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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 1 K 497/06
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 2 S. 1
EStG § 32a Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern

1 K 497/06

Lohnsteuerfreibetrag 2007

In der Rechtssache

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Senat,

ohne mündliche Verhandlung am 23. Mai 2007

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht als Vorsitzenden,

der Richterin am Finanzgericht und

des Richters am Amtsgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 1.000,00 EUR.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahrens streitig, in welchem Umfang Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Der ledige Kläger ist als technischer Sachbearbeiter bei der ... AG angestellt. Aus diesem Beschäftigungsverhältnis bezieht er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger ist unter der Anschrift ... in N... wohnhaft, und seine regelmäßige Arbeitsstätte befindet sich in der ... in P... .

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) trug am 04. November 2005 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2006 einen steuerfreien Jahresbetrag in Höhe von 4.255,00 EUR ein. Mit seinem vereinfachten Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung vom 07. November 2006 begehrte der Kläger für das Jahr 2007 einen steuerfreien Jahresbetrag in gleicher Höhe.

Er hob dabei hinsichtlich der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte auf eine Entfernungspauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer ab; den begehrten Freibetrag ermittelte der Kläger wie folgt:

 - 230 Fahrten x 75 km x 0,30 EUR:5.175,00 EUR
- abzüglich Werbungskosten-Pauschbetrag:./. 920,00 EUR
Unterschiedsbetrag:4.255,00 EUR.

Mit Bescheid vom 09. November 2006 gewährte das FA dem Kläger einen Freibetrag in Höhe von 2.875,00 EUR, der sich nach den Erläuterungen des Bescheides wie folgt errechnet:

 - 230 Fahrten x 55 km x 0,30 EUR:3.795,00 EUR
- abzüglich Werbungskosten-Pauschbetrag:./. 920,00 EUR
Unterschiedsbetrag:2.875,00 EUR.

Im Übrigen lehnte das FA den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass für das Jahr 2007 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit erst ab dem 21. Kilometer berücksichtigt werden könnten.

Der Kläger hat am 30. November 2006 Klage erhoben. Er macht geltend, in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die als Ärztin in N... beschäftigt sei, habe er ein Kind im Alter von fünf Jahren. Wegen Umstrukturierungen bei der .... AG sei damit zu rechnen, dass er, der Kläger, einer anderen Arbeitsstätte zugewiesen werde. Der Kläger ist der Ansicht, dass § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432) eingeführten Fassung, durch das der Gesetzgeber das sog. Werkstorprinzip eingeführt habe, den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) verletze und damit verfassungswidrig sei. Nach dem Gleichbehandlungsgebot habe sich die Einkommensbesteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu orientieren, die nach dem objektiven Nettoprinzip zu ermitteln sei. Hiernach unterliege der Besteuerung nur der disponible Teil des Einkommens, nicht dagegen die im Zusammenhang mit dem Beruf bzw. dem Betrieb entstehenden Erwerbsaufwendungen, zu denen auch die Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte bzw. zum Betrieb gehörten. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluss vom 04. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 (BStBl II 2003, 534, BVerfGE 107, 27) zum Ausdruck gebracht, dass diese Aufwendungen abziehbare Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten darstellten. Im Übrigen verstoße § 9 Abs. 2 EStG in der zum 01. Januar 2007 eingeführten Fassung gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil der Gesetzeswortlaut dazu geeignet sei, in den sog. Doppelverdiener-Fällen die Entscheidung der Ehegatten über die Aufgabenverteilung in der Ehe einzuschränken. Der Kläger begehrt, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Der Kläger beantragt,

abweichend vom Bescheid vom 09. November 2006 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2007 einen weiteren steuerfreien Jahresbetrag in Höhe von 1.380,00 EUR einzutragen,

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält § 9 Abs. 2 EStG für verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe durch das StÄndG 2007 im Rahmen des ihm zustehenden Entscheidungsspielraums das Nettoprinzip in zulässiger Weise durchbrochen.

Das FA hat dem Gericht am 05. Januar 2007 mitgeteilt, dass es der ihm am 08. Dezember 2006 zugestellten Sprungklage zustimme.

Dem Gericht lag zur Entscheidung ein Band "Lohnsteuerermäßigungsantrag" vor.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt.

Da das FA innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift seine Zustimmung erklärt hat, ist die Klage auch ohne ganz oder zum Teil erfolglos gebliebenes Vorverfahren zulässig (§ 45 Abs. 1 FGO). In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Freibetrag entspricht § 9 Abs. 2 EStG, und diese Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des StÄndG 2007 sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten keine Werbungskosten. Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 EUR wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500,00 EUR im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500,00 EUR ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Hiernach hat das FA zu Recht bei der Gewährung eines Freibetrages für das Kalenderjahr 2007 die Aufwendungen für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zwischen dem Wohnsitz des Klägers in N... und dessen regelmäßiger Arbeitsstätte in P... nicht berücksichtigt. Da die Aufwendungen ab dem 21. Entfernungskilometer wie Werbungskosten zu behandeln sind und insoweit auf eine Kilometerpauschale von 0,30 EUR abzustellen ist, war für die restliche, 55 km lange Teilstrecke des Weges der Betrag von 3.795,00 EUR in Ansatz zu bringen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Vorschrift des § 9 Abs. 2 EStG in der seit dem 01. Januar 2007 geltenden Fassung mit dem GG, und zwar auch mit den Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und aus Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar.

Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Dieser allgemeine Gleichheitssatz kann nur verletzt sein, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (so die sog. neue Formel des BVerfG, vgl. Beschluss vom 07. Oktober 1980 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 140/79, BVerfGE 55, 72, 88).

Im Bereich der Einkommensbesteuerung zielt Art. 3 Abs. 1 GG demnach nicht etwa auf eine Begrenzung der Abgaben der Höhe nach, sondern auf die gerechte Verteilung der Steuerlast nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners ab (vgl. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 44). Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BStBl II 2003, 534, 540 , BVerfGE 107, 27, 47 ff. - durch das es § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250) für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG erklärt hat - ausgeführt, dass der einfache Gesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip bemesse. Hiernach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen / beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 08. Juni 2004 2 BvL 5/00, BFH/NV Beilage 2005, 33, 38 f., BVerfGE 110, 412, 433 ; Bundesfinanzhof - BFH-, Urteile vom 06. Juli 2005XI R 61/04, BStBl II 2006, 163, 164; vom 18. August 2005 VI R 32/03, BStBl II 2006, 30, 33; vom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BStBl II 2005, 789, 790; vom 01. März 2005 VIII R 92/03, BStBl II 2005, 398, 400 f.). Das Prinzip der Nettobesteuerung ist in § 4 Abs. 1 und 4 EStG ausdrücklich niedergelegt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BStBl II 1990, 483, 486, BVerfGE 81, 228, 237).

Ob die Geltung des objektiven Nettoprinzips des Einkommensteuerrechts auch verfassungsrechtlich geboten ist, hat das BVerfG bisher jedoch offen gelassen. Es hat dem Gesetzgeber jedenfalls das Recht zugestanden, diesen Grundsatz beim Vorliegen gewichtiger Gründe zu durchbrechen und sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen zu bedienen, die auch die Nichtabziehbarkeit einzelner erwerbssichernder Aufwendungen zur Folge haben können. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürfen indessen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BStBl II 2003, 534, 540 , BVerfGE 107, 27, 48; BStBl II 1990, 483, 486, BVerfGE 81, 228, 237; BVerfG-Beschluss vom 02. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BStBl II 1970, 140, 142, BVerfGE 27, 58 ; BFH-Urteil vom 23. März 2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537, 1539).

Auch im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob Art. 3 Abs. 1 GG die strikte Geltung des objektiven Nettoprinzips im Einkommensteuerrecht verlangt. Da es sich bei den Aufwendungen des Klägers, für die das FA keinen Freibetrag gewährt hat, nicht um Erwerbsaufwendungen handelt, wird - auch in Abweichung von der vom FA vertretenen Rechtsmeinung - das objektive Nettoprinzip nicht in Frage gestellt. Denn nach der vom einfachen Gesetzgeber mit Erlass des StÄndG 2007 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise neu getroffenen Grundentscheidung beginnt die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre erst "am Werkstor".

Vor Inkrafttreten der im StÄndG 2007 enthaltenen Regelungen hatte der Gesetzgeber Mobilitätskosten, die im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung lagen, traditionell als grundsätzlich abzugsfähig anerkannt. Hiernach gehörten vor allem die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen beruflichen Aufwendungen (vgl. BVerfG-Beschluss in BStBl II 2003, 534, 541 , BVerfGE 107, 27, 50). Dabei hielt bereits der Reichsfinanzhof (RFH) in seinem Urteil vom 17. Januar 1923 III A 421/22 die Abzugsfähigkeit von Fahrtauslagen als Werbungskosten für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass solche Ausgaben nicht abziehbar seien, die keinen spezifischen Berufsaufwand darstellen (zitiert nach Kirchhof, Das EStGB - ein Vorschlag zur Reform des Ertragsteuerrechts, DStR 2003, Beihefter 5, S. 4, Fußnote 36; Olbertz, Die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und das objektive Nettoprinzip, BB 1996, 2489, 2490). Auch das BVerfG sieht die in Rede stehenden Aufwendungen nicht als allein durch die Erwerbstätigkeit veranlasst (vgl. § 4 Abs. 4 EStG), sondern wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig als auch privat mitveranlasst an (vgl. BVerfG-Beschluss in BStBl II 2003, 534, 541 , BVerfGE 107, 27, 50). Die bisherige Anerkennung der Fahrtkosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ist somit als Steuervergünstigung zu werten (BVerfG-Beschluss vom 02. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BStBl II 1970, 140, 143, BVerfGE 27, 58, 66 ; Offerhaus, Abschaffung der Pendlerpauschale verfassungswidrig?, BB 2006, 129). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Subvention vom Jahre 2007 an gestrichen werden. Dazu hat der Gesetzgeber die traditionelle Zuordnung

der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zur beruflichen Sphäre durch das StÄndG 2007 aufgegeben. In der Gesetzesbegründung heißt es dementsprechend:

"Die Arbeitssphäre beginnt nach dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung am Werkstor; die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte / Arbeitsstätte werden der Privatsphäre zugerechnet."

(BT-Drucks. 16/1545, S. 13). Nach dieser Wertung sind die vorgenannten Aufwendungen keine Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, so dass sie bei der Ermittlung des Saldos zwischen Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen außer Betracht bleiben.

Dass nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG trotz des Werkstorprinzips die Aufwendungen ab dem 21. Kilometer aus Billigkeitsgründen wie Werbungskosten zum Abzug zugelassen werden, verletzt das Gebot der Folgerichtigkeit nicht. Hierbei handelt es sich um eine Härteregelung, die für sog. Fernpendler eine Steuervergünstigung vorsieht. Mit dem Wort "wie" hat der Gesetzgeber einerseits klar gestellt, dass durch diese Subvention die neu getroffene Grundentscheidung, die Fahrtkosten als Aufwendungen der privaten Lebensführung anzusehen, nicht berührt wird. Andererseits ist es sein Wille, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920,00 EUR (§ 9 a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) und das Verfahren bei der Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte (§ 39 a Abs. 1 Nr. 1 EStG) auf die Entfernungspauschale des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG in gleicher Weise wie bei "echten" Werbungskosten anzuwenden sind (vgl. BT-Drucks. 16/1545, S. 13).

Den rechtlichen Erwägungen des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) in dessen Beschluss vom 22. März 2007 8 K 549/06 (DStR 2007, 481), durch den dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG u.a. die Frage, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, vorgelegt worden ist, folgt der erkennende Senat nicht. Da Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zwangsläufig auch privat mitveranlasst sind (vgl. BVerfG-Beschluss in BStBl II 2003, 534, 540 , BVerfGE 107, 27, 50), kann insoweit nicht von originären Werbungskosten die Rede sein. Statt dessen wurden diese Aufwendungen etwa durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung ("Werbungskosten sind auch ...") den Werbungskosten lediglich gleich gestellt. Es handelte sich hierbei um eine Spezialvorschrift, die das generelle Abzugsverbot von Aufwendungen, die (auch) durch die private Lebensführung veranlasst sind (§ 12 EStG), durchbrach (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BStBl II 1983, 306, 309). Der erkennende Senat schließt sich der vom FG Köln (Beschluss vom 29. März 2007 10 K 274/07, juris) und vom FG Baden-Württemberg (Urteil vom 07. März 2007 13 K 283/06, DStRE 2007, 538) vertretenen Auffassung an, dass die vom Gesetzgeber vormals getroffene Grundentscheidung, die berufliche Sphäre beginne nicht erst an der Arbeits- bzw. Betriebsstätte, keiner Ewigkeitsgarantie unterliege. Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner weit gefassten Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfG-Beschluss in BStBl II 1990, 483, 486, BVerfGE 81, 228, 237) auch die Befugnis, eine einfachgesetzliche Tradition zu ändern (vgl. FG Köln, Beschluss in juris, Rdnr. 13; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage in BT-Drucks. 16/1802, S. 2).

In Abweichung von den Gründen des Beschlusses des Niedersächsischen FG vom 22. März 2007 8 K 549/06 hält der erkennende Senat auch einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip für nicht gegeben. Dieser Grundsatz beinhaltet das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG fordert das GG, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerecht bestimmter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 08. Juni 2004 2 BvL 5/00, BFH/NV Beilage 2005, 33, 39, BVerfGE 110, 412, 433) . Auch sonstige unvermeidbare oder zwangsläufige private Aufwendungen stehen nicht ohne Weiteres zur Disposition des Gesetzgebers, so dass eine bloße Orientierung am einfachgesetzlichen Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen würde (vgl. Hollatz, Pendlerpauschale, NWB Nr. 21 vom 21. Mai 2007, S. 1749, 1751 f.).

Der sich aus § 32 a Abs. 1 EStG ergebende Grundfreibetrag von 7.664,00 EUR, der der Verschonung des Existenzminimums dient (vgl. Glanegger, in: Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Aufl., 2006, § 32 a, Rdnr. 8), wird durch § 9 Abs. 2 EStG nicht angetastet. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich durch diese Vorschrift das zu versteuernde Einkommen bei ansonsten gleich bleibenden Einnahmen und Werbungskosten erhöht. Nach § 32 a Abs. 1 EStG fällt die tarifliche Einkommensteuer jedoch nur für den über 7.664,00 EUR hinausgehenden Teil des zu versteuernden Einkommens an, so dass das Existenzminimum steuerverschont bleibt. Im Übrigen handelt es sich bei den Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht um zwangsläufigen Aufwand. Denn die Wahl eines bestimmten Wohnorts ist eine freie Entscheidung des Steuerpflichtigen, die er im Rahmen seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus seinen jeweiligen privaten Motiven heraus trifft (vgl. Hollatz, NWB Nr. 21 vom 21. Mai 2007, S. 1749, 1752).

Durch die Billigkeitsregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG werden Härten abgemildert, die sich ergeben können, wenn Ehegatten an unterschiedlichen Orten ihren Arbeitsplatz haben und ein Umzug zum Ort der Arbeitsstätte des einen Ehegatten dadurch erschwert oder sogar ausgeschlossen wird. Das Werkstorprinzip ist demnach auch mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. FG Köln, Beschluss in juris, Rdnr. 15).

Da der erkennende Senat § 9 Abs. 2 EStG nicht für verfassungswidrig hält, kamen eine Aussetzung des Verfahrens und eine Einholung einer Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Der Streitwert beträgt 1.000,00 EUR.

Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 i.V.m. § 52 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu bestimmen. Dabei war auf den sog. Mindeststreitwert von 1.000,00 EUR (§ 52 Abs. 4 GKG) abzustellen.



Ende der Entscheidung

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