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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 6 K 912/04
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1
UStG § 3a Abs. 3
UStG § 3a Abs. 4 Nr. 3
RL 77/388/EWG Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

6 K 912/04

Tenor:

Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2002 vom 17.12.2003 und teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2004 wird die Umsatzsteuer 2002 auf ....EUR festgesetzt.

Die bis zur mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 11,96 v.H., im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die Klägerin hat ihren Sitz in A.

Unternehmensgegenstand ist die Erforschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Technologien zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Knorpels, der Knochen, des Bindegewebes und der Haut. In diesem Rahmen vertreibt sie u.a. in Europa und Australien ein Produkt zur Knorpelwiederherstellung namens X ("..."). Hierbei wird dem Patienten mittels Biopsie gesundes Knorpelmaterial durch einen unabhängigen orthopädischen Chirugen entnommen. Dieses Biopsat wird der Klägerin übersandt, die dieses dann in ihrem Labor bearbeitet, bis die Gelenkknorpelzellen (Chondrozyten) herauslösbar sind und nach spezieller Aufbereitung in der Umgebung ihres eigenen Blutserums in der nötigen Menge - in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen - gezüchtet werden. Die gezüchteten Zellen werden dann im Labor in eine Kollagen-Membran eingebracht, sodass eine Art "Knorpelpflaster" entsteht, und der behandelnden Klinik oder dem Arzt zur Implantation beim Patienten wieder übersandt. Daneben beschränkt sich die Klägerin auch auf die Züchtung der Knorpelzellen ohne Einbringung in eine Membran, die sog. Autologe Knorpelzellen-Implantation (Y). Auftraggeber der Klägerin sind je nach Vertragsgestaltung der Patient oder - in den meisten Fällen - die behandelnde Klinik bzw. der jeweilige Arzt.

Der Beklagte führte bei der Klägerin für den Zeitraum 2000 bis viertes Quartal 2002 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch.

Mit Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 17.12.2003 setzte der Beklagte, den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung im geänderten Prüfungsbericht vom 21.07.2003 folgend, die Umsatzsteuer erstmals auf ... EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Hierbei behandelte er insbesondere die bislang von der Klägerin als nicht steuerpflichtig beurteilten Umsätze aus der Zellkultivierung gegenüber ausländischen Unternehmern (... EUR, Umsatzsteuer hieraus ... EUR) als steuerbar und steuerpflichtig (vgl. Tz. 14). Es handele sich um eine nach § 3a Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) am Unternehmenssitz der Klägerin in A erbrachte sonstige Leistung. Denn es liege weder eine Katalogleistung gemäß § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG - insbesondere keine Beratungsleistung nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG - noch eine Leistung in Gestalt von "Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen" im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 c UStG vor. Letzterem stehe entgegen, dass die Knorpelzellen nicht losgelöst vom restlichen Körper als bewegliche körperliche Gegenstände angesehen würden. Sie seien Teil des Körpers und lediglich zur Behandlung vom Körper losgelöst. Die Einheitlichkeit des menschlichen Körpers werde durch die kurzzeitige Entnahme nicht aufgehoben. Sofern abweichend hiervon die Knorpelzellen als bewegliche körperliche Gegenstände zu qualifizieren seien, müsse eine Lieferung angenommen werden, die mangels eines bislang nachgewiesenen Befreiungstatbestandes steuerpflichtig sei.

In ihrem Einspruch vom 02.01.2004 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG bestimme. Denn es würden - anknüpfend an die Kommentierung von Rau/Dürrwächter zu § 3a Anm. 88 - von ihr Beratungsleistungen in Gestalt routinemäßiger Laborleistungen erbracht, da durch die medizinischtechnischen Assistenten ein bestimmtes festgelegtes Verfahren angewandt werde. Da die Leistungsempfänger ausschließlich ausländische Unternehmer gewesen seien, befinde sich der Ort der Leistung im Ausland mit der Folge der NichtSteuerbarkeit dieser Umsätze. Insoweit werde auch auf die umsatzsteuerliche Behandlung in Dänemark sowie das Urteil des Finanzgerichts BadenWürttemberg vom 30.11.2000, 14 K 124/99 zur Abgrenzung zwischen wissenschaftlichen Leistungen und wissenschaftlichen Beratungsleistungen verwiesen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2004 als unbegründet zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im Prüfungsbericht führte er aus, dass eine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG ausscheide, da eine Lieferung von Körperbestandteilen anknüpfend an das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 09.11.1993 (VI ZR 62/93, BGHZ 124, 52, NJW 1994, 127) nicht möglich sei. Eine Beratungsleistung in Form einer Laborleistung liege ebenfalls nicht vor. So würden keine Entscheidungshilfen für die Lösung konkreter technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Fragen zur Verfügung gestellt, da es sich um ein bereits bestehendes Verfahren handele und die Entscheidung für die Behandlungsmethode unter Einbeziehung der durch die Klägerin zu erbringenden Leistung schon im Vorfeld durch den Patienten gefallen sei. Auch nach den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien schieden Laborleistungen aus.

Mit ihrer Klage vom 18.03.2004 verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren zunächst mit der ursprünglichen Begründung fort. Im Anschluss an einen Erörterungstermin vertritt sie nunmehr die Auffassung, dass sich der Ort der Leistung aufgrund von Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen in Gestalt der zur Vermehrung entnommenen Knorpelzellen nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 c UStG bestimme. In der überwiegenden zivilrechtlichen Literatur würden - entgegen dem vom Beklagten in Bezug genommenen BGH-Urteil - auch Körpersubstanzen, die dem Körper mit dem Ziel der späteren Wiedereinfügung entnommen würden, mit der Entnahme als Sachen im Sinne des § 90 BGB angesehen. § 4 Nr. 17a UStG, der die unmittelbare Umsetzung einer europarechtlichen Norm darstelle, sei zu entnehmen, dass Organe lieferbare Gegenstände sein könnten. So dürften die nationalen Zivilrechtsordnungen mit ihren unterschiedlichen Sachbegriffen die Interpretation des europarechtlich bestimmten Umsatzsteuerrechts nicht beliebig beeinflussen. Der Organbegriff umfasse auch Teile menschlicher Organe und Gewebe, wie die hier in Rede stehenden Knorpelzellen. Es sei unbeachtlich, dass die Knorpelzellen hier nicht einem anderen Menschen zugeführt würden. Denn das UStG sehe eine Differenzierung nach dem Empfänger der entnommenen Körperbestandteile nicht vor. Eine Lieferung der Knorpelzellen sei zu verneinen, da vorliegend der Leistungsanteil überwiege, der seinem wirtschaftlichen Gehalt nach die von der Klägerin erbrachte Leistung als sonstige Leistung qualifiziere. Es könnten aber notfalls die erforderlichen Beförderungs- bzw. Versendungsnachweise vorgelegt werden. Eine stichprobenartige Überprüfung von Rechnungen der umstrittenen Umsätze durch den Beklagten habe bestätigt, dass die Umsätze ausnahmslos gegenüber Unternehmern erfolgt seien, die über eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen EU-Mitgliedsstaates verfügten und diese auch auf den Ausgangsrechnungen der Klägerin vermerkt sei. Hierzu hat die Klägerin eine Liste des Kontos 8300 sowie beispielhaft einige ihrer diesbezüglichen Ausgangsrechnungen vorgelegt. Die Ausgangsrechnungen weisen unter der Adresse des im EU-Ausland ansässigen Leistungsempfängers - ausgenommen der Rechnungen gegenüber der T in Großbritannien (Umsatz insgesamt ... EUR) - jeweils dessen ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus. In der Liste, bestätigt durch eine diesbezügliche Rechnung, sind zudem Umsätze von ... EUR gegenüber Leistungsempfängern in Australien verzeichnet.

Nachdem die Klägerin zunächst eine Reduzierung der Umsatzsteuer um ... EUR, also einschließlich der auf die Umsätze gegenüber den australischen und britischen Empfängern entfallenden Umsatzsteuer, begehrt hat,

beantragt die Klägerin nunmehr,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2002 vom 17.12.2003 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2004 die Umsatzsteuer 2002 auf ... EUR festzusetzen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt seinen bisherigen Vortrag aus dem Vorverfahren. Er stimmt im Übrigen der Klägerin zu, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG nicht vorliege. Eine Leistungsortbestimmung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 c UStG stehe - abgesehen davon, dass nach seiner Ansicht schon keine beweglichen körperlichen Gegenstände vorlägen - entgegen, dass die Zellen nicht nur bearbeitet, sondern in ihrer Anzahl vermehrt worden seien. Diese führe dann zur Annahme einer Lieferung, für die die Voraussetzungen einer steuerbefreiten Ausfuhr oder innergemeinschaftlichen Lieferung zu überprüfen wären.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist begründet. Denn die vom Beklagten der Besteuerung unterworfenen umstrittenen Umsätze gegenüber Leistungsempfängern in diversen EU-Staaten sind in Deutschland bereits nicht umsatzsteuerbar, da sich der Leistungsort im EU-Ausland befindet.

1. Bei den von der Klägerin erbrachten Umsätzen handelt es sich nicht um Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG, sondern um sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG).

a) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer (RL 77/388/EWG) gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

b) Im Streitfall kann - hier losgelöst von der Frage, ob die Knorpelzellen überhaupt körperliche Gegenstände im umsatzsteuerlichen Sinne darstellen - bereits nicht angenommen werden, dass die Klägerin dem behandelnden Arzt bzw. der Klinik oder dem Patienten die Verfügungsmacht an den ursprünglichen wie den vervielfachten Zellen verschafft hat, d. h. ein Wechsel der tatsächlichen Sachherrschaft stattgefunden hat. Hierzu müsste neben dem Übergang des Substanzwertes zugleich der Wille des Leistenden zu dieser unbedingten und endgültigen Übertragung bestehen. Da der behandelte Patient ein virulentes Interesses daran hat, gerade seine körpereigenen Zellen nach der Vermehrung zu erhalten, um Abstoßungsreaktionen seines Körpers nach der Implantation zu vermeiden, ist bereits ausgeschlossen, dass dieser sich im Vorfeld des Tätigwerdens der Klägerin seiner Position als Inhaber und Verfügungsberechtigter über die entnommenen Zellen und damit zugleich hinsichtlich der vervielfachten Zellen begeben hätte. Die Weitergabe der Knorpelzellen an die Klägerin erfolgte nur zu dem Zwecke eine Vermehrung der Zellen herbeizuführen, mit der Verpflichtung diese sodann zurückzusenden. Sie sollte gerade nicht mit den Zellen nach ihrem Belieben verfahren können. So gehören - bei hier unterstellter Sacheigenschaft der entnommenen Zellen - diese in entsprechender Anwendung des § 953 BGB auch nach der Trennung dem Patienten, wobei sich diese Rechtsposition auch an den durch Zellteilung entstandenen Knorpelzellen fortsetzt. Die Klägerin hatte insofern nie eine eigentümerähnliche Stellung, die sie hätte übertragen können. Aus Sicht der Beteiligten bedurfte es zudem zu der auf Vermehrung der Knorpelzellen gerichteten Tätigkeit der Klägerin nicht einer vorherigen Aneignung durch die Klägerin mit nachfolgender Übertragung der einem Eigentümer ähnlichen Verfügungsmacht auf den Auftraggeber. Die Leistung der Klägerin war vielmehr allein von dem Willen getragen, dem Patienten wieder seine (weiterhin) eigenen Zellen zukommen zu lassen. Die Situation stellt sich insofern ähnlich wie bei einer Reparaturleistung oder bei der Be- oder Verarbeitung von zur Verfügung gestellten Stoffen dar, bei der der leistende Unternehmer auch weder die tatsächliche Sachherrschaft an der zu reparierenden Sache oder den ihm vom Auftraggeber überlassenen Stoffen erlangt, noch einen entsprechenden Übertragungswillen aufweist.

2. Der Ort der von der Klägerin ausgeführten sonstigen Leistungen bestimmt sich nach § 3a UStG.

a) Im Streitfall sind keine Beratungsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 3, Abs. 3 UStG anzunehmen. Denn dies würde voraussetzen, dass die Beratungsleistung zu den Leistungen gehörte, die hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen der in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der RL 77/388/EWG bzw. in § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG genannten Berufe erbracht würde (BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 V R 25/02, BStBl II 2003, 734). Vorliegend kann aber nicht davon gesprochen werden, dass eine beratende Tätigkeit im Sinne der Vermittlung von Informationen zur Lösung konkreter Fragen und deren Auswertung den Schwerpunkt der Leistung der Klägerin gebildet hätte. Die von der Klägerin zu erbringende Hauptleistung bestand vielmehr in der Zellkultivierung und -vermehrung. Die möglicherweise zum Teil erteilten Informationen zu Operationstechniken und Ähnlichem stellen sich insofern nur als unselbständige Nebenleistungen dar. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine für eine Beratung charakteristische konkrete Lösungs- oder Entscheidungshilfe für den Patienten oder behandelnden Arzt geliefert hätte, da die Klägerin letztlich erst eingeschaltet worden sein dürfte, sobald die Entscheidung zugunsten von Y bzw. X gefallen war. Die im Vorfeld laufenden Werbe- und Informationsaktionen dienten insofern allein der besseren Vermarktung der von der Klägerin angebotenen Leistung, ohne den Schwerpunkt der Leistung zu verändern.

b) Vorliegend sind Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1 UStG zu bejahen, so dass die Leistung als in dem Gebiet des anderen Mitgliedsstaates ausgeführt gilt, wenn der Leistungsempfänger gegenüber dem leistenden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 2 UStG). Anderenfalls werden diese Leistungen dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird.

Der Begriff "Gegenstände" ist im UStG nicht definiert. Es verbietet sich ihn im Sinne des bürgerlichen Rechts zu interpretieren. Denn das bürgerliche Recht erfasst unter dem Oberbegriff "Gegenstand" Sachen, Rechte, Forderungen und sonstige Werte, so dass die umsatzsteuerliche Trennung aller Leistungsvorgänge in Lieferungen und sonstige Leistungen bei dann stets anzunehmender Lieferung hinfällig würde. Unter Berücksichtigung umsatzsteuerlicher Kriterien ist Gegenstand im Sinne des UStG und hier speziell auch des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG jedoch grundsätzlich jeder körperliche Gegenstand, also Sache im Sinne des § 90 BGB sowie Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden. Der Verweis auf "bewegliche" Gegenstände ist in Abgrenzung zu Grundstücken und deren Bestandteilen zu verstehen (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, München § 3a Rz. 104). Als körperlich werden feste, flüssige oder gasförmige Sachen bezeichnet, die im Raum abgrenzbar sind.

Die hier zu beurteilenden Knorpelzellen sind unstreitig als körperlich und beweglich in dem vorgenannten Sinne zu beurteilen. Problematisch erscheint allein die Frage nach der Sacheigenschaft der Zellen, da es sich um Körperzellen handelt, die einem lebenden Menschen entnommen worden sind und die ihm auch wieder zu einem späteren Zeitpunkt implantiert werden sollen. Der Körper des lebenden Menschen und seine ungetrennten Teile sind nach herrschender zivilrechtlicher Meinung keine Sachen im Sinne des § 90 BGB, da sie insoweit dem Schutzgut Körper unterfallen. Demgegenüber werden getrennte Körperteile wie Haare, gespendetes Blut oder zur Transplantation entnommene Organe mit der Trennung bewegliche Sachen im Rechtssinne. In seinem zu den §§ 823, 847 BGB ergangenen Urteil vom 9. November 1993 (VI ZR 62/93, BGHZ 124, 52) hat der BGH zum Ausdruck gebracht, dass dies jedoch nicht gelten soll, wenn der entnommene Körperbestandteil nach dem Willen des Rechtsträgers zur Bewahrung der Körperfunktionen oder zu ihrer Verwirklichung später wieder mit dem Körper vereinigt, die Trennung der Körperteile vom Körper also nicht endgültig sein soll. Dann führe eine Betrachtung, nach der § 823 Abs. 1 BGB die körperliche Integrität in Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Rechtsträgers umfassend schützt, zu dem Ergebnis, dass diese Bestandteile auch während ihrer Trennung vom Körper aus Sicht des Schutzzweckes der Norm mit diesem weiterhin eine funktionale Einheit bildeten. Damit erscheine es geboten, eine Beschädigung oder Vernichtung solcher ausgegliederter Körperbestandteile als Körperverletzung im Sinne von §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB zu werten. Das vorgenannte BGH-Urteil erscheint an dem Ergebnis orientiert, nämlich dem dortigen Kläger aufgrund der tragischen Umstände ein Schmerzensgeld zusprechen zu können. Dies hatte aber zur Voraussetzung, dass eine Körperverletzung und nicht eine bloße Eigentumsverletzung aufgrund Sachbeschädigung vorlag. Insofern ist es fraglich, ob den dortigen Ausführungen des BGH eine allgemeine und insbesondere nicht nur deliktsrechtliche, sondern auch sachenrechtliche Bedeutung über den entschiedenen Fall hinaus zukommt. Darüber hinaus ist vorliegend eine umsatzsteuerliche und keine rein zivilrechtliche Qualifizierung vorzunehmen, so dass wirtschaftliche Gesichtspunkte mit in die Betrachtung einfließen. Dementsprechend müssen Körperbestandteile, die letztlich im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, umsatzsteuerlich auch als Gegenstand angesehen werden. Hierbei kann es nicht auf eine - unter zivilrechtlichen Aspekten sicherlich gerechtfertigte - Differenzierung danach ankommen, ob das abgetrennte Körperteil später wieder zu einer Eigen- oder Fremdtransplantation verwendet wird. Für eine solche Unterscheidung gibt es bei wirtschaftlicher Betrachtung keine Rechtfertigung. Angesichts der europaweit gültigen Regelung des Art. 9 Abs. 2 Buchst. c 4. Spiegelstrich der RL 77/388/EWG ist vielmehr eine einheitliche Bestimmung des Begriffes der "beweglichen körperlichen Gegenstände" nötig, mit der sich die vorgenannte, am Schutz des Persönlichkeitsrechts ausgerichtete Rechtsprechung des BGH aus den besagten Gründen gerade nicht vereinbaren lässt. Insofern ist für umsatzsteuerliche Zwecke davon auszugehen, dass die vom Körper abgetrennten Körperteile wie die hier in Rede stehenden Knorpelzellen stets Sachen, also körperliche Gegenstände im umsatzsteuerlichen Sinne darstellen, an denen auch Arbeiten ausgeführt werden können.

Der EuGH beschreibt in seinem Urteil vom 06.03.1997 Rs. C-167/95, UR 1997, 217 die Arbeiten an beweglichen Gegenständen als körperlichen Eingriff in bewegliche Gegenstände, der grundsätzlich nicht wissenschaftlicher oder intellektueller Natur ist. Diese Formulierung ist auf die dortige Beurteilung der Leistungen eines Tierarztes an Tieren zugeschnitten. Auch in den Fällen, in denen der Gegenstand lediglich das Objekt der Arbeit ist, sind daher Arbeiten an beweglichen Gegenständen anzunehmen (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Köln, § 3a Anm. 123, 126). Unter die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG werden insbesondere Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen oder sonstigen beweglichen Sachen, also Leistungen, die herkömmlich als Werkleistungen bezeichnet werden (vgl. Kossack in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a Rn. 39; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 3a Rz. 106), subsumiert. So sprach der Gesetzeswortlaut des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG bis zum 31.12.1996 von "Werkleistungen" an beweglichen Gegenständen. Dieser wurde dann vom Gesetzgeber durch den umfassenderen Begriff "Arbeiten" ersetzt, um einerseits die UStG-Formulierung an den Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c 4. Spiegelstrich der RL 77/388/EWG anzupassen, andererseits um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, wenn bewegliche Sachen vernichtet oder entsorgt werden.

Vor dem Hintergrund, dass im Streitfall zunächst die Knorpelzellen aus dem übersandten Knorpelmaterial herausgelöst und dann durch Schaffung eines entsprechenden "Klimas" mittels einer Nährlösung zur Zellteilung veranlasst werden, liegt im Streitfall eine gewollte Einwirkung auf die vom Auftraggeber der Klägerin überlassenen Knorpelzellen vor, die als Arbeit an den Zellen und letztlich auch als Eingriff in dieselben zu qualifizieren ist. Denn die hier durch entsprechende Hilfsmittel herbeigeführte biologische Reaktion führt zwar nicht zu einer Veränderung der bereits vorhandenen Zellen - dies wäre vor dem späteren Verwendungszweck der Chondrozyten schließlich gerade nicht gewollt -, sondern zu einer beträchtlichen Veränderung in der Anzahl derselben. Dass die einmal in Gang gekommene Zellteilung dann quasi von alleine abläuft, ist insofern für die umsatzsteuerliche Beurteilung ohne Bedeutung. Ferner sind auch die für eine "Werkleistung" im Sinne einer sonstigen Leistung, die sich auf die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes bezieht, erforderlichen Merkmale erfüllt, da zum einen in Abgrenzung zur Werklieferung von der Klägerin keine selbst beschafften Stoffe, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind, bei ihrer Leistung verwendet werden. Zum anderen können alle gewollten Veränderungen an körperlichen Gegenständen, die durch mechanische, chemische oder sonstige Einwirkungen bewirkt werden, einschließlich solcher die durch Produktionshilfsmittel, wie Katalysatoren, Beschleuniger oder Verzögerer chemische Reaktionen herbeigeführt werden, als Bearbeitungen oder Verarbeitungen angesehen werden (vgl. Weymüller in Sölch/Ringleb, UStG, § 7 Rz. 35).

Da die im EU-Ausland ansässigen, unternehmerisch tätigen Kunden der Klägerin - außer die in Großbritannien ansässige T UK Ltd. - ihr gegenüber, wie den beispielhaft vorgelegten und darüber hinaus vom Beklagten im Vorfeld stichprobenhaft überprüften Ausgangsrechnungen der Klägerin zu entnehmen ist, die ihnen jeweils erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedsstaates verwendet haben, verlagert sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 2 UStG in das jeweilige EU-Ausland mit der Folge der Nicht-Steuerbarkeit dieser Umsätze im Inland. Von dem zunächst gestellten Antrag auf Reduzierung der Umsatzsteuer, soweit sie auch die Umsätze gegenüber der T UK Ltd. und der australischen T bzw. V ... ... Ltd. umfasste, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen, da sich der Leistungsort insoweit nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1 UStG bestimmt, also diese Umsätze am Ort ihres Tätigwerdens in A zu besteuern sind, ohne dass eine Befreiungsvorschrift - insbesondere nicht § 4 Nr.14 UStG - eingreift. Die Bemessungsgrundlage für die mit 16 % zu versteuernden Umsätze ist daher um ...EUR und hiermit die Umsatzsteuer um ... EUR zu reduzieren, so dass von den auf dem Konto 8300 erfassten Umsätzen letztlich nur die gegenüber der T UK Ltd. (Brutto-Umsatz ...EUR, Netto-Umsatz ... EUR) und der australischen T bzw. V (Brutto-Umsatz ... EUR, Netto-Umsatz ... EUR) besteuert werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der bis zur mündlichen Verhandlung angefallenen Kosten auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 FGO, im Übrigen auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zum Zwecke der Fortbildung des Rechts zugelassen.



Ende der Entscheidung

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