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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 10 K 4776/05
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 63 Abs. 1 S. 3
AO 1977 § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 4776/05

Kindergeld für M für den Zeitraum Mai 2003 bis August 2004

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 10. Senat, durch

... als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob das Kind der Klägerin (Klin) seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

I. Die Klin ist die Mutter des am 04. Januar 1981 geborenen Kindes M, das die US- Staatsangehörigkeit besitzt. Der Vater des M besitzt ebenfalls die US-Staatsangehörigkeit. In 2001 begann M in den USA ein Studium. Für das Sommersemester 2005 war M im Studiengang "Austauschprogramm/ohne Prüfung: ..." an der TU München immatrikuliert. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 hob der Beklagte (die Familienkasse --FK--) die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum März 2001 bis Juli 2001 auf. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 04. April 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig. Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 wurde die Gewährung von Kindergeld ab August 2001 abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22. April 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2005 gewährte die FK ab Mai 2005 erneut Kindergeld. Aufgrund des hiergegen gerichteten Einspruchs gewährte die FK mit Änderungsbescheid vom 29. November 2005 auch für den Zeitraum September 2004 bis April 2005 Kindergeld. Mit Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2005 wurde der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: M habe trotz seines Studiums in den USA seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Ihm habe ein Zimmer in der etwa 100-m² großen Wohnung in ... zur Verfügung gestanden. Er habe sich --wie sich aus den vorgelegten Reisepasskopien, Flugtickets und Bestätigungen über Arztbesuche ergebe--regelmäßig im Inland aufgehalten. Außerdem habe M bestätigt, dass er sich während der Semesterferien bei der Klin aufhalte und beabsichtige, nach dem Studium nach Deutschland zurückzukehren.

Die Klin beantragt,

den Bescheid vom 14. Juni 2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld für die Zeit von Mai 2003 bis August 2004 zu gewähren.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass im Streitzeitraum weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt des M im Inland nachgewiesen sei.

Mit nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangener Aufklärungsanordnung vom 06. September 2006 wurden weitere Darlegungen und Nachweise zum behaupteten Inlandswohnsitz des M angefordert. Auf den Inhalt der Aufklärungsanordnung und das hierzu erfolgte Schreiben der Klägervertreterin vom 09. Oktober 2006 wird Bezug genommen. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 FGO).

II. 1. Die Klage ist unbegründet. Ein Kindergeldanspruch scheidet für den streitigen Zeitraum Mai 2003 bis August 2004 aus, da weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt des M im Inland zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen wurde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden Kinder hinsichtlich des Kindergeldanspruchs nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Die USA zählen nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten. Da der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Inland Tatbestandsvoraussetzung des Kindergeldanspruchs ist, geht die Nichtfeststellbarkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294).

Der Begriff des Wohnsitzes im Sinne des § 8 Abgabenordnung (AO) setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit -wenn auch in größeren Zeitabständen--aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken reicht nicht aus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--vom 23. November 1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, m.w.N.; und vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887). Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279; und in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 jeweils m.w.N) reicht bei einer mehrjährigen Schulausbildung im Ausland der Wille, nach der Schulausbildung wieder in die Bundesrepublik zurückzukehren, nicht dazu aus, die Beibehaltung des Inlandswohnsitzes zu bejahen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Orte des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Aufenthalte des Kindes in der elterlichen Wohnung in den Schulferien von insgesamt weniger als drei Monaten im Jahr hielt der BFH im Falle einer auf neun Jahre angelegten Schulausbildung im Ausland nicht für ausreichend, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen (BFH-Urteil in BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279).

Im vorliegenden Fall kann zwar aufgrund der nicht bestrittenen Darlegung der Klin davon ausgegangen werden, dass M in der Wohnung der Klin geeignete Räumlichkeiten zum Wohnen zur Verfügung standen. Es wurde für den streitigen Zeitraum Mai 2003 bis August 2004 jedoch nur ein Inlandsaufenthalt vom 3. Dezember 2003 bis 04. Januar 2004 dargelegt. Die vorgelegten Reisepasskopien und Flugtickets weisen dagegen als Einreisedatum am Flughafen München den 13. Dezember 2003 und als Ausreisedatum den 05. Januar 2004 aus. Das von der Klägerin dargelegte Betriebspraktikum bei der Fa. B... von Mai 2003 bis Mitte August 2003 wurde nach den von der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen ebenfalls in den USA absolviert. Somit ist nur von einem gut dreiwöchigen Aufenthalt in einem Zeitraum von 16 Monaten auszugehen. Dieser Aufenthalt geht über einen üblichen Besuch in den Ferien bzw. zu den Weihnachtstagen nicht hinaus. Auch für den vorangegangenen Zeitraum seit Beginn des Studiums im Jahr 2001 sind aufgrund der vorgelegten Nachweise über das Studium in den USA und nach den vorgelegten Reisepasskopien keine Anhaltspunkte für über gelegentliche, kurze Besuche hinausgehende Aufenthalte im Inland ersichtlich. Dass M während seiner Inlandsaufenthalte auch ärztliche Leistungen in Anspruch genommen hat, ist nach Überzeugung des Gerichts kein Anhaltspunkt dafür, dass soziale Bindungen im Inland aufrechterhalten wurden. Hierfür kann auch eine Reihe von anderen Gründen maßgeblich gewesen sein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass M im streitigen Zeitraum Mai 2003 bis August 2004 schon 22 bzw. 23 Jahre alt war, bereits während des größten Teils seiner Volljährigkeit in den USA lebte, nur eine Berufsqualifikation an einer amerikanischen Bildungseinrichtung (Diplom etc.; im Gegensatz zum 2005 begonnenen prüfungslosen Gaststudium in Deutschland) anstrebte und auch das Betriebspraktikum in den USA absolvierte. Dies deutet eher darauf hin, dass angestrebt wurde, eine anschließende Berufstätigkeit ebenfalls in den USA aufzunehmen. Jedenfalls ist unter diesen Umständen nicht erkennbar, dass M im Inland soziale Bindungen in einem Umfang aufrechterhalten hat, die wenigstens einen von mehreren Schwerpunkten der Lebensverhältnisse im Inland begründen. Das Gericht sieht nach den Gesamtumständen des Falles den Nachweis eines Wohnsitzes im Inland als nicht geführt an. Die verbleibende Unsicherheit geht nach der o.g. Beweislastregel zu Lasten der Klin.

Desgleichen liegen keine Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im Sinne des § 9 Abgabenordnung vor, da weder ein zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer im Inland dargelegt und nachgewiesen wurde noch sonstige Umstände für ein mehr als nur vorübergehendes Verweilen im Inland ersichtlich sind.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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