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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 2 V 77/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14c Abs. 1
UStG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern

2 V 77/06

Umsatzsteuer 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern,

durch ...

am 23. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2004 vom 09.06.2006 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 3.400,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2004 vom 09.06.2006 in Höhe von 33.734,42EUR auszusetzen, hat Erfolg.

Der Senat hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

Der Antragsgegner wird im Verlaufe des noch anhängigen Einspruchsverfahrens weiter zu prüfen haben, inwieweit die Antragstellerin für das Streitjahr 2004 wirksam Rechnungsberichtigungen in dem hier streitigen Umfang vorgenommen hat.

1. Zunächst einmal ist die einschlägige Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Rechnungsberichtigen zu klären.

Soweit der Antragsgegner § 14c Abs. 1 UStG in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung als Rechtsgrundlage heranzieht, dürfte dies nicht im Einklang stehen mit dem BMF-Schreiben vom 29.01.2004 - IV B 7 - S 7280 - 19/04, BStBl 2004, 258. Dieses BMF-Schreiben erhält ausführliche Erläuterungen zur Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zur Behandlung von Rechnungen mit unrichtigem und unberechtigtem Steuerausweis durch Art. 5 und 6 des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG 2003, BStBl 2003, 710) und zur Frage des Inkrafttretens gem. Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003.

Was die Fälle des sog. unrichtigen Steuerausweises, also die in § 14 Abs. 2 UStG a.F. und § 14c Abs. 1 UStG n.F. geregelten Sachverhalte anbelangt, so scheint das BMF-Schreiben folgende differenzierende Regelung zu treffen:

Weist der leistende Unternehmer in einer nach dem 31.12.2003 ausgestellten Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als der leistende Unternehmer nach dem Gesetz schuldet (sog. unrichtiger Steuerausweis), dann gilt § 14c Abs. 1 UStG n.F. (Rz. 78). Eine Anwendbarkeit des § 14c Abs. 1 UStG für sog. Altfälle, also Fälle, in denen - wie im Streitfall - in einer vor dem 01.01.2004 erteilten Rechnung die Steuer unrichtig im Sinne des § 14 Abs. 2 UStG a.F. ausgewiesen worden ist, sieht das BMF-Schreiben gerade nicht vor. Im Gegensatz hierzu bestimmt das BMF-Schreiben in Rz. 86 für die Fallgestaltung des sog. unberechtigten Steuerausweises (früher geregelt in § 14 Abs. 3 UStG a.F.), dass die Neufassung des § 14c, nämlich § 14c Abs. 2 UStG n.F., grundsätzlich auch in sog. Altfällen gilt, also in denjenigen Fällen, in denen es um die Korrektur einer vor dem 01.01.2004 erteilten Rechnung geht.

Inwieweit diese differenzierende - das Gericht nicht bindende - Betrachtungsweise des BMF-Schreibens im Einklang steht mit der gesetzlichen Übergangsregelung des Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003, ist eine Frage, deren Klärung den Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengt. Jedenfalls erscheint es durchaus möglich, dass auch in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren der Auffassung des BMF gefolgt wird, dass sich die Berichtigung von Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis, die vor dem 01.01.2004 erteilt worden sind, nicht nach § 14c Abs. 1 UStG n.F., sondern nach § 14 Abs. 2 UStG a.F. beurteilt.

Gemessen an diesen Grundsätzen kommt vorliegend nur eine Berichtigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG a.F. in Betracht.

Nicht in Betracht dagegen kommt danach das besonders ausgestaltete Berichtigungsverfahren des § 14c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG n.F., das nach dem StÄndG 2003 für die Fälle der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG vorgesehen ist.

Wie oben dargelegt, spricht viel dafür, dass in den sog. Altfällen, d.h. in den Fällen der Erteilung unrichtiger Rechnungen vor dem 01.01.2004, sich das Berichtigungsverfahren allein an § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG a.F. zu orientieren hat. Die Einleitung und Durchführung eines Berichtigungsverfahrens nach § 14c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG n.F. - wie im Streitfall geschehen (vgl. hierzu das noch anhängige Klageverfahren 2 K 602/05) - hätte danach keine gesetzliche Grundlage.

Abgesehen davon setzt § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG n.F. die "Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG" voraus. Ob diese tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt gegeben sind, erscheint nach dem insoweit noch nicht hinreichend aufgeklärten Sachverhalt ohnehin zweifelhaft.

Was die baulichen Aufwendungen für das Erdgeschoss-Teileigentum anbelangt, so dürfte ein wirksamer Verzicht der Antragstellerin auf die in § 4 Nr. 9 a) UStG vorgesehene Steuerbefreiung nach § 9 UStG allerdings ohnehin nicht vorgelegen haben, konnte mithin auch nicht rückgängig gemacht worden sein im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG n.F. Die Option nach § 9 UStG setzt nämlich gem. Abs. 2 dieser Vorschrift u.a. voraus, dass der Leistungsempfänger, hier also der Käufer B., den Gebäudeteil "vorsteuerunschädlich" verwendet oder zu verwenden beabsichtigt. Das war in Bezug auf die nach dem Kaufvertrag und den Bauunterlagen offensichtlich beabsichtigte Nutzung des Erdgeschosses als Arztpraxis gar nicht der Fall. Soweit der Käufer B. das Erdgeschoss an eine Arztpraxis vermietete oder zu vermieten beabsichtigte, stand ihm die Option nach § 9 UStG nämlich gar nicht zu (vgl. § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr. 12 a und § 4 Nr. 14 UStG) mit der Folge, dass auch die Antragstellerin nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 a) UStG wirksam verzichten konnte (§ 9 Abs. 2 UStG). Entsprechendes gilt in Bezug auf die baulichen Aufwendungen für das Kellergeschoss-Teileigentum, soweit darin, wofür es nach Aktenlage erhebliche Anhaltspunkte gibt, der Betrieb einer ebenfalls nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerbefreiten Physiotherapie- bzw. Krankengymnastik-Praxis geplant war.

2. Soweit danach nur eine Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises (Fallgruppe steuerfreie Lieferungen) entsprechend § 17 UStG in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob für den hier streitbefangenen Zeitraum 2004 eine wirksame Berichtigung der unrichtigen Steuerausweise in den Abschlagsrechnungen vom 27.09.2002, 01.11.2002, 10.12.2002, 15.01.2003 und 05.02.2003 durch Übersendung der "Stornorechnungen" und der berichtigten Schlussrechnung mit Schreiben der Antragstellerin an B. vom 27.01., 16.02. und 18.02.2004 erfolgt ist.

Gemessen an den Vorgaben, die sich die Verwaltung insoweit selbst gegeben hat (vgl. etwa Abschnitt 185 Abs. 4 UStR 2000 und Abschnitt 188a UStR 2005), könnten hier durchaus im Streitjahr 2004 wirksam gewordene Berichtigungen auf Grund der vorgenannten Schreiben vorgelegen haben. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung (vgl. hierzu Bunjes/Geist, UStG, 7. Aufl. 2003, § 14 Rz. 72) erfolgt die Berichtigung durch Erklärung des Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger, aus der hinreichend deutlich hervorgeht, dass der Leistende nunmehr nur noch mit dem richtigen Steuerausweis, bei steuerfreien Lieferungen also ohne Steuerausweis, abrechnen will. Die von der Verwaltung früher geforderte Rückgabe der Originalrechnung an den leistenden Unternehmer, der sie zu seinen Unterlagen nehmen und in seinen Aufzeichnungen darauf hinweisen musste (Abschnitt 189 Abs. 6 UStR 1996), wird nicht mehr gefordert.

Für die einschränkende Auffassung des Antragsgegners, die Antragstellerin könne erst dann berichtigen, wenn sie "zuvor den Mehrbetrag dem Leistungsempfänger zurückgewährt hat" (Schriftsatz vom 30.08.2006), ist weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Grundlage auf der Ebene von Verwaltungsvorschriften ersichtlich. Soweit sich der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auf die Kommentierung von Stadie in Rau/ Dürrwächter, UStG 8. Aufl. § 14c Anm. 152 ff. beruft, betrifft diese eine andere Fallgestaltung als diejenige im Streitfall. Im Unterschied zu dem von Stadie in Rau/Dürrwächter unter § 14c Anm. 154 gebildeten Beispielsfall ist es im vorliegenden Streitfall zwischen den Vertragsparteien zivilrechtlich gerade umstritten, ob sie in ihrem Bauträgervertrag vom 09.09.2002 überhaupt einen Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer vereinbart haben und der Antragstellerin insoweit ein ungerechtfertigter "Mehrbetrag" zugeflossen ist.

Der nach alledem unterlegene Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu tragen. Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO für eine Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor.

Der Streitwert wird auf 3.400,00EUR festgesetzt. Die Streitwertbemessung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, dabei legt der Senat für das vorläufige Rechtsschutzverfahren 10% der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Umsatzsteuer von 33.734,42 EUR zugrunde und hat den so ermittelten Betrag aufgerundet; unerheblich für die Streitwertbemessung war, dass es im Hauptsacheverfahren um eine in der Umsatzsteuererklärung 2004 geltend gemachten Berichtigungsbetrag von insgesamt 59.508,35 EUR geht.

Ende der Entscheidung

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