Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Gerichtsbescheid verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 1 K 2854/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
EStG § 33b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 23. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die ESt 2005 wird herabgesetzt, indem bei der Berechnung eine außergewöhnliche Belastung von 6.315 EUR (vor Abzug der zumutbaren Belastung) angesetzt wird, sowie darüber hinaus ein übertragener Behindertenpauschbetrag von 3.700 EUR und ein Pflegepauschbetrag von 924 EUR. Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4, der Beklagte zu 1/4.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Streitig ist, welche Beträge der Kläger als außergewöhnliche Belastung - insbesondere im Zusammenhang mit der Behinderung bzw. Pflege der Tochter - geltend machen kann.

Der Kläger wird vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2005 zur Einkommensteuer (ESt) mit seiner Ehefrau zusammenveranlagt.

Der Kläger machte in seiner Steuererklärung die Übertragung des Behinderten- Pauschbetrags sowie mehrere Posten als außergewöhnliche Belastung geltend, die das FA wie erklärt mit den tatsächlichen Kosten berücksichtigte, darüber hinaus mit dem Behindertenpauschbetrag für einen Behinderungsgrad von 100 (ESt-Bescheid vom 27. April 2006):

 vom Kläger begehrtvom FA angesetzt
Eigene Krankheitsaufwendungen721,07721,07
Eigenanteil Betreuerin3.977,333.977,33
Fahrtkosten3.234,003.234,00
Hygieneaufwand1.296,661.296,66
 9.229,069.229,06
gerundet 9.229,00
abzüglich zumutb. Eigenbelastung -2.387,00
ergibt Überbelastungsbetrag 6.842,00
Behindertenpauschbetragbeantragt1.420,00
ergibt Minderung des Einkommens 8.262,00
  

Die Tochter ist zu 100% schwerbehindert. Der dem FA vorliegende Behindertenausweis weist die Kennzeichen "H" (hilfslos) und "G" (gehbehindert) aus.

Mit seinem Einspruch begehrte der Kläger die Erhöhung des Behindertenpauschbetrags auf 3.700 EUR sowie einen Pflegepauschbetrag von 924 EUR. Darüber hinaus begehrte er den Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen für die Tochter in Höhe von 2.256,96 EUR als außergewöhnliche Belastungen.

Das FA sah im Schreiben vom 16. Mai 2006 im bisher erfolgten Ansatz der tatsächlichen Aufwendungen nebst - aus seiner Sicht irrtümlich gewährten - Behindertenpauschbetrag eine Besserstellung des Klägers gegenüber einem Ansatz der Pauschalen und wies den Kläger auf die aus seiner Sicht notwendige Verböserung durch Streichung des Behindertenpauschbetrages hin, sollte der Einspruch aufrecht erhalten bleiben.

Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 beanspruchte der Kläger den Behindertenpauschbetrag neben den Kosten für den Schulbesuch seiner Tochter (in obiger Aufstellung der Posten "Eigenanteil Betreuerin").

Mit verböserndem Bescheid vom 15. Oktober 2008 änderte das FA die Steuerfestsetzung insoweit, als es den bislang gewährten Behindertenpauschbetrag strich und eine Mitteilung über einen geänderten Grundlagenbescheid auswertete, wodurch sich auch der Betrag der zumutbaren Belastung leicht verringerte.

Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. August 2008 Untätigkeitsklage, die er wie folgt begründete:

Die geltend gemachten Kosten für die Betreuerin beträfen den Anteil an dem entstandenen Aufwand, der nach Abzug eines Zuschusses des Stadtjugendamtes von ihm selbst getragen werden musste. Die Betreuerin sei für den Schulbesuch in einer Behinderteneinrichtung notwendig gewesen. Diese Kosten seien neben dem Behindertenpauschbetrag - diesem in Höhe von 3.700 EUR - absetzungsfähig. Zusätzlich zu den anerkannten Kosten fordere er die Pflegepauschale, die Fahrt- und Versicherungskosten. Insgesamt begehrt er folgende Beträge (gegenübergestellt mit den zu diesem Zeitpunkt vom FA angesetzten Beträgen):

 vom Kläger begehrtlt. Bescheid v. 15.10.2008
Eigene Krankheitsaufwendungen721,07721,07
Eigenanteil Betreuerin3.977,333.977,33
Fahrtkosten3.234,003.234,00
Hygieneaufwand1.296,661.296,66
 9.229,069.229,06
gerundet9.229,009.229,00
abzüglich zumutb. Eigenbelastung-2.368,00-2.368,00
ergibt Überbelastungsbetrag6.861,006.861,00
Behindertenpauschbetrag3.700,000,00
Pflegepauschale924,000,00
Versicherungskosten Kind2.256,960,00
ergibt Minderung des Einkommens13.741,966.861,00

Das FA sah sich zu einer Änderung nicht in der Lage, da es aus dem Wortlaut des § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) "an Stelle einer Steuerermäßigung nach § 33" entnahm, dass der Kläger ein Wahlrecht zwischen Pauschbetrag und Einzelansatz habe. Allerdings habe er das Wahlrecht nicht eindeutig ausgeübt und eine Günstigerprüfung sehe das Gesetz nicht vor. Hinsichtlich der Versicherungskosten für das Kind verwies es auf deren Berücksichtigung als Sonderausgaben.

In weiteren Schriftsätzen führte der Kläger - neben allgemeinen Betrachtungen zu Gerechtigkeitsfragen - zur Sache aus, der Hygieneaufwand betreffe die Waschaufwendungen sowie Windeln etc. der teilweise inkontinenten Tochter. Die Fahrtkosten beträfen u.a. Fahrten nach Mainburg, wo die Kläger - als Ersatz für Urlaube, die aufgrund der Behinderung der Tochter praktisch kaum möglich seien - ein großes Haus mit Garten nutzen könnten. Die Betreuerin sei als sog. Schulintegrationshelferin nötig gewesen, um den Schulbesuch der Tochter zu ermöglichen.

Mit Hinweis vom 28. Januar 2009 unterbreitete der Berichterstatter den Beteiligten unter Hinweis auf die Rechtslage einen Einigungsvorschlag, den beide ablehnten.

Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einspruchs- und Klageverfahren verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des ESt-Bescheids für 2005 vom 15. Oktober 2008 die ESt für 2005 neu festzusetzen und dabei einen Betrag von 2.256,96 EUR (Krankenversicherung Tochter) zusätzlich als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sowie zusätzlich einen Behindertenpauschbetrag in Höhe von 3.700 EUR und eine Pflegepauschbetrag in Höhe von 924 EUR zu gewähren.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

II. Die Klage ist teilweise begründet.

1. Entgegen der Meinung des FA hat der Kläger nach Auffassung des erkennenden Senats hinreichend deutlich gemacht, dass er in jedem Fall den Behinderten- und Pflegepauschbetrag begehrt und daneben die weiteren geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen. Zwar ist die Auffassung des FA zutreffend, dass das Gesetz in § 33b EStG keine Günstigerprüfung, sondern vielmehr ein Wahlrecht zwischen Einzelansatz und Pauschbeträgen vorsieht. Angesichts des gesamten Vorbringens des Klägers und der Tatsache, dass die Rechtsprechung neben den Pauschbeträgen für in diesen nicht enthaltene außergewöhnliche Aufwendungen zusätzlich den Einzelansatz vorsieht, hält es das Gericht für geboten, bei Geltendmachung beider Ansätze nebeneinander - Pauschbetrag wie Einzelabrechnung - nicht auf einer ausdrücklichen bedingten Ausübung des Wahlrechts zu bestehen. Vielmehr erachtet das Gericht in einem solchen Fall eine Auslegung für zutreffend, die sich an dem Interesse des Klägers orientiert, mithin an einer Günstigerprüfung, sofern einzelne Ansätze vom Pauschbetrag bereits abgedeckt sind. Der erkennende Senat hat einen solchen Meistbegünstigungsansatz für die Auslegung der Erklärungen des Klägers gewählt.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die umfangreichen teils polemischen und neben der Sache liegenden Ausführungen, die die Schriftsätze des Klägers enthalten, den Gehalt der sachlichen Ausführungen teilweise verdecken und eine Auslegung erschweren. Andererseits hat die sehr frühe Festlegung des FA auf das wenig differenzierende und polarisierende "entweder Pauschbetrag" oder "Einzelansatz" vermutlich dem Kläger die Projektion seiner aus den Schriftsätzen erkennbaren allgemeinen Unzufriedenheit auf das FA erleichtert und befördert.

2. Die Klage ist insoweit begründet, als in der Steuerberechnung folgende Beträge als Minderung des Einkommens anzusetzen sind:

 vom Kläger begehrtBescheid v. 15.10.2008lt. Gericht
Eigene Krankheitsaufwendungen721,07721,07721,07
Eigenanteil Betreuerin3.977,333.977,333.977,33
Fahrtkosten3.234,003.234,001.617,00
Hygieneaufwand1.296,661.296,660,00
 9.229,069.229,066.315,40
gerundet9.229,009.229,006.315,00
abzüglich zumutb. Eigenbelastung-2.368,00-2.368,00-2.368,00
ergibt Überbelastungsbetrag6.861,006.861,003.947,00
Behindertenpauschbetrag3.700,000,003.700,00
Pflegepauschale924,000,00924,00
Versicherungskosten Kind2.256,960,000,00
ergibt Minderung des Einkommens13.741,966.861,008.571,00

a) Die eigenen Krankheitsaufwendungen des Klägers sind unstreitig als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen.

b) Betreuungskosten

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs [BFH] (z.B. Urteile vom 2. Oktober 1992 III R 63/91, BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286, und vom 26. März 1993 III R 9/92, BFHE 171, 428, BStBl II 1993, 749, jeweils m.w.N.) sind neben dem Körperbehinderten- Pauschbetrag nach § 33b EStG, der als Vereinfachungsregelung laufende und typische, unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Einzelnachweis abgelten soll, unter bestimmten Voraussetzungen gewisse mit der Körperbehinderung zusammenhängende Aufwendungen nach § 33 EStG zum Abzug zuzulassen. Dazu gehören Kfz-Aufwendungen Schwerkörperbehinderter, die in ihrer Geh- und Stehfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, sowie außerordentliche Kosten, die zwar mit der Körperbehinderung zusammenhängen, sich aber infolge ihrer Einmaligkeit der Typisierung des § 33b EStG entziehen, wie z.B. Kosten einer Operation (BFH-Urteil vom 30. November 1966 VI 313/64, BFHE 88, 407, BStBl III 1967, 457) oder Aufwendungen für eine Heilkur (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275), aber auch Aufwendungen etwa für eine Begleitperson im Rahmen einer Urlaubsreise (BFH-Urteil vom 4. Juli 2002 III R 58/98, BStBl II 2002, 765).

Der Fall, in dem eine Betreuerin für den Schulbesuch erforderlich ist, ist - soweit ersichtlich - von der Rechtsprechung noch nicht entscheiden. Der erkennende Senat hält jedoch einen solchen Sachverhalt für so außergewöhnlich, dass er - ähnlich wie die Betreuung im Urlaub - als nicht vom Behindertenpauschbetrag umfasst anzusehen ist. Damit ist der Eigenanteil, den der Kläger für diese Betreuung aufwenden musste, im Wege des Einzelansatzes nach § 33 EStG anzusetzen. Angesichts dessen, dass dieser auch geltend gemachte Ansatz unbedingt neben einem etwaigen Behindertenpauschbetrag zu gewähren ist, der Kläger auch beides nebeneinander beantragt hat, erscheint der Verweis des FA auf die nur alternative Gewährung als unzutreffend. Eine Begrenzung der angesetzten Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag bedarf im Streitfall keiner näheren Prüfung, da das Gericht angesichts der Zuschüsse des Stadtjugendamtes und der Schilderungen des Klägers von der Angemessenheit dieser Aufwendungen ausgeht.

c) Fahrtkosten

Wie der bereits vorstehen zitierten Rechtsprechung zu entnehmen ist, sind Kfz- Aufwendungen Schwerkörperbehinderter, die in ihrer Geh- und Stehfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, nicht vom Behindertenpauschbetrag umfasst und können dem Grunde nach neben diesem in angemessenem Umfang zusätzlich angesetzt werden (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 203/94, BStBl II 1997, 384). Dies gilt grundsätzlich für alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen, in denen die Aufwendungen nicht dem Körperbehinderten, sondern bei einem Steuerpflichtigen entstanden sind, auf den der Pauschbetrag für Körperbehinderte übertragen ist (BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 158/72, BStBl II 1975, 825). Dabei geht der BFH davon aus, dass regelmäßig die steuerlichen allgemeinen Kilometersätze einen angemessenen Umfang festlegen. Die in den Einkommensteuerrichtlinien und Lohnsteuerrichtlinien festgelegten Beträge beruhen auf einer sachverständigen Beurteilung und Auswertung einer Vielzahl repräsentativer Einzeldaten, aus denen sich die Gesamtkosten der Unterhaltung und des Betriebs eines Kfz zusammensetzen. Sie gelten sämtliche normalen, mit der Benutzung eines Kfz regelmäßig verbundenen Aufwendungen ab, einschließlich Absetzung für Abnutzung. Sie haben den Zweck und erfüllen objektiv die Funktion, der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu dienen und werden im allgemeinen von den Steuerpflichtigen ihren steuerlichen Erklärungen zugrunde gelegt. In ihnen kommt folglich zum Ausdruck, welcher Aufwand nach sachverständigem Urteil und allgemeiner Bewertung für Unterhaltung und Betrieb eines Kfz im Durchschnitt erforderlich ist. Mehr als die steuerliche Berücksichtigung dieses erforderlichen Durchschnittsbetrages kann in der Regel auch ein körperbehinderter Steuerpflichtiger in Anwendung des § 33 EStG nicht verlangen. Denn es lässt sich kein überzeugender Grund dafür finden, warum seine zwangsläufigen Aufwendungen höher sein sollten als die der großen Mehrzahl der Steuerpflichtigen im Durchschnitt tatsächlich entstehenden Kosten und warum der Rahmen des (steuerlich) Angemessenen ihm einen höheren Aufwand gestattet als er von der Mehrzahl der Steuerpflichtigen bei Kfz-Kosten betrieben wird, die sich in steuerlicher Hinsicht mit den durch Verwaltungsvorschrift festgelegten Pauschsätzen zufrieden geben (BFH in BStBl II 1997, 384; BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 16/02, BStBl II 2005, 23). Nur in krassen Ausnahmefällen hat der BFH anstelle der Km- Pauschbeträge für zulässig erachtet, die Fahrten nach den tatsächlichen Aufwendungen für das Kfz abzurechnen. Ein solch krasser Ausnahmefall liegt nach dem BFH jedoch nicht bei einer lediglich geringen jährlichen Fahrleistung vor (im Streitfall: 3.146 km, BFH-Urteil vom 18. Dezember 2003 III R 31/03, BStBl II 2004, 453; BFH-Urteil vom 21. Februar 2008 III R 105/06, BFH/NV 2008, 1141).

Die vom Kläger geltend gemachten Fahrten sind in ihrem Umfang angemessen. Das gilt auch für die Fahrten zum Haus in Mainburg, da auch Fahrten Körperbehinderter zur Erholung dem Grunde nach und im hier angemessenen Umfang nach § 33 EStG zwangsläufig sind. Allerdings führt die Angemessenheitsprüfung nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen dazu, den Abzug auf einen angemessenen Kilometersatz von im Streitjahr 0,30 EUR zu begrenzen. Alleine die geltend gemachten Fahrten führen zu einer Fahrleistung von rd. 5.500 km und liegen weit über der Strecke in dem zitierten BFH-Urteil in BStBl II 2004, 453. Danach sind die Fahrtkosten mit einem Betrag von 1.617 EUR angemessen.

d) Hygieneaufwand

Die im Wege des Einzelnachweises geltend gemachten und vom FA anerkannten Hygieneaufwendungen betragen - insoweit unstreitig - 1.296 EUR. Allerdings ist dieser Aufwand auch mit einem etwa zu gewährenden Behindertenpauschbetrag abgegolten. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehören nämlich alle mit einer Behinderung unmittelbar und typisch zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung, typische Erschwernisaufwendungen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BStBl II 2000, 72). Der Hygieneaufwand kann mithin nur dann im Wege des Einzelansatzes geltend gemacht werden, wenn auf den Behindertenpauschbetrag verzichtet wird. Er ist nicht - wie die vorstehenden Posten - kumulativ neben dem Pauschbetrag möglich. Da der Behindertenpauschbetrag mit einem Betrag von 3.700 EUR höher ist als die im Wege des Einzelnachweises geltend gemachten Hygieneaufwendungen und darüber hinaus die anderen im Wege des Einzelnachweises geltend gemachten Aufwendungen neben einem Behindertenpauschbetrag geltend gemacht werden können, legt der Senat - wie oben bereits ausgeführt - eine bedingte Wahl des Klägers zugrunde, die sich an seinem finanziellen Interesse eines möglichst günstigen Ansatzes orientiert. Mithin wählt das Gericht den für den Kläger günstigeren Ansatz: dies ist der Behindertenpauschbetrag. Damit entfällt der Posten Hygieneaufwand als Einzelansatz.

e) Behindertenpauschbetrag

Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Behindertenpauschbetrages und dessen Übertragung liegen - soweit nicht die Frage der Ausübung des Wahlrechts im Streit steht - unstreitig vor. Die Tochter des Klägers ist zu 100% behindert, gehbehindert und hilflos, weshalb ihr der erhöhte Pauschbetrag von 3.700 EUR zusteht (§ 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 EStG). Das Gericht geht auch von einer Wahl des Klägers für die Gewährung des für ihn günstigeren Pauschbetrages (zumindest im Sinne einer im Interesse des Klägers liegenden bedingten Wahl) aus. Somit steht dem Kläger der Behindertenpauschbetrag zu.

f) Pflegepauschbetrag

Nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts (FG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 8. Dezember 1999 V 557/98, EFG 2000, 1131) - indirekt bestätigt durch BFH-Urteil vom 21. März 2002 (III R 42/00, BStBl II 2002, 417) - und des FG Nürnberg (Urteil vom 26. Mai 1994 VI 149/93, EFG 1994, 933) ist der Pflegepauschbetrag neben einem übertragenen Behindertenpauschbetrag zu gewähren. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Danach schließt im Streitfall der übertragene Behindertenpauschbetrag nicht die kumulative Gewährung des Pflegepauschbetrages aus. Auch ist unerheblich, ob der Kläger ein Pflegegeld erhalten hat (§ 33b Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 46a EStG).

g) Krankenversicherungsbeitrag der Tochter

Das Finanzamt hat den Krankenversicherungsbeitrag der Tochter wie gesetzlich vorgesehen im Rahmen des dort geltenden Höchstbetrags als Sonderausgabe berücksichtigt. Der geltend gemachte Ansatz desjenigen Betrags, der durch die dortige Kappung unberücksichtigt bleibt, als außergewöhnliche Belastung hat bei vorläufiger Beurteilung keine Stütze im Gesetz. Nach Maßgabe der Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BGBl. I 2008, 540) ist das Gesetz - obgleich unvereinbar mit dem Grundgesetz - auf das Streitjahr weiter anzuwenden. Ein zusätzlicher Ansatz als außergewöhnliche Belastung scheidet daher aus.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz aus § 155 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück