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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 10 K 819/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1 S. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 819/07

Einkommensteuer 1995 und 1996 sowie gesonderter Feststellung des Verlusts nach § 10d Abs. 3 EStG zum 31.12.1997

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob eine Privatnutzung eines Kraftfahrzeugs vorlag, für die eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen anzusetzen ist.

I.

Der Kläger (Kl) erklärte in seiner Einkommensteuer(ESt)erklärung 1995 u.a. einen durch Bilanz ermittelten gewerblichen Verlust aus der Vermittlung von Immobilien und Exklusivfahrzeugen in Höhe von 42.671 DM (einschließlich Gewinnkorrekturen durch Wechsel der Gewinnermittlungsart). Im Anlagevermögen wies der Kl zum 31.12.1995 einen Vorführwagen Ferrari mit einem Wert von 420.000 DM aus.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Einkünfte zunächst durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid vom 29.01.1997 erklärungsgemäß an. Mit Änderungsbescheid vom 24.07.2000 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. In seiner ESt-Erklärung 1996 erklärte der Kl u.a. einen durch Bilanz ermittelten Verlust aus dem o.g. Gewerbebetrieb in Höhe von 19.835 DM, den das FA mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 15. Juni 1998 erklärungsgemäß anerkannte. In der ESt-Erklärung 1997 wies der Kl einen durch Bilanz ermittelten gewerblichen Verlust in Höhe von 14.663 DM aus, den das FA durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid vom 02.06.1999 erklärungsgemäß anerkannte.

Eine Privatnutzung des Fahrzeugs Ferrari berücksichtigte der Kl in keinem der Streitjahre gewinnerhöhend.

Aufgrund einer u.a. die ESt 1995 - 1997 umfassenden Steuerfahndungsprüfung kam das FA - u.a. - zu dem Ergebnis, dass der Ferrari auch privat benutzt wurde. Mit für 1995 nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und für 1996 und 1997 nach § 164 AO ergangenen Änderungsbescheiden vom 27.09.2004 folgte das FA den Ergebnissen der Fahndungsprüfung. Die private Nutzung des betrieblichen PkW setzte das FA in 1995 mit 30% der erklärten Betriebsausgaben (28.052,98 DM x 30% = 8.415,89 DM), in 1996 mit 24.184,62 DM und in 1997 mit 20.292,54 DM an. Dabei ging das FA für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1997 davon aus, dass der sich bei Anwendung der 1%-Regelung ergebende Entnahmewert (12% von 1.500.000 DM = 180.000 DM) durch die tatsächlichen Betriebsausgaben gedeckelt wird.

Die ESt setzte das FA unter Ansatz gewerblicher Einkünfte in Höhe von ./. 34.254 DM für 1995 auf 3.162,85 EUR, unter Ansatz gewerblicher Einkünfte in Höhe von 4.349 DM für 1996 auf 13.743,53 EUR und unter Ansatz gewerblicher Einkünfte in Höhe von 5.630 DM für 1997 auf 0 EUR fest. Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31.12.1997 wurde der verbleibende Verlustabzug auf 38.308 DM festgestellt.

Die hiergegen gerichteten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 08.02.2007 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen folgendes geltend gemacht: Der Ferrari sei nicht privat genutzt worden.

Der Kl beantragt,

die Bescheide über Einkommensteuer 1995 und 1996 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.1997 vom 27.09.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2007 dahingehend abzuändern, dass die gewerblichen Einkünfte in 1995 um 8.415,89 DM, in 1996 um 24.184,62 DM und in 1997 um 20.292,54 DM verringert werden sowie die ESt 1995 und 1996 entsprechend herabgesetzt und der festgestellte Verlustabzug zum 31.12.1997 entsprechend erhöht wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidungen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Fahndungsbericht vom 20.08.2004, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten auf die Schriftsätze des Kl vom 01.03.2007 und 19.05.22008 und des FA vom 26.03.2007 sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Das FA hat zu Recht eine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs Ferrari gewinnerhöhend berücksichtigt.

a) Nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG sind Entnahmen aus dem Betrieb gewinnerhöhend anzusetzen.

Eine Entnahme kann auch durch private Nutzung eines Gegenstands des Betriebsvermögens verwirklicht werden. Betriebsvermögen und damit Gegenstand der Nutzungsentnahme kann auch Vorratsvermögen des Kraftfahrzeughändlers sein (Schmidt/Glanegger EStG, 24. Aufl. 2007, § 6 Rz. 420).

Die Bestimmungen über die Bewertung des Vorteils aus einer unentgeltlichen oder verbilligten Fahrzeugüberlassung kommen allerdings nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet. Jedoch spricht nach der Rechtsprechung des BFH aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs. Der Anscheinsbeweis kann entkräftet oder erschüttert werden, ohne dass es hierzu des Beweises des Gegenteils bedarf. Es genügt vielmehr, einen Sachverhalt darzulegen, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt (vgl. etwa BFH-Urteil vom 15.03.2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302).

Nutzungsentnahmen durch Privatfahrten mit einem betrieblichen Pkw sind nach der Rechtsprechung des BFH im Veranlagungszeitraum 1995 durch Ansatz der hierauf entfallenden tatsächlichen Selbstkosten gewinnerhöhend zu berücksichtigen (Urteil vom 24.05.1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8 m.w.N.).

Ab dem Veranlagungszeitraum 1996 ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten der Sonderausstattung einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG kann die private Nutzung abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

b) Im vorliegenden Fall ist der Senat nach den Gesamtumständen des Falles von einer privaten Nutzung des Ferrari in den Streitjahren überzeugt.

Diese Überzeugung ergibt sich zum einen daraus, dass nach der Lebenserfahrung gerade hochwertige Fahrzeuge auch privat genutzt werden, wenn die Möglichkeit hierzu besteht. Zwar wies der Kl das Fahrzeug in der Bilanz für 1997 als Umlaufvermögen aus. Es war jedoch --anders als bei einem typischen Gebrauchtwagenhandel-- nicht nur kurze Zeit, sondern über den gesamten, mehrere Jahre umfassenden Streitzeitraum im Betriebsvermögen. Zudem stellte der PkW Ferrari nach den eingereichten Gewinnermittlungen zumindest während des Streitzeitraums auch den hauptsächlichen Inhalt des gesamten Gebrauchtwagenhandels dar. Das Aktivvermögen weist in den Gewinnermittlungen aller drei Streitjahre nur den PkW Ferrari aus. Die Gewinnermittlung 1996 weist Fahrzeugeinkäufe für 42.863,04 DM und -verkäufe für 47.906,60 DM, die Gewinnermittlung 1997 Fahrzeugeinkäufe für 171.993 DM und -verkäufe für 179.743 DM aus. Der PkW Ferrari stellte danach in den Streitjahren das wertvollste Fahrzeug im Betriebsvermögen des Kl dar und stand zudem während des gesamten Streitzeitraums für eine Nutzung durch den Kl zur Verfügung. Unter diesen Umständen begegnet die Annahme des FA, dass eine Privatnutzung betrieblicher Fahrzeuge sich nach der Lebenserfahrung auf dieses Fahrzeug bezieht, keinen rechtlichen Bedenken.

Der Kl hat auch nichts vorgetragen, was den Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu erschüttern vermag. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kl falsche Angaben zu den Kilometerständen des Fahrzeuges am jeweiligen Jahresende gemacht hat. Laut Schreiben des steuerlichen Vertreters des Kl vom 09.11.1995 soll der Tachostand am 31.12.1994 4.974,20 km betragen haben. Laut der zunächst vom Kl eingereichten Einnahmenüberschussrechnung für 1995 sollen in 1995 1.140,30 km gefahren worden sein. Hieraus ergibt sich ein Tachostand zum 31.12.1995 von 6.114,50 km. Nach der Reparaturrechnung der Fa. M vom 02.08.1995 betrug der Tachostand jedoch am 01.08.1995 bereits 6.355 km. Im Schreiben vom 26.03.1999 gab der Kl an, dass er in 1997 nur eine Fahrt nach S zu G mit insgesamt 1.468 km unternommen habe. Aus dem Schreiben der Fa. M vom ....1996 an den Kl ergibt sich jedoch, dass der Kl zur ...Ferrari Feier vom ...1997 in Z eingeladen war. Auf dem Schreiben befindet sich eine handschriftliche Antwort "...Gerne nehmen wir an der Veranstaltung teil...". Ferner ergibt sich aus dem vom Prüfer ermittelten Kontoauszug der X vom ....1997 die Überweisung der Teilnahmegebühr für diese Veranstaltung. Die spätere Einlassung des Kl, er habe das Ferraritreffen nutzen wollen, um Verkaufsbemühungen vorzunehmen, wertet der Senat aufgrund des vorangegangenen Vortrags des Kl als reine Schutzbehauptung. Auch die nicht mehr den Streitzeitraum betreffende Mitteilung des Kl über den Tachostand zum Ende des Jahres 1998 vom 11.04.2000 (8.487,30 km, davon in 1998 gefahren 140 km) ist zur Überzeugung des Senats unrichtig. Denn aus der Reparaturrechnung der Fa. Y vom ....1998 ergibt sich bereits ein Kilometerstand von 9.267 km. Der Senat geht auf Grund dieser Umstände davon aus, dass der Kl die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse und damit insbesondere die private Nutzung verschleiern wollte. Schließlich hat der Kl für die Streitjahre --mit Ausnahme der o.g. nicht glaubhaften Fahrt nach S-- weder substantiiert dargelegt, welche betrieblichen Fahrten unternommen wurden noch Nachweise (z.B. über konkrete Verkaufsgespräche/Probefahrten etc.) hierfür vorgelegt. Der Vortrag, zur Vermeidung von Standschäden seien bei Exklusivfahrzeugen Bewegungsfahrten durchzuführen, überzeugt ebenfalls nicht. Denn zum einen hat der Kl nicht substantiiert dargelegt, wann und in welchem Umfang Bewegungsfahrten durchgeführt wurden. Zum anderen würde der Senat einer ohne weiteren betrieblichen Anlass durchgeführten Bewegungsfahrt mit einem Exklusivfahrzeug zumindest gemischt betrieblich/ privaten Charakter beimessen, so dass hierdurch der Anscheinsbeweis nicht entkräftet wird. Es ergibt sich daher auch nicht die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs.

Aufgrund der vorliegenden Privatnutzung hat das FA zu Recht eine Nutzungsentnahme angesetzt. Die Nutzungsentnahme hat das FA für 1995 nach R 118 S. 3 Einkommensteuerrichtlinien 1993 mit 30% der auf die Fahrzeugnutzung entfallenden Selbstkosten bewertet. Diesen Ansatz hält der Senat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass betriebliche Fahrten allenfalls in geringem Umfang (Werkstattbesuche) nachgewiesen wurden und auch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch fehlt, jedenfalls für nicht überhöht. Für 1996 und 1997 wurde mangels Vorlage eines Fahrtenbuches zu Recht die 1-%-Regelung angewandt. Dabei kann der Senat die vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung behauptete Tatsache, dass der Bruttolistenpreis des Ferrari F 40 nicht wie vom FA zugrunde gelegt 1.500.000 DM, sondern nur 420.000 DM betrug, als richtig unterstellen. Denn auch in diesem Fall ergibt sich unter Anwendung der 1%-Regelung mit 50.400 DM p.a. (12% von 420.000 DM) ein über den tatsächlich geltend gemachten Kfz-Kosten (1996: 24.184,62 DM; 1997: 20.292,54 DM) liegender Betrag. Ob das FA für 1996 und 1997 zu Recht eine Kostendeckelung vorgenommen hat, kann der Senat dahingestellt sein lassen, da diese Maßnahme ausschließlich zugunsten des Kl erfolgte.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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