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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 10 K 2517/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
EStG § 9 Abs. 2
EStG § 32 Abs. 4 S. 2
EStG § 40 Abs. 2 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 2517/07

Kindergeld von Januar 2005 bis Dezember 2005

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

durch

... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob für ein Kind, dessen Einkünfte/Bezüge den gesetzlichen Grenzbetrag überschreiten trotz Überschreitung Kindergeld in entsprechend verringertem Umfang zu zahlen ist.

I. Der Kläger (Kl) ist der Vater des am 14.12.1986 geborenen M. M befand sich ab 01.09.2002 bis 28.02.2006 in einem Berufsausbildungsverhältnis als Industriemechaniker.

Die Beklagte (die Familienkasse --FK--) lehnte zunächst mit Bescheid vom 15.11. 2004 aufgrund einer Prognose über die Einkünfte und Bezüge des M für das Jahr 2005 die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2005 ab. Mit Antrag vom 05.09.2005 begehrte der Kl erneut rückwirkend ab 01.01.2005 Kindergeld. Diesen Antrag lehnte die FK mit Bescheid vom 14.12.2005 wiederum wegen Überschreitung der Einkünfte-/Bezügegrenze ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) werde nur geringfügig überschritten. In verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG dürfe das Kindergeld nicht vollständig versagt werden, sondern nur in dem Umfang gekürzt werden, in dem die eigenen Einkünfte/Bezüge den gesetzlichen Grenzbetrag überschreiten. Zur weiteren Begründung werden die Entscheidungsgründe des Urteils des FG Niedersachsen vom 23.02.2006 (1 K 76/04, EFG 2006, 1592) angeführt.

Vorliegend sei der gesetzliche Grenzbetrag um 63,08 EUR überschritten, weshalb sich der Kindergeldanspruch für 2005 auf 1.784,92 EUR verringere.

Der Kl beantragt sinngemäß,

die FK unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 14.12.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2006 zu verpflichten, für den Zeitraum Januar bis Dezember 2005 Kindergeld in Höhe von 1.784,92 EUR festzusetzen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass ein Kindergeldanspruch wegen Überschreitung des gesetzlichen Grenzbetrags ausgeschlossen sei.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.07.2007 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Der gesetzliche Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ist überschritten.

Gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein Kind beim Anspruch auf Kindergeld nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat.

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass pauschal besteuerte Arbeitgeberleistungen zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 40 Abs. 2 S. 3 EStG die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2 EStG für diese Fahrtkosten berücksichtigungsfähigen Werbungskosten mindern.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG zu den Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit zwar auch Aufwendungen für Arbeitsmittel und mithin auch für Computer gehören können. Insoweit kann auch ein privat angeschaffter, aber beruflich genutzter PC ein Arbeitsmittel sein (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19.02.2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958). Die private Mitbenutzung ist jedoch nur dann unschädlich, wenn sie einen Nutzungsanteil von etwa 10 v.H. nicht übersteigt. Wird dagegen der PC in nicht nur unwesentlichem Maße auch privat genutzt, sind die Aufwendungen entsprechend aufzuteilen. Kann ein Steuerpflichtiger nachweisen oder zumindest glaubhaft machen, dass er einen PC (jedenfalls) in einem nicht unwesentlichen Umfang beruflich nutzt bzw. genutzt hat, kann nach der Rechtsprechung des BFH typisierend und pauschalierend von einer jeweils hälftigen privaten bzw. beruflichen Nutzung des PC ausgegangen werden. Will der Steuerpflichtige oder die Behörde von diesem Aufteilungsmaßstab abweichen, so bedarf es zusätzlicher Anhalts 4 punkte und Umstände, die von dem betreffenden Beteiligten jeweils näher darzulegen sowie nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 205, 220, BStBl II 2004).

Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass M den Computer in nicht nur unwesentlichem Umfang auch beruflich genutzt hat. Dies ergibt sich aus seinem glaubhaften Vortrag, den PC im Rahmen der Berufsausbildung für die Führung des Berichtsheftes, die Durchführung von Übungsaufgaben und die Vorbereitung auf die Prüfungen benutzt zu haben sowie den dazu vorgelegten Dateiausdrucken mit Anwendungsbeispielen (Berichtsheft). Jedoch ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass es sich insoweit um eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche berufliche Nutzung handelte. Zum einen gibt M im Fragebogen der FK selbst an, den PC wöchentlich 5 Stunden privat und 25 Stunden beruflich genutzt zu haben. Daraus ergibt sich bereits eine private Nutzung von mehr als 10%. Zudem ist etwa aus dem im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszug ersichtlich, dass M Geschäfte über Ebay tätigte, was ebenfalls auf eine nicht unerhebliche private Nutzung hindeutet. Zum anderen ist aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass der berufliche Anteil der Nutzung über 80% betrug.

Die dargelegten und glaubhaft gemachten beruflichen Nutzungen reichen nicht aus, einen derart hohen beruflichen Anteil zu belegen. Die Führung des Berichtsheftes dürfte nach dem beispielhaft vorgelegten Exemplar wöchentlich maximal 1 Stunde beanspruchen.

Dass neben der Tätigkeit im Betrieb bzw. der Berufsschule (insgesamt nach eigener Erklärung 230 Tage im Jahr) noch wöchentlich weitere 24 Stunden berufliche Arbeiten am PC zu erledigen waren, ist anhand der dargelegten Aufgaben (Übungen, Prüfungsvorbereitung) nicht glaubhaft. Das Gericht geht daher nach der o.g. Typisierungsregel von einer jeweils hälftigen beruflichen und privaten Nutzung aus. Die Anschaffungskosten sind gemäß der für das Streitjahr geltenden AfA-Tabelle auf eine Nutzungsdauer von 3 Jahren zu verteilen und in 2005 entsprechend dem Anschaffungsmonat Oktober zu 3/12 anzusetzen (§ 7 Abs. 1 S. 1, 2, 4 EStG).

Danach ergibt sich folgende Berechnung: ..... Summe 7 847,88 EUR Ob daneben noch die geltend gemachten Reinigungskosten in Höhe von 100 EUR zu berücksichtigen wären, die jedoch weder näher substantiiert noch glaubhaft gemacht wurden, kann das Gericht ebenso dahingestellt sein lassen, wie die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der gezahlten Lohn- und Kirchensteuer (49 EUR und 3,92 EUR), da auch unter 5 Berücksichtigung dieser Beträge (dann 7.694,96 EUR) der gesetzliche Grenzbetrag (7.680 EUR) nicht eingehalten wäre.

2. Es ergibt sich auch kein Anspruch auf einen Kindergeldbetrag, der um den Betrag gemindert wird, um den die eigenen Einkünfte/Bezüge des Kindes den gesetzlichen Grenzbetrag überschreiten.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG als Freigrenze und nicht als Freibetrag ausgestaltet ist (BFH-Urteil vom 21.07.2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes nach § 31 S. 1 EStG durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt werde. Soweit das Kindergeld für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich sei, diene es der Förderung der Familie (§ 31 S. 2 EStG). Angesichts dessen hätte ein gleitender Übergang bei der Berücksichtigung eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes bereits wesentlich unter dem gesetzlich aufgestellten Grenzbetrag beginnen und mit Erreichen dieser Grenze auslaufen können.

Verfüge das Kind über Einkünfte und Bezüge in Höhe des Grenzbetrags von --im Streitjahr des dort zugrunde liegenden Falles--12.000 DM sei das Kindergeld und auch der Kinderfreibetrag zur Freistellung des existenznotwendigen Bedarfs des Kindes bei den Eltern nicht erforderlich. Das Kind verfüge in diesem Fall über ausreichende eigene Mittel, durch die es seinen Bedarf in einem den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Umfang decken kann; das Kindergeld und der Kinderfreibetrag dienten in vollem Umfang der Förderung der Familie. Daraus folge, dass in Bezug auf den als Freigrenze ausgestalteten Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen über einen gleichmäßigen Belastungsanstieg und die Vermeidung gleichheitswidriger Progressionssprünge Anwendung fänden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG als Freigrenze auszugestalten und Eltern, deren Kind mit seinen Einkünften und Bezügen den Grenzbetrag überschreitet, nicht mehr zu fördern, erscheine im Hinblick auf den damit verfolgten Typisierungs- und Vereinfachungszweck weder unverhältnismäßig, noch offensichtlich fehlsam (unter Verweis auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG--vom02.08.1990 1 BvR 1431/86, Sozialrecht --SozR--3 -5870 § 2 Nr. 9 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG a.F.). Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 30.09.2002 2 BvR 1781/00, HFR 2003, 76).

Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung auch für die im Jahr 2005 geltende Freigrenze von 7.680 EUR an. Insbesondere ist nicht ersichtlich, woraus das FG Niedersachsen den Schluss zieht, dass die Unterhaltspflicht der Eltern bei Einkünften/ Bezügen des Kindes in Höhe des Grenzbetrages unvermindert besteht. Vielmehr ist mit dem BFH davon auszugehen, dass der Gesetzgeber --zur Förderung der Familie (§ 31 S. 2 EStG)--Kindergeld auch noch in den Fällen gewähren wollte, in denen die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag erreichen und das Existenzminimum des Kindes voll abdecken. Insoweit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen die Unterhaltspflicht der Eltern noch in unvermindertem Umfang besteht.

3. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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