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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 1 K 2381/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 2381/04

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

sowie

der ehrenamtlichen Richter und

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist nur noch die Berücksichtigung von Verlusten aus einer Werbeagentur.

Der Kläger, ein Diplom-Kaufmann, wird beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2001 zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er erzielte im Streitjahr überwiegend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, solche aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und nach der eingereichten Erklärung aus selbstständiger Arbeit.

In seiner ESt-Erklärung machte der Kläger u.a. einen Betrag von 440,00 DM als Verlust aus freiberuflicher Tätigkeit sowie Prozesskosten in Höhe von 17.938,00 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Der Kläger betreibt seit 1993 nebenberuflich eine Werbeagentur. In dem Zeitraum von 1993 bis 2004 hat er hieraus fast ausschließlich Verluste erzielt: Jahr Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (Werbeagentur) 1993 - 656,00 EUR 1994 - 201,00 EUR 1995 - EUR 1996 - 909,00 EUR 1997 - 183,00 EUR 1998 328,00 EUR 1999 - 198,00 EUR 2000 - 92,00 EUR 2001 - 225,00 EUR 2002 - 2.449,00 EUR 2003 - 3.071,00 EUR 2004 - 2.005,00 EUR Gesamtverlust - 9.661,00 EUR Die Ausgaben betreffen vorwiegend Reise-, Telefon- und Kfz-Kosten. Für die Tätigkeit, die im Wesentlichen die Gestaltung von Werbeprospekten und Flyern umfasst, wendet der Kläger nach Angabe monatlich etwa 5-7 Tage auf. Seit 1993 hat der Kläger im Wesentlichen nur eine Kundin. Ein vorübergehend gewonnener zweiter Kunde ist wieder abgesprungen. Die Kundin ist als Vertreterin auf dem Kosmetiksektor selbstständig tätig. Sie vertreibt Produkte hauptsächlich der Fa. X . Dazu stellt sie Kosmetikinstituten die Geräte und Produkte sowie 4 die von ihr entwickelten Behandlungssysteme vor. Ferner schult sie die Mitarbeiter der Kosmetikinstitute.

In den Kosmetikinstituten werden die über die Kundin bestellten Geräte und Produkte angewendet. Zwar stellen die Auftraggeber der Kundin eigene Flyer zur Verfügung.

Die Kundin stellt den Kosmetikinstituten jedoch Behandlungsmappen mit ihren eigenen auf spezielle kosmetische Probleme zugeschnittenen Behandlungssystemen zusammen. Dabei hilft der Kläger. Ferner legt die Kundin in den Kosmetikinstituten auch eigene Flyer zu Werbezwecken aus, die der Kläger für die Kundin erstellt. Insgesamt hat der Kläger bisher zwei/drei verschiedene Behandlungsmappen mit der Kundin entwickelt, die für 50 bis 70 Institute vervielfältigt wurden. Die Behandlungsmappen werden bei Bedarf unter Mitarbeit des Klägers aktualisiert. Für die Werbeagentur fallen Reise- und Telefonkosten an. Der Kläger fährt auch in eigener Regie zu Kosmetikmessen und versucht, vor Ort weitere Kunden zu gewinnen. Der Kläger hat auch schon Leute angeschrieben, mit denen er ins Geschäft kommen möchte. Er hat jedoch bisher seine Werbeagentur noch nicht im Internet oder durch Anzeigen präsentiert.

Das FA übernahm zunächst den Verlust aus selbständiger Arbeit bei der Einkommensteuerveranlagung 2001. Der ESt-Bescheid vom 11. August 2003 erging unter Vorbehalt der Nachprüfung und wurde hinsichtlich des Verlustes aus selbständiger Arbeit vorläufig erlassen, mit der Begründung, dass das FA die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilen könne.

Von den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen erkannte das FA lediglich einen Betrag in Höhe von 700,00 DM für Arzt- und Medikamentenkosten sowie für die Gebühr für einen Schwerbehindertenausweis an. Die übrigen Beträge in Höhe von 17.238,00 DM ließ es bei der Steuerveranlagung im ESt-Bescheid vom 11. August 2003 außer Ansatz, weil es die geltend gemachten Aufwendungen als dem Grunde nach nicht zwangsläufig erachtete.

Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb in der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 erfolglos.

Mit geändertem ESt-Bescheid 2001 vom 14. Juli 2006 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung im Erstbescheid auf, wobei es die streitigen Beträge weiterhin nicht zum Abzug zuließ, und änderte darüber hinaus die Steuerfestsetzung dahingehend, dass nunmehr statt eines vorher angesetzten Verlusts aus selbständiger Arbeit in Höhe von -440,00 DM (= -225,00 EUR) bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nur mehr Einkünfte aus selbständiger Arbeit von 0,00 DM berücksichtigt wurden. Das FA begründete dies mit seiner nunmehr gewonnenen Überzeugung, dass insoweit keine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen habe.

Mit seiner Klage verfolgte der Kläger zunächst den Abzug eines Betrages von nunmehr 8.328,40 DM (= 4.258,24 EUR) als außergewöhnliche Belastungen im Jahr 2001, hilfsweise bei der ESt 2002, weiter. In der mündlichen Verhandlung nahm der Kläger nach Erörterung der Rechtslage von diesem Ziel Abstand.

Der Kläger wendet sich nur noch gegen die Nichtberücksichtigung des erklärten Verlustes aus selbstständiger Arbeit. Er trägt vor, er betreibe die Werbeagentur, weil er als Kaufmann überwiegend mit Zahlen zu tun gehabt habe und der Meinung gewesen sei, dass ihm etwas Kreativität gut tun würde und er diese beim Betrieb einer Werbeagentur ausleben könne. Er habe sich wegen der hauptberuflichen Tätigkeit für [...] erst ab 2001/2002 intensiver um die Nebentätigkeit kümmern können. Seit 2002 sei er arbeitslos. Jedoch seien in der Folgezeit verschiedene Ereignisse eingetreten wie der Unterhaltsprozess mit seiner Tochter, der Brand und die anschließende Wiederherstellung seines Hauses, der Tod der Mutter im Jahr 2004 sowie die sich daran anschließende Haushaltsauflösung und Grundstücksverwertung sowie ein schwerer Verkehrsunfall im Jahr 2005, der zusätzlich zu der bereits vorhandenen Schwerbehinderung zu weiteren Behinderungen, insbesondere der Hände, geführt habe.

Dadurch sei er gehindert gewesen, sich verstärkt um die Werbeagentur zu kümmern.

Der Kläger trägt weiter vor, dass er beabsichtige, die geschäftlichen Kontakte zu intensivieren und dass er mit einem Gewinn von 400,00 EUR bis 500,00 EUR im Jahr 2006 rechne.

Wegen des weiteren klägerischen Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Klägers sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2006 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Aufhebung des ESt-Bescheides für 2001 vom 11. August 2003, der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 und des ESt-Bescheides vom 14. Juli 2006 die ESt 2001 neu festzusetzen und dabei Verluste aus selbstständiger Arbeit mit dem erklärten Betrag in Höhe von -440,00 DM anzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält daran fest, dass es dem Kläger an der Gewinnerzielungsabsicht fehle. Ein gewinnorientiertes Betriebskonzept liege nicht vor. Aus der Sicht des Streitjahres 2001 könne der Kläger keinen Totalgewinn erzielen.

II. Die Klage ist nicht begründet. Der vom Kläger geltend gemachte Verlust aus selbständiger Arbeit kann nicht steuermindernd berücksichtigt werden.

1. Der Einkommensbesteuerung sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte zugrunde zu legen, die unter eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Einkunftsarten fallen. Voraussetzung für die Zuordnung einer Tätigkeit zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG ist gem. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 S. 2 EStG, dass die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Gewinnerzielungsabsicht in diesem Sinn ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns. Darunter ist der Gewinn von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs zu verstehen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751). Fehlt es an der Gewinnerzielungsabsicht, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse der Tätigkeit auch dann nicht unter die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, wenn sich die Tätigkeit ihrer Art nach dort einordnen ließe (vgl. BFHUrteile vom 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BStBl II 2005, 392; vom 6. März 2003 XI R 46/01, BStBl II 2003, 602; vom 5. November 2002 IX R 18/02, BStBl II 2003, 914).

Die Gewinnerzielungsabsicht ist eine innere Tatsache. Ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen hat, kann nicht aus den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen, sondern nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden. Auf das Fehlen oder Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht muss aus objektiven Umständen geschlossen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289). Dazu gehört neben dem geschäftlichen Erfolg auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit. Erforderlich ist eine langfristige Prognose unter Berücksichtigung der Verhältnisse eines bereits abgeschlossenen Zeitraums. Für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sprechen, bei welcher der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 30. Januar 2001 6 K 5019/98, veröffentlicht bei Haufe-Online).

Dazu gehört auch die nach außen gerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um Auftraggeber und Kunden zu gewinnen. Schlüsse können auch daraus gezogen werden, wie der Steuerpflichtige darauf reagiert, dass er längere Zeit hindurch Verluste erwirtschaftet hat (vgl. 7 BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23). Längere Verlustperioden reichen für sich gesehen jedoch nicht aus, um eine Betätigung als Liebhaberei dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Bei längeren Verlustperioden muss aber aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden Gründen oder Neigungen ausübt. Ein persönliches Motiv ist auch die Absicht, Steuern zu sparen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23).

2. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist jedenfalls im Streitjahr nicht von einer Gewinnerzielungsabsicht des Klägers auszugehen. Eine Werbeagentur ist zwar als solche grundsätzlich geeignet, Gewinne zu erwirtschaften. Jedoch ist der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger seine Werbeagentur nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Denn der Kläger konnte kein Betriebskonzept vorweisen, das eine Verbesserung der Einnahmesituation verspricht.

Insbesondere ist ein Bemühen um Erweiterung des Kundenkreises, der seit 1993 aus nur einer Kundin mit einem Auftragsvolumen von zwei bis drei Behandlungsmappen besteht, nicht erkennbar. Wie der Kläger glaubhaft in seinem dem Gericht am 2. Oktober 2006 zugeleiteten Schreiben vom 30. November 2005 an das FA geschildert hat, bedarf es intensiver Bemühungen, um neue Kunden zu gewinnen. So seien 20-25 Akquisitionen notwendig, um einen Kunden zu gewinnen. Gleichwohl hat der Kläger weder in der Vergangenheit seine Agentur durch Anzeigen, Verteilung von Werbeflyern oder einen Internetauftritt beworben, noch beabsichtigt er, in absehbarer Zukunft, auf diese Weise an potentielle Kunden heranzutreten.

Auch das unmittelbare Herantreten an potentielle Kunden - etwa durch das Versenden von Werbebriefen - findet bisher nicht statt.

Letztlich lässt auch die Art der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht darauf schließen, dass der Kläger mit dem ernsthaften Bemühen um Gewinnerzielung Investitionen für sein Unternehmen getätigt hätte, die konkret der Verbesserung der Betriebssituation dienen. Bei den geltend gemachten Ausgaben handelt es sich überwiegend um Ausgaben allgemeiner Art (Repräsentationsaufwand, Kfz-, Reise- und Telefonkosten, anteilige Raumkosten), die auch die private Lebensführung berühren können.

Unter Gesamtwürdigung aller Umstände kann hiernach bei der vom Kläger betriebenen Werbeagentur im streitigen Veranlagungszeitraum nicht von einer nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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