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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 10 K 4445/03
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 359 Nr. 2
AO § 360 Abs. 1
AO § 360 Abs. 4
AO § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
AO § 174 Abs. 5 S. 1
AO § 367 Abs. 2 S. 3
FGO § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Einkommensteuer 2000 des F.

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München [...] auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) bei dem Dritten F im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ca. 500.000 DM zu schätzen hatte.

I.

F und seine Ehefrau werden aufgrund ihres Antrages vom 8. Januar 2002 für das Jahr 2000 getrennt veranlagt.

Das FA erhielt Ende des Jahres 2001 Informationen, dass F für die Vermittlung von Aktienverkäufen Provisionen in nicht unerheblicher Höhe erhalten habe. Das FA schätzte deshalb gegenüber F im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 5. Juli 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 500.000 DM.

Gegen diesen Steuerbescheid erhob F Einspruch und trug vor, dass vom Kläger K an ihn keine Provisionen ausbezahlt worden seien. Das FA hat darauf den Kläger K zum Einspruchsverfahren des F gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) hinzugezogen. Der Kläger K trug in diesem Einspruchsverfahren vor, dass er an F Provisionen in Höhe von 500.000 DM weitergereicht habe, die bei ihm als Betriebsausgaben den Gewinn gemindert hätten.

Aufgrund des Einspruchs des F änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung antragsgemäß und ging nun davon aus, dass F keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien, da nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu beweisen sei, dass dem F die entsprechenden Betriebseinnahmen vom Kläger K zugewendet worden seien. Das FA hat die dem Antrag des F in vollem Umfang entsprechende Änderung der Einkommensteuerfestsetzung in der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2003 vorgenommen. Eine Ausfertigung dieser Einspruchsentscheidung wurde an den Kläger K bekannt gegeben.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger K dagegen, dass F der Betrag in Höhe von 500.000 DM nicht im Jahr 2000 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet wird. Er begehrt dementsprechend eine höhere Festsetzung der Einkommensteuer des F. Außerdem trägt der Kläger K vor, dass das FA zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die von ihm dem F zugewendeten Beträge als seine Betriebsausgaben zu betrachten seien. Zwischen ihm, F, Herrn T und Frau I wäre eine Verteilung des Gewinns vereinbart gewesen und die von ihm an F bezahlten Beträge seien deshalb als weitergeleitete Gewinnanteile zu behandeln. Er habe die Gewinnanteile des F als Treuhänder in Empfang genommen.

Am 28. Januar 2004 hat das FA aufgrund einer Kontrollmitteilung der Lohnsteuer-Außenprüfungsstelle gegenüber F einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 erlassen. Dem Kläger K hat das FA keine Ausfertigung dieses Bescheides bekannt gegeben, da es sich aufgrund des Steuergeheimnisses daran gehindert sah.

Der Kläger beantragt,

dem F im Jahr 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 500.000 DM zuzurechnen und dessen Einkommensteuer für 2000 entsprechend festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung

unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung. Das FA hat außerdem beantragt, F gemäß § 174 Abs. 5 AO zum Verfahren beizuladen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze des Klägers K vom [...], die Schriftsätze des FA vom [...] und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist unzulässig.

Der Kläger K ist durch die angefochtene Einspruchsentscheidung nicht beschwert i.S. von § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), denn diese entfaltet ihm gegenüber keine Bindungswirkung.

Gegen eine im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ergangene Einspruchsentscheidung kann auch ein Hinzugezogener nur dann Klage erheben, wenn er die dafür in der FGO aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere eigene Rechte gemäß § 40 Abs. 2 FGO geltend machen kann. Der Kläger K war aber nicht an dem Verfahren beteiligt, das zur Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids gegen F geführt hat (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO).

Bei einer am Sinn und Zweck der Vorschrift ausgerichteten Auslegung erfordert die Beteiligung (§ 359 Nr. 2 AO) des Dritten an dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids, das mit dessen Aufhebung oder Änderung endet, dass dieser nicht nur zu diesem Verfahren hinzugezogen (§ 360 AO) worden ist. Vielmehr ist weiter erforderlich, dass ihm gegenüber die Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids wirksam wird. Da der Dritte durch die Beteiligung die verfahrensrechtliche Stellung erlangt, die der eines notwendig Hinzugezogenen vergleichbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1987 IX R 98/82, BStBl II 1988, 344), müssen ihm auch die entsprechenden Rechte eingeräumt werden. So muss ihm die Entscheidung über die Änderung oder Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids bekanntgegeben werden, damit er die Möglichkeit hat, Rechtsbehelfe einzulegen. Eine Entscheidung durch Abhilfebescheid (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO), durch die es einer Einspruchsentscheidung nicht mehr bedarf (§ 367 Abs. 2 Satz 3 AO), wahrt die Rechte des Hinzugezogenen nur, wenn sie seinem Antrag der Sache nach entspricht oder wenn er ihr zustimmt (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1963 III 380/61, HFR 1964, 51). Wird dagegen das Einspruchsverfahren - wie hier - ohne entsprechenden Antrag oder ohne Zustimmung des Hinzugezogenen durch Abhilfebescheid gegen den Einspruchsführer abgeschlossen (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 367 Abs. 2 Satz 3 AO), so ist der Hinzugezogene nicht i.S. von § 174 Abs. 5 Satz 1 AO beteiligt worden (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1991 V R 40/86, BStBl II 1991, 605; BFH-Beschlüsse vom 21. September 1994 V B 196/93, BFH/NV 1995, 469 und vom 4. Juli 2001 VI B 301/98, BStBl II 2001, 729; Tipke / Kruse, § 174 AO Rz. 56; Forchhammer in Schöll/Leopold/Madle/Rader, AO, § 174 Rz. 56).

Nichts anderes gilt, wenn das FA - wie im Streitfall - den Abhilfebescheid in Gestalt einer Einspruchsentscheidung gegenüber dem Einspruchsführer erlässt. Der für den Regelungsumfang eines Steuerbescheides maßgebliche Tenor der Einspruchsentscheidung beinhaltet im Streitfall ausschließlich eine Steuerherabsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen F auf den von diesem beantragten Betrag. Dem Antrag des Einspruchsführers F wurde in der Einspruchsentscheidung in vollem Umfang entsprochen. Bei der vom Kläger K angefochtenen Entscheidung des FA vom 2. Oktober 2003 liegt somit nur ein Abhilfebescheid in Gestalt einer Einspruchsentscheidung vor. Eine Einspruchsentscheidung in der Sache ist aber unzulässig, wenn das FA - wie hier - dem Einspruch vollständig abhilft (vgl. Beermann/von Wedel, Steuerliches Verfahrensrecht, § 367 AO Rz. 15; FG Nürnberg, Urteil vom 25. Mai 1993 II 149/92, EFG 1993, 765; BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 469). Denn nach § 367 Abs. 2 Satz 3 AO bedarf es einer Einspruchsentscheidung nur soweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft. Das FA hat sich im Streitfall der unzutreffenden Form der Einspruchsentscheidung für seinen Abhilfebescheid bedient. Die insoweit abweichende Entscheidung des FG München (Urteil des Einzelrichters vom 28. Dezember 2004 1 K 5483/02, EFG 2005, 494), die auch einer Einspruchsentscheidung, mit der dem Antrag des Einspruchsführers entsprochen wurde, eine Bindungswirkung gegenüber dem Hinzugezogenen annimmt, widerspricht der o.g. BFH-Rechtsprechung. Außerdem lässt dieses Urteil außer Acht, dass - wie sich aus § 172 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt - einer Einspruchsentscheidung nicht mehr Bindungswirkung zukommt als einem einfachen Steuerbescheid oder einem Abhilfe- oder Änderungsbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684 unter II. 1. b) bb) der Gründe; Tipke / Kruse, § 172 AO Rz. 46, § 367 Rz. 58). Die zum Einspruchsverfahren des F erfolgte Hinzuziehung des Klägers K nach § 174 Abs. 5 AO bewirkt damit als solche keine Klagebefugnis des Klägers K und die Abhilfe hat keine materielle Wirkung gegen den Kläger K als Dritten. Die Einspruchsentscheidung des FA spricht keine gleichzeitige Berichtigung des Betriebsausgabenabzugs zu Lasten des Klägers K aus. Der Kläger K kann und muss sein Recht vielmehr durch Anfechtung des gegen ihn ergehenden Einkommensteuerbescheids suchen.

Die Klage ist auch deshalb unzulässig, weil der Kläger K nicht mehr Verfahrensrechte geltend machen kann, als F, der Adressat der Einkommensteuerfestsetzung. Derjenige, der zu einem Verfahren hinzugezogen worden ist, kann gemäß § 360 Abs. 4 AO (für die Hinzuziehung zu einem Einspruchsverfahren) - nur - dieselben Rechte geltend machen wie der das Verfahren betreibende bzw. vom Verfahren primär betroffene Steuerpflichtige. Hat aber das FA dem Antrag des Steuerpflichtigen im Einspruchsverfahren stattgegeben und den Steuerbescheid antragsgemäß geändert, dann kann der Steuerpflichtige keinen Rechtsbehelf hiergegen einlegen, da er nicht beschwert ist. Nichts anderes gilt, wenn das FA den Änderungsbescheid in Gestalt einer Einspruchsentscheidung erlässt, obwohl es der Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 3 AO nicht bedarf. Aus einer Anwendung von § 360 Abs. 4 AO ("dieselben Rechte geltend machen") folgt dann aber, dass auch der Hinzugezogene keinen Rechtsbehelf einlegen kann. Gibt das FA dem Antrag des Steuerpflichtigen - wie im Streitfall - in vollem Umfang statt, so hat der Dritte keine Möglichkeit, den Änderungsbescheid oder die Einspruchsentscheidung anzufechten (vgl. FG Münster, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 15 K 5138/95 U,EFG 2001, 473 m.w.N.).

Die vom FA beantragte Beiladung des F war nicht vorzunehmen, weil die vom Kläger erhobene Klage unzulässig war (vgl. Gräber/Koch, FGO, 5. Aufl. 2002, § 60 Rz. 34 und 32 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1997 VIII B 28/97; BFH/NV 1998, 1105).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 137 Satz 2 FGO. Die Verfahrenskosten sind durch das Verschulden des FA entstanden, denn es hat mit Begleitschreiben zur Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2003 dem Kläger K die unzutreffende Auskunft erteilt, dass er Klage gegen die Einspruchsentscheidung erheben muss, um eine Bindungswirkung der Einspruchsentscheidung ihm gegenüber zu verhindern.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 2, 151 Abs. 1 und 3 FGO, §§ 708 Ziff. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO); insbesondere war die Voraussetzung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO nicht erfüllt, da das Urteil des erkennenden Senats mit der ständigen Rechtsprechung des BFH übereinstimmt.

Ende der Entscheidung

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