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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 10 K 4221/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
EStG § 8 Abs. 2 S. 2
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 4221/06

Einkommensteuer 2002, 2003 und 2004

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob dem Kläger (Kl) durch eine private Nutzung eines vom Arbeitgeber überlassenen Kraftfahrzeugs ein geldwerter Vorteil als Arbeitslohn zuzurechnen ist.

I. Der Kl erzielte in den Streitjahren als beamteter Kulturamts- und Stadthallenleiter der Stadt X Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Gemäß Einstellungsbeschluss der Stadt vom 23. März 1994 wird für das Kulturamt ein Dienstfahrzeug beschafft, das vom Kl für Fahrten zwischen Wohnung und Dienstort unentgeltlich benutzt werden kann. Dem Kl wurde hierfür in 2002, 2003 und für neun Monate in 2004 ein Opel Modell Astra sowie für drei Monate in 2004 ein Mercedes Modell C-Klasse zur Verfügung gestellt.

Die Stadt führte nur eine Lohnversteuerung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, nicht aber für eine Privatnutzung des PkW durch. In den eingereichten Einkommensteuer(ESt)erklärungen der Streitjahre wurde kein geldwerter Vorteil für eine private Pkw- Nutzung erklärt und entsprechend in den darauf ergangenen ESt-Bescheiden vom 13. Februar 2004 für 2002, 22. September 2004 für 2003 und 12. September 2005 für 2004 auch nicht berücksichtigt.

Im Rahmen einer bei der Stadt durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung stellte der Prüfer fest, dass dem Kl von seinem Arbeitgeber die o.g. Fahrzeuge überlassen wurden. Aufgrund einer Kontrollmitteilung vom 10. Dezember 2005 an den Veranlagungsbezirk des Kl setzte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) einen geldwerten Vorteil in Höhe von 2.187 EUR für 2002, 2.347 EUR für 2003 und 2.649 EUR für 2004 als Arbeitslohn an und erhöhte die ESt durch nach § 173 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide vom 09. März 2006 auf ... EUR (2002), ... EUR (2003) und ... EUR (2004).

Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. September 2006 als unbegründet zurück. Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Kl den Pkw nicht privat benutzt habe. Der Kl habe sich strikt an die dienstvertragliche Vereinbarung mit der Stadt gehalten und den Pkw nur für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstelle genutzt. Dies werde durch das Schreiben der Stadt vom 09. Mai 2005 bestätigt. Die Stadt habe ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen.

Dem Kl stehe für Privatfahrten der auf seine Lebensgefährtin zugelassene Pkw zur Verfügung.

Auch sei derselbe Sachverhalt durch dieselben Prüfer in früheren Veranlagungszeiträumen unbeanstandet geblieben. Die bei der Stadt erfolgte steuerliche Behandlung sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, die keine Rückschlüsse auf die steuerliche Behandlung beim Kl zulasse.

Der Kläger beantragt,

die Änderungsbescheide für 2002, 2003 und 2004 vom 09. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2006 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es darauf, dass eine abweichende Behandlung in früheren Veranlagungszeiträumen keine Bindungswirkung entfalte. Die Stadt habe in ihren Einnahmeüberschussrechnungen für den Betrieb der Stadthalle die Fahrzeugüberlassung als entgeltliche Leistung erfasst. Dies widerspreche der Angabe, dass eine private Nutzung vom Arbeitgeber nicht gewollt gewesen sei. Die Stadt habe kein Privatnutzungsverbot ausgesprochen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht einen geldwerten Vorteil für die unentgeltliche private Nutzung eines Dienstwagens angesetzt.

1. Das FA war berechtigt, den Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann ein Steuerbescheid geändert werden, wenn nachträglich neue Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Den für die Bearbeitung des Steuerfalls des Kl in den Streitjahren beim FA zuständigen Personen ist erst nachträglich, nach Erlass der Einkommensteuerbescheide, durch die Kontrollmitteilung der Lohnsteueraußenprüfung bekannt geworden, dass der Kl die ihm von seinem Arbeitgeber überlassenen Fahrzeuge in den Streitjahren auch privat genutzt hat. Ob die Tatsachen einem Prüfer im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung der Streitjahre oder früherer Veranlagungszeiträume bekannt waren oder ob sie diesem bei gehöriger Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätten bekannt sein müssen, ist für das Vorliegen der Änderungsvoraussetzungen nicht entscheidungserheblich (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH-- vom 20. April 1988 X R 40/81, BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804). Die vom Veranlagungsbeamten gewonnene Erkenntnis über das Vorliegen einer privaten Pkw- Nutzung stellt eine neue Tatsache dar, die aufgrund des Ansatzes eines geldwerten Vorteils zu einer höheren Steuer führt.

2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) u.a. auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Darunter fällt u.a. auch der geldwerte Vorteil aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist für die private Nutzung eines betrieblichen Kfz für jeden Kalendermonat ein Prozent des inländischen Listenpreises als Einnahme anzusetzen.

Die Bestimmungen kommen nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (BFH-Beschluss vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300). Dabei spricht allerdings nach der Rechtsprechung des BFH aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Der Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es allerdings nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt (BFH-Urteil vom 07. November 2006 VI R 19/05, BStBl II 2007, 116; BFH-Beschlüsse vom 4. Juni 2004 VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416, m.w.N.;vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292;vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; in BFH/NV 2005, 1300;vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801). Die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden soll, bedürfen dabei jedoch des vollen Beweises (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 116). Dass selbst im Falle einer arbeitsvertraglich untersagten privaten Nutzung das Verbot vom Arbeitgeber nicht überwacht worden ist, kann jedenfalls als Indiz gegen eine den Anscheinsbeweis erschütternde Sachverhaltsgestaltung gewertet werden (BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488 m.w.N.).

Aufgrund der Gesamtwürdigung der Umstände hat der Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Entkräftung des Anscheinsbeweises gefunden.

Dem Kl wurden mit den Modellen Opel Astra und Mercedes C-Klasse Personenkraftwagen zur Verfügung gestellt, die typischerweise auch für private Nutzungszwecke geeignet sind und tatsächlich auch für solche Zwecke eingesetzt werden. Dem Kl wurde das Recht zur Benutzung der Fahrzeuge für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte eingeräumt, so dass davon auszugehen ist, dass die Fahrzeuge außerhalb der Dienstzeiten jederzeit zur privaten Nutzung an der Wohnung des Kl zur Verfügung standen.

Ein klar ausgesprochenes Privatnutzungsverbot kann weder dem Grunde nach noch vom Umfang her festgestellt werden. Zur Begründung des Privatnutzungsverbots hat sich der Kl auf den Einstellungsbeschluss gemäß Schreiben vom 23. März 1994 und das Schreiben vom 09. Mai 2005 berufen.

Der im Schreiben vom 23. März 1994 wiedergegebene Einstellungsbeschluss der Stadt führt lediglich aus, dass das Fahrzeug unentgeltlich für Fahrten zwischen der Wohnung des Kl und dem Dienstort benutzt werden kann. Daraus folgt nicht zwingend, dass jegliche Privatnutzung ausgeschlossen ist. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die Formulierung als bloße Formalie zur Vermeidung steuerlicher Nachteile zu verstehen war, ohne dass sich daraus in dienst- oder arbeitsrechtlicher Hinsicht eine tatsächliche Einschränkung der privaten Nutzungsbefugnis ergeben sollte. Zum anderen lässt die Formulierung auch die Deutung zu, dass für eine Privatnutzung generell oder für bestimmte Arten der Privatnutzung nach den jeweiligen Gegebenheiten die Anforderung einer Kostenbeteiligung --z.B. Übernahme von Kraftstoffkosten für Urlaubsfahrten, etc. vorbehalten bleiben sollte.

Auch aus dem Schreiben vom 09. Mai 2005 ergibt sich nicht, dass ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen wurde. Dort wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass bei der Einstellung allein die o.g. Zurverfügungstellung für Fahrten Wohnung-Arbeitsstelle geregelt wurde. Die in dem Schreiben enthaltene Formulierung, dass eine Privatnutzung nicht genehmigt worden sei, lässt aus den o.g. Gründen nicht den Umkehrschluss zu, dass eine solche Nutzung tatsächlich verboten wurde. Dass dort weiter von einer "unerlaubten" Nutzung die Rede ist, besagt zum einen ebenfalls nicht, dass diese Nutzung verboten war. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass bei der Stadt erst durch die Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung eine Sensibilisierung für diese Problematik eingetreten ist und man nun erst im Nachhinein von einem Privatnutzungsverbot ausgehen will.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Nutzungsverhalten des Kl in irgendeiner Form überwacht worden ist. Die Bestätigung des Bürgermeisters der Stadt vom 09. Mai 2005 besagt nur, dass sich für den Dienstherrn keinerlei Anhaltspunkte zur Vermutung ergaben, dass der Kl das Dienstfahrzeug unerlaubt für private Zwecke verwendet hat. Dies kann zum einen auch darauf beruhen, dass die Stadt mit einer privaten Nutzung einverstanden war, so dass diese "erlaubt" war. Zum anderen kann das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Privatnutzung auch darauf beruhen, dass mangels Überwachung keine Aussagen zum Nutzungsverhalten gemacht werden können. Der Kl hatte als Leiter des Kulturamts und der Stadthalle eine herausgehobene Stellung bei der Stadt inne. Laut Einstellungsbeschluss unterstand er direkt dem 1. Bürgermeister. Wie sich aus dem Einstellungsbeschluss ergibt, hat sich die Stadt gegenüber dem Kl auch in sonstiger Hinsicht als großzügig und entgegenkommend gezeigt (Beförderungszusage, Ausgleichszahlung bis zur Beförderung, Inaussichtstellung des Aufstiegs in den höheren Dienst, Zusicherung eines weitestgehenden fachlichen Freiraums). Dies deutet jedenfalls darauf hin, dass die Einstellung als Gesamtpaket begriffen wurde, bei dem auch in dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Nebenbereichen eher eine geschäftsführerähnliche und nicht eine durch beamtenrechtliche Kleinlichkeit geprägte Stellung angestrebt werden sollte. Da nicht davon auszugehen ist, dass der 1. Bürgermeister das Nutzungsverhalten des Kl hinsichtlich des zulässigerweise in den Privatbereich geführten Fahrzeugs selbst überwacht hat, wären für eine wirksame Überwachung eines Privatnutzungsverbots organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle des Nutzungsverhaltens erforderlich gewesen. Hierzu hat weder der Kl noch die Stadt in den erwähnten Schreiben Substantielles vorgetragen.

Mangels feststellbarem Privatnutzungsverbot kommt auch keine Gleichbehandlung mit dem vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Fall (Urteil vom 25. November 2003 1 K 354/01 EFG 2004, 1675) in Betracht. Denn in der dort zu entscheidenden Sachverhaltskonstellation war eine Verwendung des Fahrzeugs für private Zwecke untersagt und eine Haftung des Arbeitnehmers für die Folgen einer eventuellen Missachtung vorgesehen.

Der Kl hatte selbst kein gleichwertiges privates Fahrzeug. Das im Schreiben der Stadt vom 09. Mai 2005 erwähnte Motorrad erfüllt weder vom Umfang der Beförderungskapazität für Personen und Güter noch von der witterungsbedingten Einsatztauglichkeit die gleiche Funktion wie die zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuge. Dass im Haushalt des Kl noch ein auf die Lebensgefährtin zugelassener Pkw vorhanden war, wurde vom FA nicht bestritten und kann daher auch als wahr unterstellt werden. Diese Tatsache erschüttert den Anscheinsbeweis jedoch ebenfalls nicht. Denn dieses Fahrzeug stand dem Kl anders als das Dienstfahrzeug nicht jederzeit zur Verfügung. Zum einen ist davon auszugehen, dass die Lebensgefährtin das Fahrzeug nicht auf sich zugelassen hätte, wenn sie es nicht gelegentlich selbst für private Zwecke benötigen würde (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 292). Zum anderen kann gerade bei einer mit gewissem Freiraum ausgestatteten Tätigkeit wie der des Kl nicht ausgeschlossen werden, dass im Tagesablauf dienstliche und private Erledigungen ineinander übergehen und dann mehrere Dinge --ohne zwischenzeitliche Rückkehr zum Wohnort--auf einer Fahrt erledigt werden.

Schließlich kann sich der Kl auch nicht auf eine abweichende steuerliche Behandlung in früheren Veranlagungszeiträumen berufen. Denn es entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben; dies grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, NV 2006, 2028).

Die Höhe der angesetzten geldwerten Vorteile wurde weder mit Einwendungen angegriffen noch sind insoweit anderweitig Fehler in der Tatsachenfeststellung oder Rechtsanwendung erkennbar.

3. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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