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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 1 K 3721/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 163
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

sowie

der ehrenamtlichen Richter und

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob das Finanzamt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus einem Wandeldarlehen zugeflossene verbilligte Aktien aufgrund neuer Tatsachen versteuern durfte.

Der Kläger wird vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 1999 zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Mit Schreiben vom 2. Juni 1999 berichtigte der Kläger seine ESt-Erklärung 1997 und meldete eine Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um einen geldwerten Vorteil in Höhe von 4.715 DM.

In seiner im April 2000 eingereichten ESt-Erklärung für 1999 erklärte der Kläger in der Anlage N einen Arbeitslohn aus einem Arbeitsverhältnis bei der XX A Handelsgesellschaft ... Ein- und Verkauf lt. Lohnsteuerkarte in Höhe von xx.941 DM. In der Anlage KSO erklärte er unter der Rubrik "Zinsen und andere Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen" einen Betrag von 128 DM. Unter der Rubrik "Zinsen und andere Erträge aus Aktien und anderen Anteilen" verwies er auf eine Anlage. Beigefügt waren zwei Blätter mit der Überschrift "Zinsbestätigung" für die Jahre 1998 und 1999, aus denen sich Zinszahlungen in Höhe von 58,33 DM, 11,67 DM und 58,14 DM im Jahr 1999 sowie eine Zahlung von 5,83 DM im Jahr 2000 für ein an die XX & Z AG (im Folgenden: AG) ausgereichtes Darlehen ersehen lassen. Den vier Zinsbeträgen ist für die jeweils zwei Zinszeiträume jeden Jahres die Darlehenssumme vorangestellt. Diese lautet für die in 1999 gezahlten Zinsen auf jeweils 3.500 DM und für den letzten Zinszeitraum, der die Zahlung im Jahr 2000 betrifft, auf 1.750 DM. Unter der Zinszahlung im Jahr 2000 ist vermerkt: "Der Rückgang der Darlehenssumme, resultiert aus der vorgenommenen Wandlung." Darüber hinaus lag der ESt-Erklärung ohne weitere Bezugnahme in den Formblättern ein Schreiben der K Bank bei, in dem diese dem Kläger mitteilt, dass sie "nachstehende Wertpapiere bzw. Gutschriften für diesen in Depot nahmen bzw. verbuchten". Aufgeführt sind darunter: "17.500 Stück Junge XX & Z AG Akt.O.N. WKN XXXXXX". Vermerkt ist weiter "Verwahrung: Girosammeldepot", "Lieferung von: Kassenverein Nr. XXXXXXX Westdeutsche Landesbank GZ 40217 Duesseldorf". In einem von den übrigen Eintragungen abweichenden Schrifttyp ist der Schriftzug zu lesen: "Aktien aus Wandeldarlehen; 1999 keine Dividenden zugeflossen". Auf die ESt-Erklärung wird verwiesen.

Das FA erfasste die in den Formblättern erklärten Beträge und erließ unter dem 17. Mai 2000 einen entsprechenden ESt-Bescheid.

Im Februar 2003 ging beim FA eine Kontrollmitteilung des Finanzamts P ein, in dem dieses u.a. für die Besteuerung des Klägers mitteilte, dass dieser am 29. Oktober 1999 ein Wandeldarlehen an seinen Arbeitgeber bzw. ein mit diesem verbundenes Unternehmen in Höhe von 1.750 DM gegen 17.500 Aktien gewandelt habe. Der niedrigste Aktienkurs am Wandlungstag habe XX,03 EUR betragen, die Anschaffungskosten des Klägers 13.0XX,65 DM. Aus diesen Zahlen errechnete das FA einen Wert der Aktien in Höhe von 1.5XX.XXX,XX DM und - abzüglich der Anschaffungskosten und des gewandelten Darlehensbetrages - einen geldwerten Vorteil in Höhe von 1.5XX.XXX,XX DM, den es nach Anhörung des Klägers mit einem auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid (vom 6. Mai 2003) zusätzlich bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ansetzte. Zugleich gewährte es einen Versorgungsfreibetrag in Höhe von 6.000 DM, den es im Rahmen der Einspruchsentscheidung (EE) vom 28. August 2006 wieder strich.

Der vorstehend benannten Kontrollmitteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die AG nahm im Jahr 1997 Wandeldarlehen von Beschäftigten der AG sowie verbundener Unternehmen auf, die auch der Kläger zeichnete. Nach den Vertragsbestimmungen war der Kläger berechtigt, erstmals am 28. Oktober 1999 für maximal 50% der Darlehenssumme Darlehensteilbeträge von je 5 DM in Aktien der AG im Nennbetrag von je 5 DM zu wandeln. Der Kläger führte am 29. Oktober 1999 eine solche Wandlung für 1.750 DM der Darlehenssumme durch und erhielt die Aktien am 11. November 1999 seinem Depot gutgeschrieben. Am 11. November 1999 wurden die Aktien der AG zu einem mittleren Börsenkurs gehandelt, der jedenfalls höher lag, als der vom FA angesetzte Kurs von XX,03 EUR.

Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Klage trägt der Kläger wie bereits im Besteuerungs- und Einspruchsverfahren vor, er habe dem FA bereits in seiner ESt-Erklärung sämtliche Tatsachen mitgeteilt, die es für die Beurteilung des Sachverhalts benötigt habe. Eine zu einer Änderung berechtigende neue Tatsache liege nicht vor, weshalb die Änderung gegen Treu und Glauben verstoße. Der Kläger habe sich bewusst nicht der Aufforderung eines anderen Steuerberaters, der Arbeitskollegen gegenüber der Finanzverwaltung und dem Finanzgericht (FG) München vertreten hatte, zu einer bestimmten Vorgehensweise bei seiner Veranlagung angeschlossen (vgl. Bl. 18 des Schriftsatzes vom 26. September 2006). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den ESt-Änderungsbescheid für 1999 vom 6. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2006 aufzuheben, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.

II. Die Klage ist nicht begründet.

1. Dem Kläger ist unstreitig im Streitjahr mit Gutschrift der gewandelten Aktien auf seinem Depot bei der K Bank ein geldwerter Vorteil im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zugeflossen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 23. Juni 2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BFH/NV 2005, 1706; FG München, Urteil vom 11. Dezember 2002 1 K 1365/01, EFG 2003, 619).

2. a) Das FA war nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der AO zu einer Änderung des ESt-Bescheids vom 17. Mai 2000 berechtigt und verpflichtet. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheides ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des FA kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286 unter 3 b). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, so sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115). Eine Bescheidänderung trotz Ermittlungsverstößen des FA verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn ein Steuerpflichtiger bewusst irreführende, missverständliche oder unvollständige Angaben macht und so das FA von weiteren Ermittlungen abhält (BFH-Urteil vom 20. Mai 2004 IX R 39/01, BStBl II 2004, 1072). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt allerdings nur in Betracht, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der später bekannt werdenden Tatsachen schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Steuer gelangt wäre (BFH-Urteil vom 14. September 2005 VI R 18/03, BFH/NV 2006, 13).

b) Nach Maßgabe der vorstehenden Rechtsgrundsätze sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Änderungsbescheids gegeben.

aa) Dem FA war vor der Kenntnisnahme von der Kontrollmitteilung des Finanzamts P im Jahr 2003 nicht bekannt, dass die Ausübung des Wandelrechts mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zusammenhängt. Der Kläger hat diesen Zusammenhang nicht ausdrücklich erklärt. Somit hätte das FA zur Bejahung einer Kenntnis aus den sonstigen ihm vorliegenden Unterlagen schließen müssen, dass das Wandeldarlehen und somit auch Vorteile aus der Wandelung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers stehen. Einen solchen Schluss hat es ausweislich der Akte nicht gezogen und konnte es auch nicht ziehen. Der Arbeitgeber des Klägers war laut Lohnsteuerkarte eine "XX A Handelsgesellschaft ... Ein- und Verkauf [hier ist der Firmenname abgeschnitten]". Ausweislich der Zinsbestätigungen war Vertragspartner des Wandeldarlehens die "XX & Z AG". Aus anderen Unterlagen - auch der Vorjahresakten - konnte das FA nicht schließen, dass der Arbeitgeber des Klägers ein mit dem Vertragspartner des Wandeldarlehens verbundenes Unternehmen war. Insbesondere hatte der Kläger auch bei der Berichtigung der ESt-Erklärung 1997 weder den Darlehensvertrag vorgelegt noch sonst einen Sachverhalt dargelegt, der einen solchen Schluss zugelassen hätte. Vielmehr sprach der Kläger in seiner Berichtigung nur von einem geldwerten Vorteil, den er nicht näher benannte.

bb) Das FA hatte auch keinen Anlass, eigene Ermittlungen anzustellen. Der Kläger zeigte bis in Einzelheiten ein gleichartiges Erklärungsverhalten wie die Klägerin in dem vom FG München mit Urteil vom 11. Dezember 2002 (1 K 1882/02, EFG 2003, 616) entschiedenen Fall, der ebenfalls ein Wandeldarlehen an die AG betraf. Allerdings legte die dortige Klägerin immerhin in der Berichtigungserklärung für 1997 den Wandeldarlehensvertrag bei und wies auf die Zeichnung des Darlehens bei ihrem Arbeitgeber hin. Der hiesige Kläger hat dem FA somit noch weniger die Möglichkeit gegeben, den außergewöhnlichen Besteuerungssachverhalt zu erkennen, als die Klägerin in dem dort geschilderten Fall. Er beschränkte sich bei seiner Berichtigungserklärung für 1997 gänzlich auf die Nacherklärung eines nicht näher bezeichneten "geldwerten Vorteils".

Die Steuererklärung 1999 selbst war mit marginalen Abweichungen genauso lückenhaft und missverständlich gestaltet wie in der zitierten Entscheidung. Die beigefügten "Zinsbescheinigungen" belegten völlig unnötigerweise weit unter dem Freibetrag für Kapitalerträge liegende Zinserträge in Höhe von 128 DM. Die Beifügung einer Bescheinigung diente daher nach Überzeugung des erkennenden Senats in erster Linie dazu, den Finanzamtsbearbeiter zu einem "Abhaken" der Beträge der auf der Anlage KSO erklärten Summe zu verleiten - in der nicht enttäuschten Erwartung, dass der Vermerk auf der Zinsbescheinigung 1999, der Rückgang der Darlehenssumme resultiere aus der vorgenommenen Wandelung, übersehen werde. Mit der eingereichten Depot-Einbuchungsbestätigung der K Bank legte der Kläger dem FA ein weiteres "Bruchstück" des Besteuerungssachverhaltes vor. Bewusst verzichtete er auf eine zusammengefasste Darlegung des Sachverhalts. Der aufgebrachte Vermerk "Aktien aus Wandeldarlehen; 1999 keine Dividenden zugeflossen" sollte einmal dazu dienen, über den Dividendenhinweis den Bezug zur Anlage KSO herzustellen und so einen "Abhakreflex" zu erzeugen, weil die dort ausgewiesenen Einkünfte offenkundig weit unter dem Freibetrag lagen. Zum anderen sollte der Hinweis auf das Wandeldarlehen die spätere Argumentation ermöglichen, das FA habe den Sachverhalt gekannt oder hätte zumindest Anlass zu Ermittlungen gehabt.

cc) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese weitgehend ähnliche bruchstückhafte Unterbreitung des Sachverhalts und das zeitlich nahezu parallele Erklärungsverhalten der Darlehenszeichner durch die äußeren Umstände - wie die allen Mitarbeitern gegenüber wohl zeitgleich erfolgten Mitteilungen der AG und deren steuerlicher Berater - verursacht wurde, oder ob ein mehr oder minder abgestimmtes Verhalten der Darlehenszeichner zugrundeliegt, das letztlich durch die Vorstände der AG und die steuerlichen Berater derselben angestoßen wurde. Dabei unterstellt der erkennende Senat den Vortrag des Klägers als wahr, dass er selbst nicht von dem Angebot einer kostenfreien Beratung durch die steuerlichen Berater der AG Gebrauch gemacht hat. Jedenfalls konnte das FA aus den eingereichten "Bruchstücken" nicht den streitigen Besteuerungssachverhalt erkennen. Insbesondere konnte das FA nicht erkennen, dass eine Wandelung des Darlehens an die AG im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit der XX A Handelsgesellschaft ... Ein- und Verkauf stehen könnte. Die beiden Firmennamen sind nicht so ähnlich, dass sich ohne weiteren Hinweis hieraus der Verdacht aufdrängen müsste, dass beide Firmen in so engem Zusammenhang stehen, dass aus der Wandelung entsprechende Einkünfte nach § 19 Einkommensteuergesetz entstehen.

dd) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das FA im Fall des Klägers - insoweit möglicherweise abweichend von dem zitierten Parallelfall des FG München (in EFG 2003, 616) - keinen Anlass für weitere Ermittlungen gehabt hat. Denn anders als im Parallelfall war im Streitfall aufgrund des vom Darlehensnehmer abweichenden Arbeitgebers und der fehlenden Darstellung in der Berichtigungserklärung für 1997 kein Anhaltspunkt vorhanden, aufgrund dessen sich dem FA eigene Ermittlungen aufgedrängt hätten. Die nicht signifikante Ähnlichkeit des Firmenbestandteils XX reicht hierfür nicht. So hat das Gericht mittels einer Suchmaschinenabfrage mit den Suchworten "XX GmbH" auf Anhieb auf der ersten Antwortseite mehrere Firmen ermittelt, wie z.B. "XX Kunststofftechnik GmbH", "XX-SOFTWARE GmbH", "XX Finanz Business GmbH", "X.X. Autoservice GmbH", "XX Gerätebau GmbH", die mutmaßlich nicht mit der AG verbunden sind.

ee) Selbst wenn - wie im Parallelfall - sich Ermittlungen für das FA aufgedrängt hätten, so müsste mit den gleichen Erwägungen wie im Parallelfall eine Änderungsmöglichkeit ungeachtet etwaiger eigener Ermittlungsfehler des FA bejaht werden. Wie bereits oben ausgeführt hatte der Kläger dem FA im Streitfall noch weniger Bruchstücke vorgelegt als die Klägerin im Parallelfall. Die zeitlichen und inhaltlichen Übereinstimmungen des Erklärungsverhaltens belegen ein, wenn nicht abgestimmtes, so doch an die Vorschläge der steuerlichen Berater der AG angelehntes Erklärungsverhalten des Klägers. Schon aufgrund der Außergewöhnlichkeit des Besteuerungssachverhalts nach Betrag und Begleitumständen - wie einer besonderen Mitarbeiterversammlung der AG zu diesem Thema - waren sich zur Überzeugung des erkennenden Senats der Kläger und sein Berater bewusst, dass das FA dem Sachverhalt besondere Aufmerksamkeit schenken würde, wenn er ihn in seiner Gesamtheit und zusammenhängend vorgetragen würde. Nachdem mit der Berichtigung der ESt- Erklärung für 1997 die Frage der Anfangs- oder Endbesteuerung bereits im Jahr 1999 ins aktuelle Bewusstsein des Klägers und auch seines steuerlichen Beraters gelangt war - darüber hinaus der Fall des Wandeldarlehens von der Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt war, Abweichungen zur vom Reichsfinanzhof beurteilten Wandelschuldverschreibung jedoch offenkundig -, musste der Kläger mit seinem Berater erkannt haben, dass die Anfangsbesteuerung jedenfalls keine gesicherte Rechtsauffassung darstellt. Danach hätte es ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oblegen, dem FA den Sachverhalt offen zur Prüfung zu unterbreiten. Diesem Maßstab genügt die gezeigte bruchstückhafte und fahrlässig unvollständige Erklärung des Klägers nicht. Bei einer Abwägung mit etwaigen Ermittlungsfehlern des FA wären dessen Ermittlungsdefizite als wesentlich geringer zu bewerten als die Obliegenheitsverletzungen des Klägers.

ff) Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, dass - aus dem Sachverhalt des mehrfach zitierten Parallelfalls in EFG 2003, 616 entnommen - die AG offenbar am 24. April 2000 beim Finanzamt P die unterlassene Lohnversteuerung angezeigt hat. Ob der Kläger von diesem Vorhaben Kenntnis hatte, als er seine ESt-Erklärung am 17. April 2000 einreichte, kann - auch wenn der zeitliche Zusammenhang bemerkenswert ist - offen bleiben. Denn jedenfalls ist aus der Tatsache, dass dem Veranlagungsfinanzamt des Klägers bei Versendung des ESt-Bescheids am 17. Mai 2000 keine Mitteilung des für die Besteuerung der AG zuständigen Finanzamts vorlag, nichts für die hier zur Beurteilung stehende Frage einer Änderungsbefugnis zu entnehmen. Selbst wenn die Anzeige der AG diejenigen Personen namentlich benannt hätte - wovon nach den sonstigen Umständen nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann -, so könnte den Finanzbehörden aus der Tatsache, dass nicht binnen 3 Wochen die Wohnsitzfinanzämter benachrichtigt wurden, kein entscheidender Vorwurf gemacht werden. Fest steht, dass das beklagte FA jedenfalls bei Zeichnung des ESt-Bescheids vom 17. Mai 2000 keine Kenntnis von der Sachzuwendung erlangt hatte.

gg) Das FA wäre bei rechtzeitiger Kenntnis der später bekannt gewordenen Tatsachen schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Steuer gelangt. Der BFH hat dies in seiner Entscheidung zu dem mehrfach zitierten Urteil des FG München in EFG 2003, 616 (BFH-Beschluss vom 14. September 2005 VI R 18/03, BFH/NV 2006, 13) für die auch hier entscheidende Frage der Anfangs- oder Endbesteuerung bereits bejaht für einen Steuerbescheid, der am 8. März 2000 erlassen wurde. Da im hiesigen Streitfall der Bescheid nur rd. zwei Monate später erlassen wurde, muss mit denselben Gründen davon ausgegangen werden, dass das FA bei Kenntnis aller Umstände eine Besteuerung des geldwerten Vorteils in 1999 vorgenommen hätte.

3. Den Hinweis des Klägers in seinem Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 auf § 163 AO legt der Senat nicht als Erhebung einer auf eine Billigkeitsmaßnahme gerichteten Verpflichtungsklage aus. Da der Kläger steuerlich vertreten ist, erscheint die beiläufige Kritik, das FA hätte von Amts wegen eine Entscheidung nach § 163 AO treffen müssen, auch angesichts des hiermit verbundenen Kostenrisikos nicht hinreichend konkret, um diese Textpassage als Klageerhebung oder -erweiterung auszulegen. Im Übrigen ist insoweit auch kein durchgeführtes Vorverfahren vorgetragen oder ersichtlich, was zum Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung führte. Vorrangig erschien dem Kläger offensichtlich die Klärung der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung, die Vorfrage einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen ist.

4. Die Revision wird nicht zuzulassen. Die Frage, wann neue Tatsachen zu einer Änderung der Steuerfestsetzung berechtigen, ist von der Rechtsprechung auch des BFH hinreichend geklärt, wie die zitierten Entscheidungen zeigen. Im Übrigen waren lediglich Tatsachen zu würdigen, eine Aufgabe, die in die Kompetenz der Tatsacheninstanz fällt. Ein Revisionszulassungsgrund liegt danach nicht vor.

5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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