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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 7 K 3232/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

7 K 3232/05

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigungsfähigkeit derjenigen Vorsteuerbeträge streitig, die im Zusammenhang mit der Errichtung eins zu privaten Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses in Gestalt eines Anbaus auf dem Betriebsgrundstück des Klägers entstanden sind.

Der Kläger erzielt im Rahmen seines Buchbinderbetriebs umsatzsteuerpflichtige Umsätze.

Im Jahre 1998 errichtete er auf seinem Grundstück ............... in ........ eine Werkshalle. Im Anschluss hieran stellte er eine Bauvoranfrage im Hinblick auf die geplante Errichtung eines für private Wohnzwecke genutzten Einfamilienhauses. Seitens der Bauordnungsbehörden wurde die Errichtung einer sogenannten Betriebsleiterwohnung genehmigt. Der Kläger beabsichtigte die Errichtung seines zu eigenen Wohnzwecken zu nutzenden Einfamilienhauses auf dem Betriebsgrundstück, um ständig kurzfristig für Kunden und Lieferanten erreichbar zu sein, insbesondere da Materialanlieferungen zeitlich nicht genau terminiert werden könnten. Zu Beginn des Jahres 2003 wurde mit dem Bau der Betriebsleiterwohnung an das bestehende Betriebsgebäude, die Werkshalle, begonnen. Die Wohnung wurde zum 30.11.2003 fertiggestellt.

Seit diesem Zeitpunkt wird die betreffende Wohnung in Gestalt eines an die Werkshalle angebauten Einfamilienhauses vom Kläger zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Hinsichtlich der räumlichen Verhältnisse ist anzumerken, dass die Werkshalle durch den Anbau des Einfamilienhauses austragend überdacht wurde und sämtliche Versorgungsleitungen sowie Entsorgungsleitungen des Neubaus über die Werkshalle verlaufen. Der Anbau wurde zudem auf die Eckfundamente der Werkshalle aufgesetzt. Die Wand, an der die Betriebsleiterwohnung an die Werkshalle anschließt, ist eine dünne Zwischenwand und nicht als Außenwand geeignet.

Insoweit wird auf die vom Kläger im Laufe des vorliegenden Klageverfahrens überreichten Baupläne der Werkshalle und der Betriebsleiterwohnung und die entsprechenden Fotos das Objekt betreffend Bezug genommen (Bl.39 a - 39 k der Gerichtsakte).

Im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2003 machte der Kläger die bei der Herstellung des Einfamilienhauses entstandenen Vorsteuerbeträge i.H.v. ...,18 EUR für die Außenanlagen (Nettoherstellungskosten ...,42 EUR) sowie i.H.v. ......,79 EUR für das Wohngebäude (Nettoherstellungskosten .......,21 EUR) geltend.

Mit Mitteilung vom 06.08.2004 wurde der diesbezüglichen Umsatzsteuererklärung des Klägers zugestimmt und die insoweit geltend gemachten Vorsteuerbeträge i.H.v. insgesamt ......,97 EUR berücksichtigt.

Aufgrund einer am ......2004 angeordneten und ab dem ......2004 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte der Beklagte gemäß Umsatzsteuersonderprüfungsbericht vom .....2004 zu der Auffassung, dass es sich bei dem zu prüfenden Investitionsgut "Einfamilienhaus" um ein ausschließlich nicht unternehmerisch genutztes Investitionsgut handele, für das ein Wahlrecht zur Zuordnung zum Unternehmensvermögen nicht bestehe. Ein Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Errichtung des Einfamilienhauses nach § 15 UStG komme folglich nicht in Betracht.

Daraufhin änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2003 mit auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Änderungsbescheid vom ......2004 dahingehend, dass die aus der Errichtung des Einfamilienhauses resultierenden Vorsteuerbeträge i.H.v. ......97 EUR nunmehr keine Berücksichtigung mehr fanden.

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ......2005 als unbegründet zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und geltend gemacht, dass die Werkshalle sowie die Betriebsleiterwohnung als einheitlicher Gegenstand seines Unternehmensvermögens anzusehen seien und das gesamte Objekt gemischt, d.h. teilweise unternehmerisch und teilweise für eigene Wohnzwecke genutzt werde. Die gesamte Nutz- und Wohnfläche des Objektes betrage 469 qm, von denen insgesamt 345,44 qm im Bereich der Werkshalle gewerblich genutzt würden. Die unternehmerische Nutzung am gesamten Objekt betrage mithin 73,65 %. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass das Betriebsgebäude und der Neubau bewertungsrechtlich als wirtschaftliche Einheit festgestellt worden seien. Auch daraus sei in tatsächlicher Hinsicht zu folgern, dass von einem einheitlichen Objekt bzw. einem einheitlichen Investitionsgut auszugehen sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei ein Investitionsgut ein Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Erzielung von Umsätzen verwendet werde. Ein einheitliches Wirtschaftsgut liege vor, wenn ein gewisser Grad der Festigkeit der Verbindung auf Dauer gegeben sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Insbesondere sei eine bauliche Verbindung gegeben. Der Anbau sei auf die Eckfundamente der Werkshalle aufgesetzt worden, so dass Vibrationen aus der Halle auch in die Betriebsleiterwohnung übertragen würden. Die Halle sei durch den Anbau austragend überdacht und sämtliche Versorgungsleitungen sowie Entsorgungsleitungen des Neubaus würden über die Werkshalle verlaufen. Insoweit würden die selben Gegebenheiten wie bei einem Zweifamilienhaus vorliegen. Die Wand, an der die Betriebsleiterwohnung an die Werkshalle anschließe, sei eine dünne Zwischenwand und nicht als Außenwand geeignet. Bei getrennten Objekten hätte hier eine doppelte Außenwand erstellt werden müssen. In diese dünne Zwischenwand könne problemlos eine Verbindungstür eingesetzt werden. Nach Mitteilung des zuständigen Architekten seien erhebliche bauliche Verbindungen gegeben und eine getrennte Nutzung wäre nur mit aufwendigen Baumaßnahmen umzusetzen. Eine getrennte Veräußerung sei unter Berücksichtigung dieser baulichen und räumlichen Verhältnisse nahezu unmöglich. In umsatzsteuerlicher Hinsicht liege jedenfalls ein einheitlicher Gegenstand vor. Dieser einheitliche Gegenstand werde im Streitfall gemischt genutzt, so dass dem Unternehmer grundsätzlich ein Wahlrecht zustehe, inwieweit er einen teilweise unternehmerisch genutzten einheitlichen Gegenstand seinem unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich zuordne. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH sei es insoweit unerheblich, inwieweit es sich bei dem privat genutzten Teil eines einheitlichen Gegenstandes in Gestalt eines Gebäudes um ein Stockwerk handele oder um die Erweiterung eines bestehenden Betriebsgebäudes. In beiden Fällen handele es sich um einen einheitlichen Gegenstand, der insoweit gemischt genutzt werde.

Der Kläger beantragt,

zusätzliche Vorsteuerbeträge in Höhe von ......,97 EUR zu berücksichtigen und die Umsatzsteuer 2005 entsprechend herabzusetzen, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Er verweist darauf, dass der Begriff des Unternehmensvermögens bzw. des zum Unternehmensvermögen gehörenden Gegenstands nicht nach den nationalen zivilrechtlichen Regelungen oder bewertungsrechtlichen Kategorien zu beurteilen sei, sondern allein nach den Regelungen der 6. EG-Richtlinie, so wie diese ihre Auslegung durch den EuGH erfahren haben. Gegenstand im Sinne der 6. EG-Richtlinie sei nach der Auslegung des EuGH aber das jeweilige Investitionsgut. Dies sei vorliegend das ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken im Streitjahr 2003 errichtete Gebäude. Der hiervon zu unterscheidende und zu trennende unternehmerisch genutzte Grundstücksteil, die Werkshalle, sei bereits 5 Jahre zuvor errichtet worden und habe mit der jetzigen Investition nichts zu tun. Die jetzige Investition beziehe sich ausschließlich auf das selbstgenutzte Einfamilienhaus. Es gehe daher im Streitfall nicht um den Anwendungsvorrang bestimmter Vorschriften der EG-Richtlinie von nationalen Regelungen, sondern um eine richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs "Gegenstand", der im nationalen Umsatzsteuergesetz selbst nicht definiert sei. Bei dieser Auslegung sei maßgeblich die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Dies bedeute, dass im Streitfall allein auf das Investitionsgut Einfamilienhaus, um allein diese Investition gehe es im Streitjahr 2003, abzustellen sei. Und hierbei handele es sich um ein ausschließlich nichtunternehmerisch genutztes Investitionsgut und nicht um einen gemischt genutzten einheitlichen Gegenstand. Ein ausschließlich außerunternehmerisch genutztes Investitionsgut könne aber weder vollständig noch teilweise dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Von daher komme ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der im Rahmen der Errichtung des Einfamilienhauses entstandenen Vorsteuerbeträge nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Errichtung des in Form eines Anbaus hergestellten Einfamilienhauses gemäß § 15 Abs. 1 UStG zu gewähren.

I. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Gemäß Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie kann ein Unternehmer die von ihm geschuldete Steuer abziehen, soweit die von ihm bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Die Regelung des nationalen deutschen Umsatzsteuerrechts, wonach die Berechtigung des Unternehmers zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG voraussetzt, dass Lieferungen oder sonstige Leistungen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, korrespondiert insoweit mit der Regelung des Artikels 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie, die den Vorsteuerabzug in den Fällen eröffnet, in denen Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des betreffenden Unternehmers verwendet werden. Während die nationale Regelung vom Begriff des Unternehmens ausgeht, knüpft die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung an die Ausgangsumsätze an. Hierin liegt nach allgemein anerkannter Auffassung kein Widerspruch. Nach der insoweit auch vom Bundesfinanzhof bestätigten Rechtsprechung des EuGH hängt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug mithin vom Bezug der Gegenstände oder Dienstleistungen durch einen als solchen unternehmerisch handelnden Steuerpflichtigen ab (vgl. Heidner in Bunjes/Geist, 8. Auflage 2005, § 15 UStG Rn. 98 ff.). Die Zuordnung eines Leistungsbezugs zum Unternehmen des Unternehmers ist nicht möglich, wenn der Unternehmer einen Gegenstand oder eine Dienstleistung ausschließlich für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet. In diesem Fall steht ihm das Recht zum Vorsteuerabzug nicht zu (vgl. EuGH-Urteil vom 11.07.1991 Rs. C-97/90 - Lennartz -, DStR 1992, 752).

Hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang ein Gegenstand, der sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch genutzt wird, für das Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG bezogen sein kann, bzw. inwieweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des betreffenden Unternehmens verwendet werden, geht der EuGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung für die Anwendung der 6. EG-Richtlinie von einem sogenannten Zuordnungswahlrecht des Unternehmers aus. Insoweit habe der Steuerpflichtige also die Wahl, ob der privatgenutzte Teil eines Gegenstandes zu seinem Unternehmen gehören soll oder nicht (vgl. EuGH-Urteile vom 04.10.1995 Rs. C-291/92 - Armbrecht -, BStBl II 1996, 392 und vom 08.03.2001 Rs. C-415/98 - Bakcsi -, DStRE 2001, 419). Entscheide sich der Steuerpflichtige dafür, dass das Investitionsgut, das sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet werde, als Gegenstand des Unternehmens behandelt werde, so sei die beim Erwerb dieses Gegenstandes geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar (vgl. insbesondereUrteile vom 11.07.1991 Rs. C-97/90 - Lennartz -, a.a.O. und vom 08.03.2001 Rs. C-415/98 - Bakcsi -, a.a.O.). Daher ist ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen und einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen (vgl. EuGH-Urteil vom 08.05.2003 Rs. C-269/00 - Seeling -, BStBl II 2004, 378; dem sich anschließend der BFH in der Nachfolgeentscheidung zu diesem EuGH-Urteil vom 24.07.2003 V R 39/99, BStBl II 2004, 371).

Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass in den Fällen, in denen ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird, der Steuerpflichtige im Hinblick auf die Mehrwertsteuer die Wahl hat, diesen Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen oder ihn in vollem Umfang in sein Privatvermögen zu belassen, wodurch er dem Mehrwertsteuersystem vollständig entzogen wird oder ihn auch nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einzubeziehen (vgl. EuGH-Urteil vom 14.07.2005 Rs. C-434/03 - Charles - , DStRE 2005, 1025 ). Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, dass Investitionsgüter, die sowohl für unternehmerische als auch private Zwecke verwendet werden, als Gegenstände des Unternehmens behandelt werden, so ist die beim Erwerb dieser Gegenstände geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar. Dementsprechend ist ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen und einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes errichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen (ständige Rechtsprechung des EuGH, zuletzt etwa Urteil vom 14.09.2006 Rs. C-72/05 - Wollny -, DStR 2006, 1746).

II. Im Streitfall folgt aus dieser ständigen Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des BFH, dass dem Kläger ein Recht auf Abzug der im Zusammenhang mit der Herstellung des Einfamilienhauses im Wege eines Anbaus entstandenen Vorsteuerbeträge im Streitjahr nicht zusteht, und zwar weder nach § 15 Abs. 1 UStG noch nach Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie.

1. Der erkennende Senat entnimmt der zitierten Rechtsprechung des EuGH als eindeutige Vorgabe und Tatbestandsvoraussetzung für ein Zuordnungswahlrecht, dass es sich insoweit um ein Investitionsgut handeln muss, das sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird. Der EuGH spricht in diesem Zusammenhang von einem Investitionsgut bzw. von einem Gegenstand, der in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden kann, auch wenn er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird. Neben dem Begriff des Investitionsguts und des Gegenstands verwendet der EuGH in den genannten Entscheidungen des Weiteren auch den Begriff des Gebäudes. Der erkennende Senat versteht den EuGH dahingehend, dass insoweit ein zwar gemischtes, aber einheitliches Investitionsgut bzw. ein einheitlicher Gegenstand im Sinne eines Gebäudes vorliegen muss, um insoweit ein Zuordnungswahlrecht des Unternehmers begründen zu können. Insbesondere betreffen die genannten Entscheidungen des EuGH vom 08.05.2003, 14.07.2005 und 14.09.2006 jeweils ein Gebäude, das sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt wurde. Im Streitfall handelt es sich jedoch nach Auffassung des Senats gerade um zwei unterschiedliche Gebäude, nämlich eine Werkshalle und ein Einfamilienhaus, die lediglich durch eine gemeinsame Wand im Sinne einer Anbaumaßnahme verbunden worden sind. Der erkennende Senat sieht in diesem Zusammenhang keine Möglichkeit, angesichts der vom EuGH benutzten Begrifflichkeiten davon auszugehen, dass es sich bei der betreffenden Werkshalle und dem angebauten Einfamilienhaus um ein einheitliches Investitionsgut, um einen Gegenstand und mithin um ein Gebäude im Sinne der vorgenannten EuGH-Rspr. handelt. Ungeachtet der bewertungsrechtlichen Einordnung bzw. der zivilrechtlichen Qualifizierung der Werkshalle sowie des angebauten Einfamilienhauses sieht der erkennende Senat keinen überzeugenden Grund dafür, aus umsatzsteuerlicher Sicht insoweit von einem einheitlichen Investitionsgut bzw. Gebäude auszugehen.

Und auch der Hinweis des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die zum Investitionszulagengesetz ergangene Entscheidung des BFH vom 25.01.2007 (III R 49/06, BStBl II 2007, 586), wonach ein Anbau, der keine eigene Standfestigkeit besitzt, kein selbständiges Wirtschaftsgut darstellt, führt im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis. Denn abgesehen von den höchst unterschiedlichen Zielsetzungen, die das Investitionszulagengesetz und das Umsatzsteuergesetz verfolgen, und die bereits einer Übertragung dieser Entscheidungsgrundsätze auf den Streitfall entgegenstehen, vermag der Senat aber auch in tatsächlicher Hinsicht nicht zu erkennen, dass es sich bei dem betreffenden Anbau, der nur durch eine dünne Zwischenwand mit der Werkshalle verbunden worden ist, um einen Anbau ohne eigene Standfestigkeit gehandelt hat, der mithin nur durch seine Verbindung mit der Werkshalle bestehen konnte. Bereits die Existenz weitgehend eigener Fundamente, bis auf das Eckfundament, sowie eigener tragender Mauern, bis auf die besagte dünne Zwischenwand, zeigt vielmehr bereits, dass selbst nach diesen investitionszulagenrechtlichen Kriterien der streitbefangene Anbau als ein selbständiges Wirtschaftsgurt anzusehen ist.

2. Neben diesem räumlichen und bautechnischen eigenständigen Charakter des als Anbau ausgestalteten Einfamilienhauses ist im Streitfall auch der zeitliche Zusammenhang von Bedeutung. Die Werkshalle wurde bereits im Jahre 1998 als eigenständiges Investitionsgut errichtet und in das Unternehmensvermögen aufgenommen, da sie insbesondere für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Klägers im Rahmen seines Buchbinderunternehmens genutzt wurde. Das nunmehr hergestellte bzw. errichtete Investitionsgut, das Einfamilienhaus wurde mit einem zeitlichen Abstand von 5 Jahren errichtet und stellt bereits auf der Grundlage dieses zeitlichen Ablaufs ein eigenständiges Investitionsgut dar. Diese neue Investition, dieses neue Investitionsgut wird aber gerade nicht gemischt genutzt, sondern allein für private, außerunternehmerische Zwecke. Neben der eigenständigen räumlichen und bautechnischen Abgrenzung von Werkshalle und Einfamilienhaus ist daher auch in zeitlicher Hinsicht, im Hinblick auf den fünfjährigen Abstand zwischen der Errichtung der Werkshalle und der Errichtung des Einfamilienhauses eine zeitliche Zäsur eingetreten, die ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei der Errichtung der Werkshalle sowie des Einfamilienhauses um zwei selbständige und unabhängig voneinander initiierte Investitionsmaßnahmen handelt, die auch zu zwei unterschiedlichen Investitionsgütern führen. Ein Zuordnungswahlrecht für das allein privat zu eigenen Wohnzwecken genutzte Einfamilienhaus zum Unternehmensvermögen kann daher auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung des EuGH gerade nicht anerkannt werden.

3. Auch die vom Kläger weiterhin angeführten Gesichtspunkte, wonach die Versorgungsleitungen für das Einfamilienhaus aus der Werkshalle an das Einfamilienhaus herangeführt werden bzw. die Tatsache, dass eine Baugenehmigung für das Einfamilienhaus nur mit der Begründung erreicht werden konnte, dass es sich insoweit um eine Werksleiterwohnung handelt, sind im Streitfall nicht durchschlagend. Der Umstand, dass die Versorgung des Einfamilienhauses auch durch die Versorgungsanlagen der Werkshalle erfolgt, hat keine Aussagekraft im Hinblick auf die Eigenschaft der Werkshalle und des Einfamilienhauses als jeweils eigenständige bzw. selbständige Investitionsgüter. Denn insoweit ist allein die räumliche und bautechnische Trennung der betreffenden Gebäude oder Gebäudeteile bzw. der zeitliche Abstand ihrer Errichtung ausschlaggebend. Der Umstand, dass das Einfamilienhaus teilweise mit über die Werkshalle versorgt wird, führt bereits schon nach zivilrechtlichen und bewertungsrechtlichen Maßstäben nicht zur Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsguts oder Vermögensgegenstandes. Um so weniger kann dieser Umstand dazu führen, dass insoweit nach umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen von einem einheitlichen Investitionsgut bzw. Gebäude auszugehen ist. Ebenso kann die bauordnungsrechtliche Qualifizierung des Einfamilienhauses als Werksleiterwohnung keine ausschlaggebende Bedeutung dafür haben, ob das Einfamilienhaus als eigenständiges umsatzsteuerliches Investitionsgut anzusehen ist. Dafür sind bereits die Zielsetzungen des Bauordnungsrechts sowie des Umsatzsteuerrechts viel zu unterschiedlich.

4. Der vom erkennenden Senat zugrundegelegte Begriff des Investitionsguts wird auch letztlich durch die nachfolgenden Kontrollüberlegungen bestätigt. Denn wäre bei ansonsten identischen räumlichen und bautechnischen Voraussetzungen zunächst das ausschließlich privat genutzte Einfamilienhaus errichtet worden und damit zwingend als Gegenstand des Privatvermögens behandelt worden und sodann erst die Werkshalle hergestellt worden, so müsste nach dem vom Kläger verstandenen Umfang des Zuordnungswahlrechts die Möglichkeit bestehen, nunmehr das Einfamilienhaus und die Werkshalle gemeinsam als ein Investitionsgut anzusehen und mithin dem Unternehmensvermögen zuzuordnen. Dies ergäbe sich daraus, dass Werkshalle und Einfamilienhaus nach Auffassung des Klägers einen einheitlichen Gegenstand, ein einheitliches Gebäude und mithin ein in sich geschlossenes Investitionsgut darstellen. Dies würde zwar im Hinblick auf den Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuerbeträge nicht mehr den Vorsteuerabzug in Bezug auf die Herstellungskosten für das Einfamilienhaus eröffnen. Aber für spätere Erhaltungsaufwendungen oder nachträgliche Herstellungskosten in Bezug auf das Einfamilienhaus wäre sodann mit der Zuordnung des Einfamilienhauses zum Unternehmensvermögen der Vorsteuerabzug eröffnet. Der Senat ist davon überzeugt, dass eine solche Betrachtungsweise dem Sinn und Zweck sowie der Struktur und dogmatischen Systematik des harmonisierten Umsatzsteuerrechts nicht gerecht wird, bzw. der Rechtsprechung des EuGH oder des BFH entspricht.

5. Nimmt man in diesem Zusammenhang hinzu, dass die EG-Kommission dem Rat vorgeschlagen hat, die seit dem 01.01.2007 geltende Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahingehend zu ändern, dass der Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken nicht mehr zu 100 % gewährt wird, sondern nur noch im Umfang des unternehmerisch genutzten Anteils (vgl. hierzu Küffner/Zugmaier, DStR 2007, 2200), so wird erkennbar, dass die insoweit als relativ weitgehend und großzügig empfundene Rechtsprechung des EuGH zum Zuordnungswahlrecht des Unternehmers bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern als nicht sachgerecht empfunden wird, auf keinen Fall jedoch als eine aus der Struktur und Systematik des Mehrwertsteuerrechts sich zwingend ergebende Regelung angesehen wird

6. Der erkennende Senat versteht die Rechtsprechung des EuGH und ihr nachfolgend des BFH im Hinblick auf das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers hinsichtlich gemischt genutzter Gegenstände bzw. Investitionsgüter jedenfalls als einen Ausnahmesachverhalt, dessen Korrektur im Hinblick auf den gewährten Vorsteuerabzug für nichtunternehmerisch genutzte Anteile an dem betreffenden Investitionsgut durch eine nachträgliche Versteuerung der betreffenden unentgeltlichen Wertabgabe, zeigt, dass der insoweit gewährte Vorsteuerabzug wieder rückgängig zu machen ist, bzw. kompensiert werden muss, um die Systematik des Mehrwertsteuerrechts zu wahren. Vor diesem Hintergrund sieht der erkennende Senat aber keine Veranlassung, den Tatbestand des Zuordnungswahlrechts für gemischt genutzte Gegenstände bzw. Investitionsgüter auch auf solche Gegenstände auszudehnen, die sich räumlich und bautechnisch ohne weiteres von den unternehmerisch genutzten Gebäudeteilen trennen lassen und zudem mit einem erheblichen zeitlichen Abstand von dem eindeutig und ausschließlich unternehmerisch genutzten Gebäudeteil errichtet worden sind.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Der Senat lässt im Streitfall die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, da über die Frage des Vorliegens eines einheitlichen und das unternehmerische Zuordnungswahlrecht begründenden Investitionsguts in Fällen nachträglicher Anbaumaßnahmen bislang, soweit ersichtlich, weder finanzgerichtlich noch höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Zudem wird die hierzu von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung (vgl. Verfügung der OFD Karlsruhe vom 29.04.2005, DStR 2005, 1140; der Finanzverwaltung jedenfalls bei Anbauten insoweit zustimmend Lange, UR 2008, 23) im Fachschrifttum nicht unerheblich kritisiert (vgl. Völkel, UR 2007, 90).

Ende der Entscheidung

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