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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 7 K 1706/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2
EStG § 22 Nr. 1 S. 3a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

7 K 1706/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie monatliche Rentenzahlungen als Gegenleistung für den Eigentumserwerb an einem Grundstück in den Streitjahren 1996 bis 1999 steuerlich zu behandeln sind.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Januar 1979 hatten die Kläger das bebaute Grundstück H-Straße 106 und 108, nunmehr L-Straße 106 - 108, in T-Stadt von Frau FB erworben. Der Kaufpreis bestand in einer Barzahlung i.H.v. 100.000 DM und monatlichen Rentenzahlungen i.H.v. 1.500 DM. Laut Kaufvertrag war die Rente auf Lebenszeit der Veräußerin zu zahlen unter weiterer Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel, die an den Lebenshaltungskostenindex gebunden war. Beim Ableben der Veräußerin als Berechtigten vor einem Zeitraum von 10 Jahren der Rentenzahlung sollte die Rente bis zum Ablauf der 10-Jahres-Frist an die Erben weitergezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 18. Januar 1979 verwiesen (Bl. 40 ff. der FG-Akte).

FB hatte bei Abschluss des Vertrages am 18. Januar 1979 das 58. Lebensjahr vollendet.

Die Kläger nutzen das Grundstück zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger behandelten die Zahlungen als Mindestzeitrente oder verlängerte Leibrente. Demzufolge ermittelten sie den in den Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteil - entsprechend der Handhabung im betrieblichen Bereich - im Wege der Gegenüberstellung der Rentenbarwerte (Barwertminderung) und setzten den so ermittelten Zinsanteil als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Dabei handelte es sich um folgende Beträge:

 199611.862 DM
199711.916 DM
199812.042 DM
199912.168 DM.

Aufgrund des Eingreifens der Wertsicherungsklausel ergaben sich in den Veranlagungszeiträumen 1996 bis 1999 Rentenmehrbeträge gegenüber der ursprünglich vereinbarten Rente i.H.v. monatlich 1.500 DM. Die Rentenmehrbeträge aufgrund der Rentenerhöhung betrugen:

 199611.040 DM
199711.040 DM
199812.735 DM
199912.396 DM

Im Jahre 2001 fand bei den Klägern eine Betriebsprüfung statt. Die Betriebsprüfung beanstandete die bislang von den Klägern praktizierte Behandlung der Rentenzahlung sowie der Rentenerhöhungsbeträge. Der Betriebsprüfer vertrat die Rechtsauffassung, die Kläger dürften sowohl in Bezug auf die Grundrente als auch in Bezug auf die Rentenerhöhungsbeträge lediglich den Ertragsanteil als Werbungskosten ansetzen. Nach seiner Auffassung sollte die Rentenverpflichtung gegenüber FB und ihren Abkömmlingen ungeachtet der Mindestlaufzeit von 10 Jahren eine Leibrente darstellen mit der Folge, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG nur der Ertragsanteil der Rente als Werbungskosten abziehbar sein sollte. Auf dieser Grundlage änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1999 am 6. März 2002 nach § 164 Abs. 2 AO. Dabei behandelte der Beklagte die Rentenzahlungen als Veräußerungsleibrente. Dementsprechend ermittelte er den Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG. Der Beklagte ging dabei davon aus, dass aufgrund des Alters der Veräußerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von 58 Jahren der Ertragsanteil 35 % betragen würde. Außerdem ging er davon aus, dass der bisher in voller Höhe angesetzte Erhöhungsbetrag der Rente aufgrund der Wertsicherungsklausel als Bestandteil der Rente nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten abzugsfähig sei.

Dementsprechend kürzte der Beklagte in den Bescheiden vom 6. März 2002 Zinsanteil und Rentenerhöhungsbeträge wie folgt:

 1996199719981999
Kürzung Zinsanteil5.562 DM5.616 DM5.742 DM5.868 DM
Kürzung Rentenerhöhung7.176 DM 7.176 DM 8.277 DM 8.057 DM
 12.738 DM12.792 DM14.019 DM13.925 DM

Der gegen die Einkommensteueränderungsbescheide eingelegte Einspruch der Kläger wurde - nach Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 am 8. August 2002 aus hier nicht interessierenden Gründen - mit Einspruchsentscheidung vom 21. März 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage tragen die Kläger vor, dass es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht um eine Leibrentenverpflichtung handele, die im Anwendungsbereich der Überschusseinkunftsarten in Anlehnung an §§ 22 Nr. 1 Satz 3; 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG zu beurteilen sei. Denn die Vertragsparteien hätten eine Mindestzeitrente (verlängerte Leibrente) vereinbart.

Eine Leibrente sei nur dann gegeben, wenn die Zahlungsverpflichtung mit dem Ableben des Rentenberechtigten ende. Die Rentenzahlungen im Streitfall würden sich hiervon jedoch unterscheiden. Wäre FB innerhalb von 10 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages verstorben, hätten sie, die Kläger, auch über den Todeszeitpunkt von FB hinaus Rentenzahlungen an die Erben leisten müssen. Dies stehe dem Charakter einer Leibrente entgegen mit der Folge, dass nicht lediglich der Ertragsanteil, sondern die Barwertminderung als Zinsaufwand bei den Werbungskosten geltend gemacht werden könne.

Für die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung dahingehend, ob die voraussichtliche Lebenserwartung des Begünstigten die Mindestlaufzeit der Rente übersteige, bestehe weder Anlass noch Grund, noch eine gesetzliche Grundlage.

Die einkommensteuerliche Behandlung einer Mindestzeitrente sei gesetzlich nicht geregelt. Lediglich bei der Leibrente habe der Gesetzgeber Klarheit geschaffen, indem er in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG auf die Abzugsfähigkeit des Ertragsanteils verweise. Eine Gleichstellung der Mindestzeitrente mit einer lebenslänglichen oder abgekürzten Leibrente sei nicht möglich.

Nach der allgemeinen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG seien hingegen Schuldzinsen, welche mit einer Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, unbegrenzt zum Werbungskostenabzug zugelassen. Dies gelte auch für den Zinsanteil, welcher in den Rentenzahlungen enthalten sei.

Eine gesetzliche Bestimmung, die bei Mindestzeitrenten den Abzug auf den Ertragsanteil begrenze, gebe es nicht. Der als gesetzliche Ausnahme formulierte § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG schränke lediglich bei Leibrenten den Werbungskostenabzug dahingehend ein, dass nur der Ertragsanteil als pauschalierter Zinsanteil berücksichtigungsfähig sei. Ausnahmen seien nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen jedoch eng auszulegen. Schon aus diesem Gesichtspunkt verbiete sich eine Gleichstellung von Mindestzeitrenten mit Leibrenten, auch wenn bei Vertragsabschluss die Lebenserwartung des Begünstigten höher sei als die Mindestlaufzeit.

Dass die Mindestzeitrente mit einer lebenslänglichen oder abgekürzten Leibrente nicht gleichzustellen sei, folge auch aus dem Urteil des BFH vom 21. Oktober 1999 (BStBl II 2002, 650 ). Hierin habe der BFH entschieden, dass das Verhältnis der Mindestlaufzeit zur voraussichtlichen Lebenserwartung des Leistungsempfängers grundsätzlich unerheblich sei. Diese Aussage habe zwar primär die Abgrenzung zwischen wiederkehrenden Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung und dem Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen betroffen, jedoch habe die Aussage des BFH allgemeinen Charakter. Folglich habe der Empfänger einer Mindestzeitrente entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsanteil in Kaufpreisraten) oder bei unentgeltlicher Einräumung Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen ( § 22 Nr. 1 S. 1 EStG). Sei jedoch der Bezug der Rente mit der Hingabe eines wirtschaftlich als gleichwertig erachteten Vermögensgegenstandes verbunden gewesen, so dass der Rentenberechtigte den kompletten Zinsanteil als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern habe, müsse korrespondierend auf Seiten des Leistenden der komplette nach der Barwertmethode ermittelte Zinsanteil zum Werbungskostenabzug zugelassen werden.

Sie, die Kläger, hätten das streitgegenständliche Objekt zum Zwecke der Einkünfteerzielung erworben. Hätte das Objekt einem Betriebsvermögen angehört, wären sie, die Kläger, nicht nur befugt, sondern verpflichtet gewesen, den abzugsfähigen Zinsanteil finanzmathematisch anhand der Differenz der jährlichen Barwertminderungen zu ermitteln. Es sei systemwidrig und nicht nachvollziehbar, wenn bei Zugehörigkeit der gleichen Einkunftsquelle zum Privatvermögen eine andere steuerliche Beurteilung erfolgen würde. Eine gesetzliche Regelung, welche eine abweichende Handhabung zulasse, fehle jedenfalls bei der Mindestzeitrente.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei nicht darauf abzustellen, ob die vertraglichen Bestimmungen über die monatlichen Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer Zeitrente oder Rente geprägt würden. Für den Zahlungsberechtigten habe sich zwar der BFH in der älteren Entscheidung vom 29. Oktober 1974 (BStBl II 1975, 173) dahingehend geäußert, dass Zahlungsverpflichtungen des Käufers als Kaufpreisraten zu behandeln seien, wenn die Mindestlaufzeit die voraussichtliche Lebenserwartung des Verkäufers deutlich übersteige. Eine solche Situation habe die Qualifikation der Rente als Kaufpreisrate rechtfertigen sollen.

Abgesehen davon, dass die Entscheidung vom 29. Oktober 1974 durch die BFH-Entscheidung vom 21. Oktober 1999, welche das Verhältnis der Mindestlaufzeit zur voraussichtlichen Lebenserwartung des Bezugsberechtigten für unerheblich erklärt habe, nach ihrer, der Kläger, Auffassung überholt sei, enthalte die Entscheidung vom 29. Oktober 1974 nicht einmal die Aussage, eine die durchschnittliche Lebenserwartung des Berechtigten unterschreitende Mindestlaufzeit zwinge zur Qualifikation der Rente als Leibrente.

Der streitgegenständliche Fall des Erwerbs eines Vermietungsobjektes gegen Barzahlung und Leibrentenverpflichtung mit Mindestlaufzeit sei als entgeltliche Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen im Sinne des Abschnitts C des sogenannten Rentenerlasses vom 16. September 2004 (BStBl I 2004, 922) anzusehen. Dies würde auch durch die Rechtsprechung des BFH gestützt. Insoweit verweisen die Kläger auf das Urteil des BFH vom 19. Mai 1992 (BFH/NV 1993, 87).

Im BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1997 sei zudem ausgeführt, dass bei der steuerlichen Beurteilung von sogenannten Mindestzeitrenten oder verlängerten Leibrenten auf Antrag der Beteiligten an der bisherigen steuerrechtlichen Beurteilung festgehalten werden könne.

Im übrigen habe der Beklagte seit 1979 die bisherige Behandlung der Rentenzahlungen akzeptiert, so dass aufgrund der mehr als 15 Jahre dauernden Akzeptanz eine Selbstbindung der Verwaltung entstanden sei, die auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Abschnittsbesteuerung durchbrochen werden könne.

Ebenso wie bei der monatlichen Rente habe auch bei den Erhöhungsbeträgen, welche auf der Wertsicherungsklausel beruhten, eine Reduzierung auf den Ertragsanteil zu unterbleiben.

Schon die Rentenverpflichtung stelle keine Leibrente dar. Die Erhöhungsbeträge aufgrund der Wertsicherungsklausel hätten konsequenterweise auch keinen Leibrentencharakter, so dass die gesamten Beträge mangels einschränkender gesetzlicher Regelung zum Werbungskostenabzug zuzulassen seien.

Auch sei das Urteil des BFH vom 23. Februar 1984 (BStBl II 1984, 516) zu beachten. Hiernach sei der durch die Wertsicherungsklausel bedingte Erhöhungsbetrag der Rente in vollem Umfang bei der Überschussermittlung zum Abzug zu bringen, da es nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG kommen dürfe.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1998 vom 6. März 2002 und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 8. August 2002 - unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung - dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Veranlagungszeitraum 1996 weitere 12.738 DM, im Veranlagungszeitraum 1997 weitere 12.792 DM, im Veranlagungszeitraum 1998 weitere 14.019 DM und im Veranlagungszeitraum 1999 weitere 13.925 DM als Werbungskosten anerkannt werden und die Einkommensteuer 1996 bis 1999 jeweils entsprechend herabzusetzen; im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte trägt vor, dass die streitgegenständlichen Zahlungen wie eine Leibrentenverpflichtung auf der Grundlage der §§ 22 Nr. 1 Satz 3; 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG zu behandeln seien.

Die einkommensteuerliche Beurteilung von Mindestzeitrenten hänge nach ständiger Rechtsprechung davon ab, ob die vertraglichen Bestimmungen über die monatlichen Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer Zeitrente oder Kaufpreisrate geprägt würden.

Im Streitfall habe die durchschnittliche voraussichtliche Lebenserwartung der Begünstigten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 28 Jahre betragen. Dem stehe eine Mindestlaufzeit der Rentenzahlungen von 10 Jahren gegenüber. Während dieser Zeit sollte beim vorzeitigen Ableben der Begünstigten die Rentenzahlung an die Erben fortgesetzt werden. Unter Berücksichtigung dieser zeitlichen Relationen sei aber davon auszugehen, dass die Mindestzeit keinen bestimmenden Einfluss auf die Qualifikation der Rente habe. So stelle auch der BFH in seinem Urteil vom 29. Oktober 1974 (BStBl II 1975, 173) bei der Beurteilung der Rente darauf ab, ob die laufenden Rentenzahlungen mehr von den begrifflichen Bestimmungen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer Zeitrente oder Rate geprägt werde. Auch die von den Klägern zitierte BFH-Entscheidung vom 21. Oktober 1999 schließe sich dieser Auffassung an (siehe Entscheidungsgründe II 1 c). Zur Entscheidung habe dort jedoch nicht angestanden, wie der abzugsfähige Ertragszinsanteil zu berechnen gewesen sei, sondern ob es sich um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung oder um eine Gegenleistungsrente gehandelt habe.

Sei aber eine Rente auf Lebenszeit gegeben, so seien die Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen. Zu den Werbungskosten würden hiernach gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 a EStG auch auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten gehören. Bei Leibrenten könne aber nur der Anteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG aufgeführten Tabelle ergebe. Dies sei im Streitfall geschehen.

Der Rentenerhöhungsbetrag könne - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe des Ertragsanteils als Werbungskosten berücksichtigt werden. Nach den gesetzlichen Vorstellungen setze sich jede Rentenzahlung aus einer Vermögenszahlung, d.h. Zahlung auf ein Rentenstammrecht, und eine Art Zinszahlung zusammen. Soweit Leistungen auf das Stammrecht entfielen, handele es sich um eine Vermögensumschichtung, die steuerlich unbeachtlich sei. Erhöhten sich wie im Streitfall die Rentenzahlungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel, so bedeute dies nicht bloß eine Erhöhung der einzelnen Zahlungen, sondern auch eine Werterhöhung des Stammrechts. Die einzelnen erhöhten Zahlungen enthielten demgemäß erhöhte Anteile, die auf das Stammrecht entfielen und erhöhte Anteile, die als Zins gezahlt würden. Eine Erhöhung einer Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel habe daher notwendig eine Erhöhung des Ertragsanteils und des Stammrechts nach Maßgabe der Tabelle zur Folge. Eine einseitige Erhöhung nur des Ertragsanteils würde in unzulässiger Weise eine Verschiebung zu Lasten des Berechtigten und zu Gunsten des Verpflichteten darstellen (BFH, Urteil vom 29.11.1983, BStBl II 1984, 109). Dem stünden auch nicht die von den Klägern angeführten Urteile entgegen, da diese ausschließlich für Rentenzahlungen im betrieblichen Bereich ergangen seien. In dem hier streitgegenständlichen Zusammenhang würden andere Regelungen gelten. Im Bereich der Überschussermittlung in Privatvermögen sei die Anwendung der Regelung der §§ 9 Nr. 1 und 22 Nr. 1 a EStG zwingend und eindeutig.

Die von den Klägern angeführten Grundsätze der Behandlung der Mindestzeitrenten seien für die steuerliche Beurteilung des Streitfalls unerheblich, da es sich, wie dargelegt, um eine Leibrente handele. Aufgrund der erheblichen Überschreitung der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Lebenserwartung des Rentenempfängers von 28 Jahren gegenüber der vereinbarten Mindestlaufzeit von 10 Jahren würden die vertraglichen Bestimmungen eindeutig hiervon und somit von den Merkmalen einer Leibrente geprägt. Entsprechend seien die vereinbarten Zahlungen sowie die aufgrund der Wertsicherungsklauseln geleisteten Erhöhungsbeträge zu behandeln.

Die bisher von den Klägern angewandte Barwertmethode durch das Kapitalisieren der Rentenzahlungen wäre grundsätzlich nur bei den Gewinnermittlungen im betrieblichen Bereich zulässig. Ausnahmefälle stellten nur wiederkehrende Zahlungen auf bestimmte Zeit dar, wie Zeitrenten, abgekürzte Zeitrenten und Mindestzeitrenten.

Entgegen der Auffassung der Kläger sei auch keine Selbstbindung der Verwaltung entstanden. Denn aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung sei er, der Beklagte, verpflichtet, die Besteuerung für jedes Kalenderjahr sicherzustellen und den Sachverhalt sowie die Rechtslage ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung in den Vorjahren zu prüfen (BFH, Urteil vom 25.04.1990, BFH/NV 1990, 630; Urteil vom 26.06.1996, BStBl II 1996, 601).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1999 vom 6. März 2002 bzw. 8. August 2002 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 FGO). Die streitgegenständlichen Rentenzahlungen sind zu Recht als Veräußerungsleibrente erfasst und demzufolge der als Werbungskosten berücksichtigungsfähige Ertragsanteil nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG ermittelt worden. Der Erhöhungsbetrag der Rente aufgrund der Wertsicherungsklausel ist zu Recht nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten angesetzt worden.

I. Die streitgegenständlichen Rentenzahlungen als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung stellen eine Mindestzeitrente (auch verlängerte Leibrente genannt) dar. Dabei handelt es sich um Leibrenten, die bis zum Lebensende einer bestimmten Person zu zahlen sind, jedoch mindestens für eine bestimmte Laufzeit (BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, BStBl II 1975, 173; Stuhrmann, in Blümich, EStG, § 22 Rz. 114). Demzufolge wird eine Leibrente mit einer bestimmten Mindestlaufzeit, wenn der Rentenberechtigte, von dessen Lebzeit die Rente außerdem abhängt, vor Ablauf der Mindestlaufzeit stirbt, bis zu deren Ablauf an die Rechtsnachfolger gezahlt. Stirbt der Rentenberechtigte jedoch erst nach Ablauf der Mindestlaufzeit, so erlischt die Rente mit seinem Tode (Sturmann, in Blümich, EStG, § 22 Rz. 114). Im Streitfall sollte die Rente auf Lebenszeit der Veräußerin zu zahlen sein. Beim Ableben der Veräußerin vor einem Zeitraum von 10 Jahren der Rentenzahlung sollte die Rente bis zum Ablauf der 10-Jahres-Frist an die Erben weitergezahlt werden.

II. Bezüglich der Ermittlung des als Werbungskosten zu berücksichtigenden Ertrags- oder Zinsanteils von Leibrenten mit einer bestimmten Mindestlaufzeit mangelt es an einer gesetzlichen Regelung.

1. Entgegen der Auffassung der Kläger führt dies aber nicht dazu, dass die Mindestzeitrente grundsätzlich als Rente sui generis zu behandeln ist. Dementsprechend ist auch die Schlussfolgerung nicht zwingend, dass die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zur Anwendung gelange.

Eine einheitliche rechtliche Behandlung aller üblicherweise unter den Begriff der "Mindestzeitrenten" zusammengefassten Fallgruppen ist nicht möglich (BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, a.a.O.). Im Falle einer Mindestzeitrente, in der die Mindestlaufzeit erheblich unter der durchschnittlichen Lebenserwartung des Berechtigten liegt, ist es nach Auffassung des Senats geboten, eine solche Mindestzeitrente einer Leibrente gleichzustellen. Ob dies auch für Fälle gilt, in denen nur eine unerhebliche Differenz zwischen Mindestlaufzeit und durchschnittlicher Lebenserwartung besteht, kann dahingestellt bleiben, da der Streitfall hiervon nicht betroffen ist.

Im Streitfall war die Rentenberechtigte im Jahre 1979 im Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung und Vereinbarung der Rentenzahlung 58 Jahre alt. Laut Allgemeiner Sterbetafel 1970/72 betrug ihre durchschnittliche Lebenserwartung 20,78 Jahre, laut Allgemeiner Sterbetafel 1986/88 betrug sie 23,66 Jahre. Selbst wenn man von dem geringeren Wert ausgeht, bedeutet dies, dass ihre Lebenserwartung von 20 Jahren die vereinbarte Mindestlaufzeit um 10 Jahre überschritt. Bei einem typischen Geschehensablauf hätte der Ablauf der Mindestlaufzeit somit nicht zum Ende der Rentenzahlungen geführt, sondern erst - wie bei Leibrenten - das Ableben der Rentenberechtigten. Bei einer Differenz zwischen Mindestlaufzeit und durchschnittlicher Lebenserwartung von 10 Jahren (oder mehr) ist von einer erheblichen Differenz auszugehen (vgl. BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, BStBl II 1975, 173).

2. Für die Behandlung einer Mindestzeitrente, in der die Mindestlaufzeit erheblich unter der durchschnittlichen Lebenserwartung des Berechtigten liegt, als Leibrente spricht die Auslegung des Gesetzes, insbesondere des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG.

a. Da das Gesetz keine (eindeutige) Regelung der Mindestzeitrente vorsieht, ist es einer Auslegung zugänglich (BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, a.a.O.). Diese Auslegung hängt nach dem Sinn und Zweck der Norm davon ab, ob die vertraglich vereinbarten laufenden Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer Zeitrente oder Rate geprägt werden (vgl. Lüsch, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 22 Rn. 164; Fischer, in Kirchhoff/Söhn, EStG, § 22 Rn. B 126; Stuhrmann, in Blümich, EStG, § 22, Rn. 114; Jansen, in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 22 Rn. 309). Dies hat der BFH für eine abgekürzte Leibrente so auch entschieden (BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, a.a.O.). Eine abgekürzte Leibrente ist eine Mindestzeitrente, bei der die durchschnittliche Lebenserwartung des Berechtigten - im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall - (erheblich) geringer ist als die Mindestlaufzeit. Der Senat sieht keinen Grund, diese Grundsätze nicht auch auf den Fall der verlängerten Leibrenten anzuwenden.

b. Diese Sichtweise wird durch die Wertung des Gesetzgebers gestützt. Nach den Wertungen des Gesetzgebers erfolgt die Ermittlung des Ertragsanteiles der laufenden Zahlungen unter Berücksichtigung der in § 22 Nr. 1a EStG Laufzeit der Rente auf der Grundlage der voraussichtlichen, durchschnittlichen, nicht tatsächlichen - Lebenserwartung der Person, an deren Tod das Erlöschen der Zahlungsverpflichtung geknüpft ist (BFH, Urt. v. 29.10.1974, VIII R 131/70, a.a.O.). Das ist bei Mindestzeitrenten z.B. dann der Fall, wenn die vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer ist als die Lebenserwartung. In einem solchen Fall hat die voraussichtlich kürzere Laufzeit keinen bestimmenden Einfluss auf die Qualifikation der Rente. Denn typischerweise bemisst sich die Dauer der Rentenzahlung in diesen Fällen - wie bei Leibrenten - nach der Lebensdauer des Berechtigten und nicht nach der Mindestlaufzeit. Die Wagnis einer solchen Rentenvereinbarung liegt typischerweise in der Lebensdauer des Berechtigten. Dies wird auch durch die Regelung der sogenannten Verbindungsrenten in § 55 Abs. 1 Nr. 3 EStDV und der abgekürzten Leibrenten in § 55 Abs. 2 EStDV bestätigt. Deshalb ist es sachgerecht, die Mindestzeitrente, bei der die vereinbarte Mindestlaufzeit erheblich kürzer ist als die Lebenserwartung, als Leibrente zu behandeln.

c. Damit wird auch nicht - wie von den Klägern vorgetragen - gegen den Grundsatz restriktiver Auslegung von Ausnahmeregelungen verstoßen. Denn es handelt sich bei der vorliegenden Auslegung um eine solche, die den Wortsinn des Gesetzes nicht übermäßig ausdehnt. Denn eine Mindestzeitrente, bei der die Mindestlaufzeit erheblich niedriger ist als die durchschnittliche Lebenserwartung des Berechtigten, entspricht von ihrem Typus her einer Leibrente, da eine solche Rente typischerweise die gleiche Laufzeit wie eine Leibrente hat.

3. Dabei verkennt der Senat nicht das - auch von den Klägern zitierte - Urteil des BFH vom 21. Oktober 1999 (X R 75/97, BStBl II 2002, 650). Dort hat der BFH zwar ausgeführt, dass er der Relation zwischen Mindestlaufzeit und durchschnittlicher Lebenserwartung des Berechtigten keine Bedeutung beimesse. Indes war Gegenstand der Entscheidung die Abgrenzung zwischen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und entgeltlichem Veräußerungsgeschäft. Hierum geht es im Streitfall nicht, sondern um die Frage nach der Ermittlung des Ertrags- oder Zinsanteils. Auch der BFH weist in dem Urteil vom 21. Oktober 1999 (X R 75/97, a.a.O.) ausdrücklich darauf hin, dass es in seinem Fall nicht um die Ermittlung des Zinsanteils einer sog. Gegenleistungsrente gehe.

4. Auf die Behandlung der Mindestzeitrenten im betrieblichen Bereich kommt es - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an, da hierfür schon aufgrund der Systematik des Einkommensteuergesetzes andere Regeln gelten. Dies ist durch den Dualismus der Einkunftsarten gerechtfertigt.

5. Der Einwand der Kläger, dass die streitgegenständlichen Rentenzahlungen eine Mindestrente i.S.d. Abschn. C des Rentenerlasses darstelle, greift nicht durch. Wie bereits dargelegt, sind Mindestzeitrenten, deren Mindestlaufzeit erheblich niedriger ist als die durchschnittliche Lebenserwartung des Berechtigten, nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung im Wege der Auslegung der Leibrente zuzuordnen. Dies gilt entsprechend für den Rentenerlass.

An dieser Auslegung vermag auch die von den Klägern vorgetragene Möglichkeit der Option für die Anwendung der Rechtslage vor dem Rentenerlass vom 23. Dezember 1996 nichts ändern.

III. Der Erhöhungsbetrag der Rente aufgrund der Wertsicherungsklausel ist in den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheiden 1996 bis 1999 zu Recht nur mit dem Ertragsanteil - und nicht in voller Höhe - als Werbungskosten angesetzt worden.

Erhöhen sich die Rentenzahlungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel, dann erhöhen sich damit der Ertragsanteil und der Stammrechtsanteil der Leibrente (BFH, Urt. v. 29.11.1983, VIII R 231/80, BStBl II 1984, 109). Das Verhältnis zwischen Stammrechtsanteil und Ertragsanteil würde in unzulässiger Weise verschoben, wenn die Erhöhung der Leibrente ausschließlich dem einen oder dem anderen Anteil gutgeschrieben würde (BFH, Urt. v. 29.11.1983, VIII R 231/80, a.a.O.).

Dem steht nicht entgegen, dass in der Bilanz eines Unternehmens die Erhöhung einer passivierten Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel in voller Höhe zu Lasten des Ertrags geht. Dies beruht auf den Besonderheiten der Gewinnermittlung nach §§ 4, 5 EStG, insbesondere auch darauf, dass die dafür geltenden Vorschriften eine Beschränkung des Abzugs von Betriebsausgaben auf den Ertragsanteil einer Leibrente nicht kennen (BFH, Urt. v. 29.11.1983, VIII R 231/80, a.a.O.). Auch das von den Klägern zitierte Urteil des BFH vom 23. Februar 1984 (IV R 128/81, BStBl II 1984, 516) führt zu keinem anderen Ergebnis. Der BFH hat dort ausgeführt, dass die die infolge einer Wertsicherungsklausel nachträglich eingetretene Erhöhung einer Rente im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in vollem Umfang beim Betriebsausgabenabzug zu berücksichtigen sei. Indes ermitteln die Kläger bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ihren Gewinn nicht nach § 4 Abs. 3 EStG. Auch die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG betrifft Gewinneinkünfte und nicht Überschusseinkünfte, wie etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

IV. Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch aus der steuerlichen Behandlung der Rentenzahlungen in den Vorjahren keine Selbstbindung der Verwaltung entstanden. Die Berücksichtigung des rechtsfehlerhaft ermittelten Ertragsanteils in den Vorjahren konnte keinen Vertrauensschutz begründen, da das Finanzamt die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung in jedem Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat und eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühest möglichen Zeitpunkt selbst dann aufgeben muss, wenn der Steuerpflichtige darauf vertraut haben sollte (BFH, Beschl. v. 12.07.2006, IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028;v. 29.05.2007, III B 37/06, n.v.).

V. Die in den Einkommensteuerbescheiden 1996 bis 1999 als Werbungskosten angesetzten Ertragsbeträge sind der Höhe nach zutreffend nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG ermittelt worden und nicht zu beanstanden. Auch die Kläger haben hiergegen keine Einwendungen erhoben.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VII. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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