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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: 8 K 5395/01
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 35
AO 1977 § 69
EStG § 41a
AO 1977 § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als faktischer Geschäftsführer der G GmbH (im folgenden GmbH) wegen rückständiger Umsatzsteuer 1993, 1994, 1995, 1996 und 11/1998 samt Säumniszuschlägen in Höhe von 227.894,40 DM gemäß §§ 34, 35, 69 der Abgabenordnung (AO) haftet.

Der im Jahr 1944 geborene Kläger ist von Beruf .... Er war laut notariellem Gesellschaftsvertrag vom 15.12.1981 alleiniger Geschäftsführer der nach ihm benannten GmbH. Das Stammkapital von 50.000,- DM hielten zunächst der Kläger und die Zeugin G1, seine Ehefrau. Gesellschaftszweck der GmbH war .... Mit notariellem Vertrag vom 19.04.1984 übernahm der Kläger die Geschäftsanteile der Zeugin G1. Mit notariellem Vertrag vom 15.11.1988 wurde das Stammkapital der GmbH auf 100.000,- DM erhöht. Der Zeuge S, geborener H, war seit seinem 16. Lebensjahr zunächst als Praktikant und Auszubildender einer der durchschnittlich 16 Arbeitnehmer der GmbH. Mit Beschluss vom 06.02.1992 wurde der Kläger als Geschäftsführer der GmbH abberufen und der Zeuge S, der die Gesellenprüfung als ... ein Jahr zuvor bestanden hatte und zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt war, zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ab dem 01.02.1992 bestellt. In dem Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte vom 01.02.1992 ist vermerkt, dass der Kläger als kaufmännischer Betriebsleiter mit den Obliegenheiten Kundenbetreuung und kaufmännische Auftragsabwicklung eingestellt worden war. Sein monatliches Gehalt betrug 6.800,- DM. Die dem Kläger im Jahr 1991 erteilte Pensionszusage der GmbH blieb laut Vertrag bestehen. Als Dienstantritt wird in dem Vertrag der 01.02.1992 benannt. Laut Geschäftsführervertrag zwischen der GmbH und dem Zeugen S vom 01.02.1992 wurde der Zeuge mit Wirkung vom 01.02.1992 zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Laut § 3 des Vertrages erhielt der Zeuge eine Vergütung in Höhe von 3.300,- DM, monatlich zzgl. 52,- DM vermögenswirksame Leistungen. Im November hatte er zusätzlich Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts. Des weiteren wurde dem Zeugen S eine Tantieme abhängig von dem Jahresergebnis der GmbH zugesagt. Im Krankheitsfall oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung an der Geschäftsführertätigkeit war die Geschäftsführervergütung für die Dauer von 6 Wochen weiterzuzahlen. Auf den Vertrag im Übrigen wird verwiesen.

Mit notariellen Verträgen vom 18.08.1994 wurde das Stammkapital der GmbH erhöht auf 300.000,- DM. Mit notariellen Verträgen gleichen Datums übertrug der Kläger als alleiniger Gesellschafter an die Zeugin G1, seine Ehefrau, in Höhe von 75.000,- DM, an die Zeugin T, seine Tochter, in Höhe von 45.000,- DM und an den Zeugen S in Höhe von 15.000,- DM die entsprechenden Gesellschaftsanteile schenkweise. Der Kläger war damit zu 50 %, die Zeugin G1 zu 30 %, die Zeugin T zu 15 % und der Zeuge S zu 5 % an der GmbH beteiligt. In den Berichten vom 29.07.1994 und 09.04.1997, erstellt anlässlich von Lohnsteueraußenprüfungen bei der GmbH für Zeiträume, in denen der Zeuge S bereits Geschäftsführer der GmbH war, werden als Auskunftspersonen gegenüber der Finanzverwaltung der Kläger und der Steuerberater der GmbH, der Zeuge U, benannt. In dem Bericht vom 28.06.1994 ist der Kläger auch als gesetzlicher Vertreter der GmbH benannt. Für die Veranlagungszeiträume 1993, 1994 und 1995 fand bei der GmbH eine allgemeine Betriebsprüfung (Bericht vom 16.06.1998) statt. Im Rahmen der Prüfung waren Auskunftspersonen der Zeuge U sowie der Kläger. Der Kläger und der Zeuge U nahmen auch an der Schlussbesprechung teil. Die Betriebsprüfung hatte geänderte Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995, jeweils vom 24.08.1998, zur Folge. Hierdurch entstanden folgende Zahllasten:

1993: 205.624,30 DM, 1994: 6.620,40 DM und 1995: 128.064,60 DM.

Mit Bescheid vom 31.08.1998 erfolgte eine Abrechnung zur Umsatzsteuer 1996. Hieraus erwuchs der GmbH eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 9.961,60 DM. Auf die Bescheide wird verwiesen. Die Nachforderungen 1993 bis 1995 beruhten gemäß Textziffer 9 des Betriebsprüfungsberichts vom 16.06.1998 in wesentlichen darauf, dass die GmbH bei Erteilung von Endabrechnungen gegen § 14 Abs. 1 Satz 7 UStG alter Fassung (heute § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG) verstoßen hatte. Auf den BP-Bericht wird verwiesen.

Am 02.02.1999 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt. Antragsteller war der Zeuge S, der zu diesem Zweck jedenfalls in Begleitung von Rechtsanwalt O beim Insolvenzgericht erschien. Am 17.02.1999, eingetragen im Handelsregister am 26.02.1999, wurde Frau Rechtsanwältin L zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.04.1999 (AG Z ...) eröffnet. In ihrem Gutachten und Bericht über die vorläufige Verwaltung in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH vom 25.03.1999, auf den verwiesen wird, stellte die vorläufige Insolvenzverwalterin fest, dass ihr zur Erstellung des Gutachtens der Alleingesellschafter der GmbH, der Kläger, zur Verfügung gestanden habe. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH führte sie aus, dass bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung die GmbH neben dem Alleingesellschafter und dessen Ehefrau noch 18 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Die GmbH habe erstmals im Jahr 1997 mit Verlust gearbeitet. Der Grund für die wirtschaftliche Fehlentwicklung und damit auch für das vorliegende Insolvenzeröffnungsverfahren sei maßgeblich in der Geschäftsbeziehung der GmbH zu der Q gesellschaft mbH, ..., zu suchen. Dieses Unternehmen sei Großauftraggeberin für diverse Bauvorhaben gewesen, deren Volumen zuletzt zwischen 70 und 80 % des aktuellen Auftragsbestandes der GmbH ausgemacht hätte. Zahlungsschwierigkeiten der Q gesellschaft seien im Jahr 1997 aufgetreten. In Abstimmung mit der GmbH solle bereits zum Jahreswechsel 1996/1997 eine Rechnungslegung nur verzögert erfolgt sein. Zuletzt habe die Q gesellschaft Zahlungszusagen nicht einhalten können. Das Amtsgericht X ... habe schließlich mit Beschluss vom 21.01.1999 zu Geschäftsnummer ... das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q gesellschaft am 08.02.1999 eröffnet. Der Gesellschafter Q habe sich am 16.12.1998 für die Ansprüche der GmbH gegenüber der Q gesellschaft aus dem Bauvorhaben S ... selbstschuldnerisch verbürgt. Derzeit bestünden Ansprüche in Höhe von rund 700.000,- DM der GmbH gegenüber der Q gesellschaft mbH. Dieser Forderungsausfall führe zur Illiquidität der GmbH.

Nach Aktenlage verklagte die GmbH die Q gesellschaft wegen einer Scheckforderung in Höhe von 50.000,- DM. In der Klagebegründung der Rechtsanwälte O und O vom 06.01.1999 ist auf Seite 2 ausgeführt, am 16.12.1998 habe die Q gesellschaft an die GmbH einen Verrechnungsscheck in Höhe von 50.000,- DM ausgestellt. Dieser Scheck sei nicht eingelöst worden. Es werde um nächstmögliche Terminierung gebeten, da die Q gesellschaft mbH nach eigenen Angaben zur Zeit zahlungsunfähig sei und zu befürchten stehe, dass die GmbH ansonsten leer ausgehe.

Am 13.01.1999 schrieb ein Zulieferer der GmbH, die Firma L1, an die GmbH wegen eines Wechselprotestes über 200.000,- DM vom 06.01.1999, Bezogener Q gesellschaft mbH, .... Die Firma L1 teilte der GmbH mit, der ihr von der GmbH als Aussteller übergebene Wechsel vom 02.10.1998 über 200.000,- DM, der am 02.01.1999 fällig gewesen sei, sei von der Q gesellschaft nicht eingelöst und am 06.01.1999 zu Protest gegangen. Auf der Kopie der Wechselprotesturkunde befindet sich eine Unterschrift des Klägers in Vertretung für die GmbH.

Bei der E Bank hatte die GmbH eine Kontokorrentkreditlinie in Höhe von 300.000,- DM. Mit Schreiben vom 22.06.2001 teilte die E Bank dem Beklagten mit, im Zeitraum von November 1998 bis Januar 1999 sei die Kontoführung der GmbH nicht auffällig gewesen. Die von ihnen, der E Bank, eingeräumte Linie sei flexibel in Anspruch genommen worden. Tageweise Überziehungen seien vorgekommen, jedoch kurzfristig wieder in den vereinbarten Rahmen zurückgeführt worden. Retouren seien in diesem Zeitraum nicht veranlasst worden. Mit Schreiben vom 11.05.2001 teilte die E Bank dem Beklagten mit, in einem Gespräch vom 05.02.1999 habe Herr G dem damals zuständigen Firmenkundenbetreuer mitgeteilt, dass er am 01.02.1999 Insolvenzantrag gestellt habe. In diesem Zusammenhang habe Herr G eine handschriftliche Aufstellung über die Lastschriften der letzten 6 Wochen präsentiert mit der Bitte, diese "wegen Widerspruch" zurückzugeben. Dieser Bitte habe man entsprochen. Wegen des Insolvenzantrages seien die Kreditverhältnisse mit der GmbH am 08.02.1999 gekündigt worden. Aus einem weiteren Schreiben der E Bank vom 27.04.1999 an den Kläger bezüglich einer Bürgschaftsinanspruchnahme wegen einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und unbegrenzten Bürgschaft vom 16.08.1984 zugunsten der GmbH teilte die E Bank dem Kläger mit: "Bekanntlich haben wir das Kreditverhältnis mit oben genannter Firma mit Wirkung zum 28.02.1999 gekündigt".

Ausweislich der Vollstreckungsakte I der GmbH wurde am 16.12.1998 eine erste Mahnung wegen der Umsatzsteuernachforderungen 1993 bis 1996 an die GmbH versandt. Aus einem Schreiben vom 25.01.1999 des Beklagten geht hervor, dass diesbezüglich angebotene Raten nicht gezahlt wurden und der Stundungsantrag vom 01.12.1998 abgelehnt werde. Am 01.02.1999 wurde eine Kontopfändung gegenüber der E Bank ... ausgebracht über die Umsatzsteuernachforderung 1993 bis 1996. Auf die ihr am 10.02.1999 zugestellte Pfändung erwiderte die Bank am 25.02.1999, eigene Ansprüche gegen die GmbH in die Steuerschulden übersteigender Höhe zu haben. Eine Auswertung der Steuerakten durch die Vollstreckungsstelle am 16.03.1999 ergab laut Aktenvermerk, dass wegen fehlender Vollstreckungsmöglichkeiten des Innendienstes eine Zuschreibung VB (Vollziehungsbeamter) erfolgen solle.

Mit Schreiben an die Insolvenzverwalterin, zur Kenntnis an den Beklagten übersandt, teilte der Rechtsanwalt Q1 des Zeugen S am 07.05.1999 mit, der Zeuge S sei allein deshalb Geschäftsführer der GmbH geworden, damit der Kläger bei Rechtsstreitigkeiten vor Gericht als Zeuge auftreten könne. Sämtliche Geschäftsführeraufgaben habe der Kläger jedoch weiter vorgenommen. Noch Weihnachten 1998 habe der Kläger sich auf Rechnung der GmbH einen neuen Huyndai Sportwagen gekauft. Dezember/Januar 1998/1999 hätten sich Vorräte im Wert von 100.000 bis 200.000 DM in den Geschäftsräumen der GmbH befunden. Von der Firma L1 und einer weiteren Firma seien im Dezember bzw. Januar 1998/1999 ... bezogen worden, die für die vorhandenen Baustellen überhaupt nicht benötigt worden seien. Nach der Insolvenzanmeldung, erfolgt durch den Zeugen S in Begleitung des Klägers und des für die GmbH tätigen Rechtsanwalts O, habe der Kläger dem Zeugen S angeboten, in seinem neuen Unternehmen, der G2 GmbH, gegründet von dem Zeugen T1 und der Zeugin G1, mitzuarbeiten. Die neue GmbH arbeite mit denselben Arbeitnehmern weiter wie die alte GmbH und auch zwischen Herrn Q, der wieder auf die Beine gekommen sei, und der GmbH bestünden Verbindungen. Es müsse auch bezweifelt werden, dass die Außenstände der GmbH bei der Firma Q tatsächlich 700.000 DM betragen hätten. Schon bei viel geringeren Rückständen von Kunden sei es üblicherweise Praxis des Klägers gewesen, die Arbeiten auf der Baustelle umgehend einzustellen. Der Vorgang habe eine "satte strafrechtliche Relevanz". Hinsichtlich der daraufhin erfolgten fruchtlosen Bemühungen des Beklagten, den Sachverhalt zu überprüfen, wird auf die Vollstreckungsakte III verwiesen. Die Körperschaftsteuerstelle des Beklagten fragte am 24.06.2002 bei der Insolvenzverwalterin an, ob sie erklären könne, woher bei Vorräten im Wert von über 3.590.615 DM laut Buchführung der GmbH zum 31.12.1997 und 31.12.1998 und Umsatzerlösen im Jahr 1998 in Höhe von rund 2,3 Mio. DM aus der Verwertung der Vorräte lediglich 35.103,45 DM erzielt worden seien. Hierauf erwiderte die Insolvenzverwalterin am 01.07.2002, die Vorräte 1997 und 1998 seien bei Eröffnung des Insolvenzverfahren verbraucht gewesen. Bereits am 07.12.1999 hatte die Insolvenzverwalterin dem Beklagten telefonisch mitgeteilt, der Kläger habe die für die Materialbewertung erforderliche Bestandsaufnahme für sie vorgenommen.

Mit Haftungsvoranfrage vom 03.08.1999 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er hafte als faktischer Geschäftsführer der GmbH gemäß §§ 34, 35 i. V. m. § 69 AO neben dem nominell bestellten Geschäftsführer H für Steuerschulden der GmbH. Im Einzelnen handele es sich um Umsatzsteuer 1993 bis 1996 sowie 11/1998, fällig am 28.09.1998, 05.10.1998 bzw. 15.01.1999 nebst Zinsen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 227.894,40 DM.

Nach den Ausführungen des im Handelsregister eingetragenen nominell bestellten Geschäftsführers H sei dieser nicht in der Lage gewesen, die Tätigkeit des Geschäftsführers tatsächlich auszuüben. Auch nach Bestellung als Geschäftsführer habe er weiterhin lediglich als Geselle gearbeitet. Verfügungen über Konten und sonstige Geschäftsführertätigkeiten seien durch ihn nicht ausgeübt worden, sämtliche geschäftliche Vorgänge seien ihm unbekannt gewesen. Er sei nur deshalb als Geschäftsführer bestellt worden, um dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, bei Rechtsstreitigkeiten selbst als Zeuge aussagen zu können. Um die Haftungsquote überprüfen zu können für den Zeitraum 28.09.1998 bis 01.04.1999 bat der Beklagte, den anliegenden Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungssumme entsprechend BFH in BStBl 1985 II, 539 und 1988 II, 1972 ausgefüllt zurückzusenden.

Nachdem hierauf keine Reaktion des Klägers erfolgte, erließ der Beklagte am 16.09.1999 entsprechend seiner Ankündigung einen Haftungsbescheid über 227.894,40 DM. Auf den Haftungsbescheid wird verwiesen.

Gegenüber dem Zeugen S erließ der Beklagte einen Haftungsbescheid über dieselbe Haftungssumme am 12.10.1998. Auf den daraufhin eingelegten Einspruch erging die Einspruchsentscheidung am 30.10.2001. Das daraufhin eingeleitete Klageverfahren ist, nachdem der Insolvenzverwalter des Zeugen S die Aufnahme des Verfahrens ablehnte, aus dem Gerichtsregister gelöscht worden. Auf die Prozessakte 8 K 5514/01 wird verwiesen.

Gegen den Haftungsbescheid vom 16.09.1999 legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung teilte er mit, er sei für die Nichtzahlung eventueller Steuerforderungen nicht verantwortlich. Der gesetzliche Geschäftsführer sei Herr H gewesen. Dieser sei über sämtliche Vorgänge informiert gewesen. Es hätte auch zu seinen Pflichten gehört, die ordnungsgemäße Abwicklung der Steuerzahlungen zu überwachen. Auch sei seine Inanspruchnahme ermessensfehlerhaft, da er die Gesamtverbindlichkeiten im möglichen Rahmen anteilig befriedigt habe. Dies könne aus dem ausgefüllten Berechnungsbogen entnommen werden. Auf den Berechnungsbogen wird verwiesen.

Danach betrage die Summe der bezahlten Schulden im Haftungszeitraum im Sinne von Nr. 2.1 des Berechnungsbogens 333.204,- DM. Dem stünden bezahlte Steuerverbindlichkeiten im Sinne von Ziff. 1.3 bis zur Zahlungseinstellung in Höhe von 96.174,- DM gegenüber. Setze man die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten in Höhe von 428.378,- DM ins Verhältnis zu den gesamten Verbindlichkeiten entsprechend Ziff. 1.4 des Berechnungsbogens in Höhe von 1.644.527,- DM ergebe sich eine Haftungsquote von 26,05 %. Bei pflichtgemäß anteiliger Tilgung der Steuerschulden hätte er demnach 84.419,- DM Steuern zu zahlen gehabt. Tatsächlich habe er aber nachweislich Steuerrückstände in Höhe von 96.174,- DM getilgt (am 24.11 1998 26.173,60 Umsatzsteuer 10/1998 und am 14.01.1999 70.000 DM Lohnsteuer 1993) Die Haftungssumme belaufe sich deshalb auf 0,- DM. Die in dem Berechnungsbogen aufgeführten Zahlen seien zusammen mit Herrn Steuerberater U im Büro der Insolvenzverwalterin zusammengestellt worden. Man habe das erstellte Buchführungswerk nicht zur Verfügung gestellt bekommen und habe die Vorgänge anhand der Einzelbelege zusammengestellt. Die ermittelten Zahlen seien aber durchaus realistisch. Als Haftungszeitraum sei, wie vom Beklagten verlangt mit Schreiben vom 03.08.1999, der Zeitraum vom 28.09.1998 bis zum 01.04.1999 zugrunde gelegt worden.

Auf den Berechnungsbogen wird verwiesen.

Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, dass er ohne detaillierte Angaben und entsprechende Beweismittel nicht überprüfen könne, ob die Haftungsquote zutreffend ausgerechnet worden sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.08.2001 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit Beschluss vom 03.06.2002 (Az. 8 V 629/02) hat der Senat den Umsatzsteuerhaftungsbescheid vom 16.09.1999 in Höhe von 179.548,40 DM von der Vollziehung ausgesetzt. Auf den Beschluss wird verwiesen. Die Aussetzung beruhte zum einen darauf, dass der Senat wegen der bei der Quote seiner Auffassung nach nicht zu berücksichtigenden Lohnsteuerzahlungen eine Haftungsquote von 21,8 % und damit eine Haftungssumme von 44.447,- DM bejahte. Die Höhe der Säumniszuschläge berechnete der Senat unter Anwendung der von ihm angenommenen Haftungsquote mit 3.899,- DM.

Mit der vorliegenden Klage trägt der Kläger vor, die Frage nach seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer sei unter Berücksichtigung folgender Zusammenhänge im Anschluss an den gerichtlichen Aussetzungsbeschluss erneut zu würdigen und zu beurteilen: Der Zeuge S sei bereits im Alter von 16 Jahren in die Dienste der GmbH getreten. Im Laufe der nachfolgenden Jahre habe sich zwischen dem Zeugen S und der Familie des Klägers eine familiär geprägte Beziehung entwickelt. Die Stellung des Zeugen in der GmbH habe sich bereits während der gesamten 90er Jahre in starkem Maße von der eines bloßen Mitarbeiters abgehoben. Mitte/ Ende der 90er Jahre habe der Zeuge bei den Eheleuten G eine einem eigenen Sohn sehr nahekommende Stellung eingenommen. Da er sich als zuverlässiger Mitarbeiter erwiesen habe, sei er in die Rolle des potentiellen Unternehmensnachfolgers hineingewachsen. Deshalb sei er auch im Jahr 1992 zum Geschäftsführer der GmbH berufen worden. Zwei Jahre später habe er, der Kläger, dem Zeugen einen 5 %igen Anteil an den GmbH-Geschäftsanteilen geschenkt. Er habe beabsichtigt, in den Folgejahren die ihm noch verbliebene 50 %-Beteiligung an der GmbH ebenfalls schenkweise anteilig auf seine Mitgesellschafter zu übertragen. Dem Zeugen S sollte hierbei ein Teilanteil von weiteren 30 % zugewendet werden. Auf diese Weise habe man das bereits Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre in Aussicht genommene Vorhaben realisieren wollen, den Zeugen S als einen mit einem starken eigenen Geschäftsanteil ausgestatteten Geschäftsführer der GmbH aufzubauen. Angesichts der erfolgten und weiter geplanten Schenkungen von Gesellschaftsanteilen an der bis Ende 1998 erfolgreich betriebenen GmbH stelle sich die eher begrenzte Höhe der dem Zeugen S bis Ende der 90er Jahre gezahlten Tätigkeitsvergütung in einem anderen Licht dar. Zur Aufgabenverteilung innerhalb der GmbH sei zu bemerken, dass im Jahr 1998, Anfang 1999 die Tätigkeit von ihm, dem Kläger, im Unternehmen der GmbH sich beschränkt habe auf den Einkauf, die Überwachung der von der GmbH unterhaltenen Baustellen und die Abwicklung des technischen Schriftverkehrs mit Auftraggebern und Lieferanten. Überweisungen bzw. Zahlungsanweisungen (einschließlich Ausstellung von Schecks) seien von ihm nicht veranlasst worden. Der gesamte Zahlungsverkehr habe in dieser Zeit in den Händen der Zeugin T gelegen. Deren Ehemann, der Zeuge T1, sei zuständig für die Auftragsannahme und die Unterzeichnung der hierbei im Namen der GmbH abzuschließenden Werkverträge gewesen. Dies alles könnten bezeugen die Herren S und T1 sowie Frau G1 und Frau T. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass der Zeuge T1, der sich im Gegensatz zu der Zeugin nicht mit "..." schreibe, zwar ein Angestellter der GmbH gewesen sei, nicht jedoch sein Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter, der Zeugin T.

Dass er auch über eine Bankvollmacht verfügt habe, habe allein darin begründet gelegen, dass er, der Kläger, sich zu seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der E Bank verbürgt habe. Auch habe er sämtliche Kreditverträge der GmbH zu dieser Zeit unterschrieben. Um die Kreditengagements gegenüber der E Bank nicht zu gefährden, habe er nach Beendigung des Geschäftsführermandats seine eigene Bevollmächtigung gegenüber der Bank unberührt gelassen. Nach seiner Abberufung habe er sich eigener Aktivitäten im Finanzbereich enthalten. Derartige Aktivitäten seien grundsätzlich in die Zuständigkeit des Geschäftsführers gefallen und seien faktisch wahrgenommen worden von der Zeugin T. Der Zeuge S habe keine ausdrückliche Vollmacht gegenüber der E Bank benötigt, da er kraft Gesetzes in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH eine solche nicht benötigt habe. Der Zeugin T sei eine derartige Bankvollmacht erteilt worden. Nachdem der Insolvenzantrag am 02.02.1999 vom Zeugen S gestellt worden sei, sei der Zeuge bis auf weiteres nicht mehr gesehen worden. Unter diesen Umständen sei ihm die Rolle als Ansprechpartner der vorläufigen Insolvenzverwalterin und auch der E Bank aufgrund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter mehr oder minder zwangsläufig zugefallen.

Zur Haftungsquote sei anzuführen, dass unter Berücksichtigung des BGH-Urteils vom 22.01.2004 (IX ZR 39/03) die Nichtberücksichtigung der Lohnsteuerzahlungen im Berechnungsschema für die Umsatzsteuerquote unzutreffend sei. Daher sei eine Haftungssumme in Höhe von 0,- DM entsprechend dem von dem Zeugen U vorgelegten Berechnungsbogen richtig. Die in dem Berechnungsbogen berücksichtigten Einzelpositionen seien korrekt. Der Zeuge U habe sie anhand der Buchhaltungsunterlagen und Belegsammlungen der GmbH, die sich seinerzeit und nach wie vor bei der Insolvenzverwalterin befänden, zusammengestellt. Die betroffenen Unterlagen füllten insgesamt ca. 8 Aktenordner. Die Insolvenzverwalterin sei nicht bereit, ihm, dem Kläger, die Unterlagen zu überlassen. Der Zeuge U habe den Berechnungsbogen seinerzeit auf Grundlage folgender, in Kopie teilweise beigefügter Unterlagen erstellt: Bilanz zum 31.12.1997, Saldenliste der Buchhaltung per 31.12.1998, Buchführungskonten 1998, ungebuchte Bankauszüge und sonstige Originalbelege aus 1999 sowie Liste der offenen Kreditoren, erstellt von der GmbH. Die Buchführungskonten für 1998 sowie die ungebuchten Bankauszüge und sonstigen Originalbelege aus 1999 habe der Zeuge U im Büro der Insolvenzverwalterin gesichtet und hierzu handschriftlich eigene Notizen gefertigt. Das Buchführungswerk 1998 sei zu dieser Zeit und wohl bis heute nicht abgestimmt. Die Saldovorträge aus 1997 seien nur teilweise erfasst worden. Die erforderlichen Informationen hätten deshalb aus den umfangreichen Unterlagen herausgesucht werden müssen, zumal der Stichtag des Beginns des Haftungszeitraums der 28.09.1998 sei und eine Liste zu diesem Datum nicht existiere. Bezogen auf die einzelnen Positionen in dem Berechnungsbogen sei zu sagen, dass der Schuldenstand zu Beginn des Haftungszeitraums mit Schreiben vom 25.01.2000 detailliert dargestellt worden sei. Die Positionen 1.2 und 1.3 des Berechnungsbogens beträfen Steuerschulden und Steuerzahlungsbeträge und seien dem Beklagten ohnehin bekannt. Eine möglicherweise notwendige weitere Konkretisierung oder Aufschlüsselung bzw. ein weiterer Nachweis sei hiernach im wesentlichen nur in Bezug auf die Unterpositionen Zugänge beim Schuldenstand zu Beginn des Haftungszeitraums" zu 1.1 sowie in Bezug auf die Position 2.1 "Summe der bezahlten Schulden im Sinne von Nr. 1.1 bis zur Zahlungseinstellung" notwendig. Diese Positionen werde der Zeuge U in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutern. Der Zeuge U werde dem Gericht des weiteren die in Kopie vorgelegten Unterlagen und deren Aussagekraft im Hinblick auf die von ihm in dem Berechnungsbogen ermittelten Werte im Termin zur mündlichen Verhandlung weiter erläutern und hierbei die Richtigkeit der in dem Berechnungsbogen eingesetzten Werte bestätigen können.

Der Kläger sei angesichts der Weigerung der Insolvenzverwalterin, die Originalunterlagen an ihn herauszugeben, damit seiner Mitwirkungs-, Darlegungs- und auch Nachweispflicht hinreichend nachgekommen.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerhaftungsbescheid vom 16.09.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 10.08.2001 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

unter Herabsetzung der Umsatzsteuerhaftungssumme auf 48.346 DM die Klage im übrigen abzuweisen.

Zur Begründung verweist er - ausgehend von den zutreffenden Berechnungen im Aussetzungsbeschluss 8 V 629/02 - auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass er dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen vermöge, ob er sich weiterhin gegen seine Stellung als faktischer Geschäftsführer der GmbH wende. Hinsichtlich der noch zu ermittelnden Haftungsquote sei er grundsätzlich bereit, an einer konstruktiven Lösung mitzuwirken.

Der Senat hat am 22.08.2005 beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, welche Aufgaben der Kläger im Haftungszeitraum bei der G GmbH wahrgenommen hat durch Vernehmung der G1, der Frau T, des Herrn T1 sowie des Herrn S als Zeugen. Desweiteren hat der Senat am selben Tag beschlossen, Beweis zu erheben über die Behauptung des Klägers, Herr Steuerberater U habe die Ermittlung der Haftungsquote entsprechend dem beim Beklagten am 29.09.1999 eingereichten Rechnungsbogen zutreffend unter umfassender Auswertung der bei der Insolvenzverwalterin Rechtsanwältin L befindlichen Belegmaterialsammlung der G GmbH durchgeführt, durch Vernehmung des Steuerberaters U als sachverständigem Zeugen. Der Kläger ist aufgefordert worden mit Ladung vom 23.08.2005 sämtliche, dem Berechnungsbogen zur Umsatzsteuerquote zugrunde gelegten Belege ggfls. in Kopie vorzulegen. Ferner ist der Kläger aufgefordert worden, sich zu den Ursachen für die Nachversteuerung betreffend Umsatzsteuer 1993-1996 zu äußern.

Der Senat hat die Steuerakten der G GmbH und die Einkommensteuerakten des Klägers sowie die Prozessakten 8 K 5514/01 und 2 K 3602/01 (Haftung Lohn- und Umsatzsteuer S) zum Verfahren beigezogen. Auf die Prozessakte 8 K 5677/01 (Haftung Lohnsteuer) des Klägers wird verwiesen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme wird verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht dem Grunde nach als Haftungsschuldner für die rückständige Umsatzsteuer 1993 bis 1996 sowie 11/1998, fällig zwischen dem 28.09.1998 und 15.01.1999 nebst Zinsen und Säumniszuschlägen in Anspruch genommen. Zur Unrecht hat der Beklagte dabei bei einer Haftungsquote von 100 % eine Haftungssumme von 227.894,40 DM angenommen. Zutreffend beträgt die Haftungssumme 48.346,- DM bei einer Haftungsquote von 21,8 %.

I.

Die gemäß den Umsatzsteuerbescheid 1993 bis 1996 bzw. der Umsatzsteuer-Voranmeldung 11/98 festgesetzte bzw. angemeldete Umsatzsteuer hat die GmbH am jeweiligen Fälligkeitstag, dem 28.09.1998 (Umsatzsteuer 1993 bis 1995), 05.101998 (Umsatzsteuer 1996) und 15.01.1999 (Umsatzsteuervoranmeldung 11/98) unstreitig nicht entrichtet.

II.

Die steuerlichen Verpflichtungen einer GmbH zur Zahlung der fälligen Umsatzsteuer hat der Geschäftsführer der GmbH zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO i. V. m. § 35 Abs. 1 GmbHG). Dabei wird dem formellen Geschäftsführer gem. § 34 AO der faktische Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 35 GmbHG gleichgestellt, wenn er mit dem entsprechenden Anschein einer Berichtigung tatsächlich nach Außen hin auftritt, obwohl er formell nicht zum Geschäftsführer der GmbH bestellt worden ist (BFH-Urteil vom 10.05.1989 I R 121/85, BFH/NV 1990, 7).

Der Kläger war bei Fälligkeit der Umsatzsteuer 1993 bis 1996 und vorangemeldeten Umsatzsteuer 11/98 faktischer Geschäftsführer der GmbH. Dies folgt aus den Ausführungen des Senats in den Entscheidungsgründen des Urteils 8 K 5677/01 unter A.II., auf die insoweit verwiesen wird.

III.

Nach § 69 S. 1 AO haftet der GmbH-Geschäftsführer im Sinne der §§ 34 Abs. 1, 35 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden.

Hier liegt die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers in dem Verstoß gegen den sogenannten Grundsatz der anteiligen Tilgung bei Fälligkeit der Umsatzsteuer.

Bei unzureichenden Zahlungsmitteln, die nicht zur gleichzeitigen Bezahlung aller fälligen Schulden einer GmbH ausreichen, besteht für den Geschäftsführer lediglich die Verpflichtung, die fällige Umsatzsteuer nebst Nebenleistungen etwa in gleicher Weise zu bezahlen, wie die Forderungen anderer Gläubiger befriedigt werden (st. Rechtsprechung für die Umsatzsteuer: BFH-Beschluss vom 31.02.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 m. w. N.). Dieser Verpflichtung ist der Kläger im Haftungszeitraum unstreitig nicht nach-gekommen und hat damit den Umsatzsteuerausfall kausal verursacht. Während er andere Gläubiger der GmbH nachweislich bezahlt hat, ist der Beklagte leer ausgegangen.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist hingegen nicht bereits darin zu erkennen, dass er für die GmbH in den Jahren 1993 bis 1995 unzutreffende Voranmeldungen abgegeben hat, weil die GmbH, wie die Betriebsprüfung festgestellt hat, fehlerhafte Endabrechnungen erteilt hatte. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats und des Beklagten dargelegt, dass er dem für die GmbH tätigen Steuerberater, dem Zeugen U, sowie seiner für die Rechnungslegung langjährig zuständigen Ehefrau, der Zeugin G1, umfassend vertrauen durfte.

Es ist deshalb davon abzusehen, die Liquiditätslage im Voranmeldungszeitraum in die Berechnung der Haftungsquote einzubeziehen (BFH-Urteil vom 12.04.1988 VII R 131/85, BStBl II 1988, 742 und Beschluss vom 04.05.2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363). Damit bleibt es im Streitfall bei der im Aussetzungsverfahren mit Beschluss vom 03.06.2002 (Aktenzeichen 8 V 629/02) vom Senat errechneten - der Höhe nach von den Beteiligten nicht beanstandeten - Haftungsquote von 21,8 %, die zur einer Haftungssumme von 48.346,- DM führt. Der Zeuge U, der Steuerberater der GmbH, hat zur Überzeugung des Senats und des Beklagten anlässlich der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung die in dem von ihm ausgefüllten Berechnungsbogen zur Umsatzsteuer-Haftungsquote angegebenen, zur Berechnung der Quote notwendigen Beträge überzeugend erläutert und belegt.

IV.

Gegen dieses Ergebnis spricht nicht die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - mit Urteil vom 22.01.2004 (IX R 39/03, ZIP 2004, 513).

In diesem Urteil hat der BGH ausgeführt, dass das Treuhandverhältnis des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt und dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vom Arbeitgeber gemäß § 41 a Abs. 1 EStG einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer keine in der Insolvenz des Arbeitgebers das Finanzamt oder die Arbeitnehmer schützende, weil bevorrechtigende Rechtsposition darstellt.

Dies besagt jedoch nicht, dass der BGH das vom BFH in ständiger Rechtsprechung betonte Treuhandverhältnis des Arbeitgebers zum Finanzamt und seinen Arbeitnehmern im Steuerrecht negiert hätte. Der BGH hat lediglich eine Privilegierung der Lohnsteuer im Insolvenzverfahren verneint.

Aus diesem Urteil kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei der Berechnung der Umsatzsteuerhaftungsquote Lohnsteuerzahlungen der GmbH innerhalb des Haftungszeitraums (hier die Zahlung über 70.000,- DM am 14.01.1999) nunmehr zu berücksichtigen seien mit dem Ergebnis, dass die Haftungssumme im Streitfall 0,- DM betrüge. Es bleibt vielmehr bei der zutreffenden Ansicht, dass wegen der besonderen haftungsrechtlichen Behandlung der Lohnsteuer, die darin besteht, dass sich die Haftungsquote unabhängig von der Befriedigung aller Gläubiger wegen des Treuhandverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber einerseits und den Arbeitnehmern und dem Finanzamt andererseits nur nach der möglichen anteiligen Befriedigung des Finanzamtes und der Arbeitnehmer bemisst (BFH-Urteil vom 26.07.1988 VII R 83/87, BStBl II 1988, 859), die gezahlte Lohnsteuer bei der Bemessung der Umsatzsteuerhaftungsquote gänzlich außer Betracht bleibt (vgl. BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322; Rüsken in Klein, AO, 8. Aufl., § 69 Tz 122).

V.

Für die Nichtabführung der Umsatzsteuer 11/99, die in dem Dreimonatszeitraum vor Stellung des Insolvenzantrags am 02.02.1999 fällig gewesen ist, folgt weder aus § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG oder aus einem den Kläger eventuell treffenden Vorwurf der Gläubigerbenachteiligung ein Entschuldigungsgrund für die Nichtabführung der Umsatzsteuer. Insoweit wird auf A.III. 2. der Entscheidungsgründe in Sachen 8 K 5677/01 verwiesen.

Aus den Ausführungen unter A.III. 3. der Entscheidungsgründe in Sachen 8 K 5677/01, auf die ebenfalls verwiesen wird, folgt des weiteren, dass wegen eines hypothetischen Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 Abs.2 InsO die Kausalität der Pflichtverletzung des Klägers für den Steuerausfall betreffend die Umsatzsteuer 11/99 nicht entfällt.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

C.

Die Revision war im Hinblick auf die im vorliegenden Urteil unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats in Sachen 8 K 5677/01 angeführte divergierende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, des Bundesgerichtshofs und der Finanzgerichte zum Verhältnis des Insolvenz- und Steuerrechts bei der Nichtabführung von Steuern durch gesetzliche Vertreter oder Verfügungsberechtigte gem. §§ 34, 35 AO in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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