische Staatsangehörige einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG) oder eine Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) sind.

Nach den hier vorliegenden Unterlagen erfüllen Sie diese Voraussetzungen nicht....."

Ebenfalls mit Datum vom 28.04.1999 wies das Arbeitsamt darauf hin, dass die Klägerin - unstreitig - bislang 15.040 DM Kindergeld erhalten habe. Das Arbeitsamt teilte der Klägerin mit, dass auf diese Zahlung "möglicherweise" kein Anspruch bestanden habe.

Die Familienkasse führte hierzu aus, die Klägerin könne die Spätaussiedler- / Vertriebeneneigenschaft nach § 15 BVFG nicht nachweisen; die Klägerin sei lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Bevor zu entscheiden sei, ob der Betrag in Höhe von 15.040 DM erstattet werden müsse, erhalte die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 28.04.1999, sie habe das Geld nicht mehr und lebe von Sozialhilfe.

F. Mit Schriftsatz vom 12.05.1999 - bei dem Beklagten eingegangen am 14.05.1999 - bestellte sich der frühere Prozessbevollmächtigte - ein Rechtsanwalt - als Vertreter für die Klägerin. In dem Schreiben heißt es:

"Gegen Ihren Bescheid vom 28.04.1999 betreffend die Versagung von Kindergeld lege ich insgesamt Widerspruch ein und beantrage die Fortzahlung von Kindergeld ab dem Tage der Antragstellung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe....."

Der Rechtsbehelf wurde im wesentlichen damit begründet, dass die Grundlage für die Zahlung von Kindergeld nicht die Anerkennung als Spätaussiedlerin, sondern die grundsätzlich anzuerkennende Deutscheneigenschaft der Klägerin nach Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz - GG - sei.

Mit Datum vom 16.08.1999 sandte der Beklagte einen weiteren "Bescheid über Aufhebung der Kindergeldfestsetzung" an die Klägerin. In dem Bescheid heißt es wörtlich:

"Ein Steuerbescheid ist .... aufzuheben....., soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird (§ 175 Abs. 1 Satz 1 AO).

Mit Bescheid vom 27.11.1997 wurde Ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz aufgrund des vorgelegten Registrierscheins bewilligt. Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass Ihr Status als Spätaussiedlerin/Vertriebene durch die Vorlage des Bundespersonalausweises bzw. der Bescheinigung nach § 15 Bundesvertriebenengesetz nachgewiesen wird.

Die Anerkennung als Spätaussiedlerin wurde in ihrem Fall verweigert. Die Festsetzung des Kindergeldes wird deshalb gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) aufgehoben.....

Kindergeld ist deshalb zuviel gezahlt worden im Gesamtbetrag von 15 040 DM.

Dieser Betrag ist von ihnen nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten."

Mit Schriftsatz vom 20.08.1999 legte daraufhin der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen den

"... undatierten Bescheid ..... insgesamt Widerspruch ein".

Der Prozessbevollmächtigte bezog sich auf seine Argumentation im ersten Einspruch.

Mit Bescheid vom 16.09.1999 änderte der Beklagte den Bescheid vom 16.08.1999 "hinsichtlich der Erstattungspflicht": Ein Teilbetrag des gezahlten Kindergeldes in Höhe von 716,- DM sollte an die Landesstelle E erstattet werden.

Am 30.09.1999 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung über den Einspruch der Klägerin vom 12.05.1999 (Eingang beim Beklagten am 14.05.1999) gegen die Bescheide vom 28.04.1999, 16.08.1999 und - handschriftlich hinzugesetzt - vom 16.09.1999.

Als Betreff nannte der Beklagte "Aufhebung der Kindergeldfestsetzung".

Mit dieser Rechtsbehelfsentscheidung wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen die bezeichneten Bescheide als unbegründet zurück. Der Beklagte rechtfertigte seine Entscheidung im wesentlichen mit dem Hinweis, da die Klägerin als ausländische Staatsangehörige im Aufhebungszeitraum lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sei und sie nicht als Spätaussiedlerin anerkannt gewesen sei, habe kein Anspruch auf Kindergeld bestanden.

G. Am 15.10.1999 hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, den Bescheid vom 28.04.1999 und die Bescheide vom 16.08.1999 und 16.09.1999 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Kindergeld in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe ab dem 20.10.1997 zu gewähren.

Die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben dieses Begehren zunächst mit der bereits im Einspruchsverfahren geäußerten Rechtsauffassung begründet, wonach es für die Gewährung von Kindergeld nicht auf die Bescheinigung nach § 15 BVFG, sondern auf eine 'per se' bestehende Eigenschaft der Klägerin als "Statusdeutsche" im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ankomme.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 19.06.2001 (1 C 26/00, BVerwGE 114, 332) die Auffassung verworfen hatte, ein im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereister Spätaussiedlerbewerber sei auch dann Deutscher nach Art. 116 Abs. 1 GG, wenn sein Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG durch die zuständige Behörde rechtskräftig abgelehnt worden ist, hielten die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter an dieser Argumentation nicht mehr fest.

Zwischenzeitlich hatte allerdings der Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 13.09.2000 (VI B 134/00, BStBl II 2001, 108) verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG geltend gemacht. Der Bundesfinanzhof hatte ausgeführt, dass ein Ausländer, der nur eine Aufenthaltsbefugnis besitze, auch Anspruch auf Zahlung von Kindergeld haben könne.

Der entscheidende Senat hat daraufhin durch Beschluss vom 23.01.2002 (Bl. 139 GA) das Verfahren wegen des BFH-Verfahrens unter dem Aktenzeichen VIII R 89/98 (Abgabe an III. Senat des BFH: neues Aktenzeichen III R 67/98) zum Ruhen gebracht.

Am 24.03.2005 ist der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis § 25 Abs. 5 des "Aufenthaltsgesetzes" (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet / Art. 1 des Gesetzes vom 30.07.2004 ["Zuwanderungsgesetz"]; BGBl. I Seite 1950] mit späteren Änderungen - gültig ab 01.01.2005) erteilt worden.

Nachdem dem Ehemann der Klägerin im Juni 2006 eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz erteilt worden war, wurde diesem auf Antrag Kindergeld gewährt.

H. Nachdem der Gesetzgeber u.a. im Hinblick auf die zitierten höchstrichterlichen Verfahren die Regelungen über die Festsetzung von Kindergeld in § 62 EStG durch das "Zuwanderungsgesetz" (a.a.O.) und das "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" (vom 13.12.2006, BGBl. I 2006 Seite 2915) geändert hatte, beantragte der ehemalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 08.01.2007 den Fortgang des Verfahrens.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2007 hat der ehemalige Prozessbevollmächtigte die Klage zurückgenommen, soweit "sie sich gegen die Rückforderung von Kindergeld in der Zeit zwischen dem 15.04.1998 und dem 29.03.1999 richtet".

Durch Beschluss vom 30.06.2008 (Bl. 175 GA) hat der erkennende Senat das Verfahren wegen Kindergeld von April 1998 bis März 1999 abgetrennt und dieses Verfahren unter dem Aktenzeichen 3 K 2171/08 eingestellt.

Zur mündlichen Verhandlung am 03.09.2008 ist für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Aufhebungsbescheid vom 28.04.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.08.1999, den Rückforderungsbescheid vom 16.08.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.09.1999 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999 hinsichtlich der Kindergeldgewährung in den Monaten September 1997 bis März 1998 und April 1999 bis September 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Sache ist entscheidungsreif.

I. Das Klageverfahren war nicht im Hinblick auf den Beschluss des FG Köln vom 09. Mai 2007 (10 K 1690/07; EFG 2007, 1247) auszusetzen.

In diesem Verfahren hat das Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld (a.a.O.) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Gewährung von Kindergeld im Falle eines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitären Gründen von über drei Jahren noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird (Aktenzeichen des BVerfG: 2 BvL 4/07).

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Aussetzung eines Klageverfahrens entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO - geboten, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens hat (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Februar 1992 - III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408).

Ein Interesse der Beteiligten an der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits bejaht der erkennende Senat jedoch, da der Bundesfinanzhof ( BFH-Urteil vom 22. November 2007 - III R 54/02, BFHE 220, 45; BFH/NV 2008, 457) zwischenzeitlich bereits entschieden hat, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass Ausländer, deren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist, auch nach der Neuregelung der Kindergeldberechtigung keinen Anspruch auf Kindergeld haben; der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung.

II. Das Gericht durfte ohne das Erscheinen der Klägerin oder eines Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden.

Denn ein Fall, dass die Klägerin im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war (§ 119 Nr. 4 FGO), liegt nicht vor. Fehlende Vertretung wäre im Streitfall nur gegeben, wenn es an einer ordnungsgemäßen Ladung fehlte (vgl. BFH-Beschluss vom 09. Juli 1996 VII R 23/96 und VII B 41/96, BFH/NV 1997, 44 m.w.Nachw.). Die Ladung zur mündlichen Verhandlung war indes ordnungsgemäß: Im Streitfall ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung, in welcher der nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebene Hinweis enthalten war, der Klägerin wirksam in Ausführung eines Zustellungsauftrages an die Post zugestellt worden (§ 53 Abs. 2 FGO, §§ 176 ff. ZPO).

Das Gericht durfte somit in der mündlichen Verhandlung die ordnungsgemäße Ladung feststellen und im Anschluss hieran trotz Abwesenheit verhandeln.

Ein Verfahrensfehler liegt im Übrigen nicht vor, wenn das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung , zu der ordnungsgemäß geladen wurde, entscheidet, obwohl ein Beteiligter aus einem in seiner Person liegenden Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 09. Juli 1996 VII R 23/96 und VII B 41/96, BFH/NV 1997, 44 m.w.Nachw.).

B. Die Klage ist unbegründet.

I. Hinsichtlich des Klagegegenstandes legt der erkennende Senat das Begehren der Klägerin so aus, das diese letztlich im Rahmen des Festsetzungsverfahrens die Gewährung von Kindergeld beginnend mit September 1997 bis zum Monat der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung, das heißt bis einschließlich September 1999, begehrt; der Teil des Leistungszeitraums, auf welchen sich die Klagerücknahme bezieht, ist auszunehmen.

Daneben wendet sich der Kläger offensichtlich gegen die Rückforderung des gezahlten Kindergeldes.

1. Im Hinblick auf die Kindergeldfestsetzung richtet sich das Klageziel gegen den Aufhebungsbescheid vom 28.04.1999, den Änderungsbescheid vom 16.08.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999.

Dem Umstand, dass die Klägerin vor ihrem Rechtsbehelf vom 12./14.05.1999 bereits am 04.12.1997 Einspruch gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid eingelegt hatte, misst der erkennende Senat keine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung zu, da der Beklagte in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999 jedenfalls das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren abgeschlossen hat.

Diese Betrachtungsweise hat für die Bestimmung des streitigen Zeitraumes der Kindergeldgewährung nach Auffassung des erkennenden Senates die nachfolgenden Konsequenzen.

a) Den Beginn des streitigen Zeitraumes legt der erkennende Senat auf den Monat September 1997.

Zwar hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 14.10.1999 einen Beginn des Bezugs von Kindergeld am 20.10.1997 - dem Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung - für sich in Anspruch genommen. Das Gericht geht jedoch davon aus, das es das wirtschaftliche Klageziel der Klägerin ist, so gestellt zu werden, wie sie vor Erlass der Aufhebungsbescheide gestanden hat. Dies bedeutet die Gewährung von Kindergeld ab dem Monat September 1997.

b) Nach Meinung des erkennenden Senates endet der streitige Zeitraum im Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999, das heißt im September 1999.

Der Senat folgt damit der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (vgl. BFH vom 28.01.2004 - VIII R 12/03, BFH/NV 2004, 786 - a.A. FG Köln Urteil vom 10. Mai 2007 - 10 K 2341/01; Revision BFH III R 53/07). Danach beschränkt sich die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheides auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe.

c) Aufgrund der unter dem 15.10.2007 erklärten teilweise Klagerücknahme für die Zeit zwischen April 1998 und März 1999 beschränkt sich der streitige Zeitraum auf die Monate September 1997 bis März 1998 und April 1999 bis September 1999.

2. Die Klage richtet sich nach dem vom erkennenden Senat gefundenen Auslegungsergebnis auch gegen den Rückforderungsbescheid vom 16.08.1999 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.09.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999, soweit sie diesen Regelungsteil umfasst.

Zwar lässt das Begehren der Klägerin eine Differenzierung zwischen dem Festsetzungs- und Rückforderungsbescheid nicht unmittelbar erkennen. So ist auch in der Klageschrift vom 14.10.1999 stets von "dem Bescheid" die Rede. Andererseits ergibt eine lebensnahe Auslegung des Klagebegehrens, dass die Klägerin nicht nur der Auffassung ist, ihr stehe Kindergeld zu, sondern dass sie darüber hinaus auch meint, sie brauche das erhaltene Kindergeld nicht zurück zu zahlen.

Dass die Beteiligten letztlich von diesem Begehren ausgegangen sind, zeigt sich auch darin, dass in der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 30.09.1999 als Bescheiddatum ausdrücklich auch der 16.09.1999 genannt ist; bei diesem Datum handelt es sich um den Erlasszeitpunkt des zweiten Rückforderungsbescheides.

II. Die Klage kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Eine Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidungen nach § 100 Abs. 1 FGO kommt nicht in Betracht.

1. Der Aufhebungsbescheid vom 28.04.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.08.1999 und die insoweit ergangene Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999 sind rechtmäßig.

Denn der Klägerin stand zum einen im fraglichen Zeitraum materiell-rechtlich kein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu (nachfolgend a)). Zum anderen stand dem Beklagten auch eine verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeit im Hinblick auf die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung vom 27.11.1997 zu (nachfolgend b)).

a) Der Klägerin kam im fraglichen Zeitraum materiell-rechtlich kein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld zu.

(1) Der Senat misst die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Kindergeld am Prüfungsmaßstab des § 62 Abs. 2 EStG in der heute geltenden Fassung. Der Senat folgt damit erneut der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2007 - III R 54/02 a.a.O. gegen FG Köln vom 09. Mai 2007 - 10 K 1690/07 a.a.O.), wonach die Neuregelung auch Rückwirkung für die Vergangenheit entfaltet. Der Betrachtungsweise, wonach einem Ausländer bei hinreichend langem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne weiteres Kindergeld zusteht, folgt der Senat nicht.

(2) Den ursprünglichen Einwendungen der Klägerin im Einspruch vom 04.12.1997 kann der erkennende Senat keine Bedeutung für den vorliegenden Fall zumessen, da sich die Klägerin insoweit gegen nicht entscheidungsrelevante Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes wendet.

(3) Nach den vorgenannten Anforderungen waren die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung von Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG in dem streitigen Zeitraum nicht erfüllt.

(a) Die Vorschrift des § 62 Abs. 2 EStG findet auf die Person der Klägerin Anwendung. Denn die Klägerin war im fraglichen Zeitraum eine (im Hinblick auf das Herkunftsland Kasachstan) nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin. Die Klägerin war nicht deutsche Staatsbürgerin i. S. v. Art. 116 GG und erfüllte deshalb auch nicht die Voraussetzung des § 62 Abs. 1 EStG.

Nach Art. 116 Abs. 1 GG ist Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat.

Damit eine Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit - wie die Klägerin - als Deutsche eingestuft wird, muss sie Flüchtling oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit oder Abkömmling deutscher Staatsangehöriger ("Statusdeutscher") sein. Ob jemand Statusdeutscher ist, richtet sich nach den Vorschriften des BVFG, die bei der Auslegung des Art. 116 GG maßgeblich sind. Die Anerkennung der Klägerin als Spätaussiedlerin ist bestandskräftig verweigert worden, womit die Klägerin keine Deutsche nach Art. 116 Abs. 1 GG war. Der erkennende Senat bezieht sich insoweit auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.06.2001 - 1 C 26/00 a.a.O.).

(b) Die Tatbestandsvoraussetzung des § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG, nämlich der Besitz einer "Niederlassungserlaubnis" nach § 9 Aufenthaltsgesetz, lagen im streitigen Zeitraum nicht vor. Diese genannte Rechtsposition entspricht der "Aufenthaltsberechtigung" nach § 27 Ausländergesetz; die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum keine solche Berechtigung.

(c) Auch eine "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 7 Aufenthaltsgesetz konnte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht vorweisen.

(1) Im Hinblick auf das in den Streitjahren geltende Ausländerrecht hätte es hierzu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 15 Ausländergesetz mit Berechtigung zur Erwerbstätigkeit bedurft.

Der Klägerin war im fraglichen Zeitraum aber keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Bei der ab dem 03.11.1998 bestehenden "Erlaubnis" handelte es sich um eine bloße Fiktion i. S. d. § 69 Abs. 3 Ausländergesetz, welche für die hier in Frage stehende Berechtigung nicht ausreicht. Die Klägerin war lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis.

(2) Selbst wenn man eine Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 7 Aufenthaltsgesetz / § 15 Ausländergesetz annähme, wären die Anspruchsvoraussetzungen gleichwohl nicht erfüllt.

Denn hier griffe die Ausnahme nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbsatz c) EStG im Zusammenhang mit den §§ 23, 25 Aufenthaltsgesetz ein: Der Klägerin wurde der Aufenthalt geduldet aus humanitären Gründen und zur Vermeidung einer persönlichen Härte.

Eine Rückausnahme nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG greift nicht ein, da die Klägerin keiner Erwerbstätigkeit nachgehen durfte, Buchst. b) der Vorschrift.

b) Der Beklagte war auch in formaler Hinsicht berechtigt, die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung vom 27.11.1997 aufzuheben. Dies ergibt sich sowohl aus der Nebenbestimmung der Vorläufigkeit nach § 165 AO im ursprünglichen Bescheid (nachfolgend (1)) als auch aus dem Umstand, dass es sich bei der bestandskräftigen Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Bescheinigung ihrer Spätaussiedlereigenschaft nach § 15 BVFG um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt (nachfolgend (2)).

(1) Eine Befugnis des Beklagten zum Erlass der Aufhebungsbescheide kann zunächst aus der Änderungsverpflichtung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO im Zusammenhang mit den einschlägigen Kindergeldvorschriften des Einkommensteuergesetzes hergeleitet werden.

(a) Der ursprüngliche Festsetzungsbescheid vom 27.11.1997 stand unter der Nebenbestimmung der Vorläufigkeit im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO.

Die entsprechende Ungewissheit folgte im Streitfall aus dem Umstand, dass für den Beklagten bzw. die damals zuständige Behörde nicht absehbar war, ob die Klägerin einen zum Kindergeldbezug berechtigenden Status durch Anerkennung als Spätaussiedlerin erreichen würde.

Die Kindergeldfestsetzung war sodann nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO aufzuheben, da mit der bestandskräftigen Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG zu Beginn des Jahres 1999 die Ungewissheit über die Statuseigenschaft der Klägerin entfallen war.

(b) Diese Nebenbestimmung hat der Beklagte auch bis zum Erlasse des Aufhebungsbescheides am 28.04.1999 nicht aufgehoben.

Im Schreiben des Arbeitsamts F (Familienkasse) vom 10.12.1997 kann keine Aufhebung gesehen werden. Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel an der Qualität des Schreibens als Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO.

Zwar erwähnt die Behörde, Kindergeld "festgesetzt" zu haben. Alle anderen Umstände sprechen aber entscheidend gegen den Erlass eines Bescheides. Denn das Arbeitsamt F hat sich offenbar in einer wiederholenden Verfügung lediglich als nunmehr neu zuständige Behörde zu erkennen gegeben (die Abgabe war bereits im Bewilligungsbescheid vom 27.11.1997 angekündigt worden). Die Weiterzahlung des Kindergeldes sollte aufgrund der bereits vorliegenden Angaben der Klägerin erfolgen. Und eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben ebenfalls nicht beigefügt.

Selbst wenn es sich um einen Verwaltungsakt handeln würde, hätte die Behörde hiermit jedoch den Vorläufigkeitsvermerk nicht aufgehoben. Denn nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung - welcher der erkennende Senat folgt - bleibt eine Nebenbestimmung grundsätzlich bestehen, solange sie nicht aufgehoben wird ( BFH-Urteil vom 14.9.1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2 zum vergleichbaren Fall des § 164 AO). Und eine Aufhebung der Vorläufigkeit war aus der Sicht des Empfängerhorizonts der Klägerin durch das Arbeitsamts Düren nicht gewollt: Das Schreiben enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Behörde nunmehr auf den (ausländer-)rechtlichen Status der Klägerin keine Rücksicht mehr nehmen wollte.

(2) Eine weitere Befugnis zum Erlass der Aufhebungsbescheide folgt für den Beklagten aus der Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Ablehnung des Antrages, eine Bescheinigung gem. § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen, bildet ein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat; der Senat folgt insoweit einschlägiger Rechtsprechung (vgl. Thüringer Finanzgericht Urteil vom 19. Januar 2000 - III 358/98, EFG 2000, 573).

(a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat ("rückwirkendes Ereignis").

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 02.09.2008 - X R 46/07; nn.), welcher der Senat wiederum folgt, anerkannt, dass das Ereignis nachträglich, d.h. nach Erlass des Verwaltungsaktes eingetreten sein muss und deshalb - anders als bei § 173 AO - zur Zeit des Ergehens des Verwaltungsaktes noch nicht bestanden haben darf (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1988 IV R 215/85, BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863, und vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786).

Das Ereignis muss ferner den Sachverhalt verändern und dabei derart in die Vergangenheit zurückwirken, dass ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültige (bestandskräftig getroffene) Regelung an die Sachverhaltsänderung anzupassen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55; vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 89, BStBl II 1989, 225, 228, m.w.N.).

(b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Der nachträgliche Eintritt eines Ereignisses ist gegeben: Nach Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides am 27.11.1997 hat die zuständige Behörde zu Beginn des Jahres 1999 die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG bestandskräftig abgelehnt.

Dieses Ereignis wirkt in die Vergangenheit zurück und schafft ein Bedürfnis, von einer ursprünglich getroffenen Regelung abzuweichen. Denn die Gewährung von Kindergeld sollte - für alle Beteiligten ersichtlich - von Anfang an davon abhängig gemacht werden, dass der Klägerin ein entsprechender Status zukam. Zur Bewilligung eines solchen Status ist es nicht gekommen. Der Beklagte war in seiner steuerlichen Beurteilung an eine Statusentscheidung der zuständigen Behörde nach dem BVFG gebunden; dem entsprechenden Verwaltungsakt kommt Tatbestandswirkung zu. Daher war die ursprünglich getroffenen Entscheidung zu revidieren.

(3) Die Tatsache, dass der Beklagte keine bzw. unzutreffende Angaben über die Rechtsgrundlagen für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung in seinen Bescheiden vom 28.04.1999 und 16.08.1999 gemacht hat, führt nicht zur Rückgängigmachung der Entscheidung des Beklagten. Denn es ist anerkannt, dass auch die Angabe einer falschen Rechtsgrundlage eine Aufhebung des Verwaltungsakts nicht zur Folge hat, wenn sich der Verwaltungsakt anderweitig rechtfertigen lässt (vgl. z.B. FG München Urteil vom 10. Dezember 1999 - 8 K 2603/97; EFG 2001, 1202): Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das Gericht folgt, ist es unerheblich, wenn die Beklagte den Aufhebungsbescheid auf eine unzutreffende Vorschrift gestützt hat, wenn materiell die Voraussetzungen für eine Änderung vorlagen (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1981 VIII R 85/80, BStBl II 1981, 778, und vom 24. April 1990 IX R 58/85, BFH/NV- 1991, 139). Es kommt nicht darauf an, ob die zur Begründung der Aufhebung angegebene Vorschrift zutrifft, weil es sich hierbei um nichts anderes als die rechtliche Begründung handelt, die wie eine andere rechtliche Begründung jederzeit ausgetauscht werden kann (so auch Urteil des Hessischen FG vom 13. Mai 1997 2 K 5477/96, EFG 1997, 1261 und FG Berlin Urteil vom 12.10.1999 - 5 K 5118/98, nv.).

2. Auch der Rückforderungsbescheid vom 16.08.1999 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.09.1999 und die insoweit ergangene Einspruchsentscheidung vom 30.09.1999 sind rechtmäßig.

Die Rückforderung ist nicht zu beanstanden. Eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des Rückforderungsbescheids folgt aus § 37 Abs. 2 AO. Nach dem vorstehenden Ergebnis war ein Rechtsgrund für die Zahlung von Kindergeld an die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht gegeben.

C. Die Revision war zuzulassen, denn es ist ein Revisionsgrund gegeben: Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH vom 17. September 1974 VII B 112/73, BStBl II 1975, 196). Eine Grundsatzrevision ist dementsprechend zuzulassen, wenn eine vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. hierzu BFH vom 07. März 1994 V B 95/93, BFH/NV 1995, 650).

Die genannten Erfordernisse sind im Streitfall erfüllt. Denn es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheides auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe zu beschränken ist und ob die Gewährung von Kindergeld im Falle eines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitären Gründen von über drei Jahren noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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