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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 26.03.2008
Aktenzeichen: 10 K 3579/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 44 Abs. 1
FGO § 45
FGO § 46 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 3579/06

Einkommensteuer 1995 - 2000 (wegen Untätigkeit),

gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.1995 (wegen Untätigkeit)

und Einkommensteuer 2002, 2003, 2004

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

durch

... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 26. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Mangels Abgabe einer Einkommensteuer(ESt)erklärung schätzte das zuständige Finanzamt (FA) für die Veranlagungszeiträume 1995 - 2000 die Besteuerungsgrundlagen. Mit ESt- Bescheiden vom 20.02.2002 wurden die Einkünfte mit 0 DM angesetzt und die ESt auf 0 DM festgesetzt.

Am 19.11.2002 ging eine Erklärung zur ESt und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs 1995 beim FA ein. Hierin machte der Kl bei den gewerblichen Einkünften neben einem Gewinn aus Unternehmensberatung (14.543 DM) einen Verlust aus Beteiligungen an der A-GmbH und der B-GmbH in Höhe von 525.000 DM geltend.

Am 02.01.2004 ging eine Erklärung zur ESt und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs 1996 beim FA ein. Hierin machte der Kl bei den gewerblichen Einkünften neben einem Gewinn aus Unternehmensberatung (13.786 DM) einen Verlust aus Beteiligungen an der C-GmbH in Höhe von 35.000 DM und an der A-GmbH und der B-GmbH in Höhe von 510.457 DM geltend.

Am 28.12.2004 gingen Erklärungen zur ESt und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs 1997 - 2000 beim FA ein. Hierin erklärte der Kl bei den gewerblichen Einkünften einen Gewinn in Höhe von 16.240 DM (1997), 28.116 DM (1998), 29.613 DM (1999), 26.784 DM (2000). Ferner beantragte er in allen Veranlagungszeiträumen einen "Verlustrücktrag" nach 2001 in Höhe von 535.000 DM

In seiner für 2002 eingereichten Steuererklärung gab der Kl gewerbliche Einkünfte in Höhe von 12.210 EUR an. Ferner beantragte er einen Verlustrücktrag nach 2001 in Höhe von 534.000 DM. Das FA setzte die ESt mit Bescheid vom 28.04.2006 unter erklärungsgemäßem Ansatz der gewerblichen Einkünfte auf 1.139 EUR fest.

Mit Bescheid vom 28.04.2006 setzte das FA mangels Abgabe einer Steuererklärung unter Ansatz geschätzter gewerblicher Einkünfte in Höhe von 15.000 EUR die ESt 2003 auf 1.844 EUR fest.

In seiner für 2004 eingereichten Steuererklärung gab der Kl Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 18.000 EUR an. Das FA setzte die ESt unter erklärungsgemäßem Ansatz der selbstständigen Einkünfte durch Bescheid vom 28.04.2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 2.345 EUR fest.

Mit Schreiben vom 06.05.2006 erhob der Kl gegen die ESt-Bescheide 2002 - 2004 und den Bescheid gegen die gesonderte Festsetzung des verbleibenden Verlustvortrags (ohne nähere Bezeichnung) Einspruch und beantragte die Berücksichtigung von Verlustvorträgen aus den Jahren 1995 - 2000 in Höhe von ca. 300.000 EUR. Mit Schreiben vom 26.05.2006 teilte das FA dem Kl mit, dass eine Berichtigung der bestandskräftigen Bescheide 1995 - 2000 nicht möglich sei. Für die Ermittlung der gewerblichen Einkünfte sei das Betriebsfinanzamt zuständig.Eine Änderung der Bescheide nach § 175 Abgabenordnung (AO) sei erst bei Vorliegen entsprechender Gewinnmitteilungen des Betriebsfinanzamts möglich. Die Einsprüche gegen die ESt-Bescheide 2002 - 2004 wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 08.09.2006 als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung im ESt- Bescheid 2004 auf.

Hierauf erhob der Kl Klage. Im Laufe des Klageverfahrens forderte das FA den Kl zu weiteren Angaben und Nachweisen hinsichtlich des in 1995 geltend gemachten gewerblichen Auflösungsverlustes auf. Mangels hinreichender Angaben des Kl stellte das FA mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31.12.1995 vom 07.02.2007 den verbleibenden Verlustabzug auf 0 DM fest. Der Bescheid wurde gemäß Postzustellungsurkunde vom 10.02.2007 durch Einlegung in den zur Wohnung des Kl gehörenden Briefkasten zugestellt.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, es lägen ihm wegen Untätigkeit des FA keine ESt-Bescheide 1995 - 2000 nach den von ihm eingereichten Steuererklärungen vor. Im Jahr 1995 sei ihm ein Verlust in Höhe von ca. 550.000 DM entstanden. Dieser beruhe auf dem Konkurs zweier Gesellschaften und der dabei untergegangenen Stammeinlagen. Dieser Verlust sei in die Folgejahre vorzutragen. Der Zugang des Verlustfeststellungsbescheids 1995 werde bestritten. An der angegebenen Adresse W-Str. ...gebe es keinen Hausbriefkasten.

Der Kl beantragt sinngemäß,

das FA zu verpflichten, Einkommensteuerbescheide 1995, 1996, 1997, 1998, 1999 und 2000 zu erlassen, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.1995 zu erlassen und hierin einen verbleibenden Verlustabzug in Höhe von 550.000 DM festzustellen und die Einkommensteuerbescheide 2002, 2003 und 2004 vom 28.04.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.09.2006 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 0 EUR herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen darauf, dass für die ESt 1995 bis 1998 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Verlustfeststellungsbescheid 1995 sei bestandskräftig geworden. Hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1999 bis 2000 habe das FA bisher die Veranlagungen durch die aufgrund Schätzungen ergangenen Nullbescheide als abgeschlossen betrachtet. Bei erklärungsgemäßer Festsetzung ergebe sich für 1999 eine ESt in Höhe von 2.300,30 EUR und für 2000 eine ESt in Höhe von 1.727,66 EUR. Hinsichtlich der ESt- Bescheide für 2002 - 2004 komme eine Änderung mangels Verlustvorträgen nicht in Betracht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze des Kl vom 13.09.2006, 18.07.2007 und 25.03.2008 sowie des FA vom 10.11.2006 und 21.06.2007 Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.02.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. ESt 1995 - 2000

...

2.Verlustfeststellung 1995

Soweit der Kl gemäß § 46 FGO Untätigkeitsklage gegen die unterlassene Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31.12.1995 erhebt, ist die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig.

Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf 5 gegeben ist, die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und § 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob der Kl gegen die unterlassene Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31.12.1995 Untätigkeitseinspruch eingelegt hat. In Betracht käme allenfalls das Einspruchsschreiben vom 06.05.2006 mit dem sich der Kl gegen die ESt-Bescheide 2002 - 2004 und "den Bescheid über die gesonderte Festsetzung des verbleibenden Verlustvortrages auf Einkommensteuer" wandte. Das Gericht kann jedoch dahingestellt sein lassen, ob dieses Schreiben als entsprechender Untätigkeitseinspruch ausgelegt werden kann. Legt man es nicht als Untätigkeitseinspruch aus, ist die Untätigkeitsklage mangels Einlegung eines Einspruchs nach § 46 Abs. 1 S. 1, § 44 Abs. 1 FGO unzulässig. Denn § 46 Abs. 1 S. 1 FGO sieht eine Ausnahme zu § 44 Abs. 1 FGO nur insoweit vor, als das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen zu sein braucht. Nicht dagegen befreit die Vorschrift von der Notwendigkeit der Einlegung eines (Untätigkeits-)Einspruchs. Legt man das Schreiben als Untätigkeitseinspruch aus, so liegt ein Fall der doppelten Untätigkeit vor. Das FA hat in der Einspruchsentscheidung vom 08.09.2006 nur über die Einsprüche gegen die ESt- Bescheide 2002 - 2004, nicht dagegen über einen Untätigkeitseinspruch hinsichtlich gesonderter Verlustfeststellung zur ESt 1995 entschieden. Jedoch hat das FA im Laufe des Klageverfahrens den erstrebten Verlustfeststellungsbescheid 1995 erlassen und dadurch dem Begehren des Kl abgeholfen. Hierdurch entfällt der Grund für die Fortführung der hierauf gerichteten Untätigkeitsklage, gleichviel, ob der abhelfende Bescheid stattgebenden oder ablehnenden Inhalts ist (BFH-Urteil vom 03.08.2005 I R 74/02, BFH/NV 2006, 19). Untätigkeitsklage und Untätigkeitseinspruch haben sich hierdurch erledigt.

Die Klage kann auch nicht als normale Anfechtungsklage gegen den inzwischen erlassenen Verlustfeststellungsbescheid fortgesetzt werden, weil es insofern wiederum an der Durchführung des Einspruchsverfahrens fehlt (§ 44 Abs. 1 FGO).

Das Gericht hat insoweit keinen Zweifel daran, dass der Verlustfeststellungsbescheid vom 07.02.2007 dem Kl zugegangen ist. Gemäß Postzustellungsurkunde vom 10.02.2007 wurde der Bescheid durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. Die Zustellungsurkunde erbringt als öffentliche Urkunde den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen (§ 82 FGO, § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung). Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (BFH-Beschluss vom 07.02.1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567). Im vorliegenden Fall ist der Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1995 durch die Angabe der Steuernummer und den Zusatz "Verl. FB. 31.12.95" eindeutig als Inhalt der Sendung identifiziert. Der durch die Urkunde erbrachte Beweis der Einlegung des Verlustfeststellungsbescheids in den zum Anwesen W-Str...gehörenden Briefkasten wird auch nicht durch die nicht belegte Behauptung des Kl, an dieser Anschrift existiere kein Briefkasten, zur Überzeugung des Gerichts widerlegt. Vielmehr spricht gegen diese Behauptung bereits der Umstand, dass das gleichfalls an diese Anschrift gerichtete Schreiben des Gerichts vom 27.06.2007 den Kl, wie sich aus den Antwortschreiben vom 18.07.2007 ergibt, offenbar erreicht hat. Der Kl hat gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 07.02.2007 nicht innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist Einspruch erhoben. Eine als Anfechtungsklage fortgeführte Untätigkeitsklage ist daher mangels Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nach § 44 Abs. 1 FGO unzulässig.

3. ESt 2002 - 2004

...

Ende der Entscheidung

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