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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 10 K 3214/06
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 70 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 3
EStG § 70 Abs. 4
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 3214/06

Streitsache

Kindergeld für R

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 13. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die Änderung eines die Kindergeldfestsetzung ablehnenden Bescheides wegen Bestandskraft ausgeschlossen ist.

I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ....1985 geborenen R. Mit Schreiben vom 30.11.2004 beantragte die Klin für R Kindergeld. Die Beklagte (Familienkasse --FK--) forderte zur Berechnung der eigenen Einkünfte des R weitere Nachweise an. Mangels Vorlage der angeforderten Nachweise lehnte die FK die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 25.01.2005 ab Juni 2003 ab. Mit Schreiben vom 16.02.2006 beantragte die Klin Kindergeld für das Jahr 2004 und legte den Einkommensteuerbescheid des R für 2004 vor. Die FK forderte die Vorlage einer Bescheinigung über die Beendigung der Berufsausbildung an. Mit Bescheid vom 11.04.2006 lehnte die FK die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juni 2003 bis Januar 2005 (Bekanntgabe des Bescheids vom 25.01.2005) wegen Bestandskraft des Bescheids vom 25.01.2005 ab und gewährte Kindergeld ab Februar 2005. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2006 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Neuantrag vom 16.02.2006 sei --da die Klin nicht durch eine rechtskundige Person beraten gewesen sei--als innerhalb der Einspruchsfrist eingelegter Einspruch zu werten. Die FK habe auf dieses Schreiben weitere Unterlagen angefordert und damit kundgetan, dass sie das Schreiben als Einspruch werte.

Die Klin beantragt sinngemäß,

die FK unter Aufhebung des Bescheids vom 25.01.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2006 zu verpflichten, für den Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2004 Kindergeld festzusetzen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Kindergeldfestsetzung für 2004 bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei, da innerhalb der Einspruchsfrist kein Einspruch erfolgt sei. Zudem lägen auch die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift nicht vor.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 07. März 2007 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist unbegründet. Eine Änderung der ablehnenden Entscheidung der FK ist ausgeschlossen, da weder innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Einspruch eingelegt wurde noch die Voraussetzungen einer Korrekturnorm vorliegen.

a) Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.01.2005 ist unbegründet, da dieser vor Klageeinreichung bereits bestandskräftig geworden ist. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO) mit einem Einspruch angefochten. Der durch die Post übermittelte Bescheid gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 28.01.2005 bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist endete gemäß §§ 355 Abs. 1, 188 Abs. 1 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch am 28.02.2005. Das Schreiben der Klin ging dagegen erst am 21.02.2006 bei der Beklagten ein. Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 110 AO wurden weder geltend gemacht noch sind sie anderweitig ersichtlich. Ist ein Verwaltungsakt bestandskräftig, ist die Klage schon aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH--vom20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl. II 1990, 177). Der Bescheid ist damit bindend geworden. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf den hier streitigen Zeitraum Januar bis Dezember 2004. Denn die Bindungswirkung eines die Kindergeldfestsetzung ablehnenden Bescheid erstreckt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung bekannt gegeben wurde; mithin ist vorliegend Bindungswirkung für den Zeitraum vom --ausdrücklich genannten Mo- nat--Juni 2003 bis einschließlich Januar 2005 eingetreten.

b) Die Voraussetzungen für eine Änderung des Verwaltungsakts nach § 70 Abs. 2 bis 4 Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. §§ 172 ff. AO liegen nicht vor (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2006, III R 31/06, in Juris).

Die Korrekturvorschriften des § 70 Abs. 2 und Abs. 3 EStG sind im Streitfall nicht anwendbar, weil sie nicht für Bescheide gelten, mit denen --wie im Streitfall--eine Kindergeldfestsetzung abgelehnt wird (BFH-Urteil vom 21.01.2004 VIII R 15/02, BFH/NV 2004, 910, m.w.N.). Auch § 70 Abs. 4 EStG ist nicht einschlägig, da die Vorschrift voraussetzt, dass die zu korrigierende Kindergeldfestsetzung vor Beginn oder während eines Kalenderjahres als Prognoseentscheidung --und nicht wie im Streitfall nach Ablauf des Kalenderjahres (2004)--über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr ergangen ist (BFH-Urteil vom 28.06.2006 III R 13/06, BFH/NV 2006, 2204).

Ebenso wenig ist im Streitfall eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig. Ein Steuerbescheid darf wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel zu Gunsten des Steuerpflichtigen nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgehoben oder geändert werden, wenn die Finanzbehörde bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel nicht anders entschieden hätte. Wie die Finanzbehörde bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und der die Finanzbehörden bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben (BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Nach dem mit dem Antrag vom 16.02.2006 vorgelegten Einkommensteuerbescheid 2004 betrugen die um die Werbungskosten geminderten Einkünfte des R 8.475 EUR. Die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge minderten im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 25.01.2005 sowohl nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 04.11.2003 VIII R 59/03, BFHE 204, 126, BStBl II 2004, 584) als auch nach Abschnitt 63.4.2.1 Abs. 2 Satz 6 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG), Stand August 2004 (BStBl I 2004, 743), die Einkünfte des Kindes nicht. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) war zum maßgeblichen Zeitpunkt weder den Beteiligten bekannt gegeben noch veröffentlicht. Da die Pressemitteilung des BVerfG vom 13. Mai 2005 datiert, konnte sie der FK erst im Mai 2005 bekannt werden. Schließlich ist der Bescheid vom 25.01.2005 nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Eine Gerichtsentscheidung ist nur dann ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn sie den Tatbestand, an den das Steuergesetz anknüpft, rückwirkend verändert (BFH-Urteil vom 02.08.1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, m.w.N.). Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 112, 164 , BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 führte im Streitfall indessen nur zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des unveränderten Sachverhalts der Zahlung von gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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