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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 10 K 4165/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 4165/07

Kindergeld für S von Januar bis März 2007

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung am 05. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Aufhebungsbescheid vom 06. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. November 2007 wird insoweit aufgehoben, als hierin die Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar 2007 bis März 2007 aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert wird.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ... März 1980 geborenen S. Vom 01. September 1999 bis 31. Juli 2000 leistete S Zivildienst. S beendete im Dezember 2006 sein Medizinstudium mit der erfolgreich abgelegten ärztlichen Prüfung. Im März 2007 heiratete S. In der Zeit vom 26. - 31. März 2007 war S als Praktikant im Spital X in der Schweiz beschäftigt und erhielt dafür eine Bruttovergütung in Höhe von 193,55 CHF. Am 01. April 2007 begann er eine Assistenzarzttätigkeit in diesem Krankenhaus, für die er im Zeitraum von 01. April 2007 bis 31. Dezember 2007 einen Bruttolohn in Höhe von 61.276,45 CHF erhielt. Bereits im Juli 2005 wurde S als Doktorand an der Y-Universität angenommen.

Die Beklagte (die Familienkasse --FK--) gewährte der Klin bis einschließlich März 2007 Kindergeld für S. Mit Bescheid vom 06. September 2007 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab April 2005 auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch beschränkte die FK mit Einspruchsentscheidung vom 05. November 2007 den Aufhebungsbescheid auf den Zeitraum ab Januar 2007 und den Rückforderungsbescheid auf die Monate Januar 2007 bis März 2007, mithin auf einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 462 EUR. Im Übrigen wies sie den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich S aufgrund der Promotionsvorbereitung weiter in Ausbildung befunden habe. Seine Einkünfte/Bezüge im Zeitraum Januar bis März 2007 hätten den anteiligen Grenzbetrag nicht überschritten.

Die Klin beantragt sinngemäß,

den Aufhebungsbescheid vom 06. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. November 2007 insoweit aufzuheben, als hierin die Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar 2007 bis März 2007 aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert wird.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass die Einkünfte des S aufgrund der im April 2007 aufgenommenen Tätigkeit den gesetzlichen Grenzbetrag überschritten hätten.

...

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung ( § 90 Abs. 2 FGO).

II. 1. Die Klage ist begründet.

a) Gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und § 52 Abs. 40 S. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I 2006, 1652) besteht für Kinder, die -- wie im vorliegenden Fall S-- im Jahr 2006 das 26. Lebensjahr vollendet haben, Kindergeldanspruch grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Im Falle der Ableistung von Zivildienst verlängert sich die maximale Bezugsdauer nach § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG um die Dauer des Dienstes über das 27. Lebensjahr hinaus.

Nach Vollendung des 21. Lebensjahres kommt ein Kindergeldanspruch u.a. in Betracht, wenn das Kind sich in einer Berufsausbildung oder einer höchstens viermonatigen Übergangszeit befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a - c EStG).

Als Bestandteil der Berufsausbildung ist in der Rechtsprechung u.a. auch eine Promotionsvorbereitung anerkannt. Dies gilt auch dann, wenn eine Promotion für den angestrebten Beruf zwar nicht erforderlich, aber geeignet ist, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. November 2003 VIII R 30/03, BFH/NV 2004, 1223).

b) Im vorliegenden Fall hat sich S --was zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig ist und durch die vorgelegten Bescheinigungen des Promotionsbetreuers vom 06. Juli 2005 und 03. November 2008 nachgewiesen wird-- während des streitigen Zeitraums Januar 2007 bis März 2007 in der Promotionsvorbereitung befunden. Er übte in dieser Zeit weder eine Teil- noch eine Vollzeiterwerbstätigkeit aus. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass sich S im streitigen Zeitraum ernsthaft und nachhaltig auf die Promotion vorbereitete.

c) Hingegen befand sich S ab April 2007 in einem Vollzeitarbeitsverhältnis. Hierbei handelte es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, in dessen Rahmen S Gelegenheit zur Promotion gegeben wurde (z.B. wissenschaftlicher Mitarbeiter). Auch ergeben sich aus dem vorgelegten Anstellungsbeschluss der Spitaldirektion vom 23. Januar 2007 keine Beschränkungen der Arbeitszeit mit Rücksicht auf die noch abzuschließende Promotion. Vielmehr fand die weitere Promotionsvorbereitung außerhalb dieses Vollzeitarbeitsverhältnisses statt. Daraus folgt, dass sich S allenfalls nach Dienstschluss und an arbeitsfreien Tagen der Promotionsvorbereitung widmen konnte. Diese Art der Promotionsvorbereitung erfüllt nicht die Voraussetzung einer Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst a) EStG. Denn der Senat kann insoweit nicht die erforderliche Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen feststellen. Es ist davon auszugehen, dass ein Assistenzarzt, der seinen Beruf gerade erst aufgenommen hat, seine Arbeitskraft voll dem Beruf widmen muss. Auch ergibt sich aus dem Schreiben des S vom 30. Oktober 2008 und den beigefügten Anlagen, dass die Doktorarbeit auch derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Zudem beruhen die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 EStG auf dem verfassungsrechtlichen Gebot, der durch den Unterhalt von Kindern bedingten Minderung der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen ( BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 9/04, BFH/NV 2005, 860 m.w.N.). Eine solche typische Unterhaltssituation ist nicht gegeben, wenn das Kind bereits eine nicht nur vorübergehende Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen hat und somit typischerweise dauerhaft selbst für seinen Unterhalt sorgt. Das Kind kann sich in dieser Fallkonstellation --anders als etwa bei bloß vorübergehender Erwerbstätigkeit in den Semesterferien-- seinem Ausbildungsziel nur noch mit dauerhaft geringer Intensität und somit nicht mit der erforderlichen Nachhaltigkeit widmen. Somit erfüllte S ab April 2007 keinen Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG.

d) § 32 Abs. 4 S. 2 EStG schließt einen Kindergeldanspruch aus, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Der Grenzbetrag ermäßigt sich nach § 32 Abs. 4 S. 7 für jeden Kalendermonat, in dem an keinem Tag ein Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG erfüllt ist, um ein Zwölftel. Mithin sind im vorliegenden Fall 3/12 des gesetzlichen Grenzbetrags, d.h. 1.920 EUR anzusetzen.

In den Monaten Januar 2007 bis März 2007 hatte S nach Abzug der Sozialbeiträge nur Lohneinkünfte in Höhe von 111,95 EUR (177,80 CHF) und Zinserträge in Höhe von ca. 15 EUR. Seine Einkünfte und Bezüge lagen damit unter dem anteiligen Jahresgrenzbetrag.

e) Ob der Kindergeldanspruch ab April 2007 darüber hinaus auch durch die im März 2007 erfolgte Heirat des S ausgeschlossen wird, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt bleiben.

Mangels Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen war die FK daher nach § 70 Abs. 2 EStG nicht zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis März 2007 berechtigt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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