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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 10 V 1559/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 V 1559/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Kindergeld für S von Januar bis März 2007

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 11. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Aufhebungsbescheid vom 06.09.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2007 wird insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als hierin die Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar 2007 bis März 2007 aufgehoben wird.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Antragstellerin (AStin) ist die Mutter des am ....1980 geborenen S. S beendete im Dezember 2006 sein Medizinstudium mit der erfolgreich abgelegten ärztlichen Prüfung. Im März 2007 heiratete S. Am 01.04.2007 begann er eine Assistenzarzttätigkeit in der Schweiz, für die er in 13 Monatsgehältern einen Lohn in Höhe von 81.680 CHF vereinbarte.

Die Antragsgegnerin (die Familienkasse --FK--) gewährte der AStin bis einschließlich März 2007 Kindergeld für S. Mit Bescheid vom 06.09.2007 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab April 2005 auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch beschränkte die FK mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2007 den Aufhebungsbescheid auf den Zeitraum ab Januar 2007 und den Rückforderungsbescheid auf die Monate Januar 2007 bis März 2007, mithin auf einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 462 EUR. Im Übrigen wies sie den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die in der Hauptsache unter dem Az ... eingereichte Klage.

Den Antrag der AStin auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die FK mit Bescheid vom 17.03.2008 ab.

Mit dem vorliegenden Antrag verfolgt die AStin ihr Begehren auf Aussetzung der Vollziehung weiter. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass S seit Juli 2005 Doktorand sei, während des streitigen Zeitraums an seiner Dissertation gearbeitet und sich damit weiter in Ausbildung befunden habe.

Die AStin beantragt sinngemäß,

den Aufhebungsbescheid vom 06.09.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2007 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als hierin die Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar 2007 bis März 2007 aufgehoben wird.

Die FK beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass die Einkünfte des S aufgrund der im April 2007 aufgenommenen Tätigkeit den gesetzlichen Grenzbetrag überschritten hätten.

Im Übrigen wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Akten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist begründet:

1. Nach § 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Finanzgericht die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen.

Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 07.06.1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15.01.1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994;vom 25.08.1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; und vom 23.06.1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

2. Im vorliegenden Fall hat der Senat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.

a) Gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und § 52 Abs. 40 S. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 vom 19.07.2006 (BGBl. I 2006, 1652) besteht für Kinder, die --wie im vorliegenden Fall S-- im Jahr 2006 das 26. Lebensjahr vollendet haben, Kindergeldanspruch grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Im Falle der Ableistung von Zivildienst verlängert sich die maximale Bezugsdauer nach § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG um die Dauer des Dienstes über das 27. Lebensjahr hinaus.

Nach Vollendung des 21. Lebensjahres kommt ein Kindergeldanspruch u.a. in Betracht, wenn das Kind sich in einer Berufsausbildung oder einer höchstens viermonatigen Übergangszeit befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a - c EStG).

Als Bestandteil der Berufsausbildung ist in der Rechtsprechung u.a. auch eine Promotionsvorbereitung anerkannt. Dies gilt auch dann, wenn eine Promotion für den angestrebten Beruf zwar nicht erforderlich, aber geeignet ist, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern (BFH-Urteil vom 26.11.2003 VIII R 30/03, BFH/NV 2004, 1223). Im vorliegenden Fall hat die AStin durch die vorgelegte Bescheinigung des Promotionsbetreuers vom 06.07.2005 zumindest glaubhaft gemacht, dass sich S im streitigen Zeitraum Januar 2007 bis März 2007 mit großer Wahrscheinlichkeit noch in der Promotionsvorbereitung und somit in Ausbildung befunden hat. Die abschließende Beweiserhebung bleibt insoweit jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

b) § 32 Abs. 4 S. 2 EStG schließt einen Kindergeldanspruch aus, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat.

Erfüllt das Kind die Voraussetzungen des Kindergeldtatbestands nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, geht es aber während eines Teils des Berücksichtigungszeitraums einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, ist nach neuerer Rechtsprechung des BFH hinsichtlich der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge eine Günstigerprüfung durchzuführen (BFH-Urteil vom 16.11.2006 III R 15/06, BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56). Überschreiten die Einkünfte und Bezüge unter Einbeziehung der Zeit der Vollzeiterwerbstätigkeit den Jahresgrenzbetrag nicht, besteht Kindergeldanspruch während des gesamten Zeitraums, für den ein Berücksichtigungstatbestand erfüllt wird. Überschreiten die Einkünfte und Bezüge unter Einschluss der Zeiten der Vollzeiterwerbstätigkeit dagegen den Jahresgrenzbetrag, wird das Kind nur für die Monate berücksichtigt, in denen es keiner Vollzeiterwerbstätigkeit nachging, wenn die auf diese Monate entfallenden Einkünfte und Bezüge den anteiligen Grenzbetrag nicht überschreiten.

Im vorliegenden Fall ist nach Aktenlage mit der FK davon auszugehen, dass bei Einbeziehung der Zeiten der Vollzeiterwerbstätigkeit der Jahresgrenzbetrag weit überschritten wird. Für die Monate Januar 2007 bis März 2007 hat die Klin jedoch vorgetragen, dass S keine Einkünfte erzielte. Gegenteiliges ergibt sich weder aus dem Vortrag der FK noch aus den Akten. Es spricht daher einiges dafür, dass für S in den Monaten Januar 2007 bis März 2007 ein Kindergeldanspruch bestand.

Ob der Kindergeldanspruch ab April 2007 darüber hinaus auch durch die Heirat des S ausgeschlossen wird, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt bleiben.

3. Soweit das Gericht einen Grundlagenbescheid (hier Aufhebungsbescheid) von der Vollziehung aussetzt, hat die Finanzbehörde nach § 69 Abs. 2 S. 4 FGO von Amts wegen einen darauf beruhenden Folgebescheid (hier Rückforderungsbescheid) von der Vollziehung auszusetzen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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