Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 15.10.2004
Aktenzeichen: 9 K 4265/01
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB


Vorschriften:

BGB § 1922
ErbStG § 3 Abs 1 Nr 1
BGB § 779
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
TATBESTAND:

Streitig ist in erster Linie, ob Zahlungen einer Bank aufgrund eines von den Erben mit dieser geschlossenen Vergleichs zum Nachlass des Erblassers gehören und - bejahendenfalls - inwieweit sie dem Erbschaftserwerb der Klägerin zuzurechnen sind.

Die Klägerin ist ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des AG der Stadt H vom 7. Juni 1996 mit einer Quote von 2/3 Miterbin nach ihrem am 15. März 1996 verstorbenen Bruder Herrn O (Erblasser). Weitere Mitererben zu jeweils 1/6 sind dessen beide Halbgeschwister Frau X und Herr E.

In ihrer am 11. April 1997 bei dem Beklagten eingereichten, von allen drei Miterben unterschriebenen Erbschaftsteuererklärung gaben diese als nachlasszugehörige Vermögensgegenstände neben dem hälftigen Miteigentumsanteil an land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz mit einem Einheitswert von 1.300,- DM (1/2 = 650,- DM) und einem in der Stadt H belegenen Grundstück (Einheitswert: 23.100,- DM) Kapitalforderungen, namentlich ein Sparguthaben im Nennwert von 25.000,- DM zzgl. Zinsen i.H. von 932, - DM (insgesamt 25.932,- DM) sowie ein Girokonto mit einem Bestand von 461,81 DM an.

Hiervon ausgehend erteilte der Beklagte der Klägerin unter dem 23. Juli 1997 einen Erbschaftsteuerbescheid über 7.896,- DM, dem ein Erwerbswert von 85.859,- DM zugrunde lag. Dabei schätzte er die Steuerwerte (Bedarfswerte) des land- und forstwirtschaftlichen sowie des Grundvermögens mangels diesbezüglicher Erklärungsangaben auf das Drei- bzw. Fünffache des festgestellten Einheitswerts.

Mit gemäß §§ 173 Abs. 1 Nr. 1, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 27. Mai 1999 erhöhte der Beklagte die Erbschaftsteuer der Klägerin - nunmehr ausgehend von einem Erbanteil i.H. von 276.375,- DM - auf 43.571,- DM. Dabei berücksichtigte er zum einen den Erwerb des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie des in der Stadt H belegenen Grundstücks mit den inzwischen vom Finanzamt H auf 2.100,- DM (2/3-Anteil der Klägerin von œ-Anteil des Erblassers = 700,- DM) bzw. 66.000,- DM (2/3-Anteil der Klägerin = 44.000,- DM) festgestellten Grundbesitzwerten. Zum anderen bezog er - entsprechend der auf die Klägerin entfallenden 2/3-Erbquote - von dem Steuerberater der Miterben nacherklärte Zahlungen in die Bemessungsgrundlage ein, die die Kreissparkasse der Stadt I aufgrund eines am 28. Dezember 1998 geschlossenen Vergleichs i.H. von insgesamt 341.120,- DM an die Erben geleistet hatte. Die dem Beklagten übersandte Vergleichsurkunde, auf deren weiteren Inhalt Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:

" 1. Sachverhalt

Die Kunden (Erbengemeinschaft nach Herrn O) gehen davon aus, dass der verstorbene Herr O Herrn J (Anm.: Mitarbeiter der Bank) Gelder zur Anlage gegeben hatte. Sie behaupten, daraus einen Zahlungsanspruch von mehr als DM 300.000,- gegen die KSK zu haben. Unterlagen oder andere Beweismittel/Indizien können sie nicht vorlegen. Einzelheiten zu den "Anlagebeträgen" oder einer von Herrn J versprochenen Verzinsung können sie nicht machen. Herr E bestätigt, von Herrn J am 25.06.1998 eine Rückzahlung von DM 13.000,- in bar erhalten zu haben.

2. Zusicherung

...

3. Vergleich

...

A. Die KSK verpflichtet sich, innerhalb der nächsten zwei Wochen DM 132.520,- als Kapital zu zahlen, DM 66.260,- auf Konto ..., DM 33.130,- auf Konto ... und DM 33.130,- auf Konto ...

B. KSK verpflichtet sich, innerhalb der nächsten zwei Wochen DM 195.600,- als Zinsen zu zahlen, DM 97.800,- auf das Konto ..., DM 48.900,- auf das Konto ... und DM 48.900,- auf das Konto ...

C. Parteien sind sich darüber einig, dass nach Zahlung der unter a) und b) genannten Beträge sämtliche Ansprüche und Rechte im Zusammenhang mit dem oben zugesicherten Sachverhalt endgültig erledigt sind. ... Die obige Aufteilung entspricht nicht dem Erbschein; dies ist ausdrücklicher Wille der Unterzeichner"

Einem weiteren Schreiben des Steuerberaters des Miterben Herrn E war eine fiktive Berechnung der in der Zeit von 1981 bis zum Abschluss des Vergleichs in 1998 angefallenen Zinsen i.H. von insgesamt 195.606,- DM beigefügt. Wegen der quartalsweisen Aufgliederung dieses Betrags und der Zuordnung zu den einzelnen Kapitalforderungen wird auf den Inhalt der Berechnung Bezug genommen.

Gegen den geänderten Erbschaftsteuerbescheid wandte die Klägerin im Einspruchsverfahren zunächst ein, der bei der ursprünglichen Festsetzung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG berücksichtigte Freibetrag wegen unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen sei nunmehr außer Ansatz gelassen und ihr seien zu Unrecht statt der vereinbarten Hälfte der Vergleichszahlungen (=170.560,- DM) 2/3 des Gesamtbetrags von 341.120,- DM, also 227.413,- DM als zusätzlicher Erwerb zugerechnet worden. Im weiteren Verlauf des Vorverfahrens vertrat ihr zwischenzeitlich beauftragter Prozessbevollmächtigter die Auffassung, die nachgemeldeten Vergleichszahlungen fielen überhaupt nicht in den Nachlass, da die ihnen zugrunde liegenden Forderungen erst durch den am 28. Dezember 1998 geschlossenen Vergleich und damit nach dem Tod des Erblassers entstanden seien. Etwaige am Todestag bestehende Kapitalforderungen des Erblassers gegen Herrn J seien wegen Uneinbringlichkeit mit 0,- DM zu bewerten. Im Rahmen der Nachlassverbindlichkeiten sei außerdem zu beachten, dass die Klägerin den Erblasser entgeltlich gepflegt habe, wobei dieser Sachverhalt von ihm - dem Prozessbevollmächtigten - noch weiter aufzuklären sei. Schließlich bestünden Bedenken gegen die Richtigkeit der für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen und das Grundvermögen angesetzten Bedarfswerte.

Mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 18. Juni 2001 ermäßigte der Beklagte die Erbschaftsteuer unter Gewährung des Pflegepauschbetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG auf 41.871,- DM; im Übrigen wies er den Einspruch der Klägerin, soweit er sich gegen die festgestellten Grundbesitzwerte richtete, als unzulässig und wegen der weiterhin erhobenen Einwendungen als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer Klage trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nachdem er gemäß § 79b Abs. 2 FGO zur weiteren Substantiierung seiner zunächst nur schlagwortartig bezeichneten Einwände aufgefordert worden ist, vor:

Weder die aufgrund des Vergleichs vom 28. Dezember 1998 geleisteten Zahlungen der KSK i.H. von insgesamt 328.120,- DM noch die in der Vertragsurkunde genannte Rückzahlung des Herrn J an den Miterben Herrn E seien Bestandteile des Nachlasses. Der Ansatz einer Kapitalforderung i.H. von insgesamt 341.120,- DM sei daher unzutreffend. Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG seien Kapitalforderungen mit dem ihnen am Bewertungsstichtag zukommenden Nominalwert anzusetzen, wenn nicht besondere am Stichtag vorliegende Umstände einen höheren oder niedrigeren Wert begründeten. Zu diesen besonderen Umständen im Rechtssinne gehöre es auch, wenn eine Forderung am Stichtag - hier dem Todestag des Erblassers (15. März 1996) - uneinbringlich gewesen sei (§ 12 Abs. 2 BewG). Da die Erbengemeinschaft die im Erbschaftsteuerbescheid erfasste Kapitalforderung i.H. von 341.120,- DM erst durch Abschluss des Vergleichs vom 28. Dezember 1998 und damit mehr als zwei Jahre nach dem Stichtag erworben habe, könne sie dem Erbschaftserwerb der Klägerin nicht hinzugerechnet werden.

Soweit der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung die Auffassung vertrete, dieser Vergleich lasse den "einzigen" Schluss zu, zum Zeitpunkt des Todes habe eine Forderung des Erblassers gegen die KSK der Stadt I und nicht gegen deren Angestellten Herrn J bestanden, obliege ihm die Feststellungslast für die Richtigkeit seiner Behauptung, die jedenfalls im Wortlaut der Vergleichsurkunde keinen Niederschlag gefunden habe. Dem Vertragstext sei vielmehr nur zu entnehmen, dass die Erbengemeinschaft wegen der Übergabe von mehr als 300.000,- DM durch den Erblasser an Herrn J Ansprüche gegenüber der Bank erhoben habe bzw. von der Existenz solcher Ansprüche ausgegangen sei. Mit Abschluss des Vergleichs habe die KSK der Stadt I indes gerade nicht anerkannt, dass dem Erblasser bzw. nach dessen Tode der Erbengemeinschaft Zahlungsansprüche der geltend gemachten Art zustünden. Dies ergebe sich aus dem als Anlage beigefügten Schreiben der KSK vom 5. Januar 2000 und könne außerdem von den Vergleichsparteien bezeugt werden.

Näher liege die Annahme, dass der Erbengemeinschaft Rückforderungsansprüche gegenüber Herrn J zustünden. Diese könnten bei der Erbschaftsteuerveranlagung jedoch wegen Uneinbringlichkeit nur mit einem Erwerbswert von 0,- DM angesetzt werden. Wie sich aus dem Strafurteil des Landgerichts Aachen vom 14. März 2000 ergebe, habe sich Herr J weder zur Verwendung der ihm anvertrauten Gelder geäußert noch seien diese später bei ihm gefunden worden. Da Herr J keinem der geschädigten Kunden Gelder zurückgezahlt habe, sei davon auszugehen, dass er auch an die Erbengemeinschaft, wenn diese ihre Forderungen am Stichtag geltend gemacht hätte, keinerlei Rückzahlungen geleistet hätte. Bedenke man darüber hinaus, dass Unterlagen oder Beweismittel zum Nachweis der Rückgewähransprüche nicht existierten, wären diese auch gerichtlich nicht durchsetzbar gewesen.

Die erst nach dem Stichtag erklärte Bereitschaft der KSK der Stadt I, der Erbengemeinschaft einen Betrag von 328.120,- DM auszuzahlen, sei als erst nach dem Bewertungsstichtag eingetretene Tatsache erbschaftsteuerrechtlich unerheblich.

Rechtlich nicht nachvollziehbar sei die weitergehende Überlegung des Beklagten, eine - einem höheren Steuersatz unterliegende - freigebige Zuwendung der KSK der Stadt I an die Erbengemeinschaft deswegen anzunehmen, weil die streitigen Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt seien. Diese Erwägung verkenne zum einen, dass der Vergleich die causa für die Leistungen der Bank darstelle. Zum anderen handele es sich um grundsätzlich nicht schenkungsteuerbare Schadensersatzleistungen zum Ausgleich von Vermögensschäden, die Herr J bei den Kunden der KSK der Stadt I verursacht habe.

Soweit der Beklagte bei der Erbschaftsteuerfestsetzung land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Wert von 1.050,- DM erfasst habe, müsse dieses gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG außer Ansatz bleiben.

An den weiteren mit Einspruch und Klage erhobenen Einwendungen werde nicht mehr festgehalten.

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass die Forderung gegen die KSK der Stadt I aufgrund des Vergleichs vom 28. Dezember 1998 außer Ansatz bleibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Leiter der Rechtsabteilung der KSK der Stadt I, Herrn N, als Zeugen zu der Frage zu hören, ob die Erbengemeinschaft zum Zeitpunkt des Erbfalls Forderungen gegen die KSK der Stadt I gehabt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet; im Übrigen hat das Begehren der Klägerin keinen Erfolg.

Der Senat versteht den Antrag der Klägerin, "die Forderungen gegen die KSK der Stadt I aufgrund des Vergleichs vom 28.12.1998 außer Ansatz zu lassen", dahin, sämtliche in der Vergleichsurkunde genannten Zahlungen, d.h. sowohl die ausgehandelte Vergleichssumme i.H. von 328.120,- DM als auch die von Herrn J bereits geleistete Teilrückzahlung von 13.000,- DM aus der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage auszuklammern. Zwar handelt es sich bei der Rückerstattung durch Herrn J nicht um eine Forderung der Erbengemeinschaft gegen die Bank, dies aber nur, weil der Schädiger selbst insoweit bereits seiner Rückzahlungspflicht nachgekommen ist und eine Haftungspflicht der KSK der Stadt I i.H. der erbrachten Leistungen nicht besteht.

Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung ist im Wesentlichen rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Rechtswidrig ist er lediglich insoweit, als der Beklagte dem Nachlass des verstorbenen Herrn O auch diejenigen auf Forderungen gegen die KSK der Stadt I entfallenden Zinsen hinzugerechnet hat, die erst nach dem Erbfall (15. März 1996) entstanden sind.

1. Der Beklagte ist dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass zum Erwerb der Klägerin von Todes wegen nach ihrem verstorbenen Bruder unter anderem Kapitalforderungen gegen die KSK der Stadt I und die Zahlung des Herrn J an den Miterben Herrn E gehörten. Dies ergibt sich aus dem zwischen dieser und der Erbengemeinschaft unter dem 28. Dezember 1998 geschlossenen Vergleich.

Nach ständiger höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung und der ihr folgenden Kommentarliteratur ist das Ergebnis eines Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbrechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über den Umfang des Erwerbs oder die Größe einzelner Erbteile zum Ziel hat, der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen. Die Rechtsgestaltung, zu der sich alle Beteiligten im Erbvergleich bekennen, ist dann auch für die steuerliche Beurteilung maßgebend, da sie ihren letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht hat (BFH-Entscheidungen vom 1. Februar 1961 II 269/58 U, BStBl. III 1961, 133, vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BStBl. II 1972, 886, vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl. II 1996, 243, vom 25. August 1998 II B 45/98, BFH/NV 1999, 313, vom 19. September 2000 II B 10/00, BFH/NV 2001, 163, und vom 6. Dezember 2000 II R 28/98, BFH/NV 2001, 601, Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 3 Rz. 50, Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 13. Auflage, § 3 Rz. 26, und Troll / Gebel / Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 3 Rz. 80 ff).

Um einen Erbvergleich im vorbeschriebenen - engeren - Sinne handelt es sich bei der im Streitfall getroffenen Vereinbarung zwar nicht, weil die Regelung weder der einvernehmlichen Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen des Erblassers noch der Beilegung ernsthafter Streitigkeiten zwischen den einzelnen Miterben über Inhalt und Umfang ihrer Erbteile diente. Es ging vielmehr darum, wegen einer dem Grunde und der Höhe nach streitigen Forderung des Erblassers gegen einen nicht am Erbfall beteiligten Dritten eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Nach der bereits im Urteil vom 25. September 1998 (9 K 2525/95, EFG 1999, 300) vertretenen Auffassung des Senats gelten die der Anerkennung des Erbvergleichs zugrunde liegenden rechtlichen Überlegungen aber auch für den - hier vorliegenden - Fall, dass der Vergleich zwischen den Erben und einer nicht am Nachlass beteiligten Person geschlossen wird und die Beilegung eines ernsthaften Streits über die Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zum Nachlass oder über Art und Höhe einer Nachlassforderung bezweckt (vgl. auch Troll / Gebel / Jülicher, a.a.O., § 3 Rz. 83, und Meincke, a.a.O., § 3 Rz. 26). Hätte nämlich der Erblasser seine behaupteten Rückforderungsansprüche gegen die KSK der Stadt I eingeklagt, bestünde kein Zweifel daran, dass der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung auch für die Erbschaftsbesteuerung verbindlich wäre. Nicht anders verhält es sich, wenn der Streit oder die Ungewissheit über die Ansprüche der Erben im Wege des gegenseitigen Nachgebens durch Vergleich (§ 779 BGB) beseitigt werden, durch den ebenfalls verbindlich und endgültig festgelegt wird, was zwischen den an ihm Beteiligten gelten soll (Pecher in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 779 Tz. 31, FG Köln in EFG 1999, 300, 301).

Dass die ursprünglich für den Erbprätendentenstreit entwickelte Rechtsprechung grundsätzlich auch auf solche Vergleiche anwendbar ist, die zwischen den Erben und einem am Erbfall nicht Beteiligten geschlossen worden sind, nimmt offenbar neuerdings auch der BFH vor dem Hintergrund der Erkenntnis an, dass die Grundproblematik letztlich dieselbe ist (BFH in BFH/NV 1999, 313, 314, vgl. auch Meincke, a.a.O., § 3 Rz. 26).

Die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Erbvergleich hat vorliegend zur Folge, dass die durch die Vereinbarungen vom 28. Dezember 1998 begründete Forderung der Klägerin und ihrer beiden Miterben gegen die KSK der Stadt I rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls zum Gegenstand des Nachlasses wird. Diese "Auswechslung des Erwerbsinhalts" (Meincke, a.a.O., § 3 Rz 26) als zwangsläufige Rechtsfolge des Vergleichs verkennt die Klägerin, soweit sie als Bestandteil des Erblasservermögens etwaige - wegen Uneinbringlichkeit mit 0,- DM zu bewertende - Forderungen gegen Herrn J erfasst wissen will.

Ob und wenn ja in welcher Höhe dem Erblasser bzw. der an seine Stelle getretenen Erbengemeinschaft am Todestag Rückzahlungsansprüche gegen den Bankbediensteten J zustanden und wie diese zu bewerten sind, ist entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidungsunerheblich. Denn nicht diese gegen Herrn J gerichteten Ansprüche sind Gegenstand des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Erwerbs, sondern die aufgrund des Vergleichs rückwirkend entstandenen (anteiligen) Forderungen gegen die KSK der Stadt I. Diese haben auch - wie es die Rechtsprechung zum Erbvergleich voraussetzt - ihren letzten Rechtsgrund im Erbrecht, da sie auf Anlagebeträge zurückgehen, die der Erblasser seit Anfang der 80'er Jahre dem Bankangestellten J überlassen hat und für deren Rückerstattung die KSK der Stadt I als Arbeitgeberin möglicherweise haftet.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Beweisantritt behauptet, gegenüber der KSK der Stadt I hätten - wie sich auch aus der Vergleichsurkunde ergebe - keinerlei Zahlungsansprüche zugunsten des Erblassers bestanden, vermag der erkennende Senat diese Rechtsauffassung nicht zu teilen.

Nach der Sachverhaltsdarstellung unter Ziffer 1. der Vergleichsurkunde haben die Klägerin und ihre beiden Miterben - ausgehend von der Annahme, dass der Erblasser Herrn J Gelder zur Anlage übergeben hatte - einen Zahlungsanspruch von mehr als 300.000,- DM gegen die KSK der Stadt I geltend gemacht. Diesen hat die Bank zwar nicht anerkannt, sie hat sich aber auch nicht - wie bei Kulanzregelungen üblich - ausdrücklich gegen die Existenz etwaiger Schadensersatzforderungen und/oder Haftungsansprüche verwahrt. Dieser Verzicht auf Haftungsfreizeichnung oder ähnliche salvatorische Klauseln spricht dafür, dass die KSK der Stadt I selbst nicht sicher ausschließen konnte, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung darüber, ob und inwieweit der Erbengemeinschaft die streitigen Forderungen zustehen, zu unterliegen. Nur so lässt es sich - ungeachtet der Befürchtung etwaiger Imageschäden - erklären, dass die Bank einer gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen ist und sich bereit erklärt hat, an die Erbengemeinschaft Zahlungen von immerhin 328.120,- DM zu leisten.

Diese Einschätzung der Sach- und Rechtslage, auf deren abschließende Prüfung durch die Zivilgerichte die Vergleichsparteien unter Abwägung ihres jeweiligen Prozessrisikos bewusst verzichtet haben, ist nach Auffassung des erkennenden Senats durchaus realistisch. Für das Vorliegen eines erbschaftsteuerrechtlich beachtlichen Vergleichs ist erforderlich, aber auch genügend, dass zwischen den Erben untereinander oder zwischen den Erben und einem Dritten Streit oder Ungewissheit darüber besteht, ob ein bestimmter Vermögensgegenstand zum Nachlass des Erblassers gehört. Die Nachlasszugehörigkeit muss dabei nicht mit Sicherheit feststehen, es reicht aus, dass sie jedenfalls möglich erscheint. Dies ist hier der Fall. Dass der Erbengemeinschaft wegen der von Herrn J getätigten Anlagegeschäfte Rückzahlungs- bzw. Schadensersatzansprüche zustehen, für deren Erfüllung sein Arbeitgeber, die KSK der Stadt I, als Haftungsschuldner - z.B. gemäß § 831 BGB - einzustehen hat, ist nach Lage der Dinge jedenfalls nicht mit Gewissheit auszuschließen.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, den Leiter der Rechtsabteilung der KSK der Stadt I, Herrn N, zu der Existenz etwaiger gegen die Bank gerichteter Ansprüche der Erbengemeinschaft zu hören, bedarf es der Einvernahme des genannten Zeugen schon deshalb nicht, weil Gegenstand der Beweiserhebung nur Tatsachen, nicht aber Rechtsansichten sein können. Selbst wenn daher der Zeuge Herr N jedwede Zahlungsverpflichtungen seiner Bank gegenüber der Erbengemeinschaft verneinen würde, wäre seine "Aussage" als persönliche Würdigung der Rechtslage für die Streitentscheidung unerheblich.

2. Zutreffend ist der angefochtene Bescheid auch, soweit in ihm die Zahlung des Herrn J an den Miterben Herrn E i.H. von 13.000,- DM (anteilig) als Erbschaftserwerb der Klägerin erfasst worden ist. Denn dieser Betrag gehört entgegen der Auffassung der Klägerin zum Nachlass. Aus der Tatsache, dass diese Zahlung bei Abschluss des Vergleichs Berücksichtigung gefunden hat, ist zu entnehmen, dass der Miterbe Herr E die (Teil-)Rückzahlung als Mitglied der Erbengemeinschaft für diese angenommen hat. Die Rückgewähr eines Teils der Anlagegelder zeigt im Übrigen auch, dass die Forderungen gegen Herrn J zumindest teilweise realisierbar waren.

3. Der Beklagte hat der Klägerin die nach alledem zum Nachlass gehörende Forderung der Erbengemeinschaft gegen die KSK der Stadt I und die Zahlung des Herrn J auch zu Recht entsprechend ihrer 2/3-Erbquote zugerechnet.

Zwar haben die Vergleichsparteien unter Ziffer 3. der Urkunde vom 28. Dezember 1998 ausdrücklich eine abweichende Verteilung dahingehend vereinbart, dass die Hälfte der Vergleichssumme an die Klägerin und jeweils ein Viertel an die beiden anderen Miterben ausgezahlt werden sollte. Diese Vereinbarung ist jedoch für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung unbeachtlich, da sie lediglich die Auszahlungsmodalitäten im Rahmen der dem Erbfall nachfolgenden Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft betrifft. Die Rechtswirkungen des Vergleichs führen im Streitfall nicht zu einer (partiellen) Verschiebung der testamentarisch verfügten Erbquote, da diese weder ungewiss noch ernstlich streitig und infolgedessen nicht Gegenstand der vergleichsweisen Regelungen war.

4. Rechtswidrig ist die angefochtene Erbschaftsteuerfestsetzung allerdings, soweit der Beklagte dem Nachlass des Erblassers auch diejenigen auf Forderungen gegen die KSK der Stadt I entfallenden Zinsen hinzugerechnet hat, die erst nach seinem Tod am 15. März 1996 entstanden sind. Denn diese sind nicht Gegenstand des Erwerbs der Klägerin von Todes wegen (§ 1922 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), sondern von ihr selbst erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG).

Danach ist die der Klägerin anteilig zugeordnete Forderung aufgrund des Vergleichs und der Teilrückzahlung des Herrn J i.H. von insgesamt 227.413,- DM um - sich aus der fiktiven Zinsberechnung der KSK der Stadt I ergebende - Zinsen von insgesamt 14.193, - DM auf 213.220,- DM zu kürzen mit der Folge dass sich der bisher mit 276.375,- DM angesetzte Wert ihres Erwerbs auf 262.182,- DM vermindert. Unter Berücksichtigung der bereits anerkannten Freibeträge nach § 16 und § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG i.H. von insgesamt 30.000,- DM ergibt sich ein steuerpflichtiger Erwerb von gerundet 232.100,- DM und eine nach Steuerklasse II mit einem Tarif von 17 v.H. zu berechnende Steuer i.H. von 39.457,- DM. Die vom Beklagten i.H. von 41.871,- DM festgesetzte Steuer ist daher um 2.414,- DM auf diesen Betrag zu ermäßigen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil im Streitfall keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt. Insbesondere hat die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob auch Vergleiche, die zwischen den Erben und einem nicht am Erbfall beteiligten Dritten geschlossen werden, bei der Erbschaftsteuerfestsetzung zu beachten sind, im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 25. August 1998 II B 45/98 (BFH/NV 1999, 313) keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück