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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 205/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 35
AO § 71
AO § 235
AO § 370
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern

1 K 205/04

Haftungsbescheid

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Senat,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2008

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... als Vorsitzenden,

der Richterin am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Abweichend von dem Haftungsbescheid und der Zahlungsaufforderung vom ... Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2004 wird die Haftungssumme auf 58.552,99 DM (= 29.937,67 EUR) herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt bis zur mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2008 6.721.805,86 EUR, danach 2.414.301,70 EUR.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Inhaftungnahme des Klägers für die aufgrund einer von ihm begangenen Steuerhinterziehung verkürzten Umsatzsteuern streitig.

Der Kläger wurde am ... 1968 in ... geboren. Er ist ledig und schloss die Schulausbildung im Jahr 1987 mit dem Abitur ab. Er studierte anschließend an der Universität ... und legte dort die Diplomprüfung im Studiengang Wirtschaftswissenschaft erfolgreich ab.

Am 13. Oktober 1998 erwarb der gelernte Speditionskaufmann I. W. sämtliche Geschäftsanteile an der damals im Handelsregister des Amtsgericht S. (HRB ...) eingetragenen Firma S. GmbH (= GmbH). Das Stammkapital der GmbH betrug 50.000,00 DM. Er bestellte sich am selben Tag zum neuen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer dieser GmbH, änderte den Unternehmensgegenstand wie folgt:

"Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit und der Vertrieb von Bausteinen aus der Halbleitertechnik, sowie die Beratung bei der Einrichtung verschiedener Systemkomponenten und dem damit im Zusammenhang stehenden etwaigen Abschluss von Rahmenverträgen."

und benannte die GmbH in I. GmbH um. Der Sitz der GmbH wurde von K. nach S. verlegt. Die Änderungen wurden am 04. März 1999 im Handelsregister des Amtsgerichts S. eingetragen.

Am 10. November 1998 gab Herr I. W. beim Beklagten einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der GmbH ab. Den Beginn der Tätigkeit gab er mit "voraussichtlich 01/99" an und beantragte Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen.

Die GmbH gab für das Jahr 1999 weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch eine Jahreserklärung ab.

Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Auswertung von Kontrollmitteilungen wurden Rechnungen der GmbH mit einem gesamten Rechnungsbetrag von netto 85.739.935,00 DM und in Rechnung gestellter Umsatzsteuer (16 v. H.) von insgesamt 13.718.389,60 DM sichergestellt. Mit dem Bescheid für 1999 über Umsatzsteuer vom ... Dezember 2000 setzte der Beklagte gegenüber der GmbH und adressiert an Herrn I. W. als Geschäftsführer eine Umsatzsteuer i. H. v. 13.718.389,00 DM fest.

Nach dem Ermittlungsbericht über Straftaten der Steuerfahndungsstelle des Beklagten vom ... Juni 2001 sollen der Kläger und Herr L. P. einem Personenkreis angehören, der gezielt durch die Einschaltung von Scheinfirmen im Rahmen eines sog. Umsatzsteuerkartells ungerechtfertigte Umsatzsteuervorteile erlangt haben soll. Die GmbH erfülle aufgrund der Ermittlungsergebnisse die Kriterien des sog. "missing trader", also der ersten Firma in der inländischen Lieferkette im Rahmen des Umsatzsteuerkarussells. Sie sei als Scheinfirma anzusehen, deren tatsächlicher wirtschaftlicher Zweck allein darin bestanden habe, Scheinrechnungen an andere Unternehmen dieses Karussells zu erstellen, ohne jeweils ernsthaft ihren steuerlichen Verpflichtungen gegenüber den Finanzbehörden nachzukommen.

Herr I. W. habe Mitte des Jahres 1998, einer Zeit, in der er arbeitslos gewesen sei und finanzielle Probleme gehabt habe, vom Kläger einen Anruf erhalten, in dem ihm eine Tätigkeit in Aussicht gestellt worden sei, die nicht viel Zeit kosten und einen Verdienst von 5.000,00 DM bis 7.000,00 DM monatlich erbringen sollte. In einem folgenden Telefonanruf des Klägers habe dieser Herrn W. aufgefordert, an dem für den 13. Oktober 1998 organisierten, die Geschäftsanteilsübertragung der GmbH betreffenden Notartermin teilzunehmen. Der Kläger und die Herren P. und W. hätten sich alle drei vor dem Haus des Notars in B. getroffen. Herr W. sei aufgefordert worden, die vorgefertigten Urkunden zu unterzeichnen.

Herr W. habe für Büroräume in S., ...-Straße 38 Mietverträge unterschrieben, Konten bei der Commerzbank B. und der Sparkasse S. eröffnet und die GmbH beim Beklagten angemeldet.

Vier in Belgien und den Niederlanden ansässige Firmen hätten bei ihren Finanzbehörden für das III. und IV. Quartal 1999 steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Prozessoren (CPU) an die GmbH im Gesamtwert von 96.262.104,00 DM gemeldet. Beispielhaft seien Lieferungen der Firma E... wie folgt abgelaufen:

1. Warenbestellung durch die GmbH per Fax aus dem Büro S..

2. Pro forma Rechnung der E... per Fax an das Büro S..

3. Transport der Waren nach Deutschland durch eine belgische Kurierfirma.

4. Übergabe der Ware an den deutschen Transporteur.

5. Transport der Ware an die K. GmbH in T. (= K). Die Waren seien dort auf telefonische Weisung freigegeben worden, nachdem die Bestätigung der Bank vorgelegen habe, dass die Überweisung des Kaufpreises angewiesen worden sei.

Für den Zeitraum vom 24. September bis 30. September 1999 sei bei 500 identischen Prozessoren festgestellt worden, dass die K. dreimal dieselbe Ware von der GmbH eingekauft habe und mit dieser tatsächlich beliefert worden sei.

Unter der Firma der GmbH seien im III. und IV. Quartal 1999 an fünf inländische Unternehmen 118 Rechnungen über die Lieferung von Prozessoren erstellt worden, darunter an die K. im Gesamtvolumen von 82.742.935,00 DM zzgl. 13.238.869,60 DM Umsatzsteuer. Herr W. habe vom 16. September bis 30. November 1999 zehn Barabhebungen im Gesamtvolumen von 3.894.870,00 DM vom Geschäftskonto der GmbH vorgenommen.

Dabei sei Herr W. von dem Kläger begleitet worden, habe von diesem vorbereitete Schecks erhalten, die Schecks in der Bank unterschrieben und das Geld in Briefumschlägen in Empfang genommen. Den jeweiligen Briefumschlag habe er danach dem im Auto vor der Bank in F. wartenden Kläger übergeben. Einzelne Geldscheine aus dem Briefumschlag soll der Kläger danach Herrn W. gegeben haben. Bei diesen Treffen soll der Kläger Herrn W. jeweils einen Stapel Rechnungen, meistens an die K. adressiert, zur Unterschrift vorgelegt haben.

Auf dem Konto der GmbH bei der Commerzbank B. seien insgesamt Gelder i. H. v. 100.199.561,60 DM eingegangen. Davon seien 96.262.104,00 DM ins Ausland überwiesen und 3.973.280,00 DM bar von Herrn W. abgehoben worden. Der Rest sei für Gebühren, Büromieten, Telefonkosten und ähnliches verwandt worden. Der positive Saldo von 3.937.457,60 DM sei dadurch entstanden, dass die Kunden die Rechnungsbeträge einschließlich Umsatzsteuer überwiesen hätten. Wäre die Umsatzsteuer ordnungsgemäß von der GmbH abgeführt worden, hätte sich ein Saldo von - 9.883.169,00 DM ergeben.

Ende November 1999 soll der Kläger Herrn W. telefonisch mitgeteilt haben, dass die GmbH keine Geschäftsaktivitäten mehr entfalte und dass er - soweit er noch Unterlagen der GmbH besitze - diese vernichten solle.

Die K. GmbH sei in einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt gewesen.

Das Landgericht S. Große Strafkammer 1 - Wirtschaftsstrafkammer - verurteilte mit seinem rechtskräftigen Urteil vom ... den Kläger sowie die Herren P. und W. wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO in vier Fällen zu mehrjährigen Haftstrafen. Der Kläger erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten. Das Landgericht hielt den Kläger sowie Herrn P. und den offiziell als Geschäftsführer agierenden Herrn W. für die festgestellten Straftaten als Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB für verantwortlich. Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Tatplanung und -ausführung hätten der Kläger und Herr P. jeweils die Funktion eines faktischen Mitgeschäftsführers innegehabt und im Tatzeitraum wie ein Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG mit den Erlösen aus den unter der Firma der GmbH betriebenen Geschäften der Umsatzsteuerpflicht unterlegen. Diese Pflicht sei ihnen allen bewusst gewesen und der Tatplan habe auf der Nichteinhaltung der steuerlichen Pflichten für die GmbH basiert. Die Tatausführung sei im Wesentlichen vom Kläger und Herrn P. - unter Anleitung unbekannter Dritter - vorsätzlich geplant worden und die von ihnen gesteuerte Tatausführung sei auch von Herrn W. mitgetragen worden.

Das Landgericht S. hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

Der Kläger und Herr P. hätten schon in der Vergangenheit geschäftliche Beziehungen zueinander unterhalten und seien befreundet gewesen. Im Verlaufe des Jahres 1998 hätten sie sich wiederholt im ... in B. und dort vorranging in dem Eiscafé "..." getroffen. Bei solchen Gelegenheiten hätten sie untereinander und mit anderen anwesenden Personen auch über Geschäfte wie den Vertrieb und den Handel mit Computerteilen gesprochen. Dabei sei u.a. erörtert worden, dass über eine GmbH Computerteile aus anderen Staaten der EU umsatzsteuerfrei bezogen und im Inland zu einem unter dem üblichen Marktwert liegenden Preis - allerdings unter Ausweis einer Mehrwertsteuer - weiterverkauft werden könnten. Der Initiator der Gespräche und "geistige Vater" dieser Geschäftsidee habe nicht ermittelt werden können. Der Zeuge M. - häufiger Gast im "..." und Freund des Klägers - habe von einem weiteren Bekannten gewusst, dass dieser über eine nicht aktive GmbH verfügte. Der Zeuge M. habe die Verbindung zwischen dem Kläger und Herrn P. und dem einzigen Gesellschafter der GmbH in K., dem Zeugen P. hergestellt. Der Kläger sei im Rahmen seiner geschäftlichen Aktivitäten schon in der Vergangenheit bemüht gewesen, namentlich möglichst nicht in Erscheinung zu treten. So habe er z.B. die Zeugin H. im Mai 1996 veranlasst, für ihn drei Schecks der Schweizerischen Kreditanstalt im Wert von zusammen 166.450,00 Sfr auf ihrem Postbankkonto einzulösen, während er draußen im Auto gewartet habe. Im Herbst des Jahres 1998 habe der Kläger telefonisch zu dem zu der Zeit arbeitslosen Herrn W. Kontakt aufgenommen. Herr W. sei darauf angesprochen worden, ob er als Geschäftsführer einer GmbH tätig sein wolle, die künftig mit Computerteilen Handel treiben werde. Der Kläger habe für diese Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 5.000,00 bis 7.000,00 DM in Aussicht gestellt.

Anfang Oktober 1998 hätten der Kläger und Herr P. die ...gesellschaft "..." aufgesucht, um für die GmbH Büroräume ausfindig zu machen. Sie hätten dort vorgegeben, für den Geschäftsführer der GmbH, Herrn W., aufzutreten. Herr W. sei zu dieser Zeit weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der GmbH gewesen.

Bei dem Notartermin am 13. Oktober 1998 seien die Herren W., P., M. und P. anwesend gewesen. Der Kläger sei erwartet worden, aber nicht erschienen. Bis dahin hätten sich die Herren W. und P. nicht gekannt. Der Zeuge M. habe den Notartermin vereinbart gehabt und eine Provisionszahlung von 1.500,00 DM erhalten. Zum Zwecke des Abschlusses des Mietvertrages über die künftigen Geschäftsräume der GmbH seien der Kläger und die Herren P. und W. mit dem damaligen Pkw des Klägers - einem älteren BMW der 7-er Baureihe - nach S. gefahren. Während der Fahrt sei festgelegt worden, dass Herr P. für die Geschäfte vor Ort zuständig und Herr W. die Gesellschaft nur repräsentieren sowie Geld abheben sollte. Am 23. Oktober 1998 habe Herr W. nach Vorgabe des Klägers und Herrn P. für die GmbH bei der Commerzbank B. das Girokonto Nr. ... eröffnet. Der Kläger habe die Wahl dieses Ortes damit begründet, dass ein zukünftiger Großkunde dort ebenfalls seine Bankverbindung habe und Überweisungen so hausintern erfolgen könnten. Ein weiteres Geschäftskonto sei bei der Sparkasse S. unter der Nr. ... eingerichtet worden. Diese Bankverbindung habe Herr W. dem Beklagten mitgeteilt, als er dort für die GmbH auf Veranlassung des Klägers und Herrn P. am 10. November 1998 den von ihm unterzeichneten Fragebogen zur steuerlichen Erfassung nach Gründung einer Kapitalgesellschaft eingereicht habe.

Herr W. sei im Sommer 1999 gemeinsam mit dem Kläger und Herrn P. nach T. zum künftigen Hauptabnehmer K. gefahren und habe dort mit Herrn P. ein allgemeines "Kennenlern-Gespräch" mit dem Zeugen R. geführt.

Herr W. habe als eingetragener Geschäftsführer der GmbH diese Funktion auch nach außen wahrgenommen, indem er beispielsweise die für die GmbH geschlossenen Verträge und überwiegend auch den sonstigen Schriftverkehr für die GmbH bereitwillig mit seinem Namen unterzeichnet habe. Dieses habe den getroffenen Absprachen entsprochen. Herr P. habe etwaige Leistungen für die GmbH im beachtlichen Zeitraum weder abgerechnet noch vergütet erhalten, denn tatsächlich habe er die Geschäfte der GmbH unter der Anleitung des Klägers geführt und er habe an der erzielten Beute partizipiert. Herr W. habe lediglich als "Strohmann" fungiert.

Herr P. habe in dem Zeitraum von September bis November 1999 mehrere Wochen im Hotel "..." in S. gewohnt, teilweise Geschäfte für die GmbH von diesem Hotel aus erledigt, Geschäftspost und geschäftliche Unterlagen über das im Hotel zur Verfügung gestellte Faxgerät versandt und empfangen. Einen Großteil der geschäftlichen Unterlagen habe Herr P. mit Hilfe eines Schredders vernichtet.

Im Juli 1999 sei es zu ersten Geschäften der GmbH gekommen. Die CPU's seien zu etwa gleichen Konditionen bzw. zu unter den Einkaufspreisen liegenden Nettobeträgen an inländische Abnehmer unter Aufschlag der gesetzlichen Mehrwertsteuer weiterveräußert worden. Es sei nicht in der Beweisaufnahme zu klären gewesen, wer die Geschäftsbeziehungen zu den ausländischen Lieferanten hergestellt hatte.

Die Übergabe der CPU's an den jeweiligen Abnehmer sei meist erst nach telefonischer Freigabe durch Herrn P. erfolgt. Die GmbH habe die in Rechnung gestellten Kaufpreise (ohne Mehrwertsteuer) erst nach Eingang der Zahlungen ihrer Abnehmer bei ihren Lieferanten per Auslandsüberweisung beglichen. Die aus den Lieferungen und Leistungen erlösten Mehrwertsteuerbeträge aus den Rechnungen seien gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt in S. nicht bekanntgegeben worden. Dem Kläger und den Herren P. und W. sei es darum gegangen, die Umsatzsteuerbeträge für sich - möglicherweise auch für Dritte - zu erlangen. Dementsprechend seien sie vorgegangen.

Ihre Aktivitäten seien vor der nicht auszuschließenden Aufdeckung von dem Bestreben geprägt gewesen, innerhalb kurzer Zeit einen möglichst hohen Warenumsatz mit Mehrwertsteuerausweis zu erreichen. Hauptabnehmer sei die K. in T. gewesen. Möglicherweise seien in einigen Fällen innerhalb kurzer Zeit dieselben Computerbausteine mehrmals über das Ausland an die K. geliefert worden.

Im Zeitraum vom 02. August bis 26. November 1999 seien 101 Rechnungen erstellt und der K. übermittelt worden. Der überwiegende Teil der Rechnungen sei von Herrn W. unterzeichnet worden. Da Herr W. in einem festen Arbeitsverhältnis in P. gestanden habe, hätten die zur Unterschriftsleistung erforderlichen Treffen in F. stattgefunden. Der Kläger und/oder Herr P. hätten sich jeweils per Pkw dorthin begeben.

Alle Rechnungen gegenüber der K. beliefen sich auf einen Brutto-Rechnungsbetrag von 95.313.644,60 DM (= 48.733.092,65 EUR). Die darin enthaltene 16%-ige Umsatzsteuer betrage 13.146.709,60 DM (= 6.721.805,88 EUR).

Die auf dem Commerzbank-Konto erzielten Guthaben hätten sich der Kläger und die Herren P. und W. regelmäßig in bar auszahlen lassen. Auch zu diesem Zweck hätten sie sich in der Nähe von Herrn W. Arbeitsort getroffen. Dazu habe der Kläger - in einem Fall Herr P. - jeweils mit Schreibmaschine ausgefüllte Schecks mitgebracht, die Herr W. unterzeichnet und zur Auszahlung vorgelegt habe. Das Zusammentreffen sei auch genutzt worden, um Herrn W. einen Stapel zuvor erstellter Rechnungen zur Unterschrift vorzulegen. Herrn W. seien bei der Commerzbank in F. auf die ihm übergebenen Schecks und gegen Vorlage seiner Ausweispapiere wunschgemäß bei neun Terminen zwischen dem 16. September 1999 bis 30. November 1999 3.875.000,00 DM in 1.000,00 DM-Scheinen ausgehändigt worden. Die Abhebung des Bargeldes, die Stückelung sowie die Personalien des Herrn W. seien der Bank vorher telefonisch avisiert worden. Die Beträge habe Herr W. - bis auf einen Fall - ausschließlich an den zumeist im Pkw wartenden Kläger übergeben. Nur einmal sei bei der Bargeldabhebung von 19.000,00 DM Herr P. mit zur Bank gekommen. Herr W. habe vom Kläger jeweils Bargeldbeträge in unterschiedlicher Höhe von insgesamt 300.000,00 DM ausgehändigt bekommen. Herr P. habe in mindestens dieser Höhe auch einen Betrag erhalten. Wieviel Geld dem Kläger selbst verblieben sei, habe nicht ermittelt werden können.

Der Kläger sei gegenüber dem für ihn zuständigen Finanzamt ... in den Jahren 1997/1998 als mittelloser Student aufgetreten. Bis zu seiner Inhaftierung am 14. Februar 2001 habe er einen aufwendigen Lebenswandel betrieben. Er habe hochwertige Bekleidung getragen und teure Autos, wie z.B. BMW, Porsche und Jaguar, gefahren. Zuletzt habe er eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 104 qm Wohnfläche bewohnt.

Die monatliche Miete habe im Jahr der Anmietung 1.640,00 DM, danach 1.890,00 DM betragen. Im Dezember 1999 und Januar 2000 habe der Kläger zwei Uhren im Wert von insgesamt 6.500,00 DM erworben. Am 02. Februar 2000 habe er dem Zeugen O. ein Bardarlehen von 20.000,00 DM gewährt. Er habe im Zeitraum September bis Dezember 1999 insgesamt 6.000,00 DM an Rechtsanwälte gezahlt. Der Kläger und Herr P. hätten im beachtlichen Zeitraum den Zeugen L. bei der Einrichtung eines Restaurants in B. mit etwa 100.000,00 DM unterstützt. Bei der Anmietung einer Wohnung im ... 41 in B. im November 1999 hätten sie am 01. Dezember 1999 eine Jahresmiete i. H. v. 11.400,00 DM im voraus gezahlt.

Die in Insolvenz befindliche K. habe sämtliche verfahrensgegenständlichen Rechnungen der GmbH in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen erklärt und zur Umsatzsteuererstattung dem Finanzamt in S. vorgelegt. Ein daraus resultierendes Guthaben im Umfang von rd. 4,7 Mio. DM sei mit Umsatzsteuerverbindlichkeiten der K. verrechnet worden. Hinsichtlich eines Betrages von rd. 8, 2 Mio. DM sei es nicht zu einer Erstattung bzw. Verrechnung aufgrund der Rechnungen der GmbH gekommen.

Der Kläger habe sich in der Hauptverhandlung nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Er habe lediglich einzelne Fragen beantwortet und seine Tatbeteiligung - wie schon im Rahmen der Voruntersuchungen - im Übrigen pauschal bestritten. Die Kammer habe ihre Feststellungen zur gemeinsamen Tatplanung und zur konkreten Vorgehensweise der Angeklagten weitgehend auf die Einlassungen des Herrn W. gestützt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts unter III. Bezug genommen.

Der Beklagte hat Herrn I. W. mit dem bestandskräftigen Haftungsbescheid vom ... Oktober 2000 gemäß §§ 34, 69 AO i.V.m. § 191 AO für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gegenüber der GmbH i. H. v. 14.678.670,00 DM in Haftung genommen.

Der Beklagte nahm Herrn L. P. mit dem Haftungsbescheid vom ... März 2003 gemäß § 71 AO i.V.m. § 370 AO i. H. v. 6.721.805,86 EUR in Haftung. Die gegen die Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2004 erhobene Klage wurde zurückgenommen.

Mit dem Haftungsbescheid vom ... Februar 2003 nahm der Beklagte den Kläger gemäß §§ 71, 370, 191 AO i. H. v. 6.721.805,86 EUR in Haftung. Zur Begründung führte er aus, dass entsprechend den Ausführungen im Urteil des Landgerichts S. der Tatbestand des § 71 AO erfüllt sei. Der Kläger hafte daher für Abgabenrückstände der GmbH. Im Übrigen erfolge die Inanspruchnahme auch innerhalb der durch §§ 191, 5 AO vorgegebenen Ermessensgrenzen. Dagegen und gegen die Zahlungsaufforderung legte der Kläger am 10. März 2003 Einspruch ein.

Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, weder eingetragener Geschäftsführer der GmbH gewesen zu sein, noch Rechnungen erstellt zu haben.

Mit der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2004 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO sei erfüllt. Der Steuerhinterzieher hafte für die verkürzte Steuer im Regelfall unbeschränkt. Der Kläger habe nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, dass der Steuerausfall auch ohne sein strafbares Verhalten eingetreten wäre. Er, der Beklagte, mache sich die Feststellungen des Landgerichts S. zu Eigen. Danach habe der Kläger mit Herrn P. sämtliche Formalitäten im Zusammenhang mit der GmbH vorbereitet, sei im Namen der GmbH geschäftlich tätig gewesen und habe die Erstellung und Versendung der Rechnungen im Namen der GmbH vorgenommen. Er habe sich an den Umsatzerlösen der GmbH bedient. Er habe die für die Steuerhinterziehung erforderlichen Aktivitäten vorsätzlich ausgeführt.

Der Kläger hat am ... März 2004 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er mit Nichtwissen bestreite, durch Ausstellung falscher Rechnungen es vorsätzlich ermöglicht zu haben, dass Vorsteuerbeträge zu Unrecht an die GmbH ausgezahlt worden seien. Täter könne nur derjenige sein, den die konkrete Pflicht zur Abgabe der Steueranmeldung treffe. Das sei ausschließlich der Geschäftsführer W. gewesen. Er sei weder für die Erstellung noch die Einreichung der Rechnungen verantwortlich. Er habe die Rechnungen weder geschrieben, unterschrieben, veranlasst, dass die Rechnungen eine dritte Person schreibt und unterschreibt noch dass die Rechnungen beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden, um die ausgewiesene Mehrwertsteuer zu ziehen. Das rechtskräftige Strafurteil zeige keine Handlungen von ihm, dem Kläger, auf, die bei Anwendung der allgemeinen Beweisregeln die Würdigung zulassen könnten, er sei aktiv an den Taten beteiligt gewesen. Es werde nur behauptet, ohne die Behauptungen zu belegen, dass er an den Geschäften der GmbH beteiligt gewesen sei und deren Planung und Durchführung vorgenommen habe. Konkret festgestellt sei nur worden, dass er an einer Vielzahl von Gesprächen im Eiscafé "..." beteiligt gewesen sei, bei denen es keineswegs nur um die GmbH gegangen sei. Die Feststellungen bezüglich der Teilnahme an der Beurkundung zur Übertragung von Geschäftsanteilen, Fahrten nach S. zur Anmietung von Geschäftsräumen und der Entgegennahme von Bargeld seien für eine Steuerverkürzung wertneutral. Es lasse sich an einer Vielzahl von Beispielen aus dem Urteil belegen, dass der Beweis über seine Tatbeteiligung damit geführt worden sei: "der Geist des Herrn durchweht das All!". Zu den vom Kläger zitierten Ausführungen wird auf seinen Schriftsatz vom 30. August 2004 (Bl. 67 ff. Streitakte) ab Seite 4 Bezug genommen.

Das Urteil der Strafkammer folge in seiner Beweiswürdigung im Wesentlichen dem Geständnis des Herrn W. und teilweise den Ausführungen des Herrn P., soweit das Gericht ihnen zu folgen vermochte. Der Beklagte hätte darlegen müssen, aus welchen Gründen die Bekundungen des Herrn W. glaubwürdig seien. Es seien keine konkreten Feststellungen getroffen worden, dass er selbst Chips gekauft und weiterverkauft habe. Es gebe keine Feststellungen, zu welchen Bedingungen die Chips eingekauft und bezahlt worden seien. Es werde nicht einmal festgestellt, dass er Initiator der Gespräche und der "geistige Vater" dieser Geschäftsidee gewesen sei. Es sei auch nicht festgestellt worden, wer die Geschäftsbeziehungen zu den ausländischen Lieferanten hergestellt hatte. Die allgemeine Erkenntnis, dass sich die Erträge erhöhten, wenn keine Steuern gezahlt würden, reiche als Vorsatz für eine Steuerverkürzung nicht aus. Es sei nicht festgestellt worden, dass er bei Absprachen zugegen gewesen sei, in denen es konkret um die Nichtabgabe von Steuererklärungen oder die Nichtabführung von Steuern gegangen sei. Es sei nicht einmal festgestellt worden, dass er an der Erstellung von Rechnungen unter Ausweisung der Mehrwertsteuer beteiligt gewesen sei. Es fehlten im Urteil und der Beurteilung der Finanzbehörde Feststellungen, von welchem Unternehmen und zu welchen Bedingungen die Chips gekauft worden seien. Es gebe nicht einmal Erkenntnisse, ob in diesen Rechnungen die Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei. Da er wegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen verurteilt worden sei, müsse auch die Frage nach einem alternativen rechtmäßigen Verhalten untersucht werden. Bei einem rechtmäßigen alternativen Verhalten sei die geforderte Umsatzsteuer um die Vorsteuer zu kürzen, die bei einem offenen Erwerb der Chips hätte geltend gemacht werden können, aber nicht geltend gemacht worden sei, weil keine Erklärungen abgegeben wurden. Soweit die Umsatzsteuer auf § 14 Abs. 3 UStG beruhe, sei sie schon deswegen zu erlassen, weil der Rechnungsempfänger sie nicht als Vorsteuer abgesetzt habe. Das Schreiben des Finanzamtes B. vom 02. November 2004 liefere keinen Beweis für den tatsächlichen Steuerschaden.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid und die Zahlungsaufforderung in Form der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom ... Februar 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, mit der Nichtanmeldung und Nichtabführung der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer sei der Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO erfüllt.

Die Ermittlungen des Landgerichts S. hätten ebenfalls ergeben, dass der Kläger zumindest an der Steuerhinterziehung teilgenommen habe, indem er gemeinsam mit den weiteren Haftungsschuldnern die Planung und Kontrolle der Geschäfte vorgenommen habe. Nach den Ermittlungen des Landgerichts hätten Zeugenaussagen ergeben, dass der Kläger an den Geschäften der GmbH zumindest beteiligt gewesen sei. Die Ermessensentscheidung im Falle einer vorsätzlichen Steuerverkürzung sei bezüglich der Inanspruchnahme sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorgeprägt. Gründe für eine Begrenzung der Haftungssumme kämen nicht in Betracht und seien nicht vorgetragen worden. Bei summarischer Betrachtung liege die Kausalität des Tatbeitrags des Klägers für den eingetretenen Schaden in der Nichtentrichtung der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer, was gemeinschaftlich von den Beteiligten in voller Höhe gewollt gewesen sei. Er habe aufgrund der vorsätzlichen Handlungen des Klägers zur Steuerverkürzung von seinem Entschließungsermessen rechtmäßig Gebrauch gemacht und den Kläger sowie Herrn P. in voller Höhe des Steuerausfalls in Haftung genommen. Subjektiv erfülle der Kläger den Tatbestand der Steuerhinterziehung zumindest als Gehilfe. Eine Ermäßigung der Haftungssumme auf die tatsächlich ausgezahlte Vorsteuer an die K. aufgrund der Rechnungen der GmbH sei nicht gerechtfertigt. Auf die vorgelegte Aufstellung der beim Finanzamt S. angemeldeten und ausgezahlten Vorsteuern aus Rechnungen der GmbH an die K. im Schreiben des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B. vom 02. November 2004 wird Bezug genommen (Bl. 86 Streitakte).

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung Kopien des Gutachtens des Sachverständigen in dem Insolvenzeröffnungsverfahren der K. vom 14. November 2001 vorgelegt. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Verminderung der Haftungssumme zugesagt. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in Höhe von 4.307.504,10 EUR übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Dem Gericht lagen je ein Band Haftungsakten S. K., Rechtsbehelfsakten S. K., Sonderakte Haftungsakte I. GmbH, Umsatzsteuerakten, Körperschaftsteuerakten, Gesonderte Feststellung über die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals (§ 47 KStG), Sonderakte zum Verbleib in Kö 2, Akten Verträge, Gewerbesteuerakten, Akten Auskunftsersuchen über BMF Bonn und zwei Bände Betriebsprüfungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise hinsichtlich der Höhe der Haftungssumme begründet. Die Haftungssumme ist insoweit zu vermindern, als der Vorsteuerabzug bei der K. endgültig versagt und keine Rückforderungsansprüche des zuständigen Finanzamtes S. gegenüber der in Insolvenz gefallenen K. bestehen bzw. offen geblieben sind. Danach beträgt die Haftungssumme 29.937,67 EUR. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Der Beklagte hat den Kläger dem Grunde nach zu Recht für Steuerschulden der GmbH in Haftung genommen.

Gemäß § 71 AO haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für Zinsen nach § 235 AO. Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme ist zunächst das Vorliegen einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung muss vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht worden sein.

Der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) ist im Streitfall erfüllt. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts S. vom ... Juni 2002 steht strafrechtlich fest, dass sich der Kläger und die Herren P. und W. in vier Fällen in den Monaten September, Oktober, November und Dezember 1999 gemeinschaftlich einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO schuldig gemacht haben und sie dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Der erkennende Senat macht sich die Feststellungen des Landgerichts im Wege des Urkundenbeweises gemäß §§ 81, 82 FGO i.V.m. §§ 415 ff. ZPO zu eigen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BStBl II 1985, 305), da die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vorgetragen und entsprechende Beweisanträge gestellt haben (BFH-Urteile vom 13. Juni 1973 VII R 58/71, BStBl II 1973, 666; vom 10. Januar 1978 VII R 106/75, BStBl II 1978, 310; vom 02. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597).

Soweit der Kläger geltend macht, dass er nicht Täter nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sein könne, weil ausschließlich der bestellte Geschäftsführer W. gehandelt habe, ist dem nicht zu folgen. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Zum Kreis der möglichen Täter zählen alle natürlichen Personen, denen nach den Steuergesetzen Pflichten auferlegt sind. In Betracht kommen hier insbesondere die in den §§ 33, 34 und 35 AO benannten Personen (Kohlmann, Steuerstrafrecht, AO 1977 § 370 Rdnr. 86). Das Landgericht hat den Kläger zutreffend als Mittäter i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB angesehen, da er nach seinen Feststellungen zur gemeinsamen Tatplanung und -ausführung jeweils die Funktion eines faktischen Mitgeschäftsführers inne hatte.

Der faktische Geschäftsführer muss die Geschicke des Unternehmens als "Seele des Geschäfts" maßgeblich nach innen und außen bestimmen (Kohlmann, a.a.O., § 370 AO Rdnr. 112). Dazu gehören beim Kläger seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der Firmenübertragung, insbesondere die von ihm ausgehende Kontaktaufnahme zum späteren Gesellschafter-Geschäftsführer W. im Herbst des Jahres 1998, und mit der Anmietung der Büroräume in S.. Der Zeuge R. hat ausgesagt, in einem Fall auch mal vom Kläger in geschäftlichen Angelegenheiten zwischen der GmbH und K. angerufen worden zu sein. Der vom Landgericht vernommene Zeuge L. hat dargestellt, dass Herr P. Anweisungen des Klägers umzusetzen hatte. Herr W. hat sich dahingehend eingelassen, dass ihn der Kläger telefonisch aufgefordert hatte, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der GmbH zu vernichten. Aufgrund des vom Landgericht festgestellten Bemühens des Klägers, persönlich nicht bei den Banken in Erscheinung zu treten, wird seine die Unternehmenspolitik und -tätigkeit der GmbH bestimmende Rolle im Zusammenhang mit den Bargeldabhebungen bei der Commerzbank in F. deutlich. Hierzu hat das Landgericht - ohne substantiierte Einwendungen des Klägers - festgestellt, dass mit Ausnahme eines eine verhältnismäßig geringe Summe von 19.000,00 DM betreffenden Vorfalls ausschließlich der Kläger mit zuvor mit der Schreibmaschine ausgefüllten Schecks erschien, um sie dem einzigen Kontoverfügungsberechtigen, dem Geschäftsführer W., zur Unterschrift und Einlösung vorzulegen. Auf diese Weise erhielt der Geschäftsführer W. insgesamt 3.875.000,00 DM in bar, die er unmittelbar danach an den vor der Bank wartenden Kläger übergab. Die bestimmende Funktion des Klägers wird dadurch unterstrichen, dass Herr W. anschließend vom Kläger mit unterschiedlich hohen Bargeldbeträgen bezahlt wurde und ihm der Kläger in diesem Zusammenhang zumeist Stapel bereits erstellter Rechnungen zur Unterschrift vorlegte.

Der Kläger hat für seine Tätigkeit auch ein entsprechendes Entgeld erhalten. Zwar konnte das Landgericht nicht feststellen, wieviel Geld dem Kläger selbst verblieb. Während Herr W. selbst ca. 300.000,00 DM aus den Bargeldabhebungen erhalten hat und Herr P. eingeräumt hat, selbst insgesamt 300.000,00 DM von den abgehobenen Bargeldbeträgen erhalten zu haben (Bl. 58 des Landgerichtsurteils), hat das Landgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass der verbleibende Teil der Bargeldabhebungen von rd. 3.275.000,00 DM überwiegend an unbekannt gebliebene Dritte weitergeleitet worden ist. Im Hinblick auf den vom Landgericht festgestellten kostspieligen Lebenswandel des Klägers und seiner Benutzung teurer Autos der Typen Porsche und Jaguar bestehen keine Zweifel daran, dass der beim Kläger verbliebene Anteil an den Bargeldabhebungen zumindest den Anteil der anderen Mittäter erreichte. Der Kläger erwarb im Dezember 1999 und Januar 2000 zwei Uhren im Wert von insgesamt 6.500,00 DM, gewährte dem Zeugen O. am 02. Februar 2000 ein Bardarlehen i. H. v. 20.000,00 DM, zahlte monatliche Mieten in der ...straße 122 c in B. von mehr als 1.500,00 DM im Monat, bezahlte in den Monaten September bis Dezember 1999 zusammen 6.000,00 DM an Rechtsanwälte und unterstützte nach der Aussage des Zeugen K. mit Herrn P. den Zeugen L. mit etwa 100.000,00 DM. Für die Wohnung ... 41 zahlten der Kläger und Herr P. am 01. Dezember 1999 eine Jahresmiete von 11.400,00 DM im voraus. Die genauen Quellen für diese finanziellen Mittel wurden vom Kläger nicht angegeben und nachgewiesen. Das Landgericht hat dazu festgestellt, dass die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass diese Ausgaben des Klägers und des Herrn P. aus anderen, mit den verfahrensgegenständlichen Taten nicht zusammenhängenden Einkommensquellen bestritten wurden (Bl. 61 oben des Urteils).

Diese Feststellungen, insbesondere die Entgegennahme von 3.875.000,00 DM in bar, lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger die Geschicke des Unternehmens maßgeblich bestimmt und sich der Bedeutung seiner Stellung im Rahmen der Tätigkeit der GmbH bewusst gewesen ist.

Da nach den Feststellungen des Landgerichts der Kläger und die Herren P. und W. gemeinschaftlich auf der Basis eines gemeinsamen Tatplanes handelten, muss sich jeder die Handlungen des anderen zurechnen lassen. Jeder Mittäter haftet zwar für das Handeln des anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht (BGHSt 36, 231, 234). Jedoch werden Handlungen eines weiteren Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Er ist für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich (vgl. BGH NStZ 2005, 261 f.).

Der Kläger hat im Streitfall als faktischer Geschäftsführer gemeinschaftlich mit den Herren P. und W. den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) erfüllt. Als faktischer Geschäftsführer war er zwar nicht gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S.v. § 34 AO, jedoch Verfügungsberechtigter i.S.v. § 35 AO. Danach hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), wer als Verfügungsberechtigter in eigenem oder fremden Namen auftritt, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Verfügungsberechtigter ist jeder, der tatsächlich über Mittel, die einem anderen gehören, verfügen kann und tatsächlich als Verfügungsberechtigter aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 - I R 104/83, BFH/NV 1989, 478). Es reicht aus, dass er mittelbar rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters im Hinblick auf die Begleichung der Steuerschulden zu erfüllen (BFH-Urteil vom 07. April 1992 - VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213). Der Kläger ist - wie oben dargelegt - als Verfügungsberechtigter für die GmbH aufgetreten.

Zu den Pflichten eines gesetzlichen Vertreters einer GmbH gehört es, Steuererklärungen fristgemäß abzugeben und die fälligen Steuern aus den Mitteln, die er verwaltet, zu entrichten. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in dem er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Dieser Verpflichtung sind der Kläger ebenso wie die Mittäter wissentlich und willentlich nicht nachgekommen. Darüber hinaus beabsichtigten weder der Kläger noch seine Mittäter überhaupt, eine ordnungsgemäße Steuererklärung abzugeben, da weder eine Buchführung existierte noch Belege ordnungsgemäß aufbewahrt wurden. Der Mittäter W. hat sich dahingehend eingelassen, vom Kläger aufgefordert worden zu sein, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der GmbH zu vernichten. Tatsächlich konnten bei allen drei Mittätern nur wenige Unterlagen beschlagnahmt werden, die einen Bezug zur Tätigkeit der GmbH hatten.

Die noch verbliebenen Einwände des Klägers, insbesondere in dem Schriftsatz vom 30. August 2004, erschöpfen sich in ihrer schlagwortartigen Zusammenstellung in den für unzureichend gehaltenen Darlegungen des Beklagten, ohne sich substantiiert mit den Feststellungen des Landgerichts in seinem Urteil auseinanderzusetzen und zum Nachweis gegenteiliger Behauptungen konkrete Beweisangebote zu machen. Entgegen den Behauptungen des Klägers kommt es nicht entscheidend darauf an, wer die Geschäftsbeziehungen zu den ausländischen Lieferanten hergestellt hatte. Für die Höhe der nicht angemeldeten Umsatzsteuer kommt es maßgeblich auf die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an, die in den Feststellungen des Landgerichts unter II. unter den Taten 1 bis 4 aufgelistet sind.

Da unstreitig keine Steuererklärungen abgegeben wurden, kann es auch dahinstehen, ob eine konkrete Feststellung erforderlich ist, dass bei Abgabefrist konkret entschieden worden sei, keine Steuererklärungen abzugeben und die Steuer nicht abzuführen. Da das Landgericht unter II. 8. festgestellt hat, dass die CPU's umsatzsteuerfrei von ausländischen Firmen bezogen worden sind, musste der Beklagte der Frage nach einem alternativen rechtmäßigen Verhalten im Hinblick auf den Vorsteuerabzug insoweit nicht nachgehen. Die steuerlichen Pflichten der GmbH hatte neben dem gesetzlichen Vertreter auch der Kläger als faktischer Geschäftsführer und damit Verfügungsberechtigter i.S.v. § 35 AO zu erfüllen. Auf die dazu bereits oben erfolgten Ausführungen wird verwiesen.

Die tatbestandliche Erfüllung der strafrechtlichen Vorfragen führt jedoch nicht automatisch zu der Möglichkeit, den Hinterzieher zur Haftung nach § 71 AO heranzuziehen. Die Haftung gemäß § 71 AO ist keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten, sondern soll allein den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 - I R 112/93, BStBl II 1995, 198, DStR 1995, 134).

Der Vermögensschaden des Fiskus beschränkt sich hier auf die tatsächliche Schädigung des Steueraufkommens der Umsatzsteuer. Er beläuft sich im Streitfall nicht auf den in den 101 gegenüber der K. erteilten Rechnungen mit einem gesamten Umsatzsteuerbetrag von 13.146.709,60 DM (= 6.721.805,88 EUR), sondern auf 58.552,99 DM (= 29.937,67 EUR).

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19. September 2000 (C 454/98 Schmeink und Cofreth u.a. [IStR 2000, 595]) verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht oder im Ermessen der Finanzverwaltung stehen darf, wenn der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt. Diese Voraussetzung wird auch dann erfüllt, wenn der K. als Empfängerin der Ausgangsrechnungen der GmbH der Vorsteuerabzug endgültig versagt wird und keine Rückforderungsansprüche des Finanzamtes aus einer etwaigen früheren Gewährung des Vorsteuerabzugs gegenüber der K. bestehen. Die gegenüber einem Steuerschuldner vorzunehmende Berichtigung muss auch gegenüber demjenigen wirksam werden, der für die Steuerschulden haftet. Das folgt aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung und dem Berichtigungsgrund der Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens (vgl. Beschluss des FG München vom 13. Oktober 2000, 14 V 4224/00, UVR 2001, 32).

Nach den Mitteilungen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B. vom 02. November 2004 hat der gesetzliche Vertreter der GmbH, Herr I. W., die gegenüber der K. erteilten Rechnungen nicht widerrufen. Das Finanzamt hat weiter mitgeteilt bzw. hat es der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Umsatzsteuer-Voranmeldungsbeträge der K. für die Monate August und September 1999 zunächst wie erklärt gemäß § 168 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden sind. Demzufolge kam es für den Monat September 1999 zu einer Erstattung eines Vorsteuerüberschusses von 58.552,99 DM an die K.. Für den Monat August 1999 hat die K. eine Abschlusszahlung i. H. v. 241.222,30 DM entrichtet. Den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Zeiträume Oktober und November 1999 mit geltend gemachten Erstattungsansprüchen von 2.795.156,20 DM und 5.558.818,00 DM hat das Finanzamt S. nicht zugestimmt und diese Beträge nicht ausgezahlt.

Aufgrund geänderter Festsetzungen für die streitigen Voranmeldungszeiträume hat das Finanzamt S. folgende Umsatzsteuerbeträge festgesetzt:

 8/991.428.141,00 DM
9/991.474.791,00 DM
10/99965.693,00 DM
11/991.094.561,00 DM.

Die sich daraus ergebenden Nachzahlungen, die nach den Angaben des Finanzamtes S. 4.721.963,70 DM betragen sollen, sind von der K. weder ganz noch teilweise erfüllt worden. Nach den Auskünften des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. die angemeldeten Forderungen des Finanzamtes S. entsprechend den in der Anlage 1 zum Schreiben des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B. enthaltenen geänderten Festsetzungen und Nachzahlungsbeträgen zwar anerkannt, jedoch ist in dem bisher nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahren lediglich mit einer Quote im einstelligen Bereich zu rechnen. Demzufolge wird es keine finanzgerichtliche Klärung der Streitfrage, ob der Vorsteuerabzug zu Recht versagt worden ist, geben, da der Rechtsstreit insoweit erledigt ist. Soweit das Finanzamt S. demnach einen Vorsteuerüberschuss von 58.552,99 DM ausgezahlt hat, ist das Steueraufkommen durch diesen bisher offen gebliebenen und voraussichtlich dauerhaft unerfüllten Rückforderungsanspruch geschädigt.

Das strafrechtlich dem Kläger als Mittäter einer Steuerhinterziehung vorwerfbare Verhalten ist für den Schaden i. H. v. 58.552,99 DM kausal, da es ohne die streitigen Rechnungen der GmbH im September 1999 zu keiner Erstattung und im Ergebnis offenen Rückforderung in gleicher Höhe gekommen wäre.

Soweit der Beklagte den Steuerschaden nach Maßgabe seiner Erklärungen in der mündlichen Verhandlung mit 4.721.963,70 DM beziffert, ist das dem Kläger strafrechtlich vorwerfbare Verhalten für einen über 58.552,00 DM hinausgehenden Steuerschaden nicht kausal.

Nach der hier maßgeblichen Adäquanztheorie (vgl. Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 2. Aufl., Rdnr. 119) sollen nur solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich sein, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Die Haftung entfällt, wenn ein Fall der sog. hypothetischen oder überholenden Kausalität vorliegt, d.h., wenn ein anderes Ereignis eintritt, das die Pflichtverletzung überholt (Nacke, a.a.O., Rdnr. 126).

Dem Vortrag des Beklagten und den vorgelegten Akten sind keine Feststellungen darüber zu entnehmen, dass bei von vornherein richtiger Anmeldung durch die K., d.h. unter Ausschluss der aus Rechnungen der GmbH herrührenden Vorsteueransprüche, die K. die vom Finanzamt S. später festgesetzten Beträge aufgrund ausreichender Liquidität auch gezahlt hätte.

Das vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gutachten des Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren vom 14. November 2001 bezieht sich auf Stichtage zum 18. und 19. Oktober 2001 und enthält keine konkreten Angaben zur Liquiditätslage der K. in den streitigen Voranmeldungszeiträumen. Dem Gutachten ist aber zu entnehmen, dass der Gesellschafter im August 2001 beschlossen hatte, wegen monatlicher Verluste von 400.000,00 DM die Gesellschaft zu liquidieren und der Liquidator am 19. Oktober 2001 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der K. wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt hat. Seit 1998 hat bei der ... Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Steuerfahndung ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen Umsatzsteuerhinterziehung geschwebt, das sich u.a. auch gegen Mitgeschäftsführer der K. gerichtet hat.

Die Ursache für den vom Finanzamt S. ermittelten, dort eingetretenen fiskalischen Schaden i.H. v. 4.721.963,70 DM liegt - mit Ausnahme des Erstattungsbetrages für den Monat 9/99 - in der Insolvenz der K.. Dem Vorbringen des Beklagten kann nichts dazu entnommen werden, dass durch Verwendung von Rechnungen der GmbH und unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen durch die K. beim Finanzamt S. aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten vereitelt oder ihm Aufrechnungsmöglichkeiten genommen worden sind. Die fehlende Zustimmung des Finanzamtes S. zu den mit erheblichen Erstattungsansprüchen endenden Voranmeldungen für die Monate 10 und 11/99 und die anschließende Festsetzung von Abschlusszahlungen von 965.693,00 DM und 1.094.561,00 DM unter Nichtberücksichtigung der Rechnungen der GmbH sprechen gegen die Ursächlichkeit des klägerischen Verhaltens für den daraus resultierenden Steuerschaden und für einen Ursachenzusammenhang mit der Zahlungsfähigkeit bzw. -willigkeit der K..

Ein Ermessensfehlgebrauch (§ 191 AO) bei Erlass des Haftungsbescheides kann nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt.

Auch bei der Inanspruchnahme eines nach § 71 AO Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer den Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

Der BFH hat bereits entschieden, dass im Falle vorsätzlicher Pflichtverletzung und Steuerhinterziehung das Entschließungsermessen in der Weise vorgeprägt ist, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504). Hat jemand als Täter/Mittäter eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so ist es im Regelfall sachgerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt.

Da der Beklagte alle in Betracht kommenden Haftungsschuldner jeweils mindestens in der ursprünglich bei dem Kläger festgesetzten Haftungsschuld in Anspruch genommen hat, bedurfte es keiner weiteren Begründung zum Auswahlermessen, zumal der aufgrund einer Steuerhinterziehung Haftende vorrangig in Anspruch genommen werden kann (vgl. Schwarz, AO, § 71 Rdnr. 10 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 138 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war nicht zuzulassen. Insbesondere hat der Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Der Streitwert war nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetzt (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung zu bestimmen.



Ende der Entscheidung

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