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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 7 K 1426/06
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2
BGB § 1684 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

7 K 1426/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kosten des Klägers für Besuchsfahrten zu den bei der geschiedenen Ehefrau lebenden Kindern im Streitjahr 2003 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind oder ob sie mit dem allgemeinen Kinderlastenausgleich abgegolten werden.

Der Kläger ist seit dem ............... 2002 geschieden. Aus der geschiedenen Ehe des Klägers stammen die beiden Kinder .........., geboren 1992, und............, geboren 1995. Die Kinder leben bei der Mutter in ...............

Die einfache Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers in ......... und dem Wohnort der Kinder bei der Mutter beträgt 123 km. Im Streitjahr 2003 fanden 13 Besuchswochenenden statt. An diesen Besuchswochenenden fuhr der Kläger von ........ nach ..........., holte die Kinder ab und fuhr sofort wieder nach ....... zurück, um mit den Kindern das Wochenende zu verbringen. Am Ende des Wochenendes fuhr der Kläger erneut nach .......... und zurück nach ........, um seine Kinder wieder zu ihrer Mutter zu bringen.

Die dem Kläger durch die Ausübung des Besuchsrechts im Streitjahr 2003 entstandenen Aufwendungen belaufen sich auf insgesamt 1.918,80 EUR. Sie setzen sich wie folgt zusammen:

123 km x 4 Fahrten x 0,30 EUR x 13 Wochenenden = 1.918,80 EUR.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2003 machte der Kläger die Aufwendungen für die Besuchsfahrten (i.H.v. 1.279 EUR = 246 km x 0,40 EUR x 13) als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom .......... 2005 berücksichtigte der Beklagte diese Kosten nicht. Im Übrigen wurden - aus hier nicht interessierenden Gründen - außergewöhnlichen Belastungen i.H.v. 1.649 EUR angesetzt, die - nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung i.H.v. 1.074 EUR (35.815 EUR x 3 %) i.H.v. 575 EUR den Gesamtbetrag der Einkünfte minderten.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom ........ 2006 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Sodann erhob der Kläger fristgerecht Klage.

Der Kläger trägt vor, dass die Aufwendungen zur Ausübung des Besuchsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach § 1634 BGB als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Die Aufwendungen seien zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG entstanden. Der BFH habe die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit solcher Aufwendungen im Urteil vom 24. Juni 2004 ausdrücklich offen gelassen (III R 141/95, BFH/NV 2004, 1635).

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2003 vom ......... 2005 - unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung - dahingehend zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 1.918,80 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Denn sie seien bereits durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs abgegolten. In diesem Zusammenhang verweist der Beklagte auf das Urteil des BFH vom 28. März 1996 (III R 208/94, BStBl II 1997, 54)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2003 vom ........ 2005 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Aufwendungen für die Besuchsfahrten stellen keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar.

I.

Gem. § 33 Abs. 1 EStG wird, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Sie sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Vorgänge der Lebensführung und der damit verbundenen Aufwendungen sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Darunter fallen insbesondere Aufwendungen, die durch den Grundfreibetrag des § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG in typisierender Weise abgegolten sind.

II.

Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die streitgegenständlichen Fahrtkosten, die durch den persönlichen Umgang des Klägers mit seinen Kindern entstanden sind, nicht als außergewöhnlich anzusehen. Sie sind nämlich in typisierender Weise durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten.

1. Dies folgt aus der Begründung zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 1990, wonach Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses ausdrücklich durch den Kinderfreibetrag und das Kindergeld abgegolten sind (BT-Drucksache 11/2157, S. 150; vgl. BFH, Urt. v. 28.03.1996, III R 208/94, BStBl II 1997, 54). Durch das Steuerreformgesetz 1990 (BGBl I 1988, 1093) war der durch § 33a Abs.1 a EStG a.F. gewährte Freibetrag abgeschafft worden, der durch das Steueränderungsgesetz 1977 (BGBl I 1977, 1586) eingeführt worden war und Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses pauschal abgelten sollte, welche insbesondere einem geschiedenen Elternteil, dem ein aus der Ehe hervorgegangenes Kind gemäß § 32 Abs.7 EStG nicht zugeordnet ist, oftmals zum Beispiel durch Besuche bei seinem Kind oder sonstige Arten der "Kontaktpflege" entstehen (BFH, Urt. v. 28.03.1996, a.a.O.). In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dieser Freibetrag sei angesichts der früheren Rechtslage eingeführt worden, wonach der barunterhaltspflichtige Elternteil für seine Kinder grundsätzlich keine Steuerermäßigung erhalten habe. Inzwischen stehe sie grundsätzlich beiden Elternteilen je zur Hälfte zu. Nach der mehrmaligen Anhebung des Kinderfreibetrages sei es berechtigt, Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses als durch Kinderfreibetrag und Kindergeld abgegolten zu betrachten (BT-Drucks 11/2157, S.150, vgl. BFH, Urt. v. 28.03.1996, a.a.O.).

2. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Abgeltungswirkung des Kinderlastenausgleichs ist mit Blick auf seinen Beurteilungsspielraum bei typisierenden Regelungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (zur Begründung im Einzelnen s. BFH, Urt. v. 28.03.1996, a.a.O.).

3. An dieser Beurteilung ändert sich nach Auffassung des erkennenden Senates auch nichts durch das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 2942). Der BFH hatte zwar eine solche Erwägung aufgegriffen, im Ergebnis aber bislang offen gelassen (Urt. v. 24.06.2004, III R 141/94, BFH/NV 2004, 1635; Beschl. v. 30.03.2004, III S 16/03, n.v.).

Während § 1634 BGB a.F. vorsah, dass das Elternteil, dem die Personensorge nicht zustand, die Befugnis zum persönlichen Umgang mit dem Kind behielt, wurde mit der genannten Änderung des Kindschaftsrechts das elterliche Sorge- und Umgangsrecht u.a. dahingehend geändert, dass nunmehr in § 1684 Abs. 1 BGB ausdrücklich eine Pflicht beider Elternteile zum Umgang mit dem Kind statuiert wurde.

Diese Gesetzesänderung mag zwar möglicherweise dazu führen, dass die Aufwendungen für die Fahrtkosten zur Ausübung des Besuchsrechts und der Besuchspflicht nunmehr als zwangsläufig entstanden i.S.d. § 33 EStG angesehen werden könnten. Jedoch sind sie gleichwohl weiterhin nicht außergewöhnlich. Sie werden# vielmehr auch nach der Änderung des zivilrechtlichen Kindschaftsrechts grundsätzlich von den typisierenden Regeln des Grundfreibetrages und des Kinderlastenausgleichs erfasst. Denn auch vor der Einführung einer rechtlichen Umgangspflicht durch § 1684 Abs. 1 BGB bestand zumindest eine sittlichmoralische Pflicht zum Umgang mit dem eigenen, beim geschiedenen Ehepartner lebenden Kind. Jedenfalls aber berücksichtigte der Gesetzgeber Aufwendungen für Besuche bei dem Kind im Rahmen der typisierenden Bemessung des Kinderlastenausgleichs.

Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass aufgrund der Einführung der rechtlichen Umgangspflicht die gesetzlich nicht näher konkretisiert wird und in ihrer Ausgestaltung dem Einzelfall überlassen bleibt die bereits zuvor aus sittlichmoralischen Gründen erfolgten Besuchsfahrten nunmehr in genereller Hinsicht in einer derart höheren Anzahl oder Intensität anfallen, dass sie grundsätzlich steuerrechtlich anders zu beurteilen wären.

III.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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