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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 01.08.2008
Aktenzeichen: 10 K 3549/07
Rechtsgebiete: EStG i.d.F.d. StÄndG 2007


Vorschriften:

EStG i.d.F.d. StÄndG 2007 § 32 Abs. 1 Nr. 2
EStG i.d.F.d. StÄndG 2007 § 32 Abs. 4 S. 2
EStG i.d.F.d. StÄndG 2007 § 52 Abs. 40 S. 4
EStG i.d.F.d. StÄndG 2007 § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Zur Qualifikation von Pflegegeldzahlungen für junge Volljährige und eines einbehaltenen Kostenbeitrags im Rahmen der Einkünfte- und Bezügeberechnung nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG.
Finanzgericht München

10 K 3549/07

Kindergeld für C ab Januar 2008

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

durch

...

ohne mündliche Verhandlung

am 01. August 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob ein Kostenbeitrag des Pflegekindes die kindergeldschädlichen eigenen Einkünfte des Pflegekindes mindert.

I. Der Kläger (Kl) ist der Pflegevater der am ....09.1989 geborenen C. C ist seit 09.04.2002 auf Dauer in den Haushalt des Kl aufgenommen. Das zuständige Kreisjugendamt gewährt für C --zuletzt durch Bescheid vom 11.07.2007, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird-- Hilfe für junge Volljährige gemäß §§ 41, 33 Sozialgesetzbuch (SGB) Teil VIII in Form von Vollzeitpflege beim Kl und seiner Ehefrau und durch Gewährung eines monatlichen Pflegegeldes. C begann am 01.09.2007 eine Berufsausbildung zur Bankkauffrau. Hinsichtlich der Höhe der Ausbildungsvergütung wird auf die Ausbildungsbescheinigung des Betriebes vom 11.07.2007 Bezug genommen. Das Kreisjugendamt verpflichtete C ab 01.09.2007 zu den Kosten der Hilfegewährung einen monatlichen Eigenbeitrag in Höhe von 150 EUR zu leisten. Laut Bescheid des Kreisjugendamts vom 11.07.2007 vermindert sich das monatliche Pflegegeld in Höhe von 785 EUR um anteiliges Kindergeld (38,50 EUR) und den Kostenbeitrag der C, so dass 596,50 EUR an den Kl und seine Ehefrau ausgezahlt werden.

Mit Bescheid vom 27.07.2007 gewährte die Beklagte (die Familienkasse --FK--) Kindergeld nur für die Monate September 2007 bis Dezember 2007 und lehnte eine Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 wegen Überschreitung des Grenzbetrags der kindergeldschädlichen eigenen Einkünfte der C ab. Dabei ging es von voraussichtlichen Einkünften in Höhe von 8.657,26 EUR aus, die sich nach Abzug der Werbungskostenpauschale auf 7.737,26 EUR reduzieren. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 05.09.2007 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die von der FK durchgeführte Berechnung der eigenen Einkünfte des Kindes benachteilige Pflegeeltern gegenüber Eltern leiblicher Kinder. Während das leibliche Kind sein volles Nettoeinkommen behalte, müsse das Pflegekind einen Kostenbeitrag an das Jugendamt abführen. Der Gleichheitssatz gebiete eine einkünftemindernde Anrechnung des Kostenbeitrags. Das Pflegegeld stehe den Pflegeeltern und nicht dem Pflegekind zu. Da es weder beim Pflegekind noch bei den Pflegeeltern versteuert werde, handele es sich nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen.

Der Kl beantragt,

den Bescheid vom 27.07.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.09.2007 insoweit aufzuheben, als die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 abgelehnt wird und die FK zu verpflichten, ab Januar 2008 Kindergeld festzusetzen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass das Gesetz einen Abzug des Kostenbeitrags nicht vorsehe. Der Kostenbeitrag stelle weder Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit noch besondere Ausbildungskosten dar. Ferner sei auch das an die Pflegeeltern gewährte Pflegegeld als eigene Bezüge der C zu werten, so dass sich eine noch weitergehende Überschreitung des Grenzbetrages ergebe. Das Ergebnis sei auch sachgerecht, da das gewährte Pflegegeld neben den eigenen Einkünften der C die Unterhaltslast der Kl mindere.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf...Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.06.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist unbegründet.

a) Nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 Buchst a und § 52 Abs. 40 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. des StÄndG 2007 vom 19.07.2006 (BGBl. I 2006, 1652) besteht für in Ausbildung befindliche volljährige Pflegekinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld. Das Kind wird nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG jedoch nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von im Streitzeitraum nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat.

b) Im vorliegenden Fall kann das Gericht dahingestellt sein lassen, ob das für C gezahlte Pflegegeld Bezüge der C darstellt und ob der angerechnete Kostenbeitrag diese Bezüge mindert. Denn in beiden Fällen ist der gesetzliche Grenzbetrag überschritten.

Wertet man das Pflegegeld --wofür der Wortlaut des § 41 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB VIII spricht-- als Bezüge der "jungen Volljährigen" C, so überschreiten ihre Einkünfte und Bezüge den gesetzlichen Grenzbetrag auch bei Abzug des Kostenbeitrags deutlich. Zu den um den Werbungskostenpauschbetrag und die Sozialversicherungsbeitragsanteile bereinigten nichtselbstständigen Einkünften in Höhe von 7.737,26 EUR wären dann --unter prognostischer Zugrundelegung gleichbleibender Pflegegeldzahlungen-- Bezüge in Höhe von 6.978 EUR (12 x 596,50 EUR ./. Kostenpauschale 180 EUR) hinzuzurechnen. Danach ergäben sich Einkünfte und Bezüge in Höhe von 14.715 EUR.

Wertet man das Pflegegeld nicht als Bezüge der C, sondern rechnet es den (nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfreien) Einkünften der Pflegeeltern zu, verbleibt es bei bereinigten nichtselbstständigen Einkünften der C in Höhe von 7.737,26 EUR. Der Kostenbeitrag kann dann schon deshalb nicht einkünfte- bzw. bezügemindernd berücksichtigt werden, weil er nur den Pflegegeldanspruch der Pflegeeltern mindert (vgl. Bescheid des Kreisjugendamts vom 11.07.2007). Die Pflegeeltern werden durch entsprechend hohe eigene Einkünfte der C von Unterhaltsleistungen entlastet und haben daher nur einen geminderten Pflegegeldbedarf.

c) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz ist insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Hier ist Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verletzt, wenn sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (vgl. etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2008 1 BvR 2137/06, DVBl 2008, 645 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist jedoch jedenfalls ein sachlicher Grund für die Differenzierung vorhanden. Die Anrechnung eines Kostenbeitrags aufgrund eigener Einkünfte des Kindes kommt nur in Betracht, wenn Pflegegeld gezahlt wird. Dieses erhalten aber für ein im Haushalt der leiblichen Eltern lebendes Kind weder die Eltern noch das Kind. Die Differenzierung ist daher durch die unterschiedliche Verteilung der Unterhaltslasten bei Pflegekindern und bei leiblichen Kindern gerechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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