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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 5 K 3906/05
Rechtsgebiete: EStG, SolZG, StraBEG


Vorschriften:

EStG § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
SolZG § 1 Abs. 2
StraBEG § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

5 K 3906/05

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens bis zum Erlass des Änderungsbescheides am 19.05.2006 werden dem Beklagten zu 7% auferlegt, im Übrigen tragen die Kläger die Kosten.

Die Kostenentscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten inzwischen -nach Erlass des Änderungsbescheides vom 19.05.2006- nur noch darüber, ob bei der Abrechnung zur Einkommensteuer 2004 Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag i. H. v. insgesamt 66.128,60 EUR = 62.681,19 EUR + 3.447,41 EUR (vorher 71.338,10 EUR = 67.619,10 EUR + 3.719,00 EUR) anzurechnen sind.

Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenverlangte Eheleute. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Auch die Klägerin ist nichtselbständig tätig. Beide Kläger besaßen seit 1993 Investmentanteile der Fonds A und B. Die Einnahmen hieraus in den Jahren 1993 bis 2002 in Höhe von 363.663 DM hatten sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen nicht angegeben. Im Juli 2004 veräußerten die Kläger die Investmentanteile, wobei Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag i. H. v. 67.619,10 EUR bzw. 3.719,00 EUR im Wege des Steuerabzuges gemäß § 18 a Auslandinvestmentgesetz (AuslInvestmG) einbehalten wurden.

Am 26.04.2004 gaben die Kläger eine Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) ab, wodurch sie ihre Einnahmen aus Kapitalvermögen aus den zuvor genannten Investmentanteilen offen legten und eine Abgabe hierauf in Höhe von 35.742,98 EUR (=25% auf 60% der Einnahmen) entrichteten. Am 13.06.2005 erging gegenüber den Klägern ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004, ohne dass der Beklagte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf die Erträge aus den Investmentanteilen für die Jahre 1993 bis 2004 anrechnete. Daraufhin erhoben die Kläger am 21.06.2005 Einspruch gegen die Abrechnung im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13.06.2005. Nachdem die Kläger am 13.07.2005 um eine bisher nicht ergangene rechtsbehelfsfähige Entscheidung gebeten hatten, erließ der Beklagte im Einverständnis mit den Klägern am 08.08.2005 einen auf § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2004, in dem er die bereits im Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheides vom 13.06.2005 erfassten Beträge wiederholte, was wie bereits dort zu einer Einkommensteuererstattung i. H. v. 7.499,08 EUR führte.

Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhoben die Kläger Einspruch, der durch Entscheidung vom 29.08.2005 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Beklagte vertrat in seiner Einspruchsentscheidung die Auffassung, bei der Einkommensteuerveranlagung 2004 seien nur die einbehaltenen Steuern anzurechnen, die auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfielen. Da die Einnahmen bis zum Veranlagungszeitraum 2002 in Folge Amnestierung bei der Einkommensteuerveranlagung nicht erfasst worden seien, könnten die diesbezüglichen Steuerabzugsbeträge nicht angerechnet werden. Soweit die einbehaltenen Steuern auf Erträge der Jahre 2003 und 2004 entfielen, komme zwar dem Grunde nach eine Anrechnung in Betracht; mangels Aufschlüsselung der insgesamt einbehaltenen Steuerabzugsbeträge könne jedoch eine Anrechnung nicht erfolgen.

Die Kläger erhoben gegen diese Entscheidung Klage, womit sie ihr Begehren, die von ihnen bezifferten Steuerabzugsbeträge in voller Höhe (71.338,10 EUR) bei der Einkommensteuer 2004 anzurechnen, weiter verfolgen. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte am 19.05.2006 einen geänderten Abrechnungsbescheid. Hierin berücksichtigte er auf Kapitalerträge der Jahre 2003/2004 entfallende Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 5.209,50 EUR (4.937,91 EUR + 271,59 EUR).

Hinsichtlich der auf die Jahre 1993 bis 2002 entfallenden, bisher nicht berücksichtigten Abzugssteuern tragen die Kläger wie folgt vor: Die Rechtswidrigkeit der Nichtanrechnung folge aus der rechtssystematischen Analyse des Zusammenspiels der Normen des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des StraBEG. Die Erträge (Zwischengewinne) thesaurierender ausländischer Investmentfonds gälten gemäß § 17 Abs.1 Satz 3 AuslInvestmG mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie von der Bank vereinnahmt worden seien, als zugeflossen und seien deshalb jährlich als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Dem Zinsabschlag unterlägen die thesaurierten Erträge jedoch erst beim Verkauf bzw. bei Rückgabe der Anteile. Kapitalertragsteuer entstehe in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zuflössen, § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG. Die Erträge für die Jahre 1993 bis 2002 seien den Klägern im Jahre 2004 zugeflossen. In diesem Jahr sei auch die Kapitalertragsteuer entstanden und wie Einkommensteuervorauszahlungen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen. Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 StraBEG sei der Steueranspruch für die auf die Jahre 1993 bis 2002 entfallenden Zinserträge nach Zuführung der Besteuerung nach den Vorschriften des StraBEG endgültig erloschen. Mangels Bestehens eines Einkommensteueranspruches fehle es somit an der Grundlage für die Erhebung bzw. den Abzug von Kapitalertragsteuer. Die strafbefreiende Erklärung habe grundsätzlich umfassende Abgeltungswirkung. Die Abgeltungswirkung nach dem StraBEG erfasse auch die zu entrichtende Abzugssteuer, soweit sich die Erhebung nach dem StraBEG auf diese Ansprüche beziehe, was auch für die Kapitalertragsteuer gelte. Der Abzug der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages sei somit zu Unrecht erfolgt. Die Bank hätte den Zinsabschlag für die Jahre 1993 bis 2002 gar nicht mehr anmelden und durchführen dürfen, hätte sie von der strafbefreienden Erklärung der Kläger gewusst. Für die Abstandnahme vom Steuerabzug spreche auch der Rechtsgedanke des § 44 a EStG. Bei Vorliegen eines Freistellungsauftrages bzw. einer Nichtveranlagungsbescheinigung werde kein Steuerabzug vorgenommen, wenn anzunehmen sei, dass eine Einkommensteuer nicht in Betracht komme. Dem Beklagten könne nicht zugestimmt werden, dass die auf die Jahre 1993 bis 2002 entfallende Zinsabschlagsteuer nach dem StraBEG pauschal berücksichtigt worden sei. Die pauschalierende Berücksichtigung von Aufwendungen, unter anderem von gezahlter Kapitalertragsteuer, beziehe sich lediglich auf Abzugssteuern, die bereits vor der strafbefreienden Erklärung einbehalten worden seien, wovon auch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 03.02.2004, BStBl I 2004, 225,Tz. 3.3.8. ausgehe. Das StraBEG beziehe sich zur Vereinfachung auf einbehaltende Steuern, die in den Veranlagungszeiträumen 1993 bis 2002 korrespondierend zu den verschwiegenen Einnahmen nicht berücksichtigt worden seien. Eine pauschale Abgeltungswirkung für Ausgaben trete nach dem StraBEG nur für solche Ausgaben ein, die zum Sachverhalt der Anmeldung gehörten. Dies seien ausschließlich solche, die erklärt werden konnten und auch erklärt werden mussten. Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 StraBEG sei der, dem Erklärenden umfangreiche Ermittlungen und Berechnungen zu ersparen. Rechtsanwendungsfehler sollten vermieden werden. Hätte der Gesetzgeber auf die üblichen Bemessungsgrundlagen abgestellt, und würde dem Erklärenden bei dessen Ermittlung ein Fehler unterlaufen, würde keine Straffreiheit eintreten und der Steueranspruch insoweit nicht erlöschen. Diese Gefahr bestehe nicht, wenn die steuermindernde Tatsache erst nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung entstanden sei. Somit sei das StraBEG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf die Anteilsveräußerung in 2004 anwendbar, sodass auch keine irgendwie geartete Pauschalierung und/oder Abgeltung stattfinden könne, mit der Folge, dass das EStG anwendbar sei. Die Kläger dürften nicht anders gestellt werden, als wenn ihnen Kapitalerträge bereits vor dem amnestierelevanten Zeitraum, etwa in 1992, zugeflossen wären. In diesem Falle hätte problemlos eine reguläre Anrechnung stattgefunden. Die strafbefreiende Erklärung ziehe einen Schlussstrich unter die fraglichen Jahre, die amnestierelevanten Veranlagungszeiträume seien mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung unwiderruflich abgehandelt. Weitere steuerliche Konsequenzen könnten hieraus nicht mehr gezogen werden. Das Vorliegen eines Sachzusammenhangs zwischen Einnahmen und Ausgaben sei für die Abgeltungswirkung des StraBEG ohne Bedeutung. Es komme allein darauf an, ob es sich um Beträge handele, die buchstäblich "im" Veranlagungszeitraum, zu dem der amnestierte Lebenssachverhalt gehöre, hätten einbezogen werden müssen, nicht aber ob sie "für" den fraglichen Zeitraum angefallen sind. Sollten sämtliche Ausgaben, die mit amnestierten Einnahmen in einem Sachzusammenhang stehen, als abgegolten gelten, hätte der Gesetzgeber entsprechende Kontrollmechanismen etablieren müssen, um eine solche Abgeltung über lange Jahre nach Ablauf des Amnestiezeitraumes sicher zu stellen. Dies sei aber gerade nicht geschehen. Das StraBEG habe sich mit seiner Konzeption für eine einfachere und effizientere Abwicklung entschieden. Nach dem Rechtsgedanken des StraBEG seien damit Ausgaben und Abzüge abgegolten, wenn sie zuvor pauschaliert im Rahmen einer strafbefreienden Erklärung bei der Bemessung der Einnahmen berücksichtigt worden seien. Es habe aber nur berücksichtigt werden können, was vor der Abgabe der strafbefreienden Erklärung realisiert gewesen sei und damit hätte angemeldet werden können. Genauso wie abgeschlossene Veranlagungsverfahren von der strafbefreienden Erklärung unberührt blieben, würden künftige Veranlagungen ohne Berücksichtigung der strafbefreienden Erklärung durchgeführt. Nur auf diese Weise werde das Ziel des Gesetzgebers erreicht, Rechtsfrieden für Steuerhinterziehungen der Jahre bis 2002 ohne Auswirkungen auf zukünftige Besteuerungen zu erreichen. Das EStG und das StraBEG stehe prinzipiell in einem Konkurrenzverhältnis. Zwar bestünden wesentliche Verfahrensunterschiede, da das Verfahren nach dem StraBEG seiner Intention entsprechend gegenüber dem normalen Veranlagungsverfahren eine Vielzahl von Vereinfachungen zur Verfahrensökonomie vorsehe. Das StraBEG verdränge das EStG nur dann, wenn die Steueranmeldung den fraglichen Sachverhalt umfasse. Später zufließende Kapitalerträge seien von dem amnestierelevanten Sachverhalt nicht erfasst, sodass das EStG einschlägig sei. Umgekehrt müssten nachträglich dem Steuerpflichtigen erstattete Werbungskosten im Jahr des Zuflusses nach dem EStG steuererhöhend einbezogen werden.

Einer Anrechnung der Kapitalertragsteuer stehe auch nicht der Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG entgegen. Danach werde zwar durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nur angerechnet, soweit sie auf die "bei der Veranlagung erfassten Einkünfte" entfalle. Insoweit habe aber der Gesetzgeber die Behandlung der nach dem StraBEG versteuerten Einnahmen nicht geregelt, weil es dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Schaffung der Vorschrift noch nicht gegeben habe. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG sei aber nach Sinn und Zweck auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Hier liege eine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege der Analogie bzw. der teleologischen Auslegung zu schließen sei. Selbst wenn man diese Vorschrift nicht für einschlägig hielte, ergäbe sich ein Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO. Die Bank habe als Dritter die Kapitalertragsteuer für Rechnung des Steuerschuldners entrichtet, ohne dass eine Steuerschuld bestand. Die Kläger seien daher erstattungsberechtigt. - Wegen weiterer Einzelheiten des Klägervortrages wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 08.12.2005 verwiesen.-

Wegen weiterer Einzelheiten des Klägervortrages wird auf den Schriftsatz vom 08.12.2005 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2004 vom 08.08.2005 in Gestalt des dazu ergangenen Änderungsbescheides vom 19.05.2006 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Betrag i. H. v. insgesamt 66.128,60 EUR auf die Einkommensteuer 2004 angerechnet wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise Revision zuzulassen.

Bis auf die inzwischen im Änderungsbescheid vom 19.05.2006 berücksichtigten 4.937,91 EUR für Zinsabschlagsteuern und Solidaritätszuschlag könnten auf die Einkommensteuer 2004 keine weiteren Beträge angerechnet werden. Abzugssteuern für die Jahre 1993 bis 2002 seien von der Anrechnung ausgenommen, da die Einnahmen hieraus keine "bei der Veranlagung erfasste Einkünfte" im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG seien. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der in seiner Gesetzesbegründung ausgeführt habe, dass durch den Ansatz von nur 60 % der Bruttoeinnahmen sämtliche mit den steuerpflichtigen Einnahmen zusammenhängenden Ausgaben einschließlich Kapitalertragsteuer abgegolten sein sollten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der nach § 218 Abs.2 AO ergangene Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 08.08.2005 in Gestalt des dazu ergangenen Änderungsbescheides vom 19.05.2006 hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Kläger besteht kein Anspruch, die durch Steuerabzug für die Jahre 1993 bis 2002 erhobenen Kapitalertragsteuern und den Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer 2004 anzurechnen.

1. Ein Anrechnungsanspruch ergibt sich nicht aus § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 1 Abs. 2 Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG). Eine Anrechnung nach diesen Vorschriften setzt nach deren Wortlaut voraus, dass die durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuern/Solidaritätszuschläge auf Einkünfte entfallen, "die bei der Veranlagung erfasst" wurden. Veranlagung in diesem Sinne ist die Festsetzung der Einkommensteuer bzw. des diesbezüglichen Solidaritätszuschlages nach dem, nach den Regeln des EStG ermittelten, Einkommen (§§ 25 ff i.V.m. § 2 Abs. 4, 5 EStG). Der nach der strafbefreienden Erklärung nach § 1 StraBEG zu entrichtende Betrag gilt zwar als Einkommensteuer (§ 10 Abs.1 StraBEG), und die strafbefreiende Erklärung des Steuerpflichtigen gemäß § 1 StraBEG steht einer Steuerfestsetzung gleich (§ 10 Abs.2 StraBEG). Der nach dem StraBEG festgesetzten Einkommensteuer liegt jedoch keine, den Regeln einer Einkommensteuerveranlagung nach dem EStG folgende, Veranlagung zugrunde, sondern die im StraBEG spezialgesetzlich vorgesehene Pauschalsteuerermittlung. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr.2 EStG scheidet somit als Anrechnungsgrundlage aus.

2. Eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr.2 StraBEG ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht möglich, da eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Gesetzeslücke nicht gegeben ist.

Dem Gesetzgeber war bei Schaffung des StraBEG der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG bekannt. Hätte er eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit amnestierelevanten Einnahmen stehen, aber erst nach 2002 erhoben werden, gewollt, wäre dies durch Änderung des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ohne Weiteres möglich gewesen, indem der Wortlaut dieser Vorschrift auch auf andere, als "bei der Veranlagung" erfasste Einkünfte erweitert worden wäre. Der Gesetzgeber hatte aber nach Überzeugung des erkennenden Senats gar keine Veranlassung, den Anwendungsbereich des § 36 Abs.2 Nr.2 StraBEG zu erweitern. Hierfür spricht die eindeutige Begründung des Gesetzgebers zum StraBEG. Danach hat der Gesetzgeber gesehen und auch berücksichtigt, dass nacherklärte Einkünfte mit einem Steuerabzug belastet sind (Bundestagsdrucksache - Drucksache - 15/1309, S. 9), ohne hieran anknüpfend deren Abzug, abweichend von der Berücksichtigung im Rahmen des pauschalen Abzuges nach § 1 Abs.2 StraBEG, nach den Regeln des Einkommensteuergesetzes zuzulassen. Das StraBEG stellt vielmehr nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers eine besondere, außerhalb des EStG angesiedelte Regelung dar, die den verfassungsrechtlich zweifelhaften Weg (vgl. hierzu nur Vorlagebeschluss des FG Köln vom 22.09.2005, 10 K 1880/05, EFG 2005, 1878 m.w.N.; Klein in DStR 2005, 1833 m.w.N.; Pezzer in DStZ 2003, 724) zur Steuerehrlichkeit ebnen sollte (Drucksache a.a.O. S.7). Dies schien dem Gesetzgeber unter bewusster deutlicher Bevorzugung der Steuerunehrlichen gegenüber den Steuerpflichtigen, die ihren Erklärungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind, offenbar nur möglich über Regeln außerhalb der geltenden Besteuerungs- und Erhebungsregeln, mit Hilfe einer großzügig ermittelten Pauschalsteuer. Hierbei hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die mit der Erklärung und Zahlung nach § 1 StraBEG verbundenen Strafbefreiung versucht, eine klare und praktikable Regelung zu schaffen (Drucksache a.a.O., S. 8) und dabei im Interesse der Vereinfachung unterstellt, dass für alle nichtversteuerten Einnahmen Aufwendungen i. H. v. insgesamt 40 % angefallen sind, worin auch die auf amnestierelevante Einnahmen entfallende Kapitalertragsteuer i. H. v. 30 % enthalten sein sollte (Drucksache a.a.O., S. 9). Keine Anhaltspunkte bestehen dafür, dass der Gesetzgeber mit dem großzügigen Pauschalabzug von 40% nur die Kapitalertragsteuer erfasst wissen wollte, die im Zeitpunkt der strafbefreienden Erklärung bereits erhoben worden war (vgl. ebenso Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler in Kommentar zum StraBEG, § 1, Anm.19). Auch aus Tz. 3.3.8 des von den Klägern angeführten Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 03.02.2004, in dem nur Hinweise der Verwaltung für die das StraBEG anwendenden Finanzbehörden gegeben werden, lässt sich dies nicht entnehmen. Vielmehr spricht die Tatsache, dass das StraBEG nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers eine auf Rechtsfrieden gerichtete Regelung darstellen soll (Drucksache a.a.O., S. 7) dafür, dass alle auf die nicht erklärten Einnahmen entfallenden Abzugsbeträge erfasst sein sollten, unabhängig davon, wann diese erhoben wurden. Der erkennende Senat geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber eine einheitliche Begünstigung für steuerunehrliche Bürger wollte, nicht jedoch eine weitere Bevorzugung des Teiles der Steuerunehrlichen, für die aufgrund besonderer Vorschriften, wie zum Beispiel des AusIInvestmentG, eine Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht bereits im Jahr des Zuflusses (§ 17 Abs.1 Satz 3 AusInvestmentG), sondern erst bei Ausschüttung der bisher thesaurierten Erträge erfolgt (§ 18 a Abs.1 Nr.3 AusInvestmentG). Folgte man der Auffassung der Kläger, hätten diese nicht nur den Vorteil der Besteuerung mit 25% von 60% der Einnahmen, sondern einen darüber hinausgehenden Vorteil in Form einer die Pauschalsteuer übersteigenden Erstattung von 30% der Einnahmen, ein Ergebnis, das als gesetzgeberischer Wille nicht ernsthaft unterstellt werden kann.

Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung auch dadurch bestätigt, dass Steuerunehrliche schon vor Inkrafttreten des StraBEG über eine Selbstanzeige gemäß §§ 371, 378 AO eine - verfassungsrechtlich unbedenkliche (vgl. Weber-Grellet in Der Betrieb, 2004, 1574 m.w.N.) - Möglichkeit hatten, den Weg in die Steuerehrlichkeit zu finden, verbunden mit der Konsequenz nachträglicher Steuerveranlagungen und Steueranrechnungen nach den Regeln des Einkommensteuergesetzes. Wenn der Gesetzgeber darüber hinaus eine - verfassungsrechtlich bedenkliche - Begünstigung Steuerunehrlicher in Form des StraBEG als erforderlich angesehen hat, die in Anspruch zu nehmen sich jeder Steuerpflichtige nach Durchführung einer sogenannten Günstigerprüfung entscheiden konnte (Drucksache a.a.O. S. 9), so spricht dies gegen eine vom Gesetzgeber gewollte Verquickung des StraBEG mit dem EStG zum Zwecke einer Anrechnung gemäß § 36 Abs.2 Satz 2 Nr.2 EStG und damit gegen eine planwidrige Gesetzeslücke und die Notwendigkeit einer Analogie.

3. Ein Anrechnungsanspruch der Kläger lässt sich auch nicht aus § 37 Abs. 2 AO i.V.m. § 8 Abs.1 StraBEG herleiten. Ein anrechenbarer Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO setzt voraus, dass eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt wurde. Dies ist der Fall, wenn für die Zahlung ein kausales Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht bestanden hat, auf die Leistung also nach materiellem Recht kein Anspruch besteht (vgl. nur Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 37, Anm.27 m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Kläger hatte der Beklagte trotz Abgabe der strafbefreienden Erklärung einen Anspruch auf die streitige Kapitalertragsteuer bzw. den diesbezüglichen Solidaritätszuschlag. Gemäß § 8 Abs.1 StraBEG erlöschen zwar die Steueransprüche betreffend die Jahre 1993 bis 2002 im Anschluss an eine strafbefreiende Erklärung, soweit Straf- und Bußgeldfreiheit eingetreten ist. Dies ist der Fall bei richtiger und vollständiger Erklärung der Einnahmen unter Berücksichtigung eines pauschalen Abzuges von 40% für alle diesbezüglichen Aufwendungen inklusive Kapitalertragsteuer (Drucksache a.a.O. S. 9, 11) und nach Erbringung einer pauschalierten Abgabe hierauf i.H.v. 25 bzw. 35%. Hieraus folgt, dass die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nach § 1 Abs.1 StraBEG zwar zum Erlöschen der Steueransprüche führt, nach teleologischer Auslegung der Vorschrift des § 8 Abs.1 StraBEG jedoch nur nach Maßgabe des vom Gesetzgeber mit der Erklärung verfolgten und vom Steuerpflichtigen mit Erklärung akzeptierten Ziels. Dieses ist bzw. war darauf gerichtet, gerade deshalb nur 60% der bis dahin nicht erklärten Einnahmen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zu unterwerfen, weil die Einnahmen im Übrigen zur Abdeckung der diesbezüglichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen, insbesondere auch zur - ggfls. nachträglichen - Entrichtung von Kapitalertragsteuer/Solidaritätszuschlag verwendet werden. Da die Abzugssteuern bei der Ermittlung der von den Klägern zu zahlenden Pauschalsteuer bereits als Aufwand berücksichtigt waren, das heißt die Erhebung der hier streitigen Kapitalertragsteuer und des diesbezüglichen Solidaritätszuschlages Grundlage für die zur Strafbefreiung führende Steuerzahlung war, bestand auch noch nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung durch die Kläger materiellrechtlich ein Anspruch des Fiskus auf den Abzug von Kapitalertragsteuer/Solidaritätszuschlag für Einnahmen der Jahre 1993 bis 2002.

Die Klage war daher mangels Anspruches auf Erstattung bzw. Anrechnung der in 2004 für die Jahre 1993 bis 2002 erhobenen Abzugssteuern abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs.1, 138 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 155 FGO, §§ 708 Nr.10, 711 der Zivilprozessordnung.



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