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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 10 K 5528/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 12 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 5528/04

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 6. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom ... und der Einkommensteuerbescheid 2002 vom ..., beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ..., werden dahin gehend abgeändert, dass bei der Berechnung der Einkommensteuer 2001 weitere Werbungskosten in Höhe von 1981 DM und bei der Einkommensteuer 2002 weitere Werbungskosten in Höhe von 1087 EUR berücksichtigt werden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Einkommensteuern 2001 und 2002 neu zu berechnen, das Ergebnis dem Kläger unverzüglich formlos mitzuteilen und nach Rechtskraft der Entscheidung geänderte Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger bezog in den Streitjahren als Beamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Wie in den Vorjahren nahm der Kläger auch in den Streitjahren am Fortbildungskongress für praktische und wissenschaftliche Pharmazie der Bundesapothekerkammer in Meran teil. Der Arbeitgeber gewährte Dienstbefreiung im Umfang von drei Fünfteln der wegfallenden Arbeitszeit (vgl. § 16 Abs. 5 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter).

Kosten wurden dem Kläger nicht ersetzt. Streitig ist, ob die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Im Jahr 2001 fand der Kongress vom Sonntag, dem 20. Mai, bis Freitag, dem 25. Mai, statt.

Der Kläger reiste am Samstag zuvor an und am Samstag danach ab. Zum gesamten Kongressprogramm nebst dem angebotenen kulturellen Begleitprogramm wird auf das vom Kläger vorgelegte Tagungsprogramm verwiesen.

Im Jahr 2002 fand der Kongress vom Sonntag, dem 26. Mai, bis Freitag, dem 31. Mai, statt.

Der Kläger reiste wiederum am Samstag zuvor an und am Samstag danach ab. Zum gesamten Kongressprogramm nebst dem angebotenen kulturellen Begleitprogramm wird auf das Tagungsprogramm verwiesen.

Zum Nachweis, dass er an den täglichen Veranstaltungen am Vor- und Nachmittag, für die keine besonderen Kosten anfielen, teilgenommen hat, legte der Kläger die Teilnehmerverzeichnisse 2001 und 2002 und Testatkarten vor. Auf den Testatkarten 2001 und 2002 wurde dem Kläger jeweils durch einen Tagesstempel "Vormittagsveranstaltung" und "Nachmittagsveranstaltung" bestätigt, dass er an allen Tagen an einer Veranstaltung - von Montag- bis Freitagnachmittag ab 13.00 Uhr - teilnahm. Für Donnerstag, den 24. Mai 2001, wurde mit den Stempeln die Teilnahme an einer ganztägigen botanisch-wissenschaftlichen Exkursion bestätigt. Dabei handelte es sich um die Exkursion "Monte Baldo: Von San Michele/ Malcesine nach Navene". Die Wanderung wurde von Herrn Professor X geführt.

Auf der Testatkarte 2002 fehlen die beiden Stempel am Donnerstag, dem 30. Mai 2002. Der Kläger legte aber eine nummerierte Teilnehmerkarte für die Teilnahme an der botanischwissenschaftlichen Exkursion im Gebiet der Seiser Alpe vor. Ferner legte er eine Quittung über Exkursionskosten in Höhe von 60 EUR vor.

Bei der Veranlagung 2001 berücksichtigte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die Kosten der botanischen Exkursion in Höhe von 110 DM als Werbungskosten, da es der falschen Ansicht war, es handele sich um allgemeine Kurskosten für die Teilnahme am Kongress. Folgende vom Kläger geltend gemachte Kurskosten ließ das FA nicht zum Werbungskostenabzug zu: Jahr 2001 Fahrtkosten 388,60 DM Verpflegungsmehraufwendungen 6 Tage à 72 DM 432,00 DM An- und Abfahrt, 2 Tage à 20 DM 40,00 DM pauschale Übernachtungskosten, 7 Tage à 160 DM 1120,00 DM Summe 1980,60 DM 1012,66 EUR Jahr 2002 Fahrtkosten 201,00 EUR Kosten botanische Exkursion 60,00 EUR Verpflegungsmehraufwand An- und Abfahrt, 2 Tage à 12 EUR 24,00 EUR 6 Tage à 38 EUR 228,00 EUR pauschale Übernachtungskosten, 7 Tage à 82 EUR 574,00 EUR Summe 1087,00 EUR Die Einsprüche des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 vom ...und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom ...wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom ... zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger macht geltend, er habe an allen Tagen sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag an beruflichen Veranstaltungen teilgenommen. Vormittags hätten die Veranstaltungen - mit Ausnahme des Eröffnungstags - um 9.00 Uhr begonnen und nach dem Programm um 11.45 Uhr geendet. Praktisch hätten die Veranstaltungen aber aufgrund sich anschließender Diskussionen erst gegen 12.15 Uhr geendet. Nachmittags hätte er die kostenfreien Veranstaltungen ab 14.00 Uhr besucht, die bis mindestens 18.15 Uhr gedauert hätten. Entgegen dem Vortrag des FA seien die Testatkarten - trotz des kulturellen Begleitprogramms - geeignet, die tägliche Teilnahme an beruflichen Veranstaltungen zu beweisen. Hinzu komme, dass er zu den Veranstaltungen persönliche Aufzeichnungen gefertigt habe. Dies wäre ohne eine Teilnahme an den Vorträgen nicht möglich gewesen, so dass die handschriftlichen Anmerkungen in der Pharmazeutischen Zeitung 2001 und der Pharmazeutischen Zeitung 2002 seine Teilnahme belegen würden.

Auch an den botanisch-wissenschaftlichen Exkursionen habe er teilgenommen. Dabei handele es sich entgegen der Annahme des FA nicht um rein touristisch motivierte Bergwanderungen.

Die Wanderungen seien unter wissenschaftlicher Leitung durch Professoren oder Universitätsdozenten durchgeführt worden. So seien Pflanzenbestimmungen durchgeführt worden und im Verantwortungsbereich des Klägers befänden sich mehrere Firmen, die Kräuter verarbeiten. Auch sei der Kläger Spezialist für ... tätig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom ... und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom ..., beide in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom ..., dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 2001 weitere Werbungskosten in Höhe von 1980,60 DM/1012,66 EUR und im Jahr 2002 in Höhe von 1087 EUR berücksichtigt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA vertritt die Ansicht, es stehe nicht fest, dass der Kläger an allen Tagen an beruflichen Veranstaltungen teilgenommen habe. Die Testatkarten seien nicht aussagekräftig. Der Veranstalter habe auch untertags ein kulturelles Begleitprogramm angeboten. Zudem seien die botanischen Exkursionen als Wanderungen anzusehen, die sich von rein touristischen Wanderungen in den attraktiven Berggegenden nicht nennenswert unterscheiden würden.

Mit Einverständnis beider Parteien ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Werbungskosten sind - über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz -EStG- hinaus, alle Aufwendungen, die durch eine Einkunftsart veranlasst sind. Dies ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Fall, wenn die Aufwendungen objektiv 5 mit dem Beruf zusammen hängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden.

Hiernach sind auch Aufwendungen für Reisen als Werbungskosten abziehbar, wenn sie durch den Beruf veranlasst sind.

Der Abzug von Reisekosten setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines wissenschaftlichen Vortrags auf einem Fachkongress) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Ist - wie im Streitfall - ein solcher unmittelbarer Anlass der Reise nicht gegeben, liegen Werbungskosten nur dann vor, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen (vgl. § 12 Nr. 1 EStG), wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01, BFH/NV 2006, 1968). So liegen die Verhältnisse im Streitfall.

a) Der Kläger hat ausreichend nachgewiesen, dass er an den Vormittags- und Nachmittagsveranstaltungen teilgenommen hat. Dabei ist unerheblich, dass die Testatkarten an den Nachmittagen pauschal die Teilnahme ab 13.00 Uhr bestätigen, während der Kläger selbst vorträgt, die ab 14.00 Uhr laufenden Veranstaltungen besucht zu haben. Aufgrund der vorgelegten handschriftlichen Anmerkungen des Klägers in den Pharmazeutischen Zeitschriften 2001 und 2002 hält der Senat es für ausreichend belegt, dass der Kläger die Veranstaltungen tatsächlich besucht hat. Diese Anmerkungen wären ohne Kenntnis von den Vorträgen nicht möglich. Da der Kläger an den Veranstaltungen teilgenommen hat, waren seine Arbeitstage weitgehend wie ein üblicher Arbeitstag mit beruflichen Veranstaltungen ausgefüllt. Insbesondere war die Mittagspause zu kurz, um gewichtige private Freizeitunternehmungen durchführen zu können. Das abendliche Freizeitprogramm ist unschädlich, so dass es nicht darauf ankommt, wieweit es der Kläger ausgenutzt hat.

b) Die botanisch-wissenschaftlichen Exkursionen stehen dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, da sie nur zu einer untergeordneten privaten Mitveranlassung führen.

Der Kläger hat die Teilnahme an den Exkursionen ausreichend belegt. Es sind keine Umstände erkennbar, die dafür sprechen, dass er die nachgewiesenen Exkursionskosten grundlos getätigt hat.

Bei sechs Kurstagen (ohne An- und Abreise) entspricht ein Exkursionstag 16,67% der gesamten Kongresszeit. Nach überwiegender Ansicht liegt eine untergeordnete private Mitveranlassung nicht mehr vor, wenn die private Veranlassung mindestens 10% beträgt.

Jedenfalls bei einer privaten Veranlassung von 15% hat der BFH Werbungskosten verneint (vgl. BFH vom 20.7.2006, VI R 94/01, a.a.O.). Würde man somit annehmen, die Exkursionen seien ausschließlich privat veranlasst, läge eine erhebliche private Mitveranlassung der Teilnahme am gesamten Kongress vor. Indes hat der Kläger überzeugend vorgetragen, dass die jeweiligen Wanderungen einen beruflichen Bezug haben. Die Exkursionen wurden von qualifiziertem Personal geführt. Die Bestimmung von Pflanzen ist auch für die konkrete berufliche Betätigung des Klägers von Bedeutung, da er für die Überwachung von kräuterverarbeitenden Betrieben zuständig ist. Zudem geht der Senat davon aus, dass die Exkursionen der Kontaktpflege dienten. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Wanderungen in den ausgewählten Urlaubsgebieten im großen Umfang auch aus rein touristischen Motiven durchgeführt werden. Damit steht der beruflichen Veranlassung auch ein privates Interesse gegenüber, das sich allerdings einer exakten zahlenmäßigen Quantifizierung entzieht. Aufgrund der gesamten Verhältnisse des Streitfalles bewertet der Senat das private Interesse des Klägers an den Wanderungen im Verhältnis zur beruflichen Veranlassung der Teilnahme am gesamten Kongress als geringfügig (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1974 I R 81/72, BStBl II 1974, 291).

c) Der Höhe nach sind die Werbungskosten wie vom Kläger beantragt als Werbungskosten abzuziehen. Das FA hat gegen den Ansatz pauschaler Übernachtungskosten keine Bedenken erhoben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. § 708 und § 711 Zivilprozessordnung.

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Senat kam zur überwiegenden beruflichen Veranlassung der gesamten Aufwendungen, da er die privaten Momente des jeweiligen Exkursionstags in Relation zur gesamten Kongresswoche beurteilt hat. Die Ausführungen des BFH-Beschlusses vom 20.7.2006 VI R 94/01, a.a.O., unter B III 5. c versteht der Senat dahin, dass sich an dieser Betrachtung nichts ändern soll.

Sollte jedoch die berufliche/private Veranlassung tageweise zu prüfen sein, wäre das Abwägungsergebnis anders ausgefallen. Im Vergleich der beruflichen/privaten Momente nur des jeweiligen Exkursionstags liegt nach Ansicht des Senats eine erhebliche private 7 Mitveranlassung mit der Folge vor, dass die Aufwendungen für diese Tage keine Werbungskosten wären. Der Höhe nach wären die im Tenor anerkannten Werbungskosten dann anteilig wie folgt zu kürzen: 2001: 1/6 Fahrtkosten 64,76 DM Verpflegungsmehraufwendungen 1 Tag à 72 DM 72,00 DM 1/6 von 40 DM 6,66 DM 1 Übernachtung 160,00 DM Exkursionskosten 110,00 DM Summe 413,42 DM 2002: 1/6 Fahrtkosten 33,50 EUR Verpflegungsmehraufwendungen 1 Tag à 38 EUR 38,00 EUR 1/6 von 24 EUR 4,00 EUR 1 Übernachtung 82,00 EUR Exkursionskosten 60,00 EUR Summe 217,50 EUR



Ende der Entscheidung

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