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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 1 V 4760/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 233a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 V 4760/06

In der Streitsache hat

der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Antragsteller eine Rückstellung für Erfüllungsrückstände bilden durfte.

Der Antragsteller ist Versicherungsmakler und wird mit den aus dieser Tätigkeit erzielten gewerblichen Einkünften beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Das FA setzt auch den Gewerbesteuermessbetrag (GewStMessB) fest.

In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 2004 bildete der Antragsteller unter Berufung auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BStBl II 2006, 866) eine gewinnmindernde Rückstellung für die Betreuung von laufenden Versicherungsverträgen in Höhe von 165.554,88 EUR.

Die Veranlagung für 2004 erfolgte ursprünglich wie erklärt (ESt-Bescheid und Bescheid über den GewStMessB vom 16. Mai 2006). Nach einer Außenprüfung änderte das FA die Bescheide dahingehend, dass es - den Feststellungen des Prüfers folgend - die Rückstellung für die Betreuung von laufenden Versicherungsverträgen in Höhe von 165.554,88 EUR außer AnSatz 1ieß und den Gewinn aus Gewerbebetrieb um diesen Betrag erhöhte (Bescheide vom 30. Oktober 2006).

Über den Einspruch des Antragstellers ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA mit Schreiben vom 04. Dezember 2006 ab.

Zur Begründung seines an das Gericht gerichteten AdV-Antrages trägt der Antragsteller vor, er erhalte von seinen Versicherungsunternehmen für die Bestandspflege kein zusätzliches Entgelt bzw. in gewissen Fällen eine sehr geringe Entschädigung für die Bestandspflege. Er habe daher für die Verpflichtung aus den künftigen Vertragsbetreuungen entsprechend dem oben zitierten Urteil des BFH eine Rückstellung gebildet. Dabei sei er je Vertrag und Jahr der vertraglichen Restlaufzeit von 1 Stunde Bearbeitungsaufwand zu je 60 EUR ausgegangen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des ESt-Bescheids und des GewSt-Messbescheids für 2004, je vom 30. Oktober 2004, bis einen Monat nach Zustellung der EE in Höhe von 25.477,63 EUR (ESt, Solidaritätszuschlag [SoliZ], Zinsen) und 14.798 EUR (GewSt) ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Berichterstatter forderte mit Aufklärungsanordnung vom 13. Februar 2007 den Antragsteller auf, detailliert aufzuschlüsseln und nachzuweisen, in welchen Fällen er Bestandspflegeprovisionen erhalten habe und in welchen nicht. Hierauf hat er mit Schreiben vom 09. März 2007 vorgetragen, dass er für Sammelvertragsarten und Gruppenversicherungen keine Bestandspflegeprovisionen erhalte. Bei den Instituten [...] und [...] seien dies schätzungsweise 80% der Verträge. Er legte weiter Kopien mit Auszügen der entsprechenden Courtagevereinbarungen vor. Auf den Schriftsatz nebst Anlagen wird verwiesen (Bl. 31 ff der FG-Akte).

Auf eine weitere Aufklärungsanordnung des Berichterstatters vom 13. März 2007, in der der Antragsteller aufgefordert wurde, die rechnerische Bildung der Rückstellung detaillierter darzustellen und die Maklerverträge mit den vertriebenen Versicherungen vorzulegen, erfolgte innerhalb der Ausschlussfrist keine Antwort. Auf die Anordnung wird verwiesen (Bl. 35 ff der FG-Akte).

II.

1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller bezüglich der Zinsfestsetzung sowie des SoliZ die AdV begehrt.

Grundlage für die Berechnung von Nachforderungszinsen ist nach § 233a der Abgabenordnung (AO) die festgesetzte Steuer im Sinne von § 233a Abs. 3 Satz 1 AO bzw. der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer im Sinne von § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Der festgesetzten Steuer bzw. - in Fällen der Änderung eines Steuerbescheides - dem Unterschiedsbetrag zwischen zwei Steuerbeträgen kommt daher eine Bindungswirkung für die Zinsberechnung zu, die den Steuerbescheid als Grundlagenbescheid für den Zinsbescheid (Folgebescheid) im Sinne der §§ 171 Abs. 10, 351 Abs. 2 AO erscheinen lässt (vgl. Finanzgericht - FG - Hamburg, Urteil vom 23. September 1985 III 309/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 106; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 351 Tz. 48). In Konsequenz dessen ist eine Klage oder ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Zinsbescheides unzulässig, wenn sich ein Steuerpflichtiger mit seinem Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuer wendet, der Zinsbescheid also lediglich als Folgebescheid zum Einkommensteuerbescheid angegriffen wird (§ 351 Abs. 2 AO). Wer seinen Rechtsbehelf gegen einen Folgebescheid allein mit Mängeln des Grundlagenbescheides begründet, macht nicht geltend, er sei durch den Folgebescheid beschwert.

So liegt der Fall auch hier. Da der Antragsteller keine spezifischen, ausschließlich die Zinsberechnung als solche betreffenden Einwände erhoben hat, die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung vielmehr nur unter Hinweis auf die hinsichtlich der Steuerfestsetzung vorgebrachten Einwände für ernstlich zweifelhaft hält, ist der Antrag mit Rücksicht auf die Geltung von § 351 Abs. 2 AO auch im gerichtlichen Verfahren (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240; Koch in: Gräber, FGO, 5. Aufl., § 69 Anm. 30) insoweit unzulässig.

Entsprechendes gilt im Ergebnis für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des SoliZ, weil Grundlage für die Berechnung des SoliZ wiederum die festzusetzende Einkommensteuer ist (vgl. Urteil des BFH vom 09. November 1994 I R 67/94, BStBl II 1995, 305; FG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Januar 2004 14 V 6204/03 A (E, AO), Juris).

2. Im Übrigen ist der Antrag nicht begründet.

Bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der AdV-Antrag ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 07. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994;vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; undvom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Nach dem Urteil des BFH vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BStBl II 2006, 866) hat ein Versicherungsvertreter für die Verpflichtung zukünftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden. In dem vom BFH entschiedenen Fall ergab sich die Verpflichtung zur künftigen Betreuung der bereits abgeschlossenen Versicherungsverträge aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Makler und Versicherung (unter II. 1 a). Der BFH sah daher das jeweilige Vermittlungsgeschäft mit der Zahlung der Provision noch nicht als abgeschlossen an. Unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsrückstandes war daher eine Rückstellung zu bilden.

Im Streitfall konnte das Gericht sich nicht davon überzeugen, dass eine derartige Verpflichtung zur Betreuung der bereits abgeschlossenen Verträge bestand. Der Antragsteller hat auf die Aufforderung des Berichterstatters die maßgeblichen Verträge nicht vorgelegt. Aus den vom FA vorgelegten Provisionsvereinbarungen ergibt sich zwar, dass der Antragsteller - für bestimmte Gruppen von Verträgen - sog. Bestandspflegeprovisionen jährlich erhält oder in anderen Fällen sog. Organisationszuschüsse. Hieraus ergibt sich jedoch bei der im AdV- Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung aufgrund präsenter Beweismittel nicht, dass mit diesen Zahlungen auch eine ernsthafte Vertragspflicht zur "Pflege" der Verträge bestanden hätte, die bezifferbar wäre. Hierauf hat der Berichterstatter in der genannten Aufklärungsanordnung auch ausdrücklich hingewiesen. Um einen Erfüllungsrückstand anzunehmen, müsste feststehen, welche konkreten - im Interesse des Versicherers liegenden - Leistungen der Vertreter künftig für die laufenden Verträge zu erfüllen hat. Beschränkt sich die Pflege darin, im Rahmen der Kundenbindung Kontakt zum Kunden zu halten um die Gelegenheit weiterer Abschlüsse zu erhalten, so findet die Pflege im Interesse des laufenden Geschäftsbetriebs des Vertreters statt und rechtfertigt nach Ansicht des erkennenden Senats keine Rückstellung wegen eines Erfüllungsrückstandes gegenüber dem Versicherer. Von dieser Beurteilung will auch der BFH in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung ersichtlich nicht abweichen (vgl. den Verweis auf das BFH-Urteil vom 24. November 1983 I R 150/77, BStBl II 1984, 299 unter Tz. II. 1. a.E. des oben zitierten BFH-Urteils vom 28. Juli 2004 XI R 63/03).

Von einer Pflege im Interesse des Versicherers kann ausgegangen werden, wenn der Vertrag Regelungen z.B. darüber enthält, wer die Pflege zu übernehmen hat, wenn der Vertre ter seine Tätigkeit einstellt oder dass der Vertreter bereits erhaltene Zahlungen zurückzuerstatten hat, wenn er der vertraglich festgelegten Pflegeverpflichtung nicht nachkommt. Mangels Vorlage der entsprechenden Verträge konnte sich der erkennende Senat nicht davon überzeugen, ob sich derartige Regelungen in den Verträgen finden. Da der Antragsteller die Feststellungslast für den von ihm vorgetragenen Erfüllungsrückstand trägt, muss der Antrag auf AdV abgelehnt werden.

3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Insbesondere hat der BFH in der in Bezug genommenen Entscheidung zu einem aus tatsächlichen Gründen gänzlich anders gelagerten Fall entschieden und ausdrücklich auf die bisherige Rechtsprechung - die der Senat hier anwendet - Bezug genommen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der SoliZ und die Zinsen sind als Folgeabgabe nicht in den Streitwert einzubeziehen (BFH-Beschluss vom 16. März 1995 VIII B 158/94, BFH/NV 1995, 680).



Ende der Entscheidung

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