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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 2 K 262/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 222
AO 1977 § 5
AO 1977 § 281 Abs. 1
AO 1977 § 309 Abs. 1
AO 1977 § 314 Abs. 1
AO 1977 § 258
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In der Rechtssache

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 2. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung

am06. April 2006

durch ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 1.000,00 Euro.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Stundungsablehnung und einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

Mit notariellen Vertrag vom 30. Dezember 2003 erwarb der Kläger eine Eigentumswohnung in G. Der Kaufpreis betrug 50.000,00 Euro. Der Beklagte setzte hierauf mit Bescheid vom 29. April 2004 Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.750,00 Euro fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 28. Mai 2004 beantragte der Kläger die Stundung der Grunderwerbsteuer und bot eine monatliche Ratenzahlung von 250,00 Euro an. Er habe die Grunderwerbsteuer zwar in seine Finanzplanungen einbezogen, der ihm von der Bank zunächst mündlich zugesagte und auch die Grunderwerbsteuer abdeckende Kredit sei im Ergebnis aber nicht gewährt worden. Ein neuer Kreditgeber sei lediglich bereit gewesen, den reinen Kaufpreis zu finanzieren. Zum Nachweis seines Vorbringens legte der Kläger ein Schreiben des BHW vom 2. April 2004 vor, wonach "der BHW jede Finanzierung abgelehnt" habe.

Der Beklagte lehnte den Stundungsantrag mit Bescheid vom 7. Juni 2004 ab. Mit Schreiben vom 9. Juni 2004 bat der Kläger darum, die Entscheidung noch einmal zu überdenken und beantragte die "Aussetzung der Vollziehung". Mit Schreiben vom 17. Juni 2004 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Vordruck zum Stundungsantrag und forderte ihn auf, in diesem seine wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen und einen Nachweis über die gescheiterte Finanzierung zu erbringen. Dieser Aufforderung kam der Kläger wegen "verschiedener irritierender Fragestellungen und Formulierungen" auf dem Formblatt nicht nach. Der Beklagte lehnte daraufhin den Stundungsantrag erneut ab. Hierauf reagierte der Kläger zunächst nicht. Mit Schreiben vom 3. August 2004 legte er gegen eine Mahnung vom 20. Juli 2004 "das zulässige Rechtsmittel" ein. Außerdem legte er gegen alle bisherigen Schreiben bzw. bis dahin entstandenen Entscheidungen "zulässige Rechtsmittel" ein.

Mit Schreiben vom 23. August 2004 forderte der Beklagte den Kläger auf, bis zum 2. September 2004 die rückständigen Steuern in Höhe von 1.000,00 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 42,50 Euro zu zahlen. Für den Fall der Nichtzahlung kündigte der Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen, u. a. den Erlass einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegenüber den Kreditinstituten an.

Mit Schreiben vom 14. September 2004 legte der Kläger gegen die Vollstreckungsankündigung "die zulässigen Rechtsmittel" ein und beantragte, die Eingabe an das zuständige Finanzgericht weiterzuleiten.

Am 16. September 2004 erließ der Beklagte eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Sparkasse N. über insgesamt 823,10 Euro. Hierin war rückständige Grunderwerbsteuer in Höhe von 750,00 Euro enthalten. Den restlichen Betrag hatte der Kläger in monatlichen Raten von 250,00 Euro bereits getilgt.

Mit Schreiben vom 25. September 2004 beantragte der Kläger die Aufhebung der Pfändung.

Am 26. September 2004 beantragte der Kläger bei Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, Aussetzung der Vollziehung und Vollstreckungsschutz. Diese Anträge wies das Gericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2004 (2 V 143/04) als unbegründet zurück.

Die Grunderwerbsteuer war am 13. Dezember 2004 vollständig getilgt. Der Beklagte erklärte am 15. Dezember 2004 gegenüber der Drittschuldnerin die Pfändungs- und Einziehungsverfügung für erledigt.

Den Einspruch gegen die Ablehnung der Stundung wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 4. April 2005, den Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit seiner Einspruchsentscheidung vom 5. April 2005 als unbegründet zurück.

Zwar erkenne er an, dass die gesetzliche Grunderwerbsteuer vor Abschluss des Kaufvertrages in den Finanzierungsplan mit einbezogen worden sei, um eine fristgerechte Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Durch die zustimmende Entgegennahme des Kreditantrages in der N. BHW-Filiale sei die Finanzierung, einschließlich der Grunderwerbsteuer, zunächst gewährleistet gewesen. Dass die BHW-Zentrale die Finanzierung letztendlich nicht bestätigt habe, sei aus der Sicht des Klägers nicht zu erwarten gewesen. Zu einer Gewährung der Stundung aus sachlichen Billigkeitsgründen sei jedoch die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen zu prüfen. Hierüber habe der Kläger keine Angaben gemacht. Auch sei es dem Finanzamt nicht möglich gewesen, sich anhand eigener Unterlagen ein zuverlässiges Urteil über die wirtschaftliche Gesamtsituation zu bilden. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 222 AO mangels erforderlicher und zumutbarer Mitwirkung nicht festgestellt werden könnten, gehe dies ausschließlich zu Lasten des Klägers. Eine Stundung sei daher abzulehnen.

Eine Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei nicht in Betracht gekommen, weil dem Kläger zu keiner Zeit eine Stundung nach § 222 AO oder ein Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO gewährt worden sei. Demzufolge sei die Steuer am Fälligkeitstage in voller Höhe zu zahlen gewesen. Die monatlichen freiwilligen Ratenzahlungen hätten keinen Vollstreckungsschutz gerechtfertigt.

Hiergegen hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er vor:

Er begehre die Feststellung, dass sowohl die Ablehnung des Stundungsantrages als auch der Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtswidrig gewesen sei.

Er habe auch ein Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit. Der Beklagte habe ihn durch die ignorante Bearbeitung des Stundungsbegehrens und durch die rechtswidrige und unbillige Pfändung des auf Kreditbasis geführten Girokontos in ein finanzielles Desaster gestürzt. Die Ermessensentscheidung über die beantragte Stundung sei rechtswidrig gewesen, weil der Beklagte ein Ermessen gar nicht ausgeübt habe. Die Pfändung habe allein dazu gedient, seine Kreditgrundlage zu zerstören, von deren Fortbestand der Lebensunterhalt für eine fünfköpfige Familie und schließlich auch die noch ausstehende Reststeuer zu finanzieren gewesen seien. Die Pfändung sei zudem unbillig gewesen, weil sie so kurz vor der Restzahlung erfolgt sei und diese gerade durch diese Pfändung verhindert und um Monate verzögert worden sei.

Durch die Nichtbearbeitung der Anträge und Einsprüche, insbesondere durch das Festhalten an der Pfändung, sei ihm ein erheblicher Schaden zugefügt worden, den er im Wege eines Schadensersatzanspruches geltend zu machen beabsichtige. Hierzu bedürfe es aber zuvor einer Klage vor dem Finanzgericht. Zu dem ihm zugefügten Schaden gehöre der mit Schreiben des Drittschuldners angekündigte Verlust der Verfügungsmöglichkeit über die bis dahin eingeräumte Kreditlinie. Dies habe erhebliche Gebühren für Rücklastschriften und erhöhten Strafzinsen zur Folge gehabt. Außerdem sei ihm durch die von dem Beklagten in Rechnung gestellten Vollstreckungskosten ein Schaden entstanden.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid über die Ablehnung der Stundung der Grunderwerbsteuer vom 07. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. April 2005 und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. April 2005 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Gericht lagen je ein Band Stundungs- und Erlass- und Vollstreckungsakten des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Soweit sich die Klage gegen die Ablehnung der Stundung richtet, ist sie als Verpflichtungsklage (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-, vgl. Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl. § 222, Rdnr. 63) zulässig, denn durch die Tilgung der rückständigen Steuer hat sich der Verwaltungsakt nicht erledigt. Eine Erledigung der Hauptsache kann in Stundungsfällen nur darin gesehen werden, dass dem Antrag auf Stundung während der Rechtshängigkeit der Streitsache stattgegeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1988 III R 269/84, BFH/NV 1989, 428). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

Die Klage ist jedoch insoweit nicht begründet. Das Finanzamt hat ermessensfehlerfrei die Stundung der Grunderwerbsteuer abgelehnt.

Nach § 222 Abgabenordnung (AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn deren Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung setzt mithin voraus, dass die Einziehung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis für den Steuerpflichtigen eine momentane besondere erhebliche Härte bedeutet. Bei der Prüfung (§ 5 AO), ob eine erhebliche Härte im Sinne des § 222 AO vorliegt, hat die Finanzbehörde zwischen dem Interesse des Steuergläubigers an einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung und dem Interesse des Steuerpflichtigen an einem Aufschub der Fälligkeit der Steuerzahlung abzuwägen (vgl. BFH vom 30. Mai 1990 I R 115/86, BFH/NV 1990, 757).

Die Entscheidung der Finanzbehörden ist eine Ermessungsentscheidung; eine ablehnende Entscheidung darf von den Finanzgerichten nur daraufhin überprüft werden, ob die Finanzbehörden ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt haben. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. § 102 Rdnr. 13 m. w. N.)..

Ermessensfehler des Beklagten lassen weder der Ablehnungsbescheid noch die Einspruchsentscheidung erkennen. Ermessensfehler lassen sich insbesondere nicht aus einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts herleiten, denn der Beklagte hat bei seiner Ablehnung der beantragten Stundung den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, dass dieser die Grunderwerbsteuer bei seiner Finanzierung zunächst berücksichtigt habe, obwohl der Kläger die zur Glaubhaftmachung seines diesbezüglichen Vortrags angeforderten Unterlagen nicht eingereicht hat. Der Beklagte hat den Stundungsantrag des Klägers vielmehr deshalb abgelehnt, weil aufgrund fehlender Unterlagen nicht festgestellt werden konnte, dass die Einziehung der Steuer für den Kläger eine erhebliche Härte bedeutet. Auskünfte zu seiner wirtschaftlichen Situation hat der Kläger bis zum Abschluss des außergerichtlichen Vorverfahrens nicht erteilt. Da es dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen ist, entsprechende Auskünfte auf anderem Wege einzuholen, durfte er den Antrag des Klägers ermessensfehlerfrei aufgrund dessen mangelnder Mitwirkung ablehnen.

2.

Soweit der Kläger die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung geltend macht, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, da die Erledigung des Rechtsstreits, der sich gegen die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes richtet, auch bereits vor Klageerhebung erfolgen kann (vgl. Gräber/v. Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rdnr. 59 m. w. N.).

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO ist zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder anders erledigten Verwaltungsaktes hat. Für das berechtigte Interesse genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art.

Die streitbefangene Pfändungsverfügung ist ein Verwaltungsakt im Sinn dieser Vorschrift. Sie hat sich durch ihre Aufhebung i. S. des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO erledigt. Ein berechtigtes Interesse an der geforderten Feststellung ist dem Kläger deshalb zuzugestehen, weil die Folgen der Pfändung noch nicht beseitigt sind und die Feststellung geeignet ist, zur Beseitigung der Folgen beizutragen.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Beklagte war grundsätzlich befugt, aufgrund der bestehenden Steuerrückstände eine Kontopfändung gemäß §§ 281 Abs. 1, 309 Abs. 1 und 314 Abs. 1 AO durchzuführen. Er war nicht daran gehindert, weil ihm unter Umständen mildere Vollstreckungsmaßnahmen - z. B. Mobiliarvollstreckung - zur Verfügung standen. Eine Vollstreckung nach §§ 249 ff. AO hat vorrangig den Zweck, den Steueranspruch zugunsten der Allgemeinheit effektiv durchzusetzen, wozu die Bankpfändung ein geeignetes Mittel ist (vgl. FG Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2001 4 K 616/00, EFG 2002, 1277). Auch der im Streitfall relativ geringe Steuerrückstand und der Zeitpunkt der Pfändung lassen die Maßnahme des Beklagten nicht als unbillig erscheinen. Ebensowenig vermögen die von dem Kläger freiwillig erbrachten Ratenzahlungen die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu begründen, denn die Restsumme war zum Zeitpunkt der Pfändung fällig. Eine Stundung war dem Kläger - wie bereits festgestellt zu Recht - nicht gewährt worden.

Ob dem Kläger wegen der angebotenen Ratenzahlungen möglicherweise Vollstreckungsschutz nach § 258 AO zu gewähren gewesen wäre, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und würde sich auf die Rechtmäßigkeit der bereits erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht auswirken (vgl. auch Finanzgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2002 1 S 2604/01, EFG 2002, 662 - 663).

Nach alledem war die Klage insgesamt zurückzuweisen.

Als Unterliegender trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz n. F. (Mindeststreitwert). Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass der Streitwert für die begehrte Stundung in Höhe von 10 vom Hundert des zu stundenden Betrages und für die Fortsetzungsfeststellungsklage in Höhe von 50 vom Hundert des Streitwertes der Anfechtungsklage festzusetzen gewesen wäre (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., vor § 135 Rdnr. 35).

Ende der Entscheidung

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