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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 7 K 2808/07
Rechtsgebiete: AO, UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

AO § 227
AO § 164 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 3
RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte ermessensfehlerfrei einen Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer für die Streitjahre 1998 und 1999 abgelehnt hat.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Automatenkaufmann gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz. Die in diesem Zusammenhang erzielten Umsätze beliefen sich ausweislich der eingereichten Gewinnermittlungen im Jahr 1998 auf 594.481 DM (netto) und im Jahr 1999 auf 598.377 DM (netto). Der Kläger unterwarf diese Umsätze in den für die Streitjahre von seinem damaligen Steuerberater erstellten und am 24.1.2000 für 1998 bzw. 27.11.2000 für 1999 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärungen der Umsatzsteuer. Der Beklagte stimmte den Umsatzsteuererklärungen am 9.2.2000 (1998) bzw. 14.12.2000 (1999) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu, wobei die Zustimmungsmitteilungen an den Steuerberater des Klägers ergingen. Die Steuerfestsetzungen wurden in der Folgezeit bestandskräftig und die Umsatzsteuern vom Kläger entrichtet.

Mit Schreiben vom 17.3.2005 legte der Kläger erstmals gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen Einspruch ein und begehrte unter Hinweis auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Sachen "Linneweber/Akritidis" (C-453/02; C-462/02, Slg 2005, I-1131, HFR 2005, 487) und "Emmott" (C-208/90, Slg. 1991, I-4269, HFR 1993, 137) die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 Euro. Zusätzlich beantragte er die Änderung der Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO und § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und begehrte unter Bezugnahme auf das in der Sache "Kühne & Heitz" (C-453/00, Slg. 2004, I-837, HFR 2004, 488) ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs den Erlass der Umsatzsteuer nach §§ 163, 227 AO. Der Beklagte lehnte diese Anträge ab. Über die hiergegen erhobenen Einsprüche ist bisher nicht entschieden worden; die gegen die Steuerfestsetzungen gerichteten Einsprüche ruhen.

Mit Schreiben vom 27.3.2006 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut den Erlass der Umsatzsteuern für die Streitjahre aus sachlichen Billigkeitsgründen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.6.2007 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht gegeben seien. Die Steuerfestsetzungen seien seinerzeit nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft gewesen. Sie hätten der damaligen herrschenden Rechtsansicht entsprochen. Insbesondere sei im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht offensichtlich und eindeutig erkennbar gewesen, dass der Kläger hinsichtlich der Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz eine Steuerbefreiung nach Artikel 13 B. Buchstabe f) der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr: Art. 135 Titel IX Kapitel 3 [1] Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG) hätte in Anspruch nehmen können. Die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung seien vielmehr bis zu den Entscheidungen des EuGH in den Sachen "Karlheinz Fischer" (C-283/95, Slg. 1998, I-3369, HFR 1998, 777) und "Linneweber/Akritidis" (C-453/02; C-462/03) nicht eindeutig geklärt gewesen. Der auch nach der Entscheidung in der Sache "Karlheinz Fischer" fortbestehende Klärungsbedarf sei unter anderem in den im Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs an den EuGH vom 6.11.2002 in der Sache "Linneweber/Akritidis" formulierten Fragestellungen zum Ausdruck gekommen. Vor dem Hintergrund der bis zur Entscheidung in der Sache "Linneweber/Akritidis" unklaren Rechtslage seien die bis dahin ergangenen Steuerfestsetzungen nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft. Im übrigen sei es dem Kläger zumutbar gewesen, fristgerecht Einspruch gegen die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre einzulegen. Diesbezüglich habe der Kläger insbesondere keine Veranlassung gehabt, auf die Einlegung von Einsprüchen zu verzichten. Er könne sich nicht auf das BFH-Urteil vom 17.5.2001 (Az.: V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl. II 2004, 370) berufen, zumal dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Ein Erlass der Steuern komme schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs in Betracht. Denn insoweit fehle es bereits an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, zumal die Voraussetzungen für das Eingreifen der Steuerbefreiung vor dem Ergehen der Entscheidungen in den Sachen "Karlheinz Fischer" und "Linneweber/Akritidis" nicht eindeutig geklärt gewesen seien.

Mit seiner am 17.7.2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für den Erlass der Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen gegeben seien. Die Umsatzsteuer sei vom Beklagten gemeinschaftsrechtswidrig erhoben worden. Der Erlass der Steuer sei geboten, weil die Fehlerhaftigkeit der Steuerfestsetzungen eindeutig und offenkundig sei. Der Ermessenspielraum des Beklagten sei auf Null reduziert. Es sei weder möglich noch zumutbar gewesen, sich rechtzeitig gegen die fehlerhaften Steuerfestsetzungen zu wehren. Im übrigen stehe der Erlassantrag nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis zu einer nach Ansicht des Beklagten vorrangig geltend zu machenden Anfechtung der Steuerfestsetzungen.

Die Steuerfestsetzungen stünden "eindeutig im Widerspruch" zu Artikel 13 B. Buchstabe f) der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG. Er - der Kläger - habe erstmals durch die Entscheidungen des EuGH in der Sache "Linneweber/Akritidis" vom 17.2.2005 und des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2005 von der Fehlerhaftigkeit der Steuerfestsetzungen erfahren. Das Urteil des EuGH vom 17.2.2005 habe keine Änderung der Rechtsprechung herbeigeführt, der EuGH habe mit zeitlich unbeschränkter Wirkung lediglich eine offensichtlich falsche "Gesetzesauslegung" durch den Beklagten bzw. die Bundesrepublik Deutschland festgestellt. Für die Beurteilung der Offensichtlichkeit bzw. Erkennbarkeit einer fehlerhaften Steuerfestsetzung komme es in subjektiver Hinsicht auf diejenigen Personen an, "die es angehe". Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland die 6. EG-Richtlinie mit ihrem hinsichtlich der vorliegend relevanten Steuerbefreiungsvorschrift bis heute unveränderten Wortlaut spätestens am 1.1.1979 in nationales Recht habe umsetzen müssen. Die Nichtumsetzung sei der zuständigen Behörde daher spätestens am 1.1.1979 bekannt gewesen und von ihr bewusst in Kauf genommen worden. Im übrigen sei in der Bundesratsdrucksache 493/73 vom 19.10.1973 bereits frühzeitig auf die Umsatzsteuerproblematik im Bereich des Glücksspiels und das Erfordernis einer diesbezüglichen Steuerbefreiungsvorschrift hingewiesen worden. Aus diesen Gründen habe für den Beklagten - jedenfalls aber für den deutschen Gesetzgeber - bei der Festsetzung der streitigen Steuern im Jahr 2000 "offensichtlich und eindeutig" festgestanden, dass die Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz nicht der Umsatzsteuer hätten unterworfen werden dürfen. Bereits nach der Entscheidung des EuGH in der Sache "Karlheinz Fischer" sei für den Beklagten "offensichtlich" gewesen, dass die Steuerfestsetzungen bezüglich der Umsätze aus Glücksspielautomaten einer Überprüfung bedurft hätten. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des BFH vom 21.4.2005 (V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96). Angesichts der "klaren und eindeutigen Formulierung" der in der Richtlinie normierten Steuerbefreiung sei eine weitere Auslegung durch den EuGH nicht mehr erforderlich gewesen.

Er - der Kläger - habe diese Umstände als steuerrechtlicher Laie nicht kennen müssen. Dies sei auch nicht seine Aufgabe. Vielmehr habe ihn der Beklagte vor dem Hintergrund des § 85 AO auf eine gegebenenfalls ungeklärte Rechtslage hinweisen müssen. Denn die Finanzbehörde habe nach § 85 AO sicherzustellen, dass Steuern nicht zu Unrecht erhoben würden. Im übrigen bräuchten Steuerpflichtige bis zur Information über einen gerichtlichen Vorlagebeschluss keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen zu haben und dürften auf deren Verfassungsmäßigkeit vertrauen. Unabhängig davon habe der Beklagte die Umsatzsteuern mit Blick auf die dem EuGH in der Sache "Linneweber/Akritidis" vorgelegten Rechtsfragen zudem nach § 165 AO vorläufig festsetzen müssen.

Die streitigen Steuerfestsetzungen seien darüber hinaus nichtig, da sie an "offenkundigen" und "besonders schwerwiegenden Fehlern" im Sinne des § 125 AO litten. Dementsprechend seien die Steuerfestsetzungen "nicht bestandskräftig" geworden. Ein schwerwiegender Fehler ergebe sich bereits aus der "offenkundigen", langjährigen Nichtumsetzung der Richtlinienvorgaben und der damit einhergehenden Belastung eines ganzen Gewerbezweiges in Deutschland "bis an die Grenzen des Konkurses bzw. der Insolvenz". Ein schwerwiegender Fehler liege auch deshalb vor, weil die Regelung des § 4 Nr. 9b UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der "steuerlichen Neutralität" verstoßen und der Beklagte die Steuerbescheide dennoch vorsätzlich unter Anwendung des gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Rechts erlassen habe. Dies sei durch das zeitlich unbeschränkt wirkende Urteil des EuGH vom 17.2.2005 "unzweideutig" bestätigt worden. Die Bundesrepublik Deutschland habe durch die Nichtumsetzung der Richtlinienvorgaben eine "eklatante und unumstößliche europarechtliche Pflichtverletzung" begangen und dadurch "in kaum wiedergutzumachender Weise" ein "tiefes Misstrauen" an der pflichtgemäßen Einhaltung von europarechtlichen Richtlinien begründet. Da die Missachtung des europarechtlichen Neutralitätsgrundsatzes einen bewussten und vorsätzlichen Verstoß des Beklagten gegen "Gesetz und gute Sitten" darstelle, komme auch die Regelung des § 817 Satz 1 BGB zur Anwendung.

Ein weiterer Fehler im Sinne des § 125 AO sei darin zu sehen, dass die Umsatzsteuern "ohne eine Rechtsgrundlage" festgesetzt worden seien. Denn vor dem Hintergrund des in der Sache "Glawe" ergangenen EuGH-Urteils vom 5.5.1994 (C-38/93, Slg. 1994, I-1679, BStBl. II 1994, 548) werde bei Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz und Gewinnmöglichkeit in Abweichung von der gesetzlichen Vorschrift des § 10 Abs. 1 UStG nur der dem Leistungserbringer (Automatenbetreiber) nach Auszahlung der Gewinne verbleibende Betrag (Unterschiedsbetrag) als Bemessungsgrundlage herangezogen. Diese Art der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei im Umsatzsteuergesetz jedoch nicht vorgesehen. Insbesondere stelle der "Unterschiedsbetrag" nicht das von dem Automatenbenutzer gezahlte Entgelt dar, das nach der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 1 UStG die Bemessungsgrundlage bilden solle. Es sei daher überhaupt nicht möglich, für die Umsätze aus Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz eine "nachvollziehbare und gerechte" Bemessungsgrundlage zu ermitteln. Angesichts dieser Schwierigkeiten sei für diese Umsätze eine Steuerbefreiung normiert worden. Die vom Beklagten dennoch vorgenommene Umsatzbesteuerung verstoße daher gegen den "Grundsatz der Normenklarheit" und der "Justiziabilität" gemäß " Art. 20 Abs. 3 GG". Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der "Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 20 Abs. 2 GG" vor. Die Erhebung der streitigen Steuern beruhe mangels einer gesetzlichen Grundlage lediglich auf dem Steuerbescheid. Da ein Verwaltungsakt jedoch keinen materiellen Rechtsgrund für die Entstehung der Steuer bilden könne, werde im Ergebnis ohne eine gesetzliche Grundlage in das "Vermögen" des Klägers "eingegriffen". Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG vor. Schließlich sei der "Verfassungsgrundsatz" vom "Vorbehalt des Gesetzes" beeinträchtigt, so dass der jeweils betroffene Steuerpflichtige nicht an die Steuerfestsetzungen gebunden sei. Die Steuerbescheide seien daher insgesamt nichtig. Das gelte insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Veranlagungsbehörde "vorsätzlich und planmäßig rechtswidrig" gehandelt habe.

Die Bescheide seien zudem auch deswegen offenkundig fehlerhaft, weil der Beklagte das ihm nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen, die Festsetzungen auch von Amts wegen ändern zu können, fehlerhaft ausgeübt habe. Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung über die Nichtaufhebung der Steuerfestsetzungen weder den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, wonach dem Gemeinschaftsrecht ein Vorrang vor einseitigen fiskalischen Interessen zukomme, noch den gemeinschaftsrechtlichen "Neutralitätsgrundsatz" in seine Ermessenserwägungen einbezogen. Dabei sei es ohnehin zweifelhaft, ob sich der Beklagte überhaupt mit der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Steuerfestsetzungen auseinandergesetzt habe, so dass gegebenenfalls sogar ein Fall des "Ermessensnichtgebrauchs" vorliege.

Ihm - dem Kläger - könne in diesem Zusammenhang nicht vorgehalten werden, dass er die Änderung der Steuerfestsetzungen nicht rechtzeitig beantragt habe. Denn er habe von seinen diesbezüglichen Rechten keine Kenntnis gehabt, zumal die Steuerfestsetzungen dem "Wortlaut des nationalen Gesetzes" entsprochen hätten und seine Rechte lediglich im Gemeinschaftsrecht verankert gewesen seien. Etwas anderes hätte sich daher nur dann ergeben, wenn der nationale Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben fristgerecht umgesetzt hätte. Durch die Nichtumsetzung der Richtlinie in nationales Recht werde aber zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber den jeweils Betroffenen die ihnen zustehenden Rechte nicht habe einräumen wollen. Offensichtlich habe der Gesetzgeber darauf gehofft, dass die Betroffenen ihre Rechte mangels Kenntnis des Gemeinschaftsrechts nicht oder nicht rechtzeitig geltend machen würden. Es widerspreche jedoch dem Gemeinschaftsrecht, einen Mitgliedsstaat letztlich für die Nicht- bzw. nicht fristgerechte Umsetzung einer Richtlinie "belohnen" zu wollen. Außerdem widerspreche es dem "Effektivitätsgrundsatz", wenn einem Betroffenen die Wahrnehmung der ihm durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte "praktisch unmöglich" gemacht werde. Dies sei vorliegend aber der Fall, wenn die bestandskräftig und fehlerhaft festgesetzten Steuern nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen würden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der EuGH die zeitliche Wirkung des Urteils in der Sache "Linneweber/Akritidis" nicht beschränkt habe und der Urteilstenor daher auf alle materiell-rechtlich gleich liegenden Fallgestaltungen seit dem 1.1.1979 anzuwenden sei.

Darüber hinaus sei es ihm - dem Kläger - nicht zumutbar gewesen, rechtzeitig Rechtsmittel gegen die streitigen Steuerfestsetzungen einzulegen, zumal die Entscheidung des EuGH in der Sache "Linneweber/Akritidis" damals noch nicht ergangen gewesen sei und er - der Kläger - erst aufgrund dieses Urteils von seinen Rechten erfahren habe. Diese Rechte seien ihm vom Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt durch die vorsätzliche Nichtumsetzung der Richtlinie unter Missachtung des gemeinschaftsrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes vorenthalten worden. Es sei die Aufgabe und Pflicht des Gesetzgebers, die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Steuerbefreiung für die streitigen Umsätze zu schaffen. Solange dies nicht der Fall sei, dürfe ein Steuerpflichtiger nicht darauf verwiesen werden, seine Rechte in einem Steuerfestsetzungs- bzw. Klageverfahren mit ungewissem Ausgang geltend machen zu müssen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach der im Rahmen von Schadensersatzprozessen ergangenen Rechtsprechung des Landgerichts Augsburg (Urteil vom 23.11.2006 9 O 1370/06) und des OLG München (Beschluss vom 24.6.2007 24 U 13/07) selbst Steuerberater keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit solcher Umsatzsteuerfestsetzungen zu haben brauchten. Im übrigen seien die Umsatzsteuerbescheide vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 12.2.2008 in der Sache "W K" (C-2/06, ABl. EU 2008 Nr. C 79, 3 , HFR 2008, 521) ohnehin in vollem Umfang gerichtlich zu überprüfen. Die Steuerbefreiung sei dabei von Amts wegen zu gewähren, zumal die Entscheidung des EuGH in der Sache "Linneweber/Akritidis" Bindungswirkung für alle Gerichte entfalte. Auf die Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG komme es vorliegend nicht an.

In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass sich ein Staat, der pflichtwidrig die Umsetzung einer EU-Richtlinie unterlassen habe, niemals zum Nachteil eines Bürgers auf die Nichtumsetzung der Richtlinie berufen dürfe. Eine nicht rechtzeitig umgesetzte Richtlinie entfalte keine unmittelbaren Wirkungen zulasten des Bürgers.

Der Erlass der Umsatzsteuern sei schließlich auch vor dem Hintergrund eines gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs wegen der nicht bzw. nicht rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie geboten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom xxx und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung zu verpflichten, die festgesetzte Umsatzsteuer für die Jahre 1998 und 1999 in Höhe eines Teilbetrages von jeweils 20.000 DM zu erlassen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgesichtspunkten nur subsidiär gegenüber der Beseitigung einer Unbilligkeit durch die vorrangige Anfechtung und Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzungen in Betracht komme. Da im vorliegenden Fall noch nicht über die Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen entschieden sei, scheide ein Billigkeitserlass aus. Die Umsätze aus den Geldspielautomaten seien im Einklang mit den damals gültigen gesetzlichen Regelungen der Besteuerung unterworfen worden. Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, gegen die Steuerfestsetzungen im Jahr 2000 Einspruch einzulegen, zumal die umsatzsteuerliche Behandlung der vorliegend in Rede stehenden Geldspielautomatenumsätze bereits zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig geklärt gewesen sei. Darüber hinaus seien die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen, so dass der Kläger bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung am 31.12.2004 eine Änderung hätte beantragen und Einspruch gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung hätte einlegen können. Der Erlass aus Billigkeitsgründen diene nicht dazu, die Folgen einer schuldhaften Versäumnis der Rechtsbehelfsfrist auszugleichen. Im übrigen bringe § 79 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck, dass nicht mehr anfechtbare Entscheidungen selbst dann fortbestehen sollen, wenn eine Norm für verfassungswidrig erklärt worden sei. Dieser Rechtsgedanke sei auch im Erlassverfahren zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO bis zur Entscheidung über die gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1998 und 1999 eingelegten Rechtsbehelfe kommt nicht in Betracht, da die Entscheidung im Festsetzungsverfahren nicht vorgreiflich gegenüber dem Billigkeitsverfahren ist (vgl. nur BFH-Beschluss vom 31.7.1997 IX B 13/97, BFH/NV 1998, 201 und BFH-Urteil vom 20.9.2007 IV R 32/06, BFH/NV 2008, 569 m.w.N.).

1. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die auf die Umsätze aus den Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit entfallenden Umsatzsteuern für die Jahre 1998 und 1999 zu erlassen.

Die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten und vorliegend einzig in Betracht kommenden Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nach § 227 AO sind nicht gegeben. Anhaltspunkte für einen Billigkeitserlass aus persönlichen Gründen sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Entscheidung über den Erlassantrag ist eine Ermessensentscheidung. Das Gericht kann behördliche Ermessensentscheidungen nach § 102 FGO nur auf eine Ermessensüberschreitung, eine Ermessenunterschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch überprüfen. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Fehler sind nicht ersichtlich. Soweit die Prüfungskompetenz des Gerichts nach § 102 FGO reicht, hat der Beklagte bei seiner Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung dienenden Weise Gebrauch gemacht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind bestandskräftig festgesetzte Steuern nur dann im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen darüber hinaus nicht zuzumuten war, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren rechtzeitig zu wehren (vgl. etwa BFH-Urteile vom 14.11.2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574 und vom 23.9.2004 V R 58/03, BFH/NV 2005, 825 jeweils m.w.N.). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegen (sogenannte "ex-ante-Betrachtung"); auf einen späteren Zeitpunkt kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460 m.w.N.). Andernfalls läge es im Belieben des Steuerpflichtigen, bestandskräftige Steuerverwaltungsakte über einen längeren Zeitraum hinweg an etwaige Entwicklungen oder Änderungen der Rechtsprechung anpassen zu können. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Bestandskraft nicht in Einklang zu bringen. Alleine der Umstand, dass eine bestandskräftig festgesetzte Steuer im Widerspruch zu einer später (fort)entwickelten oder geänderten Rechtsprechung steht, rechtfertigt deshalb keinen Steuererlass nach § 227 AO (vgl. BFH-Urteile vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N. und vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460).

Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesfinanzhof in bestimmten Fällen die Korrektur einer Steuerfestsetzung wegen unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG a.F. im Billigkeitsverfahren für zulässig gehalten hat, wenn der Steuerpflichtige die durch den unberechtigten Steuerausweis begründete Gefährdungslage für das Steueraufkommen nach Erteilung der Rechnung und Steuerfestsetzung später wieder vollständig beseitigt hat. Denn mit dieser auf einen Ausnahmefall (vgl. BFH-Beschluss vom 5.6.2003 V B 59/02, BFH/NV 2003, 1531) bezogenen Rechtsprechung reagierte der BFH auf eine vom EuGH geforderte und nach der früheren Rechtslage im Umsatzsteuergesetz nicht vorhandene verfahrensmäßige Korrekturmöglichkeit wegen nachträglich eingetretener Umstände (sogenannte "Gefährdungsbeseitigung"). Diese Rechtsprechung bezieht sich hingegen nicht auf die Frage, ob bestandskräftig festgesetzte Steuern nach der Auslegung bzw. Präzisierung einer in einer Richtlinie verankerten Steuerbefreiungsvorschrift durch den EuGH an diese anzupassen sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.).

Auch aus dem EuGH-Urteil in der Sache "W K" vom 17.2.2008 (C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3 , HFR 2008, 521) ergibt sich nichts anderes. Denn dieser Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass es für den Erlass von bestandskräftig festgesetzten Steuern nicht mehr darauf ankommen soll, ob die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig fehlerhaft gewesen ist und ein Verwaltungsakt unabhängig von einem Verschulden des Beklagten aufzuheben ist. Der EuGH hat vielmehr auch in dieser Entscheidung den Grundsatz betont, dass eine Durchbrechung der Bestandskraft nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen in Betracht kommt. Die Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsakte, bei denen der Steuerpflichtige den Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat, ist daher auch nach dem EuGH-Urteil in der Sache "W K" auf die Beachtung der Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz beschränkt (vgl. dazu insgesamt auch BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung erkennen konnte, dass die von ihm erzielten Umsätze möglicherweise einer Steuerbefreiung unterlagen und die Rechtslage insoweit (noch) nicht eindeutig geklärt war. Ohne Bedeutung ist zudem, aus welchen Gründen er die gegen ihn gerichtete Steuerfestsetzung hat bestandskräftig werden lassen. Denn mit dem Rechtsinstitut der Bestandskraft bezweckt der Gesetzgeber den Eintritt von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Diese Zwecksetzung würde vereitelt, wenn die Durchbrechung der Bestandskraft im Wege eines Billigkeitserlasses von der regelmäßig nur sehr schwierig zu beurteilenden Vorhersehbarkeit von Entscheidungen bei der Klärung oder Präzisierung zweifelhafter Rechtsfragen abhängig gemacht würde (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.). Es ist vielmehr Sache jedes einzelnen, unter Übernahme des Kostenrisikos seine Chance zur Herbeiführung einer Korrektur der Steuerfestsetzung durch die (fristgerechte) Einlegung von Rechtsmitteln oder gegebenenfalls das Stellen eines Änderungsantrags nach § 164 Abs. 2 AO zu wahren (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl. II 2007, 433 m.w.N.). Dabei entspricht es der Entscheidung des Gesetzgebers, der Rechtssicherheit in Fällen bestandskräftiger Steuerfestsetzungen einen Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall einzuräumen (vgl. BFH-Urteile vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N. und vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460). Dieser Umstand ist auch bei der Anwendung des § 227 AO zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460). Dementsprechend sieht § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG vor, dass - abgesehen von rechtskräftigen Strafurteilen - nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, grundsätzlich unberührt bleiben. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Rechtssicherheit zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Rechtsgrundsätzen gehört und eine Verwaltungsbehörde gemeinschaftsrechtlich grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, eine bestandskräftige Entscheidung zurückzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.; EuGH-Urteil vom 17.2.2008 C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3 , HFR 2008, 521).

b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zueigen macht, liegen die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen im Streitfall nicht vor.

aa) Die bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1998 und 1999 waren im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht offensichtlich und eindeutig unrichtig.

Die Umsatzsteuern für die Streitjahre wurden im Jahr 2000 festgesetzt. Die Steuerfestsetzungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht offensichtlich und eindeutig unrichtig. Insbesondere war es nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft, die Umsätze aus dem Betrieb der Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz als steuerpflichtig zu behandeln. Im Zeitpunkt der Steuerfestsetzungen war es nicht eindeutig und offensichtlich, dass der Kläger hinsichtlich der vorgenannten Umsätze eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchtstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG hätte in Anspruch nehmen können.

Denn die Voraussetzungen für das Eingreifen der in Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG verankerten Steuerbefreiungsvorschrift waren vor Ergehen der EuGH-Urteile in den Sachen "Karlheinz Fischer" (Urteil vom 11.6.1998 C-283/95, Slg. 1998-I, 3369, HFR 1998, 777) und "Linneweber/Akritidis" (Urteil vom 17.2.2005 C-453/02, 463/02, Slg. 2005 I-1131, HFR 2005, 487) nicht eindeutig geklärt (vgl. hierzu nur BFH-Urteile vom 21.4.2005 V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96 und vom 23.11.2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl. II 2007, 433).

Erst mit der Entscheidung in der Sache "Linneweber/Akritidis" hat der EuGH die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung auf Umsätze aus Glücksspielen präzisiert. Vor Ergehen dieser Entscheidung war insbesondere nicht geklärt, ob und in welchem Umfang die Richtlinienvorschrift eine Besteuerung von Umsätzen aus Glücksspielen untersagt.

Dass die Rechtslage auch nach dem EuGH-Urteil in der Sache "Karlheinz Fischer" nicht eindeutig war, belegt der Vorlagebeschluss des BFH vom 6.11.2002 im Verfahren "Linneweber/Akritidis" (vgl. BFH-Beschluss vom 6.11.2002 V R 7/02, BFHE 200, 149, HFR 2003, 271), der sich ausdrücklich auf die Frage der Besteuerung von Umsätzen aus dem Betrieb Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz und der diesbezüglichen Anwendung der Steuerbefreiung in Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG bezog und folgende Fragestellungen aufwarf:

"1. Ist Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat die Veranstaltung eines Glücksspiels mit Geldeinsatz nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist?

2. Verbietet Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG einem Mitgliedstaat, den Betrieb eines Geldspielautomaten bereits dann der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn der Betrieb eines Geldspielautomaten durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist, oder muss zusätzlich feststehen, dass die außerhalb der Spielbanken betriebenen Glücksspielautomaten in wesentlichen Punkten, wie z.B. beim Höchsteinsatz und beim Höchstgewinn, mit den Geldspielautomaten in den Spielbanken vergleichbar sind?

3. Kann sich der Automatenaufsteller auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

Während die Generalanwältin im Verfahren vor dem EuGH in ihren Schlussanträgen vom 8.7.2004 noch vorgeschlagen hatte, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23.11.2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl. II 2007, 433):

"Artikel 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie steht der Besteuerung des Betriebes eines Geldspielautomaten entgegen, wenn der Betrieb eines gleichartigen Geldspielautomaten durch eine zugelassene öffentliche Spielbank von der Mehrwertsteuer befreit ist. Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit der Geldspielautomaten hat das nationale Gericht darauf abzustellen, ob die inner- und außerhalb öffentlicher Spielbanken betriebenen Geldspielautomaten für den Durchschnittsverbraucher von vergleichbarer Verwendung sind und daher miteinander im Wettbewerb stehen, wobei diesbezüglich insbesondere Faktoren wie die mögliche Gewinnhöhe und das Spielrisiko zu berücksichtigen sind.

Ein Einzelner kann sich vor einem nationalen Gericht auf die Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist", hat erst der EuGH der Frage, ob die außerhalb der Spielbanken betriebenen Glücksspielautomaten in einzelnen Punkten - wie etwa beim Höchsteinsatz und beim Höchstgewinn oder dem Verhältnis der Spieleinsätze zu den Ausschüttungsbeträgen - mit den Geldspielautomaten in den Spielbanken vergleichbar sind, keine Bedeutung beigemessen (vgl. EuGH-Urteil vom 17.2.2005 C-453/02, 463/02, Slg. 2005 I-1131, HFR 2005, 487; siehe auch BFH-Urteil vom 12.5.2005 V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617, unter II. 3. a]) und den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG wie folgt präzisiert:

"1. Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG ... ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt.

2. Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG hat unmittelbare Wirkung in dem Sinne, dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten darauf berufen kann, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbarer innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu verhindern."

Vor dem Hintergrund der bis zur Entscheidung in der Sache "Linneweber/Akritidis" ungeklärten Rechtslage waren die streitigen Steuerfestsetzungen nicht bereits im Jahr 2000 eindeutig und offensichtlich fehlerhaft. Der Beklagte durfte bei der Festsetzung der Umsatzsteuern im Jahr 2000 vielmehr ohne einen eindeutigen und offensichtlichen Rechtsfehler davon ausgehen, dass die streitigen Umsätze des Klägers mit Blick auf die Regelung in § 4 Nr. 9b UStG a.F. nicht steuerbefreit waren. Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesfinanzhof in einem Aussetzungsbeschluss vom 30.11.2000 rechtliche Zweifel an der Besteuerung der Umsätze aus Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz geäußert hatte (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 30.11.2000 V B 187/00, BFH/NV 2001, 657). Denn rechtliche Zweifel in einem Aussetzungsverfahren, deren endgültige Klärung erst im Rahmen des Hauptsacheverfahrens erreicht werden soll, führen nicht zu einer eindeutigen und offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der auf einer gegenteiligen Rechtsansicht beruhenden Steuerfestsetzung. Abweichendes ergibt sich in diesem Zusammenhang schließlich auch nicht aus Art. 33 Abschnitt XVIII der Richtlinie 77/388/EWG, wonach ein einzelner Mitgliedsstaat aufgrund dieser Richtlinie nicht daran gehindert war, Abgaben auf Spiele und Wetten sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1998 und 1999 auch nicht nichtig. Denn sie leiden nicht an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Umsätze der Besteuerung unterworfen wurden, bereits mangels Offenkundigkeit des Eingreifens einer Steuerbefreiungsvorschrift (siehe oben) keinen solchen Fehler dar. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit nach § 125 Abs. 2 AO sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Die Umsatzsteuerfestsetzungen sind darüber hinaus auch nicht ohne eine Rechtsgrundlage erfolgt. Gegen die hinreichend bestimmte Vorschrift des § 10 Abs. 1 UStG sowie die - im Rahmen der Auslegung dieser Norm - in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH in der Sache "Glawe" (vgl. EuGH-Urteil vom 5.5.1994 C-38/93, Slg. 1994-I, 1679, BStBl. II 1994, 548) vorgenommene Ermittlung des Entgelts bei Umsätzen aus Glücksspielen mit Gewinnmöglichkeiten anhand des Unterschiedsbetrags zwischen den vereinnahmten und den als Gewinn auszuschüttenden Beträgen bestehen nach Ansicht des Senats keine Bedenken (vgl. etwa auch BFH-Urteile vom 30.1.1997 V R 27/95, BFHE 182, 416, HFR 1997, 423 und vom 20.1.1997 V R 20/95, BFHE 182, 409, HFR 1997, 422; Klenk, in: Rau/Dürwächer/Flick/Geist, UStG, § 4 Nr. 9 Rn 134.3; Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 9 Rn 94). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der etwaige Verstoß eines Verwaltungsaktes gegen das materielle Steuerrecht in Form von Rechtsanwendungs- oder Auslegungsfehlern o.ä. regelmäßig keine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes begründen kann (vgl. etwa BFH-Urteil vom 11.8.1993 III R 83/89, BFH/NV 1994, 263; Klein/Brockmeyer, AO, 8. Auflage 2003, § 125 Rn 7 m.w.N.). Ein Verwaltungsakt ist insbesondere nicht bereits dann nichtig, wenn für ihn keine gesetzliche Grundlage oder Begründung gefunden werden kann (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 8. Auflage 2003, § 125 Rn 7). Auch für das Vorliegen der vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Verstöße gegen den Grundsatz der "Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" bzw. den "Vorbehalt des Gesetzes" und den "allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz" nach Art. 3 GG ist nichts ersichtlich. Die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1998 und 1999 stellen vielmehr einen für den Kläger verbindlichen Rechtsgrund für die Entrichtung der Steuern dar (vgl. auch BFH-Urteil vom 23.11.2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl. II 2007, 436).

Unabhängig davon, dass bereits keine Anhaltspunkte für einen Verstoß des Beklagten gegen die "guten Sitten" oder ein gesetzliches Verbot ersichtlich sind, ergibt sich aus § 817 Satz 1 BGB nicht abweichendes, zumal die Vorschriften des Bereicherungsrechts nach §§ 812 ff. BGB vorliegend keine Anwendung finden, da der Erstattungsanspruch in Abgabenangelegenheiten durch besondere Vorschriften des öffentlichen Rechts abschließend geregelt ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 25.7.1995 VII R 71/94, BFH/NV 1996, 92 und vom 29.10.2002 VII R 2/02, BFHE 200, 88, BStBl. II 2003, 43; Drüen, in: Tipke-Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 37 Rn 102 m.w.N.).

Da es für den vom Kläger beantragten Erlass der Steuern zudem auf die eindeutige und offensichtliche Fehlerhaftigkeit der (ursprünglichen) Umsatzsteuerfestsetzungen und nicht auf die Rechtmäßigkeit einer vom Beklagten unterlassenen Änderung dieser Festsetzung nach § 164 Abs. 2 AO ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten ohne einen entsprechenden Antrag des Klägers unterlassene Änderung der (ursprünglichen) Steuerfestsetzungen rechtsfehlerhaft war.

bb) Dem Kläger war es darüber hinaus möglich und zumutbar, sich rechtzeitig gegen eine Fehlerhaftigkeit der Steuerfestsetzungen zu wehren.

Der Kläger hatte keinen Anlass, auf die fristgerechte Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die Steuerfestsetzungen zu verzichten oder sich aus sonstigen Gründen nicht rechtzeitig gegen eine Fehlerhaftigkeit der Steuerfestsetzungen zur Wehr zu setzen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls - etwa einer Zusage des Beklagten, den Kläger auch ohne die Einlegung eines Rechtsbehelfs so zu behandeln, als seien die Steuerfestsetzungen noch anfechtbar - etwas abweichendes ergibt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seinerzeit steuerlich beraten war und seine Steuererklärungen für die Streitjahre von einem Steuerberater erstellen ließ. Zudem ergingen die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und waren an den Steuerberater des Klägers adressiert. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger jedenfalls bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2004 ohne weiteres möglich und zumutbar, zumindest einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO zu stellen und unter Umständen gegen eine diesen Antrag ablehnende Entscheidung Einspruch bzw. Klage zu erheben, um später doch noch eine Änderung der Steuerfestsetzungen erreichen zu können. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die dem EuGH bereits seit dem Jahr 2002 in der Sache "Linneweber/Akritidis" vorgelegten Fragestellungen.

Es stellt im übrigen keinen Ausnahmefall dar, dass die Auslegung einer Richtlinienvorschrift durch den EuGH für bestimmte Fallgestaltungen präzisiert wird. Die Chance, in diesem Zusammenhang bei einer günstigen Entscheidung des EuGH eine Korrektur der eigenen Steuerfestsetzung zu erreichen, kann jeder Steuerpflichtige unter Übernahme des Kosten- bzw. Prozessrisikos durch die Einlegung von Rechtsmitteln wahrnehmen. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen, seine Rechte durch die Einlegung von Rechtsbehelfen selbst zu wählen. Der Beklagte ist nicht nach § 85 AO verpflichtet, den Steuerpflichtigen auf eine streitige Rechtslage oder auf anderweitige Rechtsauffassungen hinzuweisen und bei streitigen Rechtsfragen für eine für den Steuerpflichtigen günstige Steuerfestsetzung Sorge zu tragen. Die mangelnde Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs oder Änderungsantrags führt im übrigen nicht dazu, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder ein Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO als für den Steuerpflichtigen unzumutbar oder unmöglich anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 11.8.1987 VII R 121/84, BFHE 150, 502, BStBl. II 1988, 512).

Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Beklagte die Umsatzsteuern bezüglich der Umsätze aus Glücksspielautomaten vor dem Hintergrund des seinerzeit in der Sache "Linneweber/Akritidis" beim EuGH anhängigen Vorlageverfahrens nach § 165 AO hätte vorläufig festsetzen müssen. Denn eine solche Verpflichtung hätte allenfalls für die zeitlich erst nach der Anhängigkeit des Verfahrens beim EuGH im Jahr 2002 ergehenden Steuerfestsetzungen bestanden, nicht aber für die vorliegend in Rede stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen aus dem Jahr 2000.

Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf das BFH-Urteil vom 17.5.2001 (V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl. II 2004, 370) berufen. Dem dortigen Kläger war es nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht zumutbar, gegen bestimmte Umsatzsteuerbescheide zu klagen. Der Bundesfinanzhof führte zur Begründung aus, dass die Steuerfestsetzungen im streitigen Punkt dem Gesetzeswortlaut entsprochen hätten, ein einschlägiges EuGH-Urteil seinerzeit noch nicht ergangen gewesen sei und es Aufgabe des Gesetzgebers sei, die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Umsetzung des EuGH-Urteils zu schaffen. Solange dies nicht geschehen sei, dürfe ein Steuerpflichtiger nicht darauf verwiesen werden, seine Rechte in einem Steuerfestsetzungsverfahren mit ungewissem Ausgang geltend zu machen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Denn unabhängig davon, dass im Zeitpunkt der streitigen Steuerfestsetzungen bereits die Entscheidung des EuGH in Sachen "Karlheinz Fischer" zur Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG auf die Umsätze aus Glückspielautomaten mit Geldeinsätzen ergangen war, standen die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und waren bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2004 änderbar. Vor diesem Hintergrund und der dem EuGH im Verfahren "Linneweber" vorgelegten Fragestellungen war es dem steuerlich beratenen Kläger möglich und zumutbar, die Änderung der (fehlerhaften) Steuerfestsetzungen durch die fristgerechte Einlegung von Einsprüchen oder aber zumindest durch entsprechende Änderungsanträge nach § 164 Abs. 2 AO herbeizuführen. Dies gilt umso mehr, als der Bundesfinanzhof bereits in einem Aussetzungsbeschluss vom 30.11.2000 rechtliche Zweifel an der Nichtanwendung der Steuerbefreiung auf Umsätze aus Glücksspielautomaten mit Geldeinsatz geäußert hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 30.11.2000 V B 187/00, BFH/NV 2001, 657).

c) Ein Anspruch auf Erlass der für die Streitjahre festgesetzten Umsatzsteuern ergibt sich auch nicht aus den Rechtsgrundsätzen, nach denen der EuGH ausnahmsweise einen Anspruch auf Aufhebung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung für gegeben hält.

Der EuGH hat mit den Urteilen vom 13.1.2004 in der Sache "Kühne und Heitz" (C-453/00, Slg. 2004, I-837, HFR 2004, 488) , vom 13.3.2007 in der Sache "Unibet" (C-432/05, Slg. 2007, I-2271, HFR 2007, 712) und vom 17.2.2008 in der Sache "W K" (C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3, HFR 2008, 521) entschieden, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine bestandskräftige Entscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder nach Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes soll verhindert werden, dass Verwaltungsakte unbegrenzte Zeit in Frage gestellt werden könnten. Eine Verwaltungsbehörde ist nach dem in Art. 10 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit nur bei "besonderen Umständen" (vgl. EuGH-Urteil vom 17.2.2008 C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3; HFR 2008, 521) zur Überprüfung und gegebenenfalls Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes verpflichtet.

Eine solche Pflicht besteht, wenn die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, ihre Entscheidung zurückzunehmen. Zudem muss die Verwaltungsentscheidung infolge eines Urteils letzter Instanz bestandskräftig geworden sein ("Ausschöpfung des Rechtsweges"). Darüber hinaus ist erforderlich, dass das Urteil auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, weil sich das Gericht nicht an den EuGH gewandt hat. Schließlich muss der Antrag auf Aufhebung oder Änderung der bestandskräftigen Entscheidung unmittelbar nach Kenntnis der Entscheidung des EuGH gestellt worden sein, wobei es Sache der Mitgliedstaaten ist, diese Frist näher zu konkretisieren.

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zueigen macht, scheitert ein gesonderter Aufhebungsanspruch im vorliegenden Fall jedenfalls daran, dass das deutsche Recht keine Vorschrift zur Korrektur bestandskräftig gewordener Steuerbescheide wegen späterer Änderungen bzw. Präzisierungen der Rechtsprechung kennt. Darüber hinaus hat der Kläger den Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Die Steuerbescheide sind nicht aufgrund der Verletzung der Vorlagepflicht eines letztinstanzlichen Gerichts bestandskräftig geworden. Vielmehr hat der Beklagte über die (ruhenden) Einsprüche gegen die angefochtenen Steuerfestsetzungen bisher nicht entschieden; ein zulässiges Klageverfahren, das die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit dieser Bescheide zuließe, ist insoweit nicht anhängig (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.).

d) Die Ablehnung des Erlassantrages ist auch nicht im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch wegen eines qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht rechtswidrig, weil die Bundesrepublik Deutschland Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG nicht bzw. nicht rechtzeitig umgesetzt hätte. Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs sind nicht gegeben.

Das Gemeinschaftsrecht erkennt einen Entschädigungsanspruch nur unter bestimmten Umständen an. Hierfür ist zum einen erforderlich, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, den Zweck verfolgt, einem Einzelnen Rechte zu verleihen. Darüber hinaus muss ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gegeben sein. Schließlich muss zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem beim Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen (vgl. BFH-Urteile vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460 m.w.N. und vom 21.4.2005 V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96 m.w.N.; vgl. auch EuGH-Urteile vom 18.1.2001 C-150/99 Slg. 2001, I-493, HFR 2001, 387 und vom 30.9.2003 C-224/01, Slg. 2003, I-10239).

Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann als hinreichend qualifiziert in diesem Sinne anzusehen, wenn ein Mitgliedstaat die Grenzen seiner Rechtsetzungsbefugnis bei deren Ausübung offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. EuGH-Urteil vom 18.1.2001 C-150/99 Slg. 2001, I-493, HFR 2001, 387) oder ein letztinstanzliches Gericht offenkundig gegen geltendes Recht verstoßen hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.). Bei der Frage, ob ein qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehören unter anderem das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Verstoßes und die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums (vgl. BFH-Urteile vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl. II 2005, 460 m.w.N. und vom 21.4.2005 V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Vorgaben der in Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG verankerten Steuerbefreiung waren jedenfalls bis zum Ergehen des EuGH-Urteils in der Sache "Linneweber/Akritidis" nicht in der Weise eindeutig, dass auch der Kläger bereits für die Jahre 1998 und 1999 die Steuerbefreiung für die von ihm erzielten Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten mit Gewinneinsatz hätte beanspruchen können. Der EuGH hat vielmehr erst im Urteil in der Sache "Linneweber/Akritidis" die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung auf die oben genannten Automatenumsätze präzisiert. Vor Ergehen dieses Urteils war die Rechtslage insoweit ungeklärt (siehe oben). Der BFH hat vor diesem Hintergrund bereits in seinem Urteil vom 21.4.2005 entschieden, dass ein sich nach den Entscheidungen des EuGH in den Sachen "Karlheinz Fischer" und "Linneweber/Akritidis" möglicherweise ergebender Schadensersatzanspruch allenfalls solche Schäden abdeckt, die nach dem Ergehen dieser (beiden) Urteile durch die (danach) möglicherweise gemeinschaftsrechtswidrige Aufrechterhaltung des § 4 Nr. 9b UStG a.F. entstanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 21.4.2005 V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96 m.w.N.). Zu einem solchen Schaden zählen die bereits im Jahr 2000 - und damit zeitlich vorher - festgesetzten Umsatzsteuern für 1998 und 1999 jedoch gerade nicht. Angesichts dessen fehlt es hinsichtlich der Nichtumsetzung des Art. 13 Teil B Buchstabe f) der Richtlinie 77/388/EWG und der Nichtanwendung der Steuerbefreiung auf die Umsätze der Jahre 1998 und 1999 an einem offensichtlichen und erheblichen "Verkennen" gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. nur BFH-Urteil vom 21.4.2005 V R 16/04, BFHE 210, 159, BStBl. II 2006, 96 m.w.N.). Unabhängig davon steht einem Schadensersatzanspruch auch entgegen, dass der Kläger den nach dem nationalem Recht möglichen Rechtsweg gegen die seiner Ansicht nach rechtswidrigen Steuerfestsetzungen, der auch die Durchsetzung der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte ermöglicht (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 30.9.2003 C-224/01, Slg. 2003, I-10239; siehe auch BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210), bisher nicht ausgeschöpft hat.

e) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist auch eine Verletzung des in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten "Grundsatzes der Effektivität", wonach die Ausübung der Gemeinschaftsrechte nicht praktisch unmöglich oder erschwert werden darf (vgl. hierzu zusammenfassend etwa EuGH-Urteile vom 24.4.2008 C-55/06, ABl. EU 2008, Nr. C 142, 3, NJW 2008, 2324 und vom 17.2.2008 C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3, HFR 2008, 521) nicht ersichtlich.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH bei der Einräumung einer einmonatigen Klagefrist keinen Verstoß gegen das Effektivitätsprinzip gesehen hat (vgl. nur BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.; siehe auch EuGH-Urteil vom 17.2.2008 C-2/06, ABl. EU 2008, Nr. C 79, 3, HFR 2008, 521). Wenn der Kläger im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft der Steuerfestsetzungen im Jahr 2000 von der Einlegung eines Rechtsbehelfs und eines sich gegebenenfalls anschließenden Klageverfahrens abgesehen und er es somit unterlassen hat, die Gerichte von einem Verstoß der Steuerfestsetzungen gegen das Gemeinschaftsrecht zu überzeugen, nahm er den Eintritt der Bestandskraft - auch für den Fall einer späteren, für ihn günstigen Präzisierung der Richtlinienvorschrift durch den EuGH - bewusst in Kauf. Der Effektivitätsgrundsatz garantiert dem Kläger lediglich eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit in angemessener Frist, nicht aber eine inhaltlich zutreffende Entscheidung. Denn er betrifft das Verfahren als solches und nicht den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu insgesamt BFH-Urteil vom 29.5.2008 V R 45/06, HFR 2008, 1210 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des "Effektivitätsgrundsatz" nicht gegeben, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Kläger im übrigen auch bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2004 keinen Antrag auf Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO gestellt hatte.

Angesichts dieser Gesamtumstände kann auch der Hinweis des Klägers auf eine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen "Neutralitätsgrundsatzes" nicht verfangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die sachlich richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts - nicht zuletzt mit Blick auf die durch den Eintritt der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit - zumindest dann nicht in einem Erlassverfahren geltend gemacht werden kann, wenn hierfür - wie im vorliegenden Fall - während des Festsetzungsverfahrens die zumutbare Möglichkeit bestanden hat, diese vom Steuerpflichtigen aber aus von ihm zu vertretenden Gründen - etwa durch die Nichteinlegung von Rechtsbehelfen oder das Unterlassen eines Änderungsantrags (siehe oben) - nicht wahrgenommen worden ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 23.9.2004 V R 58/03, BFH/NV 2005, 825).

Der Senat sieht vor diesen Hintergründen auch keinen Anlass, das Verfahren wegen Zweifelsfragen des Gemeinschaftsrechts auszusetzen und dem EuGH vorzulegen, da er die insoweit entscheidungserheblichen Fragen als geklärt ansieht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Entscheidung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

Ende der Entscheidung

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