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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 4264/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3, 1. HS
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 4264/05

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und

ohne mündliche Verhandlung

am 13. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in unbegrenzter Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.

Der Kläger ist verheiratet und wird für das Streitjahr 2003 zusammen mit seiner Ehefrau vom Beklagten (dem Finanzamt -FA-) zur Einkommensteuer veranlagt. Er führte im Wesentlichen "[...] Seminare" mit dem Schwerpunkt [...] für Unternehmen, Behörden und Institutionen durch und erzielte hieraus im Streitjahr einen veranlagten Gewinn von 84.313 EUR aus freiberuflicher Tätigkeit. Ausweislich der mit der Steuererklärung eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung betrugen seine Einnahmen insgesamt 131.212,76 EUR, davon 1.093,47 EUR mit einem Umsatzsteuerausweis von 7%.

Das FA wich von der eingereichten Steuererklärung u.a. insoweit ab, als es Raum- und Mietkosten für ein häusliches Büro statt mit dem erklärten Betrag von 3.879,14 EUR nur auf einen Betrag von 1.250 EUR beschränkt als Betriebsausgaben anerkannte. Andere Abweichungen sind nicht mehr streitig.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trugen die Kläger im Wesentlichen vor, der Kläger habe in seinem Büro auch schriftstellerisch gearbeitet, sein Buch "[...]" sei bereits erschienen, zwei weitere Bücher sollten 2006 erscheinen. Seine mittlerweile 20 Seminare habe er im Büro selbst entwickelt und laufend aktualisiert. Die gesamte Geschäftspost sei im Büro bearbeitet worden, zum größten Teil von seiner Frau, die ab 2004 eine bescheidene Bezahlung erhalte. Während der Urlaubszeit beantworte eine Bekannte, die auch in der Wohnung wohne, geschäftliche Anfragen. Das Büro sei mit zwei PC-Arbeitsplätzen eingerichtet und verfüge über 5 Telefonnummern sowie ein Telefax-Multifunktionsgerät. Diese Tätigkeiten seien bis Mitte 2002 in einem angemieteten Büro erledigt worden, das wegen etwas rückläufiger Geschäftsentwicklung aufgegeben worden sei.

Der Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 26. Oktober 2005 erfolglos.

Wesentlich und prägend für das Berufsbild des Klägers sei - so das FA - die Durchführung der Seminare bei den Kunden vor Ort. Deshalb seien die Arbeiten im Arbeitszimmer lediglich vorbereitender und unterstützender Art.

Mit Ihrer Klage tragen die Kläger weiter vor, der Kläger habe im häuslichen Arbeitszimmer an ca. 90 Arbeitstagen an seinem neuen Buch gearbeitet. Darüber hinaus habe er seine Seminare im Arbeitszimmer ausgearbeitet und dem jeweiligen Auftraggeber bzw. der Zielgruppe angepasst. Auf seine vortragende Tätigkeit entfielen lediglich 40% der Gesamttätigkeit, während 60% der Arbeitszeit im Büro erledigt würden. Die ca. 180 Seminare im Jahr fänden zu einem großen Teil nachmittags und am Abend statt, so dass der Kläger auch an diesen Tagen in seinem Büro tätig werde. Eine Aufteilung zwischen der schriftstellerischen und der Seminartätigkeit sei nur schwer möglich. Die Seminarteilnehmer erhielten bei vielen Seminaren als Teil der Seminarunterlage eines der vom Kläger herausgegebenen Bücher. Daneben erledige die Ehefrau des Klägers im Arbeitszimmer die täglichen Sekretariatsarbeiten.

Der Kläger beantragt,

den ESt-Bescheid für 2003 vom 12. August 2005 in Gestalt der EE vom 26. Oktober 2005 und des nach § 129 der Abgabenordnung berichtigten Bescheids vom 10. März 2006 in der Weise zu ändern, dass der berücksichtigte Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit um 2.630 EUR niedriger angesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat zu Recht lediglich den Höchstbetrag (1.250 EUR) gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3, 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht die jeweiligen Gesamtaufwendungen als Betriebsausgaben berücksichtigt.

1. Gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen gem. Satz 3, 1. Halbsatz dieser Vorschrift auf 1.250 EUR begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG).

Übt der Steuerpflichtige seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus aus, bildet das häusliche Arbeitszimmer dann den Betätigungsmittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden. Maßgeblich ist der qualitative Schwerpunkt der beruflichen Betätigung; dem zeitlichen Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers kommt insoweit lediglich indizielle Bedeutung zu.

Falls mehrere Tätigkeiten ausgeübt werden, kommt es für die Bestimmung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG nicht darauf an, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt jeder einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet; entscheidend ist vielmehr der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch auch den der übrigen Tätigkeiten, hat das Finanzgericht anhand sämtlicher Umstände des Streitfalls und der Verkehrsanschauung den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Hierzu bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen Tätigkeiten, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu bestimmen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 13. Oktober 2003 VI R 27/02, BStBl II 2004, 771). Übt der Steuerpflichtige eine Haupttätigkeit (z.B. eine nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung) aus, wird durch deren Mittelpunkt der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit indiziert. Als weitere Indizien (alternativ oder kumulativ) kommen beispielsweise das nach der Verkehrsanschauung der jeweiligen Tätigkeit zukommende Gewicht oder der auf die einzelnen Tätigkeiten entfallende Zeitaufwand in Betracht (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212).

Der BFH hat in Anwendung dieser Grundsätze einen qualitativen Schwerpunkt etwa bei einem Berufsschullehrer in dessen lehrender Haupt- und Vollzeittätigkeit gesehen, hinter der die freiberufliche Schriftstellerei zurücktrete (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212); ebenso für den Gymnasiallehrer: BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 VI R 125/01, BStBl II 2004, 72; für den Fachhochschulprofessor: BFH-Urteil vom 28. August 2003, IV R 38/01, BFH/NV 2004, 327. Dem zeitlichen Moment der Außendiensttätigkeit hat der BFH ein solches Gewicht beigemessen, dass er bei einem Handelsvertreter, der vor- und nachbereitend im Arbeitszimmer tätig wurde, den qualitativen Schwerpunkt ebenfalls außerhalb des Arbeitszimmers angenommen hat (BFH-Urteil vom 31. März 2004 X R 1/03, BFH/NV 2004, 1387). Auch bei einem Versicherungsvertreter sah der BFH die prägende Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers bei den Beratungs- und Überzeugungsgesprächen; der unverzichtbaren Funktion des Arbeitszimmers als Anlaufstelle für Telefonate und Unterlagen komme dabei keine wesentliche Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 23. März 2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 537).

Die Instanzrechtsprechung hat auch bei einem Hochschullehrer den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit in dessen interaktiver Lehrtätigkeit gesehen, also dem Abhalten von Vorlesungen, Seminaren und der Abnahme von Prüfungen (vgl. FG München, Urteil vom 26. Oktober 2005 1 K 3540/05, veröffentlicht in Juris).

2. In Anwendung dieser Grundsätze bildet im Streitfall das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers.

Die vortragende Tätigkeit des Klägers ist im Streitfall für die gesamte Berufstätigkeit prägend.

Zusammen mit der Reisezeit zu den jeweiligen Veranstaltungsorten bei seinen Kunden in einem überregionalen Raum nimmt bei den nach Angabe des Klägers ca. 180 Seminarterminen pro Jahr schon die körperliche Präsenz außerhalb des Arbeitszimmers einen erheblichen Zeitanteil der Gesamtarbeitszeit ein. Entscheidend ist jedoch, dass bei einer vortragenden Tätigkeit wie derjenigen, die der Kläger ausübt, der qualitative Schwerpunkt bei der Durchführung der Seminare vor Ort, der dozierenden Tätigkeit, liegt. Wenn bereits bei einem Hochschulprofessor mit einer vergleichsweise geringen Wochenstunden-Verpflichtung der qualitative Schwerpunkt außerhalb des Arbeitszimmers angenommen wird, weil die körperliche Vortragstätigkeit für dieses Berufsbild prägend ist, so muss dies erst recht für eine Seminartätigkeit gelten, die ein Thema vermittelt, das in sehr viel geringerem Maße der Veränderung unterworfen ist und damit einer Neubearbeitung des Themas im Arbeitszimmer wesentlich engere Grenzen gesetzt sind.

Die schriftstellerische Tätigkeit des Klägers, die ihren Schwerpunkt ohne Zweifel im häuslichen Arbeitszimmer hat, hat demgegenüber einen nachrangigen und dienenden Charakter.

Das im "Print-on-Demand"-Verfahren erschienene Buch ("[...]") wird offenbar vom Kläger vorwiegend an Seminarteilnehmer verkauft oder sonst überlassen. Dies drückt den dienenden Charakter dieser Tätigkeit im konkreten Tätigkeitsfeld des Klägers aus. Die Schriftstellerei ist ein Anhängsel der vortragenden Tätigkeit. Dieser Nachrang der Schriftstellerei drückt sich auch indiziell in den sehr geringen Einnahmen aus dieser Tätigkeit aus, der den mit 7% USt belegten Umsätzen entsprechen dürfte und danach weniger als 1% Anteil an den Gesamtumsätzen beträgt. Dass die Schriftstellerei bereits im Streitjahr den Gesamtcharakter der Tätigkeit des Klägers dergestalt verändert hätte, dass diese nunmehr die Gesamttätigkeit prägt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Beschäftigung der Ehefrau und die Urlaubsvertretung durch eine befreundete Person aus dem näheren Bekanntenkreis des Klägers ändern an dem festgestellten qualitativen Übergewicht der außerorts durchgeführten dozierenden Tätigkeit nichts. Die Nutzung des Büros wird dadurch auch nicht aus der häuslichen Ebene herausgeführt. Grund, Sinn und Zweck der gesetzlichen Abzugsbeschränkung werden durch eine Mitnutzung durch Familienangehörige und Freunde nicht berührt.

Auch die Ausstattung des häuslichen Arbeitszimmers ist - am heute Üblichen gemessen - nicht derart durch technische Arbeitsmittel bestimmt, dass die Ausstattung das Zimmer zu etwa einem Labor- oder Werkraum verändern würde. Zwei PCs und ein Fax stellen heute keine ungewöhnliche Ausstattung für ein Zimmer dar, das der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Mehrere Telefonnummern oder eine Telefonanlage sind heute schon in Familien zur häuslichen Nutzung verbreitet.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.



Ende der Entscheidung

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